Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
684/2013
GZ:
OB
Sitzungstermin: 24.07.2013
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:EBM Föll
Protokollführung: Frau Sabbagh fr
Betreff: Grundsatzbeschluss zur Villa Berg und dem Park der Villa Berg im Stadtbezirk Stuttgart-Ost

Vorgang:

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 16.07.2013, nicht öffentlich, Nr. 317
Ergebnis: Einbringung

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 23.07.2013, öffentlich, Nr. 335
Ergebnis: Der Ausschuss für Umwelt und Technik stimmt

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 12.07.2013, GRDrs 684/2013, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Die Landeshauptstadt Stuttgart beabsichtigt, die Villa Berg zu erwerben, in eigener Regie zu sanieren und einer öffentlichen Nutzung zuzuführen.

2. Die Landeshauptstadt Stuttgart beabsichtigt, die ehemaligen Fernsehstudios des SWR zu erwerben und mittelfristig rückzubauen. Die hierdurch wieder frei werdende Parkfläche wird den Stuttgarter Bürgern zurückgegeben.

3. Das benachbarte Sanierungsgebiet Stuttgart 29 soll erweitert und im ersten Schritt Sanierungsmittel für die Sanierung der Villa Berg und anschließend auch für den Rückbau der Fernsehstudios beantragt werden.

4. Die Tiefgarage im Park der Villa Berg wird von der Stadt übernommen und für die zukünftige Nutzung der Villa Berg sowie als Quartiersgarage genutzt.

5. Die Verwaltung wird beauftragt, die hierfür notwendigen Gespräche und Verhandlungen zu führen.


Zunächst informiert EBM Föll über die Eigentums- und Vertragsverhältnisse. Die Häussler Grundbesitzgesellschaft sei insolvent gegangen und werde aktuell durch zwei Insolvenzverwalter vertreten. Es gebe eine Grundpfandrechtsgläubigerin, eine Bank, die mit den entsprechenden Grundpfandrechten im Grundbuch eingetragen sei. Der potenzielle Investor habe mit den Insolvenzverwaltern einen Vertrag für die drei Grundstücke abgeschlossen, der eine aufschiebende Bedingung, zunächst bis 31.12.2012, zwischenzeitlich verlängert bis 31.12.2013, enthalte. Gemäß dieser Bedingung müsse bis 31.12.2013 von der Landeshauptstadt eine Baugenehmigung für den Umbau der Fernsehstudios in Wohnungen erteilt sein, andernfalls werde der Vertrag gegenstandslos. Das bedeute, dass dann nicht mehr der potenzielle Investor, sondern die Insolvenzverwalter und die Gläubigerbank die Entscheidungen träfen. Theoretisch habe der potenzielle Investor die Möglichkeit, vor dem 31.12.2013 auf die aufschiebende Bedingung zu verzichten und den Kaufvertrag damit wirksam werden zu lassen, wodurch der volle Kaufpreis fällig werde. Dies sei jedoch ohne eine Baugenehmigung bzw. das Planungsrecht wirtschaftlich nicht sinnvoll, und insoweit sei dieser Fall nicht anzunehmen.

Er habe zusammen mit BM Hahn am 15.07.2013 den Insolvenzverwaltern und Vertretern der Gläubigerbank die Überlegungen der Landeshauptstadt - vorbehaltlich des Beschlusses des Gemeinderats - dargelegt. Diese seien wegen der Auswirkungen auf den Grundstückswert zwar nicht gerade begeistert gewesen, hätten gegenüber der Stadt jedoch konkrete Verhandlungsbereitschaft bezüglich eines Erwerbs zu erkennen gegeben, um eine konstruktive Lösung zu finden. Er sei sehr zuversichtlich, dass man diese Lösung Anfang 2014 finden könne.

Wenn nun der Gemeinderat den vorliegenden Grundsatzbeschluss fasse, wofür er werbe, gebe es einen klaren Zeitplan für dessen Umsetzung. Damit werde die beste Lösung sowohl für die Villa Berg als auch den Park und die gesamte Stadt ermöglicht. Er betont nochmals explizit, dass alle anderen Darstellungen nicht den der Stadt vorliegenden Verträgen entsprächen.

Zunächst dankt StR Pätzold (90/GRÜNE) OB Kuhn dafür, dass er nun den Grundsatzbeschluss herbeigeführt habe. Wie EBM Föll geht auch er von einer baldigen Lösung aus, da der Besitzer der Villa, der sie verfallen lasse, in der Öffentlichkeit ziemlich schlecht dastehe. Seiner Fraktion sei die Sanierung des Parks sehr wichtig, weshalb sie den ergänzenden Antrag gestellt habe.

Dagegen lässt nach Ansicht von StR Kotz (CDU) der Grundsatzbeschluss mit seinem zeitlichen Risiko zu vieles offen. Deshalb habe seine Fraktion in ihrem Antrag auf Vertagung zugleich ein modifiziertes Modell vorgeschlagen, mit dem mehr Planungssicherheit und Klarheit - vor allem auch in zeitlicher Hinsicht - erreicht werden solle. Vor Verhandlungen über den Grunderwerb sollte man über einen Kompromiss nachdenken und das Thema Wohnungsbau in den Studios darstellen. Die öffentliche Nutzung des Kulturgutes sollte dann gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern erörtert werden. Die Ausführungen von EBM Föll hätten ihn nicht beruhigt. Selbstverständlich seien die Insolvenzverwalter und die Bank zu Verhandlungen bereit, die Frage sei nur, wann und zu welchem Preis sie verkaufen wollten. Er bittet um getrennte Abstimmung der einzelnen Beschlussantragsziffern.

In einem Rückblick auf die Geschichte des Parks und der Villa betont StRin Dr. Blind (SPD) die Bedeutung des Parks vor allem für den Stuttgarter Osten. Wenn die Stadt nun das Anwesen aufkaufe, die Villa saniere, die Fernsehstudios abreiße und den Park wiederherstelle, könne sie die Fehler der Vergangenheit rückgängig machen. Sie bedankt sich ausdrücklich bei EBM Föll für die Klarstellung, dass mit dem anstehenden Beschluss nicht der Verfall der Villa drohe, und bei OB Kuhn für die Vorlage, mit der er der vierjährigen Odyssee bezüglich der Zukunft des Anwesens ein Ende setze.

StR Fahrion (FW) kritisiert den Beschluss des UTA am Vortag, mit dem man gegen den Bau von 150 Wohnungen votiert habe, um den Park "um ein paar Quadratmeter" zu erweitern und die Villa Berg mit hohen Kosten und Risiken zu sanieren. Ohnehin bleibe ein Fernsehstudio aus Denkmalgründen in der Sichtachse neben der Villa stehen. Nachdem die Stadt ihr Vorkaufsrecht nicht ausgeübt habe, werde es viele Jahre dauern, bis mit der zig Millionen € teuren Sanierung der Villa und dem Abbruch der alten Studios begonnen werden könne. Folge man dagegen dem Antrag seiner Fraktion, nach der Sommerpause an einem Modell nochmals zu diskutieren, könnten 150 Wohnungen in bester Lage im Grünen entstehen. Der Park könnte auf dem Betriebshof des Gartenbauamtes erweitert werden und die Villa könnte teilweise mit dem Geld des aktuellen Grundstückseigentümers binnen Kurzem saniert werden. Fasse der Gemeinderat den Grundsatzbeschluss, so werde dieser Tag "ein weiterer schwarzer Tag für Stuttgart und seine Investoren". Deshalb lehne seine Fraktion die Vorlage ab.

Im Namen seiner Fraktion bedauert StR Dr. Stübel (FDP) den im UTA "mit knapper linker Mehrheit" gefassten Beschluss, der zum Kauf der Villa Berg führe. Zwar habe die historische Chance, den Bürgern den Park zurückzugeben, durchaus Charme, doch hätte man die Entscheidung nochmals verschieben sollen, um die Situation mit den Bürgern und auch dem Investor auszuloten und so eventuell bessere Entscheidungen herbeizuführen. Die nun vorliegende Gemeinderatsdrucksache enthalte weder einen ungefähren Kaufpreis noch Angaben über die Höhe einer Grundschuld. Seine Fraktion habe aufgrund der ihr vorliegenden Daten die nicht unerhebliche Gesamtsumme von 35 Mio. € errechnet und bereits vor längerer Zeit ein Gesamtkonzept für das Gebiet Berg gefordert. Der Vorschlag der CDU, die Studios in 150 Wohnungen umzubauen, stoße in seiner Fraktion angesichts des ständig kritisierten Wohnungsmangels auf Sympathie, die Gemeinderatsdrucksache jedoch lehne sie ab. Als eklatanten Verstoß gegen die lange bewährte Vorgehensweise bewertet er schließlich, dass der von drei Fraktionen unterstützte Antrag, die Entscheidung zu verschieben, von der "linken Mehrheit" abgelehnt worden sei.

Nachdem der Stadtrat zweimal von der "linken Mehrheit" im Gemeinderat gesprochen hat, bittet OB Kuhn darum, ihm bei Gelegenheit zu erklären, ob im Gemeinderat Lager existierten, und, falls ja, wie sie hießen. Dabei merkt er an, wenn es ein linkes Lager gebe, müsse es folglich auch ein rechtes Lager geben.

Unstrittig ist auch für StR Rockenbauch (SÖS und LINKE), dass die Villa Berg zusammen mit dem Park ein einzigartiges Kulturdenkmal ist. Seine Fraktionsgemeinschaft begrüße es deshalb, dass nach vier Jahren endlich Klarheit geschaffen werde, dass das Gebäude der Villa Berg in öffentlichen Besitz komme, um eine öffentliche Nutzung für die Bürgerschaft zu ermöglichen. Er erinnert daran, dass seine Fraktionsgemeinschaft die Villa während der letzten Haushaltsplanberatungen als Standort für ein Kommunales Kino vorgeschlagen habe. Was die von drei Fraktionen gewünschte Vertagung anbelange, so mache es für ihn einen Unterschied, ob Beratungsbedarf bestehe oder lediglich eine Entscheidung verzögert werden solle. Seine Fraktionsgemeinschaft habe Wohnen im Park an dieser Stelle von Anfang an abgelehnt, weil dies die öffentliche Nutzung des Parks einschränke. Das sei auch dem Investor bekannt gewesen. Der Beschluss schaffe Klarheit, und dies liege auch im Interesse des Investors.

StR Dr. Schlierer (REP) unterstreicht ebenfalls die große historische Bedeutung des Parks und der Villa Berg, denen eine bestimmte Konzeption zugrunde gelegen habe, die mit dem Einbau der Einrichtungen des Süddeutschen Rundfunks seinerzeit aufgegeben worden seien. Nachdem die bisherigen Bemühungen der Investoren kein vernünftiges Konzept hätten erkennen lassen, halte er es für richtig, die einmalige Chance zur Wiederherstellung des Parks und der Gesamtanlage zu nutzen, trotz gewisser finanzieller Risiken. Er werde der Vorlage gerne zustimmen.

Gegenüber StR Kotz stellt OB Kuhn klar, der Erwerb habe unter dem Vorbehalt gestanden, dass die Stadt das Baurecht für Wohnungen formuliere. Das Vorkaufsrecht habe sie vernünftigerweise nicht wahrgenommen, da sie sonst den spekulativen Kaufpreis in Höhe von 8,5 Mio. € hätte bezahlen müssen. In der nun vorliegenden Gemeinderatsdrucksache habe man zu Recht keinen Kaufpreis genannt, um die Verhandlungsposition der Stadt nicht zu schwächen. Mit dem Beschlussantrag beabsichtige die Verwaltung, die über lange Zeit geführten Diskussionen abzuschließen und Klarheit zu schaffen, um weitere Spekulationen zu vermeiden, was gerade auch im Interesse der möglichen Investoren liege. Diese müssten wissen, ob die Stadt ein Baurecht für die Umwandlung der Fernsehstudios in Wohnungen ausspreche.


Abschließend lässt OB Kuhn dem Wunsch von StR Kotz entsprechend einzeln über die im UTA modifizierten Beschlussantragsziffern abstimmen und stellt fest:

Der Gemeinderat beschließt

- Beschlussantragsziffer 1
bei 6 Nein-Stimmen mehrheitlich wie beantragt,

- Beschlussantragsziffer 2
mit 33 Ja- und 27 Nein-Stimmen mehrheitlich wie beantragt,

- die geänderte Beschlussantragsziffer 3 (Fassung UTA)
bei 6 Nein-Stimmen mehrheitlich,

- die neue Beschlussantragsziffer 4 (Fassung UTA)
mit 33 Ja- und 28 Nein-Stimmen mehrheitlich,

- die neue Beschlussantragsziffer 5 (alte Ziffer 4)
bei 6 Nein-Stimmen mehrheitlich,

- die neue Beschlussantragsziffer 6 (alte Ziffer 5)
bei 6 Nein-Stimmen mehrheitlich,

- die neue Beschlussantragsziffer 7 (Fassung UTA)
bei 6 Nein-Stimmen mehrheitlich.

Nach der Abstimmung hält StR Pätzold fest, dass der größte Teil der Vorlage von einer breiten Mehrheit der Fraktionen über alle politischen Richtungen hinweg beschlossen worden sei.

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