Stellungnahme zum Antrag

65/2003

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 03/25/2003
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 7000-03



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Küstler Ulrike (PDS) , PDS im Stuttgarter Gemeinderat
Datum
    03/07/2003
Betreff
    Top 6 GR 13.03.03. Punkt 3. weitere US Cross-Border Leases
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Die Verwaltung hat mit der GRDrs 197/2003 über die 2002 durchgeführte US-Cross-Border-Lease Transaktion für das Abwasserkanalnetz berichtet. Mit dem Memorandum in der dortigen Anlage 2 wurde das Sonderfinanzierungsinstrument aktuell dargestellt und zu Fragen in der Medienberichterstattung Stellung genommen. Mit der dortigen Anlage 3 wurden ausführlich die Fragen der SPD-Gemeinderatsfraktion zum US-Leasing beantwortet. Insoweit brauchen die in diesem Zusammenhang dargestellten Argumente nicht wiederholt werden.

Zu 1. Die Frage der politisch-moralischen Beurteilung einer US-Sonderfinanzierung wurde 1999 im Rahmen des ersten US-Lease für die Stadtentwässerung Stuttgart (SES) vertieft diskutiert. Es bestand insoweit Konsens, dass es vertretbar ist, steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten wahrzunehmen, wenn es die Gesetze zulassen.

Die ökologischen Standards werden durch das US-Leasing nicht zurückgefahren, vielmehr verpflichtet sich die Stadt, ihre Anlagen nach den bestehenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu führen, zu deren Einhaltung sie schon bisher verpflichtet ist. Dazu gehören selbstverständlich auch die notwendigen Anpassungen der Anlagen.

Zu 2. Eine US-Lease-Transaktion wird sowohl bei der US-Finanzverwaltung angemeldet und registriert, als auch mit der deutschen Finanzverwaltung verbindlich abgestimmt und dem Regierungspräsidium zur Genehmigung vorgelegt. Die deutschen und US-Rechtsanwälte der Stadt haften bei Fehlberatung bei der Vorbereitung und Durchführung der Transaktion.

Die Stadt bleibt immer zivilrechtlicher Eigentümer. Zumindest bis zum Optionszeitpunkt in 29 Jahren bleibt die Stadt auch wirtschaftlicher Eigentümer sowie Besitzer der Anlagen, die sich aber auch gleichzeitig der US-Investor nach amerikanischem Steuerrecht wirtschaftlich zurechnen lassen und abschreiben kann.

Der Gerichtsstand in den USA birgt keine unkalkulierbaren Risiken! Die bisherige US-Lease-Praxis mit deutschen Vertragspartnern hat gezeigt, dass alle beteiligten Parteien an einem ungestörten Vertragsablauf sehr interessiert sind. Die Geltendmachung gewisser Ansprüche kann einem ausschließlichen Gerichtsstand in Stuttgart unterliegen. Selbst wenn ein Urteil in den USA erwirkt worden ist, wäre vor dessen Vollstreckung in Deutschland eine Vollstreckungsanerkennungsprüfung durchzuführen.

Die Stadt hat mit den Verträgen keine Sicherheiten geleistet. Nur wenn die Bonität des SES als Rückmieter der Anlagen, zum Beispiel bei einer Privatisierung, als geschmälert gelten könnte, hat die US-Seite das Recht, die Nutzungsrechte für die US-Seite aus dem Hauptmietvertrag mit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten an Schlüsselgrundstücken zu unterlegen sowie den noch offenen Steuervorteil des US-Investors durch ein Akkreditiv zu sichern.

Es ist darauf hinzuweisen, dass schon die deutschen Anwälte des US-Investors auf eine flexibel funktionsfähige und damit ungestörte Durchführbarkeit der Verträge achten. Dies gilt insbesondere bis zum Kündigungsoptionszeitpunkt in 29 Jahren, bis zu dem der US-Investor seinen Steuerstundungseffekt realisiert haben will.

Die amerikanische Finanzbehörde Internal Revenue Service (IRS) beschreibt als Hilfe für die Steuerpflichtigen auch Finanzierungsgestaltungen, die steuerlich nicht anerkannt werden. Diese haben die Parteien für die Transaktionen natürlich nicht unterlegt. Zur umstrittenen Monitorberichterstattung gab es sachliche Klarstellungen in der Fachpresse und den Medien. Von der Firma DaimlerChrysler gibt es eine im Internet abrufbare Gegendarstellung.

In einem Umfang, wie es bei anderen Geschäften der Stadt nicht immer geleistet werden kann, werden für das Finanzierungsinstrument Cross-Border-Leasing alle nur denkbaren Risiken aufgedeckt, analysiert und bewertet. Die Verwaltung ist der Ansicht, dass z.B. das Risiko aus einem Totalverlust eines Klärwerkes oder des gesamten Kanalnetzes, weil die Stadt nicht bereit ist, diese wiederzuerrichten, von ihr selbst zu kontrollieren ist. Alle abgeschlossenen US-Leasingverträge sind legal und durch das Regierungspräsidium genehmigt. Die Möglichkeit, dass diese Verträge nach deutschem Recht nachträglich für gesetzeswidrig erklärt werden können, ist eigentlich nicht vorstellbar.

Die Break-Even-Analyse im Anhang B der GRDrs 735/2002 beschreibt für diese Fälle einer Vertragskündigung durch die US-Seite die dann theoretisch maximalen Risikowerte für die Stadt. Unter Anrechnung einer 6 %igen kalkulatorischen Verzinsung (die den längerfristigen Liquiditätsvorteil der Stadt berücksichtigt) zeigen die Kurven im 15. Jahr eine maximale Deckungslücke von ca. 62 Mio. EUR.

Sollte die Stadt die Beendigungsoption ausüben und die Rechte für die Restlaufzeit des Hauptmietvertrags erwerben, so liegt der hierfür zu leistende und vertraglich fest vereinbarte Preis (unabhängig von Wertsteigerungen!) bei dem erfüllungübernehmenden Finanzinstitut der Stadt.

Aus der Sicht der Verwaltung kann das Risiko aus Cross-Border-Leasing-Transaktionen für die Stadt als kalkulierbar angesehen werden. Im Einzelnen wird hierzu auf die Begründung in Punkt 4 der GRDrs 735/2002 verwiesen. Wie der Presse zu entnehmen ist, erwägt auch der Berliner Kultursenator Thomas Flierl (PDS) ein US-Leasing für die Berliner Staatsoper.

Im 2. Teil des Memorandums zum Cross-Border-Lease (Anlage 2 zur GRDrs 197/2003) nehmen verschiedene Fachanwälte zu offenen Fragen aufgrund der Medienberichterstattung Stellung. Hierbei waren die deutschen juristischen Berater der Stadt, die Kanzlei Clifford Chance Pünder, beteiligt.

Auf Stuttgarter Seite wurden die Verträge nicht nur sorgfältig gelesen, sondern zusammen mit den Rechts- und Wirtschaftsberatern aktiv gegenüber der Investorenseite durchgestaltet und in angemessener Zeit mit einem guten Ergebnis erfolgreich zum Abschluss gebracht. Dies ist keineswegs selbstverständlich. Die Stuttgarter Verträge gelten als Muster für andere Transaktionen. In einer arbeitsteiligen großen Organisation ist es durchaus üblich, dass Führungskräfte sich Übersicht verschaffen und nur an wesentlichen Dokumententeilen selbst mitarbeiten.

3. Das Erstellen von deutschen Leseübersetzungen der umfangreichen, komplexen Vertragstexte wäre sehr zeitaufwendig und sehr kostspielig. Selbst bei deutschen Leseübersetzungen von für entscheidend gehaltenen kürzeren Passagen kommt es immer wieder zu Entstellungen und Fehlern. Die Verwaltung ist daher gegen eine Leseübersetzung der Verträge.





Dr. Wolfgang Schuster