Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
150
1a
VerhandlungDrucksache:
589/2017
GZ:
WFB 9318
Sitzungstermin: 26.07.2017
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:der Vorsitzende, EBM Föll
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: Aufstellung Jahresabschluss 2016

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 19.07.2017, öffentlich, Nr. 285
Ergebnis: Vertagung nach eingehender Vorberatung

Gemeinderat am 20.07.2017, öffentlich, Nr. 130
Ergebnis: Vertagung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen vom 12.07.2017, GRDrs 589/2017, mit folgendem

Beschlussantrag:

Der Aufstellung des Jahresabschlusses 2016, unter Berücksichtigung
der Festlegungen in den Beschlussanträgen Nr. 1 - 5, wird zugestimmt:

1. Ergebnisrechnung / Verwendung Jahresüberschuss 2016 (Anl. 1)

1.1 Die Ergebnisrechnung schließt mit einem Jahresüberschuss
in Höhe von 231,3 Mio. EUR ab:

Ordentliche Erträge
3.221.007.082,88
EUR
Ordentliche Aufwendungen
-3.001.567.084,49
EUR
Ordentliches Ergebnis
219.439.998,39
EUR
Außerordentliche Erträge
32.493.602,30
EUR
Außerordentliche Aufwendungen
-20.641.046,91
EUR
Sonderergebnis
11.852.555,39
EUR
Jahresüberschuss
231.292.553,78
EUR
nachrichtlich:
konsumtive Ermächtigungsübertragungen 2016
61.822.798,83
EUR
Ergebnisverwendung:
Zuführung Stiftungskapital
-1.441.448,93
EUR
Entnahme Stiftungskapital
276.989,40
EUR
Summe Veränderungen Basiskapital
-1.164.459,53
EUR
Zuführung Rücklage Übersch. d. ordentl. Erg.
-219.169.435,42
EUR
Zuführung Rücklage Übersch. d. a.o. Erg.
-10.853.615,47
EUR
Summe Veränderungen Ergebnisrücklagen
-230.023.050,89
EUR
Zuführung zweckgebundene Rücklagen (Stift./Fonds)
-1.026.504,56
EUR
Entnahme zweckgebundene Rücklagen (Stift./Fonds)
921.461,20
EUR
Summe Veränderungen zweckgebundene Rücklagen
-105.043,36
EUR
Gesamtsumme Ergebnisverwendung
-231.292.553,78
EUR

1.2 Der Jahresüberschuss wird im Rahmen der Ergebnisverwendung folgenden passiven Bilanzpositionen zugeführt bzw. entnommen: 2. Bilanz zum 31.12.2016 (Anl. 2)
Immaterielle Vermögensgegenstände
10.476.279,92
EUR
Sachvermögen
4.649.606.001,04
EUR
Finanzvermögen
4.463.395.181,92
EUR
Aktive Rechnungsabgrenzung
506.178.082,62
EUR
Gesamtbetrag auf der Aktivseite
9.629.655.545,50
EUR
Basiskapital
6.020.610.554,75
EUR
Rücklagen
1.807.296.085,61
EUR
Sonderposten
996.956.452,09
EUR
Rückstellungen
458.617.443,90
EUR
Verbindlichkeiten
229.919.374,60
EUR
Passive Rechnungsabgrenzungsposten
116.255.634,55
EUR
Gesamtbetrag auf der Passivseite
9.629.655.545,50
EUR
3. Gesamtfinanzrechnung 2016 (Anl. 3)
Einzahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit
3.212.768.925,11
EUR
Auszahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit
-2.752.121.483,02
EUR
Zahlungsmittelüberschuss aus laufender Verwaltungstätigkeit
460.647.442,09
EUR
Einzahlungen aus Investitionstätigkeit
125.143.724,40
EUR
Auszahlungen aus Investitionstätigkeit
-367.533.454,69
EUR
Saldo aus Investitionstätigkeit
-242.389.730,29
EUR
Finanzierungsmittelüberschuss
218.257.711,80
EUR
Einzahlungen aus der Aufnahme von Krediten für Investitionen
34.600.000,00
EUR
Auszahlungen für die Tilgung von Krediten für Investitionen
-8.272.288,07
EUR
Saldo aus Finanzierungstätigkeit
26.327.711,93
EUR
Änderung Finanzierungsmittelbestand
244.585.423,73
EUR
Nachrichtlich: Ermächtigungsübertragungen 2016
563.657.793,92
EUR
Überschuss/-bedarf aus haushaltsunwirksamen Ein-/Auszahlungen
-147.172.726,18
EUR
Anfangsbestand an Zahlungsmitteln
184.366.438,23
EUR
Veränderung des Bestands an Zahlungsmitteln
97.412.697,55
EUR
Endbestand an Zahlungsmitteln
281.779.135,78
EUR
4. Übertragung von Budgetresten (Ermächtigungsübertragungen 2016)

Im Ergebnishaushalt werden zur Übertragung der konsumtiven Budgetreste 2016
in die Ämterbudgets 2017
Ermächtigungsübertragungen in Höhe von 61.822.798,83 EUR gemäß Anlage 4 zugelassen.

Die im Doppelhaushaltsplan 2016/2017 aufgeführten Übertragbarkeitsvermerke nach § 61 Ziff. 19 i. V. m. § 21 GemHVO werden wie folgt ergänzt:

- THH 610 "Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung", Amtsbereich 6107010 "Stadtplanung", Nr. I.21 um die Kontengruppe 43100 "Zuweisungen u. Zuschüsse für laufende Zwecke"

- THH 620 "Stadtmessungsamt", Amtsbereich 6207010 "Flächen- und grundstücksbezogene Daten und Grundlagen", um die Kontengruppe 42510 "Sonstige Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen"

Im Finanzhaushalt werden zur Übertragung der investiven Budgetreste 2016
in die Ämterbudgets 2017
Ermächtigungsübertragungen in Höhe von 501.834.995,09 EUR gemäß Anlage 4 zugelassen.

Die Ermächtigungsübertragungen sind im Jahresergebnis nicht enthalten und belasten künftige Ergebnis- bzw. Finanzhaushalte und verringern den Finanzierungsmittelbestand entsprechend.

5. Mittelumsetzungen vom Finanz- in den Ergebnishaushalt

Aufgrund der Ziffern I.4 und I.5 der Haushaltsvermerke im Doppelhaushaltsplan 2016/2017 werden vom Finanzhaushalt in den Ergebnishaushalt Mittel wie folgt umgesetzt:

Ziffer I.4 in Höhe von 11.748.810,46 EUR

Ziffer I.5 in Höhe von 5.346.664,23 EUR

Den entsprechenden Mehraufwendungen wird zugestimmt.


Die Tagesordnungspunkte 1a) bis e) werden gemeinsam aufgerufen.

Weitere Beratungsunterlagen sind der gemeinsame Antrag Nr. 220/2017 (CDU, 90/GRÜNE, SPD, FW, FDP) vom 21.07.2017 sowie dessen Beantwortung vom 24.07.2017 mit dem in Ziffer 2.2 modifizierten Beschlussantrag. Sie sind dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

StR Kotz bringt den Dank und die Freude seiner Fraktion über den Jahresabschluss zum Ausdruck. Er verweist auch auf den überfraktionellen Antrag, aktuell nicht 40 Mio. €, sondern nur 10 Mio. € in der Rücklage für die notwendige Opernsanierung und -erweiterung zu binden. Angesichts des positiven Ergebnisses hoffe seine Fraktion auf die Senkung der Grundsteuer. Die strukturelle Verbesserungsvorlage könne mit den Änderungen zur Kenntnis genommen und in den Haushaltsplanberatungen diskutiert werden. Dabei gehe er davon aus, dass OB Kuhn zuvor noch seine Einsparvorschläge für den Höhenpark Killesberg und bei der Betriebsdauer der Brunnen überdenke.

Die starke Beteiligung am Bürgerhaushalt sei ein großer Erfolg und bundesweit einmalig. Doch sollte man in den nächsten Jahren nicht nur auf die weitere Zunahme der beteiligten Bürger achten, sondern auch darauf, mehr die Gesamtstadt betreffende Themen in den Fokus zu rücken.

Auch ihre Fraktion freue sich über die exzellente Finanzlage der Landeshauptstadt, so StRin Deparnay-Grunenberg (90/GRÜNE). Explizit begrüßt sie das Mobilitätspaket und den Vorschlag, in den nächsten Jahren über 70 Mio. € in den ÖPNV zu investieren. Ihre Fraktion stehe auch zum Defizitausgleich des Klinikums und zur Sanierung der Oper, für deren Planung zunächst 10 Mio. € ausreichten. Eine große Kehrtwende habe man in der städtischen Infrastruktur eingeläutet, indem man nun auf deren Sanierung und Instandhaltung achte. Hierzu müsse - gerade auch mit Blick auf den demografischen Wandel - die Leistungsfähigkeit der Verwaltung erhalten werden.

In Stuttgart habe man eine der höchsten Beteiligungsquoten beim Bürgerhaushalt, dessen Weiterentwicklung ein wichtiges Thema sein werde. Sie äußert im Namen ihrer Fraktion ihre Achtung vor den vielen Menschen, die sich hier beteiligt hätten.

Mit dem Verweis auf eine Veranstaltungsreihe seiner Fraktion zum Thema ÖPNV begrüßt es StR Körner (SPD), dass OB Kuhn 72,5 Mio. € zweckgebundene Rücklage in dem Jahresabschluss hierfür bereitgestellt habe. Seine Fraktion unterstütze die Forderung von OB Kuhn nach 250 Mio. € vom Land. Positiv vermerkt er auch, dass die vorgelegte Streichliste angesichts eines Jahresüberschusses von 231 Mio. € vom Gemeinderat nicht unterstützt werde. Der strukturelle Überschuss im Ergebnishaushalt sollte dafür genutzt werden, die Pflichtaufgaben der Kommune zu erfüllen, erklärt er mit dem Verweis auf den gemeinsamen Antrag der Fraktionen von SPD, CDU, 90/GRÜNEN, FW und FDP. Die Verwaltung müsse in ihrem Haushaltsvorschlag 2018/2019 gewährleisten, dass Kernaufgaben funktionierten, z. B. die Öffnungszeiten in den Bürgerbüros nicht eingeschränkt würden, was im laufenden Jahr jedoch aufgrund von 34 Krankheitstagen pro Stelle entsprechend häufig vorkomme. Hier müssten zusätzliche Stellen geschaffen werden. Schließlich sollte der hohe strukturelle Überschuss dazu verwendet werden, die Tarifzonen 10 und 20 zu einer Zone und auch möglichst nah am Preis von einer Zone im gesamten Stadtgebiet zusammenzufassen. Die Stadt könne sich das leisten und trage damit wesentlich zu einer besseren Luft in Stuttgart bei.

StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) übt Kritik an der Nichtöffentlichkeit der Haushaltsplanberatungen. Die auch 2016 wieder erwirtschafteten Überschüsse hätten System und führten zu einer strukturellen Entmachtung des Gemeinderats, weil man über Jahresabschlüsse außerhalb der Haushaltsplanberatungen mit Millionen für Investitionen Haushaltspolitik mache. Mit dem nach Ansicht seiner Fraktionsgemeinschaft falsch angesetzten Steueraufkommen würden strukturell notwendige Maßnahmen im Ergebnishaushalt, z. B. beim Personal, nicht gemacht, weshalb viele der Kernaufgaben nicht mehr funktionierten. Der Gemeinderat brauche mehr Mut zur Gestaltung.

Er sieht die Stadt in einer Schieflage und verweist auf verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit, zu viele von Armut bedrohte Kinder, Sanierungsstau, Luftverschmutzung u. a. auch aufgrund zu weniger Investitionen in den ÖPNV, der mit zu hohen Ticketpreisen nicht attraktiv sei. Das Fehlen einer langfristigen Bodenvorratspolitik lasse die Mieten explodieren. In der Verwaltung fehlten Stellen, um Projekte umzusetzen. Stattdessen werde outgesourct. Hauptverantwortlich für den Mangel sei OB Kuhn. Doch angesichts der vorgelegten Zahlen müsse man investieren und die Stadtverwaltung zukunftsfähig machen. Die Oper solle saniert, aber nicht um jeden Preis erweitert werden. Kritisch vermerkt er, dass die Einnahmen grundsätzlich zu gering geschätzt würden. Dass die Jahresüberschüsse über dem Plan lägen, sei nicht nur konjunkturbedingt, sondern habe Methode von der Finanzverwaltung (und auch OB Kuhn) her. Deshalb könne seine Fraktionsgemeinschaft dem Jahresabschluss 2016 so nicht zustimmen. Dies gelte insbesondere auch für die strukturellen Einsparvorschläge, z. B. bei der Grünpflege und Warmbadetagen in Schwimmbädern. Dies müsse in den Haushaltsplanberatungen verhandelt werden.

Erfreulich sei die zunehmende Beteiligung der Bürgerschaft am Bürgerhaushalt. Doch dürfe sich dieses Verfahren nicht in einer Vorlage erschöpfen. Man müsse eine verbindlichere Form finden, wie die Vorschläge in die Haushaltsplanberatungen einfließen könnten. Seine Fraktionsgemeinschaft wolle künftig einen Bürgerhaushalt mit Bürgerbudgets, über die die Bürgerinnen und Bürger selbst entscheiden könnten. Das offizielle Gremium für die Bürgerbeteiligung, die Bürgerleitlinien und den Bürgerhaushalt sollte die Weiterentwicklung des Bürgerhaushalts in Zukunft übernehmen. Abschließend appelliert er an den Gemeinderat, die erste und zweite Lesung öffentlich durchzuführen. Im Namen der viel beschworenen Transparenz sollte dieser Antrag auf öffentliche Behandlung gestellt werden können.

StRin von Stein (FW) lobt das großartige Ergebnis. Problematisch sei allerdings, dass aktuell zwar ausreichend Geld zur Verfügung stehe, jedoch das notwendige Personal fehle, um z. B. Sanierungen umzusetzen. Deshalb brauche man im kommenden Doppelhaushalt mehr Geld und vor allem mehr Stellen. Die Kernaufgaben der Verwaltung müssten funktionieren, z. B. müssten die Bürgerbüros in den Bezirksrathäusern regulär geöffnet sein und die Schulen rechtzeitig saniert werden. Eines sei ihr im Übrigen wichtig: Die steigenden Mieten hingen auch damit zusammen, dass 2009 von einer grün-rot-roten Mehrheit im Gemeinderat beschlossen worden sei, Wohnbauflächen nicht zu bebauen, und zudem die Nebenkosten aufgrund gesetzlicher Vorgaben dramatisch gestiegen seien. Den Bürgerhaushalt sehe ihre Fraktion kritisch. Es beteiligten sich deutlich unter 10 % der Bürgerschaft, und diese kämen überwiegend aus sozioökonomisch gut organisierten bzw. gutgestellten Stadtbezirken, die dann ihre Anliegen durchsetzen könnten. Die für den sozialen Frieden enorm wichtigen Themen - Inklusion, Verteilung von Altenheimen und Kitas, Konzepte für Bonus- und FamilienCard etc. - müssten dann vom Gemeinderat erledigt werden. Erstaunlicherweise habe die Kultur dieses Mal beim Bürgerhaushalt keine Rolle gespielt, obwohl sie doch für den Zusammenhalt so wichtig sei.

Die Kritik vieler Fraktionen, dass der vom Kämmerer offiziell erwartete Überschuss - wie im Übrigen seit Jahren - wieder um ein Vielfaches höher ausgefallen sei, kann StR Prof. Dr. Maier (AfD) zwar verstehen, doch biete dies den Vorteil, hohe Rücklagen bilden zu können, die der Stadt in Notzeiten zugutekämen. Seine Fraktion rege deshalb an, einen guten Teil der Überschüsse zur Tilgung noch bestehender Schulden und für die Rücklage zu verwenden. Zudem könne man die Erhöhung der Grundsteuer wieder rückgängig machen, um den Anstieg der Mieten zu bremsen. Angesichts der guten Finanzsituation sehe seine Fraktion keine Notwendigkeit für viele, nicht alle, Maßnahmen zur strukturellen Verbesserung des Stadthaushalts. Kaum zu verstehen sei auch, wegen weniger tausend Euro die Kosten für die Nutzung städtischer Sportanlagen für Sportvereine deutlich zu erhöhen. Der städtische Anteil an der Erhaltung von Kirchtürmen und Glocken sollte nicht reduziert werden, wenn dadurch eine Substanzverschlechterung der Kirchenbauten drohe. Als schäbig empfinde er es, wenn die relativ wenigen öffentlichen Brunnen monatelang stillgelegt werden sollten. Unverständlich sei ihm die Erhöhung der Parkgebühren, in deren Folge die Parkhäuser und Park-and-ride-Plätze wahrscheinlich noch weniger genutzt würden. Mit Ausnahme der Maßnahmen zur strukturellen Verbesserung des Stadthaushalts könne seine Fraktion dem Jahresabschluss (bzw. den Ziffern 1a bis d) zustimmen.

StR Dr. Oechsner (FDP) äußert sich erfreut über das gute Ergebnis und die Finanzlage der Stadt. Über zehn Jahre seien Schulden abgebaut worden. Doch dürfe sich der Gemeinderat nicht das Königsrecht über die Gelder aus der Hand nehmen lassen. Überschüsse dürften nicht zum großen Teil in Rückstellungen gepackt werden, wodurch man sich in der Liquidität und damit dem Gestaltungsspielraum beschränke. Fakt sei, dass gute Ergebnisse zu einem bedeutenden Teil auch darauf zurückzuführen seien, dass man Pflichtaufgaben - z. B. Infrastruktur, Straßen, ÖPNV - nicht in ausreichendem Maße nachkomme. Das Angebot im ÖPNV sei nicht gut genug. Bei Vielem gebe es Nachholbedarf. So müsse man den Gestaltungsspielraum nutzen und die personelle Situation deutlich verbessern. Insgesamt könne seine Gruppierung dem Jahresabschluss guten Gewissens zustimmen.

Der Bürgerhaushalt könnte ein gutes Instrument sein, doch werde er nicht korrekt kommuniziert. Entweder müsse man deutlich machen, dass er nicht verbindlich sei, sondern nur eine Empfehlung an den Gemeinderat darstelle, oder man müsse ihn mit mehr Verbindlichkeit ausstatten.

Auch StR Dr. Schertlen (STd) übt Kritik am jahrelangen Sparkurs der Stadt, der - auch infolge der Einsparmaßnahmen beim Personal - zu einem Sanierungsstau geführt habe. Wie früher bei den Schulen sei dieser nun in der Infrastruktur erkennbar, z. B. bei Straßen, Tunnels, dem Wassernetz, stillgelegten Brunnen, der Ausrüstung der - insbesondere Freiwilligen - Feuerwehren.

OB Kuhn teilt das Bild, dass in den letzten acht Jahren zu viel gespart worden sei, nicht. Die vielen Zuwanderungen nach Stuttgart belegten die Attraktivität der Stadt. Auch ein Vergleich mit anderen deutschen Städten falle für Stuttgart positiv aus. 231,3 Mio. € Überschüsse und 101,8 Mio. € nicht ausgeschöpfte Kreditermächtigung seien erfreulich. Er dankt dem Gemeinderat, dass er die Verwendung der Davon-Rücklagen mit einer Ausnahme wie vorgeschlagen belassen habe. 70 Mio. € für die SSB seien ein starkes Signal für den Ausbau des ÖPNV, das in ganz Deutschland wahrgenommen worden sei. Er bedankt sich beim Gemeinderat auch für das Bekenntnis zur Opernsanierung.

Mit Blick auf das Königsrecht des Gemeinderats beim Haushalt erklärt OB Kuhn, er könne akzeptieren, dass der Gemeinderat möglichst eine Punktlandung beim Jahresabschluss wünsche. Doch je präziser man sei, desto riskanter werde es. Er persönlich würde es vorziehen, wenn ein gewisser Überschuss bestehe. Er bittet den Gemeinderat, ihm seine Ansicht hierzu mitzuteilen. Schaue man sich den Überschuss genau an, stelle man fest, dass er sich aus der aktuell extrem guten Konjunkturlage ergebe. Doch halte er angesichts der aktuellen Lage weltweit ein gewisses Maß an Vorsicht für geboten, da es ja um einen Doppelhaushalt gehe. Er sehe durchaus Risiken, was die Wirtschaft anbelange, u. a. auch angesichts des Kartellbildungsvorwurfs in der deutschen Automobilindustrie. Wegen der weltweiten Risiken neige er persönlich dazu, vorsichtshalber "nicht ganz an die Kante zu gehen".
Sein Vorschlag zum Doppelhaushalt sehe mehr Stellen in der Verwaltung vor, insbesondere im Hochbauamt für die Schulsanierung, bei der Ausländerbehörde, bei der Stadtplanung, im Gartenbauamt und in der Folge auch beim Personalamt. Auch hier werde die Stadt nicht an die Grenze gehen, sondern einen Mittelweg beschreiten, da sie sonst bei schlechterer Konjunktur die eben erst eingestellten Menschen wieder entlassen müsste.

Die Verwaltung nehme die strukturellen Einsparungen zur Kenntnis und werde über die Argumente des Gemeinderats nochmals nachdenken. Er stellt klar, dass die strukturellen Einsparungen in Höhe von 27 Mio. € dazu dienten, im Ergebnishaushalt neue Spielräume für Investitionen zu gewinnen.

EBM Föll bedankt sich zunächst für die positive Resonanz des Gemeinderats auf den Jahresabschluss. Allerdings sei es der Normalfall, dass ein Ergebnishaushalt einen Überschuss schreibe. Dies liege zum einen an der guten Konjunktur, zum anderen am doppischen Haushaltssystem. Unter anderem mit dem Jahresabschluss werde der Finanzhaushalt finanziert.

Die Planungsgrundlagen für die Haushaltsansätze bei den Steuern seien nicht beliebig, sondern basierten auf der jeweils aktuellen Steuerschätzung, dem Haushaltserlass des Landes und der mit den 20 großen Gewerbesteuerzahlen der Landeshauptstadt abgestimmten Einschätzung. Der z. B. im vergangenen Jahr sehr hohe Anteil an Nachzahlungen lasse sich nicht planen. Hier erinnert er an einen prominenten Steuerfall, die WGV, bei der die Steuerverwaltung der Stadt sehr klug vorgegangen sei. Bei der Gewerbesteuer habe man die Planansätze nicht immer erreicht, insbesondere nicht in den Jahren 2013 und 2014. Deshalb wolle man das Instrumentarium nochmals überprüfen. In den Eckdaten zum Doppelhaushalt gehe man in den Ansätzen höher als üblich. Hier habe man ein gewisses Risiko eingepreist, um eine größere Nähe zwischen Plan und Ist herzustellen. Er weist auf die Rekordinvestitionen 2016 in Höhe von 367,5 Mio. € hin. Wenn man die Abschreibungen in Höhe von 191,5 Mio. € gegenrechne, habe man Substanz in Höhe von 176 Mio. € geschaffen. Auch in den Jahren davor habe man mehr investiert, als abgeschrieben worden sei. Dennoch gebe es noch Nachholbedarfe.

Die Rücklagen umfassten vor allem drei Positionen. Zum einen 563 Mio. € Ermächtigungsübertragungen im Finanzhaushalt für verzögerte, aber inhaltlich definierte Investitionen, zum anderen die zweckgebundenen Rücklagen von rund 558 Mio. € und schließlich die Rückstellungen von 458 Mio. € für Verpflichtungen der Landeshauptstadt Stuttgart. Aus aktueller Sicht werde Ende 2017 die freie Liquidität unter Berücksichtigung der reduzierten Rücklage für die Opernsanierung bei 145 Mio. € liegen. Spätestens nach der November-Steuerschätzung werde dem Gemeinderat zur 2. Lesung eine Aktualisierung vorgelegt.

Auf das Instrument des Bürgerhaushalts könne man stolz sein. In keiner anderen Stadt in Deutschland hätten sich so viele - 50.000 - Bürgerinnen und Bürger mit Vorschlägen oder Bewertungen am Bürgerhaushalt beteiligt. Gleichwohl gebe es noch Verbesserungsmöglichkeiten. Es sei zwar nicht repräsentativ, zeige aber doch, wo die Bürgerschaft die Prioritäten setze.

In einer zweiten Ausspracherunde erklärt StR Kotz, grundsätzlich sei einem positiven Ergebnis der Vorzug zu geben, doch könnte er bei der momentanen de facto Schuldenfreiheit der Stadt auch damit leben, wenn die Konjunktur extrem einbreche und die Stadt am Ende der kommenden Doppelhaushaltsperiode z. B. 150 Mio. € Schulden hätte. Er warnt vor einer zu sparsamen Haushaltsführung, die zu einer Abwärtsspirale führe. Wenn der Substanzverlust einmal zu groß geworden sei und die Arbeitsplätze nicht mehr attraktiv seien, beschleunige sich diese Spirale. In der Aufstockung des Personals sehe er kein Risiko, wenn man die demografische Entwicklung berücksichtige.

Auch ihre Fraktion, so StRin Deparnay-Grunenberg, hielte es für besser, näher an der Punktlandung zu sein und so dem Gemeinderat mehr Spielraum für die wichtigen Aufgaben, z. B. in der Infrastruktursanierung, zu lassen.

StR Körner appelliert an die Verwaltung, wieder auf einen vernünftigen Mittelweg zurückzukehren. Er kann nicht nachvollziehen, warum man aktuell mit einem Überschuss von 75 Mio. € rechne, nachdem dieser in den letzten neun Jahren 222 Mio. € betragen habe. Zu vorsichtig erscheint ihm auch die zweckgebundene Rücklage von 101 Mio. € für den Rückkauf der Wasserversorgung. Möglicherweise könne man dies günstiger in der SVV finanzieren. Und die freie Liquidität zur Sicherstellung laufender Ausgaben, für die 120 Mio. € vorgesehen seien, sehe er auch nicht ansatzweise gefährdet. Jahrelang habe hier der Puffer von 70 Mio. € ausgereicht. In Anbetracht von 560 Mio. € Ausgaberesten, vor allem investiver Art, führt er aus, im Schulhausbau komme man nicht hinterher, weil z. B. der Stellenbedarf im Hochbauamt bis dato aufgrund befristeter Stellen nicht habe gedeckt werden können. Auch bei der Streichliste habe die Verwaltung den vernünftigen Mittelweg verlassen, wenn z. B. die Aktivität der Brunnen um einen weiteren Monat verkürzt werde oder wenn 20.000 € für eine Cafébar im Ausstellungsraum für das Rosensteinquartier nicht bewilligt würden, und dies angesichts eines Überschusses von 231 Mio. €.

StR Rockenbauch macht darauf aufmerksam, dass man bei einem möglichen konjunkturellen Einbruch durch eine falsche Konsolidierungspolitik keine Spielräume mehr habe. Man müsse sich eine Strategie überlegen, mit der man kommende Krisen bewältigen könne, neben Finanzkrisen z. B. auch solche in der Automobilindustrie angesichts der E-Mobilität oder in der Wohnungspolitik. Investitionen zur Energieeinsparung bedeuteten eine Reduzierung im Ergebnishaushalt. Investitionen in Bodenvorratspolitik schafften sogar noch Spielräume für kommende Ergebnishaushalte. Mit zusätzlichem Personal, um die Aufgaben umsetzen zu können, leiste man einen Beitrag zur Vorsorge für kommende Krisen.

OB Kuhn erklärt, die Verwaltung agiere mit der nötigen Vorsicht. Was den vernünftigen Mittelweg anbelange, so werde man hier zunächst klären müssen, nach welchen Kriterien man diesen definiere. Er stellt abschließend fest:

Der Gemeinderat beschließt bei 7 Nein-Stimmen und 5 Enthaltungen mehrheitlich den Beschlussantrag der GRDrs 589/2017, der gemäß der Beantwortung des Antrags Nr. 220/2017 in Ziffer 2.2 modifiziert worden ist.
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