Beantwortung zur Anfrage

337/2002

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 11/29/2002
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 6116-07



Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    SPD-Gemeinderatsfraktion
Datum
    09/30/2002
Betreff
    FNP-Änderung Rohrer Weg, Stuttgart-Möhringen
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Anlagen:
Text der Anfrage


Stellungnahme:

Im Dezember 1990 wurde die Untersuchung zur ökologischen Bedeutung des Streuobstwiesenbereiches im Gebiet “Am Rohrer Weg/Sindelbach” vorgelegt und dabei dessen Naturschutzwürdigkeit festgestellt. Als Konsequenz beschloss der Gemeinderat 1992, die geplante Wohnbaufläche des FNP 90 (1984 genehmigt) nach Süden in die Feldflur zu verschieben und eine entsprechende FNP-Änderung und Bebauungsplanung einzuleiten. Da das FNP-Änderungsverfahren noch nicht abgeschlossen war, wurde 1995 die gesamte Randzone um die geplante W-Fläche an der Grenze des FNP 90 unter Landschaftsschutz gestellt. Zuvor waren nur die Flurstücke in der Talaue beidseits des Sindelbachs seit 1961 im Landschaftsschutzgebiet Nr. 30.


Fragen aus der öffentlichen Diskussion


1. Recht auf Bebauung

Ein Bauanspruch besteht nicht.

Lediglich ein Randstreifen entlang der Udamstraße wird von einem Ortsbauplan von 1942 der früher selbstständigen Gemeinde Möhringen erfasst. Dessen Anbauvorschriften sind nach der Rechtsprechung nichtig. Eine Baustaffelfestsetzung erfolgte nach der Eingemeindung nicht. 1961 sollte dieser Streifen für eine am Siedlungsrand geführte Straße mit anschließendem Bauverbot in Anspruch genommen werden. Dieser Bebauungsplan ist jedoch wegen nicht öffentlicher Beschlussfassung formell nichtig, die Straße wurde nicht hergestellt. Ein Teil dieses Streifens steht unter Landschaftsschutz. Die besondere Schutzwürdigkeit der Streuobstwiese auch außerhalb des Landschaftsschutzes steht - u. a. nach Maßgabe des § 42 BNatSchG - einem Rückgriff auf die überholte Konzeption beider Planungen entgegen. Einem Bauanspruch gestützt auf den o. a. nicht qualifizierten Bebauungsplan stehen §§ 30 Abs. 3, 35 Abs. 3 BauGB entgegen, von der fehlenden Erschließung i. S. d. § 29 BauGB ganz abgesehen.

Dass kein Anspruch auf Aufstellung eines Bebauungsplans besteht, folgt auch § 2 Abs. 3 BauGB.

2. Schadensersatz

Nein, - eine enttäuschte Bauerwartung ist nicht entschädigungsfähig.

3. Vergleichbare Fälle

Ja, - das Streuobstwiesengebiet Greutterwald/Weilimdorf war beispielsweise bis zu seiner Unterschutzstellung als Naturschutzgebiet im FNP als geplante W-Fläche dargestellt. Da kein planungsrechtlich relevanter Planungsschaden entstanden war, konnte keine Entschädigung oder andere “Ausgleichs-leistungen” gezahlt werden.

4. Grundbesitzabgaben

Im Rohrer Weg liegen landwirtschaftliche Grundstücke im Außenbereich, die je nach Zugehörigkeit zu einem landwirtschaftlichen Betrieb nach Grundsteuer A, sonst nach Grundsteuer B veranlagt sind. Das Finanzamt/Körperschaften legt den Steuermessbetrag fest. Die Steuerschuld ergibt sich aus der Multiplikation mit dem vom Gemeinderat beschlossenen Hebesatz.

Der vom Finanzamt zugrunde gelegte Einheitswert für landwirtschaftliche Grundstücke stammt aus der Vorkriegszeit (1936 bzw. von 1964). Eine Überprüfung des Steuermessbetrages erfolgt nur anlassbezogen z. B. bei Änderungen der Besitzverhältnisse (Verkauf, Teilung, Schenkung, Vererbung) oder nach Mitteilung des städtischen Steueramtes, wenn ein neuer Bebauungsplan rechtsverbindlich geworden ist und sich dadurch die Nutzungsmöglichkeiten geändert haben.

Eine Anpassung des Steuermessbetrags erfolgt nicht bei Änderung der Flächennutzungsplanung. Dementsprechend hat sich der vom Finanzamt festgelegte Steuermessbetrag im Gebiet “Am Rohrer Weg/Sindelbach” in den letzten Jahrzehnten nicht geändert.

Allerdings wurde der vom Gemeinderat festzulegende Hebesatz ab 1991 von ca. 250 auf heute einheitlich 410 Punkte angehoben. Die daraus entstandene Erhöhung der Grundsteuer hat nichts mit einer vermeintlich verbesserten Bauerwartung zu tun.

5. Erbschaften

Der Erbfall ist ein Anlass, der zu einer Neubewertung des zu diesem Zeitpunkt aktuellen Grundstückswertes führt. Zur Ermittlung einer gerechten Steuerschuld und gerechten Besitzverteilung unter den Erben kann es sein, dass eine Ermittlung des Grundstückswertes durch Sachverständige (z. B. Gutachterausschuss) vorgenommen wurde.

Maßgeblich ist hier der Verkehrswert eines Grundstückes.

Beispielfall

Der vom Sprecher der Grundstückseigentümer im Gebiet “Am Rohrer Weg/Sindelbach” öffentlich gemachte Fall einer Grundstücksbewertung im Rahmen einer Erbauseinandersetzung im Jahr 1979 zeigt beispielhaft, wie sich die am Markt erzielbaren Verkehrswerte entsprechend den Hoffnungen auf eine zukünftige Verwertung ändern können: In der Wertermittlung des Gutachterausschusses der Landeshauptstadt Stuttgart wird zum Bewertungstermin August 1979 festgestellt, dass das Grundstück “Baumacker” ist, im FNP 1974 und in der 1978 begonnenen Fortschreibung zum FNP 1990 des Nachbarschaftsverbandes als “Wohnbaufläche” dargestellt ist und die “Zeitstufenliste” der Stadt von einem Bebauungsplan und der Erschließung bis 1990 ausgeht, was einen Grundstückswert von 100,- DM/m² ergibt.

Die Wertermittlung war zu diesem Zeitpunkt (1979) völlig korrekt und auch in anderen vergleichbaren Gebieten des FNP 1974 wurden zu diesem Zeitpunkt 100,- bis 110,- DM/m² für potenzielle Wohnbauflächen bezahlt.

Veränderungen des Verkehrswertes ergaben sich zwangsläufig in Folge der ab 1992 veränderten Nutzungsabsicht (Einleitung FNP-Änderungsverfah-ren, 1996 Vorentwurf zum FNP 2010 mit neuer Abgrenzung).

Auf derartige Änderungen wird über amtliche Bekanntmachungen im Amtsblatt hingewiesen. Das Risiko von Wertänderungen insbesondere bei Außenbereichsgrundstücken kann nicht durch Hinweise durch die Stadtverwaltung ausgeschlossen werden, sollte aber bei der Abfassung der notariellen Verträge bedacht werden.

Die steuerliche Bewertung dieses Grundstücks hat sich seit den 60er Jahren nicht geändert.

6. Landschaftsschutz/Naturschutz

Die höhere Naturschutzbehörde im Regierungspräsidium ist bestrebt, den Streuobstwiesenbereich insgesamt unter Schutz zu stellen, nachdem sich bei einer aktuellen Überprüfung dessen Schutzwürdigkeit bestätigt hat.

Überwachung

In den Jahren 1992 und 1993 wurden von der Unteren Naturschutzbehörde in verschiedenen Fällen Baumfällungen durch Einzelverfügungen gestoppt.

1995 wurde das Landschaftsschutzgebiet "Glemswald" durch das Regierungspräsidium Stuttgart ausgewiesen. Eine einstweilige Sicherstellung der Streuobstwiesenbereich "Rohrer Weg" nach § 60 Abs. 2 des Landesnaturschutzgesetzes müsste daher ebenfalls durch das Regierungspräsidium Stuttgart erfolgen. Die endgültige Unterschutzstellung wäre durch eine Erweiterung des Schutzgebietes "Glemswald" zu gewährleisten.

Die Überwachung der Schutzbereiche sowie das Einschreiten bei Verstößen gegen die Schutzbestimmungen müssten durch die städtischen Fachämter erfolgen.

Handlungsbedarf

Durch die Erwartung zukünftiger Baumöglichkeiten wurde die landwirtschaftliche Nutzung der Streuobstwiesen extensiviert, was zu einer deutlichen Steigerung der ökologischen Wertigkeit geführt hat.

Handlungsbedarf besteht zum Einen in der bei Unterstützung einer bisher unterlassenen Regeneration des Obstbaumbestandes und in flankierenden Maßnahmen (Information, Überwachung) bei Veränderung des Schutzgebietes in Folge einer Neuabgrenzung der geplanten Baufläche.





Dr. Wolfgang Schuster