Stellungnahme zum Antrag
253/2005

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 02/02/2006
Der Oberbürgermeister
GZ: 6560-00



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    SPD-Gemeinderatsfraktion
Datum
    08/23/2005
Betreff
    Wohnen in Stuttgart
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:



zu 1. und 2.


Am 10. Februar 2006 findet eine ganztägige Arbeitstagung des Ausschusses für Umwelt und Technik und des Ausschusses für Wirtschaft und Wohnen zum Thema “Wohnen in Stuttgart” statt. Es ist vorgesehen, auch einen externen Experten zu dem Themenkomplex beizuziehen.


zu 3.


Die generellen städtebaulichen Entwicklungsziele hat der Gemeinderat in 2000/2001 mit den Beschlüssen zum FNP 2010 festgelegt. Der Entwurf zum Stadtentwickungs-konzept 2004 nimmt neuere und längerfristige Entwicklungstendenzen auf. In vielen Punkten entspricht das Positionspapier diesen Gedanken.

Zu den einzelnen Thesen des Positionspapiers:


Erfüllung des Wohnungsbedarfs als Voraussetzung für eine positive wirtschaftliche und demografische Entwicklung der Stadt Stuttgart.


Ziel ist es, den in der Einwohnerprognose 2002 bis 2020 vom Statistischen Amt ermittelten Einwohnerrückgang von rd. 30.000 Einwohnern bis 2020 durch eine offensive Strategie zu vermeiden. Dies führt rechnerisch zu einem Wohnungsbedarf von 28.000 Wohneinheiten bis 2020 bzw. zu 1.500 Wohneinheiten/Jahr. In diesen Zahlen ist der Abbau des bestehenden Wohnungsdefizits und der Wohnungsersatzbedarf
(z. B. durch Abriss oder Zusammenlegung von Wohneinheiten im Zuge von Modernisierungen) mit einem Volumen von 13.000 Wohneinheiten enthalten. Darüber hinaus ist ein Bedarf von 15.000 Wohneinheiten zum Ausgleich der Einwohnerverluste einbezogen.

Die Vorgabe für die jährliche Wohnbauleistung ist als Entwicklungsziel sinnvoll, auch wenn die Zahl der Fertigstellungen in den letzten Jahren unter der Größenordnung von 1.500 Wohneinheiten pro Jahr liegt. Im übrigen ist der tatsächliche Bedarf für einen längerfristigen Zeitraum bis 2020 und darüber hinaus – wie im Stadtentwicklungskonzept formuliert – der jeweiligen aktuellen Entwicklung und Nachfrage anzupassen. Nach derzeitiger Einschätzung wird aufgrund der demografischen Entwicklung eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt ab 2015 erwartet, gegebenenfalls verbunden mit einem Rückgang des Wohnbedarfs.

Beim Vergleich der unterschiedlichen Gesamtzahlen ist zu beachten, dass in der Wohnbedarfsprognose des Statistischen Amtes der Zeitraum 2002 bis 2020 betrachtet wird (28.000 Wohneinheiten). In den ersten vier Jahren (2002 - 2005) wurden schon ca. 4.000 Wohnungen fertiggestellt.

Es ist zutreffend, dass die Umlandgemeinden verstärkt Baugebiete mit Einfamilien- und Reihenhausgrundstücke ausweisen, um ihre Attraktivität für junge Familien zu erhöhen. Insoweit ist die Stadt Stuttgart gefordert, in diesem Bereich ebenfalls bedarfsgerechte Angebote zu unterbreiten, um die wohnungsmarktbedingte Abwanderung von Stuttgarter Einwohnern zu reduzieren bzw. zu stoppen. Allerdings sind hier stadtgerechte und auch innerstädtisch attraktive Angebote zu schaffen.


Unterschiedliche Bedarfsgruppen erfordern unterschiedliche Angebote auf dem Wohnungsmarkt.


In die Fortschreibung der Wohnungsbedarfsprognose werden auch qualitative Kriterien einbezogen, um eine stärkere Differenzierung der Nachfrageseite abzubilden. Angesichts der zunehmenden Vielfalt städtischer Lebensstile und Wohnraumansprüche der einzelnen Altersgruppen ist jedoch eine Angebotspolitik mit einer großen Bandbreite an konzeptionellen Lösungen für zukünftige Wohnformen notwendig. Zusätzlich zu den weiterhin aktuellen Angebotsschwerpunkten für junge Familien und junge Haushalte vor der Familiengründung sind integrative Wohnkonzepte und Servicewohnen für Ältere, Sonderwohnformen und Wohnungsbauinnovationen wie z. B. urbanes Komfortwohnen oder selbstbestimmte Wohnraumgestaltung in nutzungsneutralen Grundrissen setzen. Grundsätzlich haben sich die städtischen Wohnungsbauförderprogramme bewährt, weshalb sie auch in Zukunft weitergeführt werden sollen:


Programm
Wohnungen
jährlich (ca.)
im Doppelhaushalt 2006/2007 eingestellt (pro Jahr)
Sozialer Mietwohnungsbau
285
4 Mio. € Fördermittel
Mietwohnungen für mittlere Einkommensbezieher
100
2,5 Mio. € Grundstückssubventionen
Preiswertes Wohneigentum
150
3 Mio. € Grundstückssubventionen
Familienbauprogramm
170
2,3 Mio. € Fördemittel
Gesamt
705
11,8 Mio. €


Mit Ausnahme des Familienbauprogramms finden die Wohnungsbauprogramme auf verbilligten städtischen Grundstücken statt, weshalb städtische Grundstücke für jährlich ca. 535 Wohnungen benötigt werden. Fest steht, dass diese Flächen aus heutiger Sicht weder im Jahr 2006 noch in den folgenden Jahren zur Verfügung stehen.

Wegen der zum 1. Januar 2006 weggefallenden Eigenheimzulage und um das Preis-gefälle zum Umland besser ausgleichen zu können, wird die Verwaltung eine Anpassung der Förderrichtlinien für das Programm Preiswertes Wohneigentum und das Familienbauprogramm noch im I. Quartal 2006 vorlegen.

Durch das Preiswerte Wohneigentum und das Familienbauprogramm ist es der Stadt in den letzten Jahrzehnten gelungen, die Eigentumsquote auf 28 % zu erhöhen. Damit liegt Stuttgart im Vergleich mit den anderen deutschen Großstädten an der Spitze. Nur Bremen hat eine höhere Eigentumsquote (35 %). Auch bezüglich der Fördervolumen liegt Stuttgart in der Spitzegruppe. Nur in München und Hamburg werden mehr Wohnungen gefördert.

Neben betreuten Seniorenmietwohnungen wurden Mehrgenerationen-Wohnungen, Wohngemeinschaften und Baugemeinschaften bisher bereits gefördert. Dies ist auch zukünftig vorgesehen. Angesichts des sich rapide vollziehenden demografischen Wandels gewinnt das Thema “Wohnen im Alter” immer mehr an Bedeutung. Zentrale Herausforderungen sind dabei vor allem die stark zunehmende Heterogenität in der Bevölkerungsgruppe der älteren Menschen, der insgesamt wachsende Bedarf an Hilfe und Pflege sowie der gleichzeitige Verlust familiärer Hilfepotentiale.

Seit Jahren initiiert und unterstützt die Stadt deshalb, wo immer es möglich ist, neue Generationen übergreifende Ansätze und Entwicklungen. Ein Beispiel dafür sind die Generationenhäuser in Stuttgart-Heslach und Stuttgart-West sowie das neue Generationenhaus Kornhasen in Stuttgart-Wangen.

Eine neue Generationen verbindende Wohninitiative wurde im September 2005 gestartet. Dabei sollen unter Federführung der Wohnberatungsstelle vom Deutschen Roten Kreuz und in Zusammenarbeit mit den Studentenwerken von Stuttgart und Hohenheim Generationen übergreifende Wohnpartnerschaften zwischen Älteren und Studierenden aufgebaut und begleitet werden. Bei dieser Initiative “Wohnen mit Hilfe” vermieten ältere Menschen Studierenden preisgünstig ein Zimmer in ihrer Wohnung und erhalten als Gegenleistung von den Studierenden fest vereinbarte Unterstützung im häuslichen Alltag. Darüber hinaus wurden in den Haushaltsberatungen zusätzliche Finanzmittel für weitere Initiativen zum “Wohnen im Alter” zur Verfügung gestellt.

Im übrigen sollten auch betreute (Senioren-) Wohngemeinschaften in Stuttgart verstärkt initiiert und erprobt werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die Bemühungen des baden-württembergischen Sozialministeriums, die entsprechenden ordnungs- und leistungsrechtlichen Rahmenbedingungen zu klären und zu verbessern, in absehbarer Zeit zu einem konstruktiven Ergebnis führen.

Die Stadt wird im Rahmen der Möglichkeiten weiterhin auch nicht geförderten Baugemeinschaften Grundstücksoptionen einräumen.

Auf eine Förderung von jungen Paaren vor der Familiengründungsphase sollte angesichts der ohnehin zu knappen städtischen Grundstücksreserven derzeit verzichtet werden.

Durch das Studentenwerk und private Investoren werden derzeit eine Vielzahl von Studentenwohnungen neu erstellt. Insoweit erscheint die Zielsetzung, in Stuttgart bis in wenigen Jahren rund 10.000 Wohnheimplätze zur Verfügung zu haben, realistisch. Auch zukünftig wird die Stadt diese Vorhaben positiv begleiten.


Zum Flächenbedarf, Vorrang der Innenentwicklung, neue Wohnbaugebiete.


Aufgrund des engen Sachzusammenhangs sind die drei Positionen in der Beantwortung zusammengefasst.

Der im Positionspapier formulierte Vorrang für die Innenentwicklung ist Beschlusslage im Gemeinderat (FNP 2010) und Ziel des Stadtentwicklungskonzepts.


Wohnbaupotentiale der Zeitstufenliste:


Die Zeitstufenliste Wohnen wird derzeit fortgeschrieben. Die Erfassung von Flächen über das NBS hat sich seit 2004 deutlich verbessert, die laufenden verwaltungsinternen Abstimmungen tragen zu einer besseren Einschätzung der verfügbaren und vermarktbaren Potenziale bei. Die fortgeschriebene Fassung wird am 10. Februar 2006 zur Diskussion gestellt.

Entsprechend dem Bearbeitungsstand Januar 2006 beträgt das Bauflächenpotential für den Wohnungsbau in der Summe der Zeitstufen 251,3 ha für ca. 17.000 Wohnungen und liegt rund 65 ha und 5.800 Wohneinheiten über dem Wert von 2004. Von den 251,3 ha entfallen allein auf die Teilgebiete von Stuttgart 21 rund 70 ha, auf denen rund 4.375 Wohneinheiten realisiert werden können (Siedlungsdichte: 63 Wohneinheiten/ha). Knapp 56,3 Hektar entfallen auf Neubauflächen (19 Standorte im Stadtgebiet), auf denen 1.827 Wohneinheiten realisierbar sind (Siedlungsdichte: 32,5 Wohneinheiten/ha). Die im Positionspapier neben Stuttgart 21 (C1) genannten Wohnungsbauvorhaben auf dem Areal des Güterbahnhof Bad Cannstatt sowie die Nachnutzung der Messe Killesberg werden in der Zeitstufenliste 2006 enthalten sein.

Rein rechnerisch steht dem Flächenangebot der Zeitstufenliste ein in etwa gleichrangiger Flächenbedarf gegenüber. Dies ergibt sich aus einer einfachen Überschlagsrechnung: bei einer Zunahme der Wohnfläche auf 45 m²/Einwohner netto, einer durchschnittlichen Wohnungsbelegungsziffer von 2,0 Personen je Haushalt und einer durchschnittlichen GFZ von 1,0 werden unter Annahme von weiterhin 1.500 Wohneinheiten/Jahr bis 2020 ca. 245 ha brutto benötigt. Der NBS-Lagebericht 2005 ging noch von ca. 280 ha für einen Bedarfszeitraum von knapp 20 Jahren aus.


Weitere Wohnbaupotentiale:


Zusätzlich zu Flächen der Zeitstufenliste bestehen weitere Baumöglichkeiten in Baulücken und in Kapazitäten aus Umnutzung und Umstrukturierungen - auch von Gewerbe- und Büroflächen in Wohnungen. Eine verlässliche Größenordnung von Flächen und Wohnungen muss hier noch ermittelt werden. Eine Analyse der Baufertigstellungen von 1995 bis 2004 gibt eine grobe Einschätzung. 60 % der Bautätigkeit hat sich außerhalb der Wohnbauflächenpotentiale der Zeitstufenliste bzw. des Flächennutzungsplans vollzogen.

Im Rahmen der Baulückenaktionen konnten seit 1990 rund 500 Lücken mit ca. 3.500 Wohneinheiten geschlossen werden. Dies ist ein Anteil von 14 % an den Baufertigstellungen 1991 bis 2004. Die Mobilisierung von Baulücken leistet damit einen signifikanten Beitrag zur Wohnungsversorgung.

Auf den derzeit bereits erfassten, aber noch nicht bebauten Baulücken ließen sich ca. 4.700 weitere Wohneinheiten realisieren. In den noch nicht bearbeiteten Stadtbezirken wird mit einem Potenzial von ca. 8.000 Wohneinheiten gerechnet. Unter der Annahme, dass 50 % dieser Baulücken in den nächsten 15 Jahren bebaut werden, ergibt sich ein Potenzial von über 400 Wohneinheiten pro Jahr (insgesamt 6.000 Wohneinheiten), wobei fraglich ist, ob eine Realisierung in dem Umfang aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten wie Eigentumsverhältnisse oder Nachbarschaftsprobleme erfolgen kann.

Ergänzend zur Zeitstufenliste werden derzeit eine Reihe von Standorten untersucht (Liste N), auf denen sich im Zusammenhang größere Potenziale für den Wohnungsbau mobilisieren lassen (Innenstadtquartiere, Teilbereiche beiderseits des Neckars, Krankenhausstandorte, Hallschlag und Burgholzhof etc.).


Steuerungsinstrumente:


Das städtische Förderprogramm zur Umwandlung von Büroflächen in Wohnungen wurde vom Gemeinderat vor ein paar Jahren mangels Erfolg aufgehoben. Auch bei einer Wiedereinführung wäre mit größeren Mengeneffekten nicht zu rechnen, da dies erfahrungsgemäß in der Regel kleinere Einzelfälle mit nur wenigen Wohnungen sind.

Die SWSG und andere Wohnungsbaugesellschaften sind grundsätzlich nicht abgeneigt, bei geeigneten Objekten eine Umwandlung von Büroflächen in neuen Wohnraum umzusetzen, sofern die Wirtschaftlichkeit gewährleistet ist.

Das Zweckentfremdungsverbot wurde vom Land auf Antrag der Stadt von einigen Jahren abgeschafft. Negative Auswirkungen sind der Stadt nicht bekannt. Angesichts der Situation am Büroflächenmarkt ist mit einer nennenswerten Umwandlung auch nicht zu rechnen. Es ist eher der gegenläufige Trend, also die Umwandlung von Büroflächen in Wohnraum, erkennbar, den die Verwaltung auch aufgeschlossen begleitet, da in der Regel eine Nutzungsänderung erforderlich ist. Ein Schutz der Halbhöhenlagen kann über das Planungsrecht sichergestellt werden, weshalb die Wiedereinführung des Zweckentfremdungsverbots nicht für erforderlich erachtet wird.


Neue Bauflächen:


Die im Positionspapier formulierte Haltung zu neuen Baugebieten über den Flächennutzungsplan 2010 hinaus entspricht dem Stadtentwicklungskonzept. Weitere Neubauflächen sind bisher nicht enthalten. Im Rahmen der Klausurtagung am 10. Februar 2006 wird über die Aktivierung zusätzlicher Neubauflächen zu diskutieren sein.


Bestehende Wohngebiete attraktiv gestalten.


Seit Jahren vollzieht sich im Rahmen der Stadterneuerung eine Modernisierung zahlreicher Stadtquartiere, in den letzten Jahren auch in den Siedlungen der Nachkriegszeit. Hier hat die Förderung mit dem Programm “Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die Soziale Stadt” quantitative Grenzen.

Die im Rahmen der Städtebauförderung bestehenden Bund-Länder-Programme (auch das Programm “Soziale Stadt”) werden mit Mitteln aus dem Kommunalen Investitionsfonds bedient. Daher werden in diesen Programmen ausschließlich investive Maßnahmen bezuschusst. Nichtinvestive Projekte, die vor allem in den Bereichen Bildung, soziale Netze und Integration als Ergänzung der investiven Maßnahmen dringend erforderlich wären, können nicht gefördert werden.

Die staatliche Förderpraxis wird damit dem Anspruch nach integrativen Handlungskonzepten nicht gerecht. Die Stadtverwaltung setzt sich gegenüber dem Land dafür ein, dass zum Einen die Städtebauförderungsrichtlinien entsprechend geändert werden, zum Anderen aber auch Fördermöglichkeiten im Sozial- und Bildungsbereich stärker für Programmgebiete der “Sozialen Stadt” herangezogen werden.

Eine Ausnahme bildet das Programm “LOS”, Lokales Kapital für soziale Zwecke, ein Modellvorhaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Europäischen Sozialfonds in Gebieten der “Sozialen Stadt” - Gebiete von hoher Bedeutung und stellt bisher den einzigen Weg dar, nichtinvestive Maßnahmen zu fördern (in Stuttgart z. B. in Freiberg/Mönchfeld).

Wie die Stadterneuerung mit kommunalen Instrumenten gestärkt werden könnte, wurde anhand von Beispielen aus deutschen und europäischen Städten in der Gemeinderatsdrucksache Nr. 384/2005 (Vorranggebiete für Stadterneuerung - aktueller Stand und Weiterentwicklung) ausführlich dargelegt.

Um der fortschreitenden Segregation entgegen zu wirken, hat die Stadt beim Land beantragt, die Fehlbelegungsabgabe aufzuheben. Inzwischen hat das Innenministerium mitgeteilt, dass die Aufhebung der Fehlbelegungsabgabe – vorbehaltlich der Entscheidung des Landtags – bis Ende 2006 beabsichtigt ist.










Dr. Wolfgang Schuster