Beantwortung zur Anfrage

363/2002

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 02/28/2003
Der Oberbürgermeister
GZ: OB-0500-12



Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    SPD-Gemeinderatsfraktion
Datum
    10/18/2002
Betreff
    Behindertengleichstellungsgesetz - Barrierefreies Verwaltungshandeln
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Zu Frage 1

Im Sinne der Bestimmungen für die barrierefreie Nutzung öffentlicher Gebäude gab es im Interimsrathaus im Gebäude Heilbronner Str. 7 bisher keine wesentlichen Einrichtungen. Für die Dauer der Interimsnutzung durch die Stadt sind dort deshalb folgende Maßnahmen in Auftrag gegeben worden:

· Behindertengerechte Umrüstung eines Aufzugs (Hofseite) der dem barrierefreien Zugang der jeweiligen Stockwerke dient;

· Einrichtung einer behindertengerechten Toilette;

· Einbau eines Treppenlifts zur barrierefreien Erreichbarkeit des Sitzungssaals und Modifizierung der Brandschutztechnik zwecks konstanter Offenhaltung der zur Erschließung des Sitzungssaals dienenden Flurtüren;

· Kennzeichnung von Treppenstufen;

· Ausschilderung des Zugangs für Rollstuhlfahrer.

Die Nutzung des Speisesaals für Rollstuhlfahrer ist über eine vorhandene Rampe gewährleistet.

Zur Situation in der übrigen Stadtverwaltung liegen konkrete Angaben, ob und in welchem Umfang städtische Verwaltungsgebäude barrierefrei sind, nicht vor. Hierzu ist anzumerken, dass im Zusammenhang mit der Einführung des Bürgerservice in den äußeren Stadtbezirken deutlich geworden ist, dass die teilweise aus dem 18. Jahrhundert bzw. Anfang des 19. Jahrhunderts stammenden Bezirksrathäuser nur mit erheblichem Kosten- und Bauaufwand barrierefrei umgestaltet werden können. In fast allen Objekten wäre dies nur durch den Ein- oder Anbau von Aufzügen möglich.

Der barrierefreie Zugang zum Bürgerservice Stuttgart ist als allgemeine Zielsetzung im Konzept (Anlage 3 zur GRDrs. 266/1998) enthalten. Das Hochbauamt hat dazu generelle Untersuchungen angestellt und über ein grobes Einteilungsraster der einzelnen Gebäude einen Kostenrahmen ermittelt. Dieser Rahmen für Aufzüge, Rampen und Lifte hat noch nicht die Qualität einer vorläufigen Kostenschätzung nach DIN 276. Diese setzt eine noch detailliertere bauliche Untersuchung jedes einzelnen Bezirksrathauses voraus, wobei die besondere Problematik des Denkmalschutzes fast in jedem Einzelfall gelöst werden muss. Dieser Aufwand sollte erst nach einer grundsätzlich zustimmenden Entscheidung zu solchen Ausbaumaßnahmen erfolgen. Die Maßnahmen sind in der Wunschliste zum Haushalt 2000/2001 dargestellt, wurden aber nicht in der Vorschlagsliste zur Ergänzung des Investitionsprogramms als neue Vorhaben zum Doppelhaushalt vorgeschlagen.

Der Gemeinderat hat mit der Konzeption Bürgerservice Stuttgart den barrierefreien Zugang zu den Einrichtungen des Bürgerservice beschlossen. Das Hochbauamt versucht, als Hilfslösung den Erdgeschossbereich der Gebäude für Rollstuhlfahrer oder Mütter mit Kinderwagen zugänglich zu machen. Im weiteren sollen Klingeln mit Gegensprechanlagen die Situation verbessern.

Bei allen Neubauten bzw. Neuanmietungen von Verwaltungsgebäuden wird seit etwa 1980 auf eine barrierefreie Gestaltung entsprechend DIN 18024/25 geachtet.

Im Jahr 1996 hat das Gesundheitsamt in Zusammenarbeit mit dem Presse- und Informationsamt sowie dem Club für Behinderte und ihre Freunde Stuttgart e.V. und dem Körperbehindertenverein Stuttgart e.V. einen Stadtführer für Rollstuhlfahrer herausgegeben. In den Stadtführer wurden die publikumsintensiven städtischen Ämter aufgenommen. Neu hinzu kommen die Bezirksrathäuser in Botnang, Untertürkheim und Vaihingen sowie die Bürgerservice-Zentren Süd und Ost. Einer aktualisierten Neuauflage hat der Gemeinderat bei den letzten Beratungen zum Haushaltsplan nicht zugestimmt, vielmehr wurde die Stuttgart Marketing beauftragt, eine Broschüre für die Innenstadt zu erstellen.

Die Umsetzung von Barrierefreiheit kommt im öffentlichen Nahverkehr schrittweise voran. Ein Beispiel war der Umbau der Linie U 2. Dennoch gibt es sensible Punkte, wie z.B. den Bahnhof in Bad Cannstatt, wo Rollstuhlfahrer die Bahnsteige nicht erreichen und nicht verlassen können, wenn sie dort ein- oder aussteigen wollen.

Frage 2

Vorab ist anzumerken, dass das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes vom 27.04.2002 für Bundesbehörden verbindlich ist. Für Kommunalverwaltungen sind Sonderregelungen in der LBO bzw. für Sozialdienststellen im SGB X enthalten. Das Land Baden-Württemberg hat einen Gesetzentwurf erarbeitet, der voraussichtlich noch im Jahr 2003 verabschiedet wird, die Kommunen jedoch nicht einbezieht. Gleichwohl bemüht sich die Stadt auch ohne gesetzliche Verpflichtung um die Verwirklichung von Barrierefreiheit. Stuttgart ist Stätte sportlicher und kultureller Veranstaltungen und Anziehungspunkt für Touristen. Unser Bekanntheitsgrad nimmt zu. Daher sollte Schritt für Schritt die Barrierefreiheit vorangetrieben werden.

Die Verwirklichung von Barrierefreiheit zugunsten behinderter Menschen im Zusammenhang mit akustischen und visuellen Informationsquellen ist für das Verwaltungshandeln von zunehmendem Interesse und gleichzeitig eine ständige Herausforderung, insbesondere im Zusammenhang mit der Einrichtung und Modernisierung des Bürgerservice innerhalb der Stadtverwaltung sowie in Bezug auf das vielfältige Angebot an Informationen im städtischen Intranet SOLID, wie auch im Internet.

Web-basierte Informationen und Dienstleistungen der Stadtverwaltung werden derzeit über Internet unter www.stuttgart.de und über die Bürgerkioske in den Bezirksrathäusern publiziert. Beide sind für die Gruppe der sehbehinderten Menschen nicht barrierefrei. Lediglich bei der Wahl der Gehäuse für die Info-Kioske wurde darauf geachtet, dass sie auch von Rollstuhlfahrern zu bedienen sind.

Die Notwendigkeit, die städtischen Internet- und Intranetseiten unter Berücksichtigung der bestehenden Konzeptionen barrierefrei anzubieten, wurde erkannt und deshalb erste Informationen eingeholt, u.a. bei Web for All, die zu diesem Themenbereich sehr qualifizierte Informationsveranstaltungen durchführen. Im weiteren bedarf es zunächst einer gründlichen Analyse und dann einer Gestaltung der Webseiten, damit sie von behinderten Menschen grundsätzlich uneingeschränkt genutzt werden können. Im Ergebnis müssen alle grafischen und akustischen Informationen mit vielfach multimedialen Effekten alternativ als Text auf dem Bildschirm zur Verfügung stehen.

Auch im Reform- und Strukturausschuss wurde im Zuge der regelmäßigen Berichterstattung zum Internet bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass ein wichtiger Meilenstein der Weiterentwicklung von stuttgart.de im Jahr 2003 eine barrierefreie Anwendung stuttgart.de ist. Ziel des Projekts ist es, Nutzeranforderungen, Technik und Kosten einer barrierefreien Anwendung zu ermitteln und die Umsetzung vom Gemeinderat beschließen zu lassen.

Die Abteilung IuK des Haupt- und Personalamts hat über Jahrzehnte einen blinden Mitarbeiter als Programmierer beschäftigt und im Zuge ständigen Technologiewandels dessen PC-Arbeitsplatz behindertengerecht mit Braillezeile (Spezialtastatur für Blinde), Sprachausgabegerät, Blindenschriftdrucker sowie Spezialsoftware ausgestattet und dabei kontinuierlich modernisiert. Finanziell unterstützt wurden diese Maßnahmen mittels entsprechender Zuschüsse des Landeswohlfahrtsverbands. Darüber hinaus wurde es dem Mitarbeiter ermöglicht, durch spezielle und auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmte Fortbildungsmaßnahmen die notwendige Qualifikation zu erreichen und zu erhalten.

Soweit an einzelnen Arbeitsplätzen bei verschiedenen Organisationseinheiten der Stadtverwaltung behindertengerechte DV-Ausstattungen notwendig waren, wurde auf diese Erfahrungen zurückgegriffen. Auch bei neu einzurichtenden Bildschirmarbeitsplätzen für behinderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berät die Abteilung IuK individuell und qualifiziert im Blick auf die konkrete Situation.

Die Stadtverwaltung verfügt über keine eigenen Gebärdendolmetscher/-innen. Falls erforderlich, müssen sie bei der Gehörlosendolmetschervermittlungszentrale im Landesverband der Gehörlosen Baden-Württemberg e.V. im Einzelfall angefordert werden. Die Kapazität ist allerdings sehr begrenzt.

Frage 3

Die Gewährung von Leistungen für eine Arbeitsassistenz durch die jeweils zuständigen Träger richtet sich nach § 33 Abs. 8 Nr. 3 SGB IX i.V.m. § 17 Abs. 1 a und § 18 SchwbAV sowie nach § 102 Abs. 4 SGB IX. Richtlinien der Stadtverwaltung hierzu sind nicht vorhanden.







Dr. Wolfgang Schuster