Beantwortung zur Anfrage
397/2008

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 12/10/2008
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 7837 - 07



Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Lieberwirth Dieter (DIE REPUBLIKANER), Schlierer Rolf (REP) , DIE REPUBLIKANER im Stuttgarter Gemeinderat
Datum
    10/14/2008
Betreff
    Werden die Stuttgarter schon "gegoogelt"?
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:



Frage 1 (Informationen über „Foto-Shootings“):

Aufgrund eigener Beobachtungen, aber auch einiger Anrufe von Bürgern und einer Anfrage der Polizei ist dem zuständigen Amt für öffentliche Ordnung bekannt, dass Google in Stuttgart Straßenzüge abfährt.


Frage 2 (Vorliegende Anfragen von Google):

Beim vorgenannten Amt liegen keine Anfragen seitens Google betreffend die Durchführung von Straßenaufnahmen in Stuttgart vor.


Frage 3 (Bewertung aus datenschutzrechtlicher Sicht):

Die Kernfrage zur Beurteilung der Google-Aktionen in straßenrechtlicher Hinsicht ist die Frage nach einer Abgrenzung, wann noch gesteigerter Gemeingebrauch vorliegt und wann bereits eine Sondernutzung gegeben ist.

Einerseits wird die Rechtsauffassung vertreten, dass Google für die kommerziellen Aufnahmen eine Sondernutzungserlaubnis auf Grundlage der Straßenverkehrsordnung benötigt und ohne diese Erlaubnis die Aufnahmen rechtswidrig seien.
Dabei wird nicht verkannt, dass das Benutzen von Straßen und Wegen zur Fortbewegung und Kommunikation erlaubnisfrei ist und keine Sondernutzung darstellt. Aber die gezielte Erfassung ganzer Regionen zu kommerziellen Zwecken gehe weit über das hinaus, was man unter Gemeingebrauch versteht. Wenn Google meint, man sehe auf den Aufnahmen auch nicht mehr als jeder Fußgänger, ist dies nicht überzeugend, denn es bestehe ein Unterschied zwischen bloßem Kenntnisnehmen im Vorbeigehen und dauerhaftem Speichern und Abbilden.
Die Datenerhebung zum Zweck der Internetveröffentlichung durch Google verstößt nach Meinung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Schleswig Holstein (ULD) auch gegen das Bundesdatenschutzgesetz. Obwohl die Daten aus dem allgemein zugänglichen Bereich heraus erfasst werden, so überwiegen gegenüber den Veröffentlichungsinteressen die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen: Es wird ein optischer Rundum-Gesamteindruck vermittelt, ohne vor Ort anwesend sein zu müssen. Hierdurch erhält der Betrachter eine optische Vorstellung über die Art und Natur der Bebauung, die äußere Gestaltung von Haus, Wohnung und Garten mit Rückschlussmöglichkeit auf Ausstattung, wirtschaftlichen Wert, Zugänglichkeit, Diebstahlsmöglichkeit und vieles mehr.

Andererseits wird argumentiert, nicht die verkehrsgemäße Nutzung der Straße führe zu einer Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechtes evtl. fotografierter Bürger, sondern die Datenerhebung und mediale Aufbereitung selbst.
Auch im fließenden Verkehr seien grundsätzlich dynamische Aktionen denkbar, welche die widmungsgemäße Nutzung einer Straße verhindern. Dies ist z. B. bei sogenannten Werbetrucks der Fall, welche im Straßennetz langsam immer wiederkehrende Routen fahren, um Aufmerksamkeit zu erhalten und dabei Verkehrsstaus oder gefährliche Überholvorgänge verursachen.
Sowohl statische als auch dynamische Beeinträchtigungen des Widmungszwecks durch Google-Fahrzeuge seien nicht gegeben. Es würden weder feste Verkehrsflächen in Anspruch genommen, noch komme es zu Verkehrsbeeinträchtigungen im fließenden Verkehr. Damit biete sich aus dem Umstand, dass Google die Erfassung der Straßenräume von einem Kraftfahrzeug aus vornimmt, kein Ansatz für eine unerlaubte Sondernutzung.
Diese Rechtsauffassung werde von der Fachkommission großstädtischer Straßenverkehrsbehörden des Deutschen Städtetags geteilt. Leider liegt ein Protokoll aus der entsprechenden Sitzung von Mitte Oktober 2008 noch nicht vor.


Frage 4 (Möglichkeiten sich zu widersetzen):

Das Amt für öffentliche Ordnung sieht keine Möglichkeit, der Google-Aktion auf straßen-/verkehrsrechtlicher oder polizeirechtlicher Grundlage entgegenzutreten.
Nach bisherigem Erkenntnisstand hat bisher lediglich die Gemeinde Molfsee in Schleswig-Holstein, ein Vorort von Kiel, Google die Aufnahmen für Street View untersagt. Das ULD hat Google Germany darüber informiert, dass die Datenerhebung rechtswidrig sei, verbunden mit der Bitte mitzuteilen, dass Sie künftig eine Datenerhebung in Schleswig-Holstein unterlassen und keine Street-View-Bildsequenzen im Internet veröffentlichen. Google hat lediglich geantwortet, es stehe für dieses Jahr bereits definitiv fest, dass Aufnahmen in Schleswig-Holstein nicht stattfinden.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Rechtslage derzeit unklar ist, ob die Stadt Stuttgart Google die Fotoaufnahmen für Street View erfolgreich verbieten kann. Selbst wenn man von einer Sondernutzung ausgehen würde, gäbe es für Google immer noch die Möglichkeit, einen Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zu stellen und bei Ablehnung einzuklagen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar findet das Google-Projekt zwar "bedenklich" und kritisiert, dass dadurch persönliche Lebensumstände noch intensiver ausgeleuchtet würden. Ernsthafter Widerstand der Datenschutzbeauftragten auf Bundes- oder Länderebene (mit Ausnahme des ULD) blieb jedoch bisher aus.

Den Bürgern rät das ULD am Grundstück ein Plakat als „Widerspruch“ gegenüber Google anzubringen, verbunden mit der Aufforderung, Bilder dieses Grundstücks bzw. dieser Wohnung nicht im Internet zu veröffentlichen.


gez. Dr. Wolfgang Schuster