Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Umwelt/Sicherheit und Ordnung
Gz: USO 5710-00
GRDrs 630/2001
Stuttgart,
07/04/2001



Ausweisung eines rechtskräftigen Schutzgebiets für die Heilquellen von Stuttgart Bad Cannstatt und Berg



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Ausschuß für Umwelt und Technik
Ausschuß für Umwelt und Technik
Gemeinderat
Einbringung
Vorberatung
Beschlußfassung
nichtöffentlich
nichtöffentlich
öffentlich
17.07.2001
24.07.2001
25.07.2001



Beschlußantrag:
  1. Der Absicht des Regierungspräsidiums Stuttgart, zum Schutz der staatlich anerkannten Heilquellen von Stuttgart-Bad Cannstatt und – Berg ein Quellenschutzgebiet auszuweisen, wird zugestimmt.
  2. Die Information der von dem Schutzgebiet berührten Stadtbezirke bzw. Bezirksbeiräte wird nach den Sommerferien 2001 nachgeholt.


Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Von den 20 gefassten Mineralquellen in Stuttgart-Bad Cannstatt und -Berg sind 12 als Heilquellen staatlich anerkannt. Sie gelten als besonderes wasserwirtschaftliches Schutz- und städtisches Kulturgut. Seit den 50er Jahren werden Anstrengungen unternommen, ein Schutzgebiet für die Heilquellen auszuweisen. Der damalige Regierungspräsident Dr. Manfred Bulling hat mit seinem Schreiben vom 13.08.1984 an Herrn OB Rommel die Bereitschaft erklärt, das Schutzgebietsverfahren von amts wegen zu betreiben. Der Gemeinderat hat dem Vorschlag der Verwaltung, ein Quellenschutzgebiet auszuweisen, am 14.11.1985 zugestimmt (GRDrs Nr. 542/1985).

Ein seit 1994 tätiger Behördenarbeitskreis unter Mitarbeit städtischer Ämter hat nun eine Neukonzeption zum Schutz der Quellen vorgelegt. Diese schlägt sich in einem 335 km2 großen Schutzgebiet mit je drei quantitativen und qualitativen Schutzzonen nieder. Das Schutzgebiet erstreckt sich auf knapp über die Hälfte der Fläche des Stadtgebiets. Das Regierungspräsidium hat das Verfahren zur Ausweisung mit der Veröffentlichung im Amtsblatt am 07.06.2001 eingeleitet. Anregungen und Bedenken können bis einschließlich 27.07.2001 vorgebracht werden.

Finanzielle Auswirkungen
Durch die Verkürzung der Prüfpflicht von Anlagen für wassergefährdende Stoffe (Verordnung Anlagen wassergefährdende Stoffe – VAwS -) von bisher 5 auf 2 ½ Jahre ergibt sich eine Verdoppelung der Fallzahlen. Erforderlich wird die Schaffung einer halben Stelle nach Verg. Gr. Vb Fg 1 b BAT. Dafür entstehen jährlich Kosten in Höhe von 51.700,- DM (Index 2001).


Beteiligte Stellen

Referat St, Referat T, Referat WK

Vorliegende Anträge/Anfragen

keine

Erledigte Anträge/Anfragen

keine



Jürgen Beck

Anlagen


  1. Ausführliche Begründung
  2. Karte des Heilquellenschutzgebiets, Kern-, Innen- und Außenzone
  3. Karte des Heilquellenschutzgebiets, Innenstadtbereich
  4. Hydrogeologischer Prinzipschnitt Stuttgarter Talkessel mit Verlauf der “Dichtschicht” und des Grundwasserdruckspiegels für das Mineralwasserstockwerk
  5. Entwurf der Rechtsverordnung



Ausführliche Begründung:


1 Vorbemerkungen

Das in Stuttgart-Bad Cannstatt und -Berg erschlossene Mineralwasservorkommen nimmt europaweit nicht nur wegen der hohen Schüttung von ca. 500 l/s, sondern vor allem wegen des hydrochemischen Charakters und des Gehalts an Kohlensäure eine besondere Stellung ein. 12 Fassungen mit hochkonzentriertem und kohlensäurereichem Mineralwasser sind als Heilquelle staatlich anerkannt. Die Heilquellen gelten als besonderes wasserwirtschaftliches Schutzgut. Aus der Tradition heraus sind sie zudem zu einem festen Bestandteil des städtischen Kulturguts geworden. Der qualitative wie auch quantitative Schutz dieses Mineralwassersystems hat daher hohe Priorität. Die Schutzziele lassen sich wie folgt formulieren:

· Wahrung der natürlichen Schüttung
· Erhalt des geochemischen Charakters und des Kohlensäuregehalts
· Schutz vor Eintrag anthropogener Stoffe.
Am 09. Mai 2001 haben Regierungspräsident Dr. Andriof und Umweltbürgermeister Jürgen Beck das Schutzgebiet der Öffentlichkeit vorgestellt. Daraufhin hat das Regierungspräsidium Stuttgart als höhere Wasserbehörde das Verfahren zur Ausweisung eines Schutzgebiets für die Heilquellen von Bad Cannstatt und Berg mit einer amtlichen Bekanntmachung am 07.06.2001 (siehe Amtsblatt der Stadt Stuttgart, Nr. 23) eingeleitet. Die für die Verfahrensabwicklung erforderlichen Karten sind - soweit sie die Fläche des Stadtgebiets Stuttgart betreffen - von städtischen Ämtern erstellt und dem Regierungspräsidium zur Verfügung gestellt worden.

2 Historie

Seit den 50er Jahren werden Anstrengungen unternommen, ein Schutzgebiet für die Bad Cannstatter und Berger Quellen auszuweisen. Im Jahre 1964 hat die Mineralbad Berg AG in Verbindung mit der staatlichen Anerkennung ihrer Quellen die Festsetzung eines Quellschutzgebiets beantragt, den Antrag aber 1975 wieder zurückgenommen. Daraufhin forderte das Regierungspräsidium die Stadt zur Stellung eines Ausweisungsantrags auf. Dieser Antrag ist nicht gestellt worden. 1984 akzeptierte das Regierungspräsidium den Wunsch der Stadt, ein Heilquellenschutzgebiet von amts wegen auszuweisen. Am 14.11.1985 hat der Gemeinderat der Ausweisung eines Heilquellenschutzgebiets zugestimmt (GRDrs Nr. 542/1985). Danach konnten die Arbeiten zur Abgrenzung eines Schutzgebiets (wieder) aufgenommen werden.

Bisher liegen drei Entwürfe für ein Schutzgebiet mit qualitativen und quantitativen Zonen aus den Jahren 1954, 1969 und 1990 vor. Die ersten beiden Abgrenzungen sind vor allem nach NW in Richtung Strohgäu ausgerichtet, das nach damaligem Kenntnisstand das Hauptneubildungsgebiet für die Mineralquellen war. Die unterschiedlichen Eigenschaften des Quellwassers wurden mit zwei “Wanderwegen” über Leonberg - Solitude – Nesenbachtal bzw. Zuffenhausen – Feuerbach erklärt. Eingehende hydrogeologische Untersuchungen in der Gäulandschaft um Sindelfingen führten ab etwa 1980 zu einer Weiterentwicklung der Vorstellungen, wonach geringmineralisiertes Karstwasser auf die Quellen aus westlicher bis westsüdwestlicher Richtung zuströmt. Die hydrochemische Charakteristik des hochkonzentrierten Mineralwassers wurde auf eine aus dem Albvorland stammende und längs des Fildergrabens nach Norden strömende hochmineralisierte Komponente zurückgeführt, die sich mit dem westlichen Zustrom im Quellbereich durchmischt. Dieses Modell führte zum Abgrenzungsentwurf 1990 mit je fünf quantitativen und qualitativen Schutzzonen, die nach Süden bis zum Neckar bei Rottenburg und nach Norden bis Schwieberdingen reichen und eine Gesamtfläche von 550 km2 einnehmen.

Keiner der bisherigen Entwürfe wurde rechtskräftig. Daher werden bis heute Auflagen, die zum Schutz der Heilquellen aus wasserrechtlicher Sicht erforderlich sind, erst im Rahmen von Einzelfallentscheidungen durch die untere Wasserbehörde umgesetzt.

3 Neue Konzeption zum Schutz der Heilquellen im Stadtgebiet Stuttgart

3.1 Vorgehen

Seit 1989 hat die Stadt in Zusammenarbeit mit namhaften Forschungseinrichtungen und Universitätsinstituten umfangreiche hydrogeologische Untersuchungen durchgeführt. Ziel war, die Genese und Herkunft des Mineralwassers auf eine fundierte fachliche Grundlage zu stellen. Die Untersuchungen sind weitgehend abgeschlossen, die Ergebnisse größtenteils publiziert und während zwei Veranstaltungen im Rathaus 1993 und 1997 vorgestellt worden. Die Untersuchungen zeigen, dass das charakteristische Sauerwasser im Cannstatter Becken und dem näheren Umfeld durch Vermischung des niedermineralisierten Zustroms aus dem Gäu (Raum Sindelfingen) mit aus großer Tiefe aufsteigender Sole (hochkonzentriertes Salinarwasser) entsteht.

3.2 Neue Erkenntnisse

Die neuen Forschungsergebnisse gaben Anlaß, das Schutzgebiet für die Stuttgarter Heilquellen nach modernen Erkenntnissen neu abzugrenzen. Diese Aufgabe wurde ab 1994 von dem eigens hierfür eingerichteten Arbeitskreis “Heil- und Mineralquellenschutz (HMQS)” unter Vorsitz des Regierungspräsidiums Stuttgart in Angriff genommen. Dem Arbeitskreis gehören Vertreter des Landesamts für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg, der Gewässerdirektion Neckar, der Landeshauptstadt Stuttgart (Tiefbauamt und Amt für Umweltschutz) sowie die Herren Prof. Dr. Ing. Kinzelbach (Eidgenössisch-Technische Hochschule Zürich) und Prof. Dr. Kobus (Landesgutachter Wasserwirtschaft) an. Ein von der Stadt finanzierter Projektmanager hat die Arbeitsgruppe unterstützt.

3.3 Genese des Mineralwassers

Die Mitglieder des Arbeitskreises haben im Konsens eine Schutzgebietsabgrenzung (qualitativ und quantitativ) erarbeitet und dazu den Entwurf einer Rechtsverordnung inklusive Begründung gefertigt, die nun Bestandteil des Verfahrens sind. Außerhalb des Arbeitskreises erstellte das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau ein Fachgutachten zum geplanten Heilquellenschutzgebiet. In diesem wird an der Auffassung festgehalten, wonach das hochkonzentrierte Mineralwasser von Bad Cannstatt und Berg zu einem Großteil aus Süden (Albvorland, südlicher Fildergraben) lateral im Oberen Muschelkalk zuströmt.



3.4 Ausdehnung

Das Schutzgebiet erstreckt sich mit den zentralen Bereichen auf die Landeshauptstadt Stuttgart sowie randlich auf die Landkreise Böblingen, Esslingen, Ludwigsburg, Rems-Murr-Kreis und Enzkreis. Es verläuft von Bad Cannstatt über Feuerbach bis Perouse im Westen und bis östlich Gärtringen im Südwesten, von dort aus weiter über Vaihingen, Degerloch, Wangen, Hedelfingen, südlich Obertürkheim, ostseitig Uhlbach, Untertürkheim nach Bad Cannstatt. Die Gesamtfläche ist im Vergleich zum letzten Entwurf 1990 erheblich reduziert und beträgt jetzt 335 km2. Die Abgrenzung und Lage der Zonen ist den Anlagen 2 und 3 zu entnehmen.


3.5 Schutzbereiche

Das Quellschutzgebiet gliedert sich in die

Diese werden von innen nach außen mit je drei qualitativen und quantitativen Zonen belegt, die jeweils in der Fläche deckungsgleich sind. Zur Sicherung der Qualität ergeben sich folgende Schutzzonen:

3.7 Begrenzung auf sensible Bereiche

Aufgrund der teilweise mächtigen Überdeckung, der vertikalen Stockwerksgliederung sowie der großen Entfernung zu den Quellen wurde das Schutzgebiet einschließlich des zugehörigen Maßnahmenkatalogs auf die wesentlichen hydrogeologisch sensiblen Bereiche konzentriert, nämlich auf das Neubildungsgebiet im Raum Sindelfingen, auf den direkten Zustrom zu den Mineral- und Heilquellen im Stuttgarter Talkessel sowie auf das Quellgebiet im Cannstatter Becken/Neckartal. Dadurch wird anders als im Entwurf von 1990 nur etwa die Hälfte des Stuttgarter Stadtgebiets von Schutzzonen überlagert.

Für das Stadtgebiet bestand das Ziel, eine möglichst einfache und transparente Gebietsabgrenzung zu erarbeiten und die bisher praktizierte, oft aufwändige und inhaltlich schwer nachvollziehbare Einzelfallbeurteilung baulicher Maßnahmen auf ein Minimum zu reduzieren.

Erfahrungen aus der Baupraxis der vergangenen Jahrzehnte und der aktuelle hydrogeologische Kenntnisstand bilden das fachliche Fundament, auf dem die Neukonzeption zur Zonierung im zentralen Stadtgebiet von Stuttgart aufbaut. Bei der Abgrenzung sind die Ausbildung und Mächtigkeit der Deckschichten über dem Oberen Muschelkalk sowie der Flurabstand der Druckfläche des Grundwassers im Oberen Muschelkalk beziehungsweise dessen Höhenlage über Gelände (artesischer Bereich) von entscheidender Bedeutung. Zielführend war hier insbesondere der im Amt für Umweltschutz entwickelte methodische Ansatz, der die Druckfläche des Grundwassers im Oberen Muschelkalk in ihrer Wertigkeit gegenüber der früheren formalen Beurteilung von 1990 deutlich zurücknimmt. Dagegen erhält nun die Einführung einer “Dichtschicht” im basalen Gipskeuper vorrangige Bedeutung. In ihrer Funktion als geringdurchlässige Trennschicht zu den tieferen, teils Mineralwasser führenden Stockwerken, hemmt diese vertikale Wechselwirkungen (Anlage 4)

4 Wasserrechtliche Regelungen zum Schutz der Heilquellen
(Rechtsverordnung)

Die Formulierung von Verboten im Entwurf der Rechtsverordnung ist im Vergleich zu herkömmlichen Trinkwasserschutzgebieten auf ein Minimum reduziert. Sie gibt dem Planer und Bauträger Rechtssicherheit bei bau- und immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren. Zusätzliche Anforderungen zum Schutz der Quellen greifen nicht in unverhältnismäßiger Weise in die Rechte Betroffener ein. Bauwillige und Vorhabensträger mußten schon bisher nach den einschlägigen bau- und wasserrechtlichen Bestimmungen Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers durchführen und einschränkende Auflagen hinnehmen. Auch ohne rechtskräftiges Schutzgebiet wurden in der Vergangenheit Maßnahmen zum Schutz der Quellen durchgesetzt.

4.1 Wichtigste Inhalte der Rechtsverordnung

Die geplante Schutzgebietsverordnung besteht aus zehn Paragraphen, in denen die geschützten Quellen aufgeführt, die Schutzzonen bestimmt und die Verbote und Beschränkungen festgelegt werden. Geschützt werden die folgenden staatlich anerkannte Heilquellen in Stuttgart-Bad Cannstatt und in Stuttgart-Berg:

- Gottlieb-Daimler-Quelle
- Wilhelmsbrunnen I
- Wilhelmsbrunnen II
- Südquelle (Berg)
- Berger Urquell
- Nordquelle (Berg)
- Westquelle (Berg)
- Ostquelle (Berg)
- Mittelquelle (Berg)
- Leuzequelle
- Inselquelle
- Veielquelle

4.1.1 Wesentliche qualitative Schutzbestimmungen:

a) Es gibt Beschränkungen beim Einsatz von Wärmepumpen und Erdwärmesonden:


c) Die landwirtschaftliche Nutzung wird auf die “gute fachliche Praxis” nach dem Pflanzenschutzgesetz und der Düngeverordnung festgeschrieben, also auf Regelungen, die auch außerhalb des Schutzgebietes und ohne Festsetzung eines solchen Gebietes gelten. Die Schutzgebietsausgleichsverordnung (SchALVO) ist nicht anwendbar. Insoweit führt die Verordnung nicht zu zusätzlichen Einschränkungen und kann deshalb auch bestehende Höfe nicht gefährden.


4.1.2 Wesentliche quantitative Schutzbestimmungen:

Verboten ist das dauerhafte Entnehmen, zu Tage fördern, zu Tage leiten und Ableiten von Grundwasser

Für das vorübergehende Entnehmen, zu Tage fördern, zu Tage leiten und Ableiten von Grundwasser werden abhängig von der Tiefe und der Zone (Außen- oder Innenzone) Obergrenzen für Dauer und Menge festgelegt, bis zu denen die Erteilung einer Erlaubnis möglich ist.

Verboten sind in der Innenzone auch flächenhafte Eingriffe in den Unterkeuper und in tiefere Schichten sowie bereichsweise in die Grundgipsschichten. Gleiches gilt für flächenhafte Eingriffe in der Kernzone, die unter die Basis der quartären Ablagerungen im Nesenbach- und Neckartal reichen. In der Kernzone ist noch zusätzlich das Freilegen von Grundwasser (z. B. durch Baugruben) in einer Fläche von mehr als 500 m² verboten.

Eine Erleichterung für Bauwillige und Planer ist die vorgesehene Regelung, welche die Baumaßnahmen aufzählt, die in der Innenzone ohne heilquellenschutzspezifische Auflagen zulässig sind. Das sind Baugrunderkundungen, Baugruben, Gräben und Bauverfahren für Sicherungs- und Gründungsmaßnahmen, jeweils abhängig von der Tiefe.

In den Fassungsbereichen, die den unmittelbaren Bereich der Quellen mit einer kreisförmigen Fläche mit 5 m Radius um die jeweilige Fassung umschließen, sind die Fassungsanlagen gegen Verunreinigungen zu schützen.

4.2 Inhaltliche Hintergründe zur Rechtsverordnung

4.2.1 Standardeingriffe

Die Verordnung zum Heilquellenschutzgebiet unterscheidet sich von denen herkömmlicher Trinkwasserschutzgebiete maßgeblich. Sie konzentriert sich bewußt nur auf die heilquellenspezifischen Einschränkungen (Verbote), die über die Anforderungen zum “normalen” Grundwasserschutz hinausgehen. Hierzu gehört auch, dass die Rechtsverordnung in der im Innenstadtgebiet gelegenen Innenzone mittels sogenannter Standardeingriffe eine Art von “Irrelevanzschwellen” für bauliche Eingriffe aufzeigt. Sie repräsentieren ein Spektrum bautechnischer Maßnahmen bis zu einer Schwelle, unterhalb der keine besonderen Vorkehrungen zum Schutz der Quellen berücksichtigt werden müssen. Sofern die den Mineralwasseraquifer schützende “Dichtschicht” unversehrt bleibt, umfassen sie bei gewöhnlichem Grundwasserandrang Eingriffe bis zu einer Größenordnung von drei Untergeschossen und die anfallenden Wassermengen. Sofern sich Vorhaben im Rahmen der Standardeingriffe bewegen, sind also die herkömmlichen Anforderungen zum “normalen” Grundwasserschutz, die auch außerhalb von Schutzgebieten obligatorisch sind, vollkommen ausreichend. Das bedeutet, dass spezielle Anforderungen zum Heilquellenschutz vorteilhafterweise nur in einer Minderzahl der Fälle, die das Maß der Standardeingriffe überschreiten, zum Tragen kommen. Diese Regelung ist eine Erleichterung für Bauwillige. Sie stellt sicher, dass Einzelfallentscheidungen nur noch in Ausnahmefällen erforderlich sind und dass die Mehrzahl der grundwasserrelevanten Bauvorhaben in weiten Teilen über vorbereitete Fallklassen zügig abgewickelt werden kann.

4.2.2 Flächenhafte und punktuelle Eingriffe

Vereinfacht werden drei Kategorien von Maßnahmen zum Heilquellenschutz (unzulässige Handlungen, Beschränkungen, Überwachungen) vorgesehen, die den Umfang baulicher Eingriffe, je nach Zone und Art des Eingriffs, limitieren oder einen technischen beziehungsweise organisatorischen und damit finanziellen Mehraufwand darstellen; bei der wasserwirtschaftlichen Beurteilung von vorhabensbedingten Beeinträchtigungen des Mineralwassersystems wird zwischen flächenhaften und punktuellen Eingriffen unterschieden. Da letztere gegen Aufbrüche der teils hoch- oder gar artesisch gespannten Mineralwässer weniger anfällig und technisch eher beherrschbar sind, können diese auch in ihrer Tiefenreichweite weniger kritisch beurteilt werden. Diese Lösung stellt sicher, dass die für bis zu drei untergeschossige Standardbaugruben erforderlichen Baugrund- und Grundwasser-Erkundungsbohrungen machbar sind und ohne nennenswerte heilquellenspezifische Komplikationen ausgeführt werden können. Ferner stellen vielfach übliche Punkteingriffe wie lokale Aufzugsunterfahrten oder Tiefgründungen, die unter das flächige Baugrubenniveau hinabreichen, in ähnlicher Form keine Probleme dar.



4.2.3 Vergleich zu Trinkwasserschutzgebieten

Gerade auch in den qualitativen Anforderungen unterscheidet sich die vorliegende Rechtsverordnung von den Bestimmungen zu herkömmlichen Trinkwasserschutzgebieten. Dies liegt vor allem daran, dass normale Trinkwasserschutzgebiete gewöhnlich die Qualität in vergleichsweise oberflächennahen Grundwasservorkommen sicherstellen sollen. Hier ist jedoch der natürliche Zustand des Heilwassers zu schützen, dessen Vorkommen in weiten Teilen durch darüberliegende Grundwasserstockwerke, die ihrerseits durch zwischengeschaltete geringdurchlässige Schichten in vertikaler Richtung getrennt sind, natürlicherweise “abgeschirmt” ist. Zusätzlich ist speziell in den Randbereichen die große Entfernung zu den Fassungen zu nennen. Daher kommt im Gegensatz zu den klassischen Trinkwasserschutzgebieten die Verordnung zum Heilquellenschutzgebiet ohne die restriktiven Verbote für die Landwirtschaft aus. Damit entsteht auch keine staatliche Ausgleichspflicht nach der Schutzgebiets –und Ausgleichs-Verordnung (SchALVO).

Gleichermaßen kann auch auf die ansonsten in Trinkwasserschutzgebieten bekannten Verbote zur Lagerung wassergefährdender Stoffe verzichtet werden. Dieser scheinbare Widerspruch erklärt sich aus den mächtigen natürlichen Deckschichten im Einzugsbereich und den teils artesisch gespannten Druckverhältnissen im Aufstiegsbereich der Heilwässer. Tatsächliche Gefahren bestünden allenfalls bei der unvorhergesehenen Freisetzung großer Flüssigkeitsmengen, besonders von solchen, deren Dichte über der des Wassers liegt (spezifisches Gewicht ist größer als das von Wasser). Da dieses, anders als im Fall der anhängigen Alt-Schadensfälle, infolge der heute üblichen technischen Warn- und Kontrollmöglichkeiten nicht mehr der Fall sein kann, wurde ein Lagerungs- und Umschlagsverbot für unnötig und unverhältnismäßig erachtet. Für diese Fälle sieht die Rechtsverordnung für die Innenzone einschließlich der Kernzone neben höheren baulichen Anforderungen zur Erhöhung der technischen Sicherheitsstandards eine Anzeigepflicht von Anlagen nach § 19 g Abs.1 und 2 WHG zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen vor. In Abstufung nach den Wassergefährdungsklassen wurden jedoch auch hier Volumenschwellen eingeführt, die derartige Anzeigen auf ein handhabbares Maß begrenzen. Ziel der Anzeigenregelung ist es, einen Überblick über die vorhandenen Einrichtungen mit wassergefährdenden Stoffen im Nahbereich der Stuttgarter Heilquellen zu erhalten. Dies war nach bisheriger Rechtslage nicht möglich.

Diese speziell vom Regierungspräsidium befürwortete Anzeige-Regelung stellt eine Verschärfung zur bisherigen Praxis dar, die für die Betroffenen mit Kosten und für die untere Wasserbehörde mit Mehraufwand verbunden ist. Sie betrifft im Wesentlichen die Fälle, in denen neue Anlagen errichtet werden sollen. Da vorhandene Einrichtungen Bestandsschutz genießen, besteht hier nur anlässlich von wesentlichen Erweiterungen oder Änderungen konkreter Handlungsbedarf.

Weiter unterscheidet sich die Heilquellenschutzverordnung von denen der Trinkwasserschutzgebiete in den Regelungen zu Erdwärmesonden. Derartige Wärmegewinnungsanlagen sind in den näheren Zonen von Trinkwasserschutzgebieten generell verboten. Im Gegensatz hierzu konnte das Amt für Umweltschutz mit fachlichen Argumenten zu den natürlichen Schutzmechanismen (ausreichende Deckschichten und überlagernde GW-Stockwerke) überzeugen, dass eine analoge und formale Übernahme dieser Verbotsregelung nicht gerechtfertigt ist. Daher können im Heilquellenschutzgebiet Erdwärmesonden selbst in den sensibleren Zonen grundsätzlich errichtet werden. Dort muß ihre Tiefenreichweite lediglich auf nicht mineralwasserrelevante, also meist höhere Grundwasserstockwerke beschränkt bleiben. Hinzu kommt, dass im Heilquellenschutzgebiet eine Verwendung von wassergefährdenden Trägermedien unterbleiben muss, weil die Sonden von der Erdoberfläche über mehrere GW-Stockwerke in die Tiefe reichen und im Fall von Leckagen die vertikalen natürlichen Schutzmechanismen der Stockwerksbarrieren außer Kraft gesetzt sind.

5 Rechtsverfahren

Die Festsetzung eines Heilquellenschutzgebiets bedarf einer Rechtsverordnung gemäß §§ 24, 40 und 110 Wassergesetz Baden-Württemberg. Da sich das Gebiet über mehrere Landkreise erstreckt, hat das Regierungspräsidium Stuttgart als höhere Wasserbehörde bestimmt, die Rechtsverordnung selbst zu erlassen und somit auch das notwendige Verfahren durchzuführen. Gemäß der amtlichen Bekanntmachung des Regierungspräsidiums Stuttgart (s. Amtsblatt Stuttgart, Nr. 23 vom 07.06.2001) liegen der Entwurf der Rechtsverordnung sowie die dazugehörigen Schutzgebietskarten in der Zeit vom 27.06. bis 27.07.2001 bei der Landeshauptstadt Stuttgart, Amt für Umweltschutz, sowie den Landratsämtern Böblingen, Esslingen, Ludwigsburg, Rems-Murr-Kreis und dem Regierungspräsidium Stuttgart öffentlich aus. Während der Auslegungsfrist können Bedenken und Anregungen zu dem geplanten Schutzgebiet vorgebracht werden. Über etwaige Einwendungen wird in einem mündlichen Erörterungstermin verhandelt. Die Verordnung tritt nach Verkündigung im Gesetzblatt für Baden-Württemberg zu dem festgelegten Termin in Kraft. Je nach Art, Zahl und Qualität möglicher Einwendungen und späterer Rechtsmittel ist die Zeitspanne zwischen der Einleitung des Verfahrens und dem rechtskräftigen Abschluss nicht prognostizierbar.

6 Auswirkungen der Neuausweisung

6.1 Fachliche Auswirkungen

Die Rechtsverordnung regelt die Masse der Eingriffe und erleichtert dadurch die Verfahrensabwicklung. Die Beurteilung des Gefährdungspotenzials von Großbauvorhaben und Linienbauwerken wird auch in Zukunft im Einzelfall erfolgen.

Mit dem In-Kraft-Treten der Schutzverordnung ergeben sich keine Konsequenzen für in Planung bzw. in Ausführung befindliche Projekte. Dies gilt auch für das Städte- und Bahnprojekt Stuttgart 21, das für das Stadtgebiet wasserwirtschaftliche Eingriffe von erheblichem Maß bringen wird. Ihre Auswirkungen auf das Mineralwassersystem werden derzeit durch umfangreiche und bisher nicht dagewesene Untersuchungen überprüft. Bei der bisherigen wasserwirtschaftlichen Beurteilung der baulichen Eingriffe wurden bereits die durch den Arbeitskreis Heil- und Mineralquellenschutz entwickelten Konzepte angewandt. Diese sind dem Projektträger und dessen Planer und Fachgutachter seit langem bekannt. Auch bei rechtskräftiger Verordnung wird das Projekt Stuttgart 21 aufgrund seiner überörtlichen Bedeutung als Einzelfall betrachtet.

6.2 Personelle Auswirkungen

Hinsichtlich der Anzeigepflicht zur Lagerung und zum Umgang von Stoffen im Stadtinnenbereich ergibt sich bei der Unteren Wasserbehörde ein erhöhter Vollzugsaufwand.
Derzeit sind im Schutzgebiet ca. 13.000 Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen registriert. Von diesem Gesamtbestand sind ca. 9.000 Anlagen in Betrieb. Es ist davon auszugehen, dass sich annähernd 6.500 dieser Anlagen im Bereich des geplanten Heilquellenschutzgebiets befinden. Der für diese Anlagen erforderliche Verwaltungsaufwand erhöht sich deutlich, da sich die Prüfzyklen von 5 auf 2,5 Jahre verkürzen, teilweise strengere Sicherheitsanforderungen gelten und infolge der Verschärfung von Anzeige-/ Prüfpflichten mit voraussichtlich 3.000 neu hinzukommenden überwachungsbedürftigen Anlagen zu rechnen ist. Für diese Aufgaben steht bisher 1 Stelle zur Verfügung. Aufgrund dieses Aufgabenzuwachses ist davon auszugehen, dass sich ein Mehrbedarf von mindestens 0,5 Stellen ergibt.
Dafür entstehen ab Eintritt der Rechtskraft der Schutzgebietsverordnung jährlich Kosten in Höhe von 51.700,- DM (V b Fg. 1b BAT). Die Stellenschaffung wird in gegebener Zeit im Vorgriff auf den Stellenplan 2004/05 beantragt. Der sich aus der Anzeige-Regelung (s. Ziffer 4.2.3, 2. u. 3. Absatz) ergebende Aufgabenzuwachs bei der unteren Wasserbehörde soll mit dem vorhandenen Personal aufgefangen werden.

7 Vorteile eines rechtskräftigen Heilquellenschutzgebiets

Für Bürger und Vorhabensträger werden durch klare und eindeutige Regelungen Vereinfachungen und Erleichterungen bei der Planung und Durchführung von Maßnahmen erreicht. Das setzt voraus, dass ausreichende Informationen über das Schutzgebiet einschließlich technischer Regelungen und Maßnahmen verfügbar sind und in gut aufbereiteter Form Planern und Projektträgern zur Verfügung steht. Dadurch ist eine gute Planungssicherheit gewährleistet. Karten mit Grenzen der Schutzzonen liegen bereits in digitaler Form vor. Die relevanten Unterlagen werden zukünftig auch im Internet bereitgestellt.

Es ist beabsichtigt, dass das Spektrum der zonenspezifischen wasserwirtschaftlichen Erfordernisse zum Heilquellenschutz in einer separaten Publikation des Amts für Umweltschutz einschließlich

der fachlichen Begründungen zusammengestellt wird. Diese Broschüre schildert außerhalb der eigentlichen Verordnung speziell für Bauherren, Planer und die interessierte Öffentlichkeit gezielt und nachvollziehbar den jeweils aktuellen Stand der Technik zum Heilquellenschutz. Vorteil ist, dass diese Zusammenfassung, anders als eine Rechtsverordnung, ohne formales Verfahren flexibel dem schnelllebigen Stand der Technik angepasst werden kann. Die dort verankerten Randbedingungen erhalten analog der bisherigen Praxis Rechtsverbindlichkeit in Form der wasserbehördlichen Auflagen.

Weiterer Vorteil ist die Transparenz im technischen Heilquellenschutz, die mit dieser Lösung erreicht wird. Mit der Broschüre werden Bauherren und Planer im Vorfeld konkreter Vorhabensüberlegungen über mögliche Heil- bzw. Mineralwasserkonflikte einschließlich notwendiger Schutzvorkehrungen informiert. Dadurch können bei entsprechender Voraussicht die Vorhaben gezielt nach den heilquellenspezifischen Anforderungen kalkuliert, geplant und beantragt werden. Dahinter verbirgt sich auch die Erwartung, dass Vorhabensanträge von vornherein auf heilquellenrelevante Erfordernisse abgestimmt sind.

Die Broschüre zum technischen Heilquellenschutz ist bereits in Arbeit und wird zeitnah nach Abschluß des Schutzgebietsverfahrens erscheinen. Anlässlich der Veröffentlichung wird zu den Inhalten gesondert berichtet.


Im Vergleich zu früher wird die Verfahrensabwicklung deutlich vereinfacht. Zukünftig stellt die kategorisierte Beurteilung über definierte Standardeingriffe sicher, daß Einzelfallentscheidungen nur noch in Ausnahmefällen erforderlich sind und daß die Mehrzahl der grundwasserrelevanten Bauvorhaben in weiten Teilen von Stuttgart über vorbereitete Fallklassen zügig abgewickelt werden kann. Grundwasserrelevante Eingriffe (“wasserrechtliche Benutzungen”) bedürfen aber trotzdem auch künftig einer wasserrechtlichen Erlaubnis.


8 Beteiligung der Bezirksbeiräte

Die Behandlung der Angelegenheit im Gemeinderat wird maßgeblich durch die verfahrensrechtlich vorgegebene Auslegungsfrist (27.06. bis einschließlich 27.07.2001) bestimmt. Innerhalb dieser Frist kann die Stadt als Gebietskörperschaft Anregungen und Bedenken geltend machen. Nach Ablauf der Frist sind Einwendungen präkludiert. Somit muss der erforderliche Beschluss zwingend vor Ablauf der Frist herbeigeführt werden.

Nach der Geschäftsordnung über die Beteiligung der Bezirksbeiräte (§ 3 Abs. 1 GOB) sind alle von der Rechtsverordnung tangierten Bezirksbeiräte zu beteiligen. Das sind folgende Beiräte:

Feuerbach, Münster, Zuffenhausen, Weilimdorf, West, Süd, Mitte, Ost, Nord, Botnang, Vaihingen, Möhringen, Degerloch, Hedelfingen, Wangen, Obertürkheim, Untertürkheim, Bad Cannstatt.

Eine Beteiligung aller Beiräte vor der Beschlussfassung war zeitlich nicht mehr möglich. Mit dem Beschluss nach Ziffer 2 wird von dem “normalen” Vorgehen (vorherige Beteiligung) abgewichen
(§ 18 Abs. 4 GOB). Vertreter der Verwaltung berichten nach den Sommerferien in allen Beiräten, welche dies wünschen.