Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
608/2017
GZ:
WFB 5203-03
Sitzungstermin: 26.07.2017
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:
Protokollführung: Frau Sabbagh de
Betreff: Klinikum Stuttgart, Jahresabschluss 2016

Vorgang: Krankenhausausschuss vom 07.07.2017, nicht öffentlich, Nr. 28
Ergebnis: ohne Beschlussfassung in GR 26.07.2017 verwiesen

Gemeinderat vom 13.07.2017, öffentlich, Nr. 123
Ergebnis: Vertagung auf GR 26.07.2017

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen vom 30.06.2017, GRDrs 608/2017, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Der Gemeinderat stellt den Jahresabschluss zum 31.12.2016 in der vor-
gelegten Form fest.


1.1 Bilanzsumme 972.166.296,78 €
1.1.1 davon entfallen auf der Aktivseite auf 1.1.2 davon entfallen auf der Passivseite auf 1.2 Bilanzverlust - 75.838.089,58
1.3 Gewinn- und Verlustrechnung
1.3.1 Summe der Erträge 705.162.496,25 €
1.3.2 Summe der Aufwendungen 728.824.969,46 €
1.3.3 Jahresfehlbetrag - 23.662.473,21 €
1.4 Der Bilanzverlust 2016 wird in voller Höhe vorgetragen.
2. Die Geschäftsführung als Betriebsleitung für den Eigenbetrieb wird für den Zeitraum vom 18.03.2016 bis 31.12.2016 entlastet.

3. Der Gewährung der Zuschüsse für 2016 aufgrund des 4-seitigen Vertrages für die:

4. Zur Prüfung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2017 wird die PricewaterhouseCoopers AG, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Stuttgart, bestimmt. Der Auftrag beinhaltet auch die Prüfung der Mittelverwendung im Rahmen des bei der BWKG geführten Ausbildungsfonds gem. § 17a KHG.



Für seine Fraktion enthalte der Jahresabschluss, so StR Dr. Nopper (CDU), keine besonderen Überraschungen. Es sei sinnvoll, die ehemalige Geschäftsführung erst ab 18.03.2016 zu entlasten, die International Unit auszuklammern und die Höhe der Rückstellungen an die Praxis anderer Häuser anzupassen. Das Klinikum gewährleiste die erstklassige medizinische Versorgung der Stuttgarterinnen und Stuttgarter, und hier danke er all den Akteuren für ihren Einsatz. Nun gelte es, die geplanten strukturellen Veränderungen umzusetzen, sodass sich künftig wieder erfreulichere Zahlen einstellten, was mit der neuen Geschäftsleitung sicher gelingen werde.

StRin Fischer (90/GRÜNE) begrüßt, dass die Landeshauptstadt den Fehlbetrag ausgleicht. Im Klinikum werde gute Arbeit geleistet, wofür sie den Beschäftigten, insbesondere auch dem Interimsgeschäftsführer Herrn Dr. Schimandl, im Namen ihrer Fraktion danke. Mit der neuen Geschäftsführung sehe ihre Fraktion in Bezug auf die wirtschaftliche Stabilisierung optimistisch in die Zukunft, sodass man ohne Privatisierung auskommen werde.

Auf "gravierendste Fehlentwicklungen" im vergangenen Geschäftsjahr weist StR Körner (SPD) hin. Zwei Dinge hätten seine Fraktion besonders überrascht. Zum einen, dass der erwartete Verlust sich wegen jahrelanger falscher Bilanzierung von 10 Mio. € auf 23 Mio. € erhöht habe, und zum anderen die Erhöhung der Pensionsrückstellungen um 2,6 Mio. € gegenüber dem Vorjahr, die im Wesentlichen auf die Abfindungsvereinbarung mit dem ehemaligen Geschäftsführer zurückzuführen sei. Kritisch beurteilt er das über 2 Mio. € teure Gutachten von Ernst & Young, das nichts gebracht habe. Seine Fraktion sei froh über die neue Geschäftsführung und die neue politische Zuständigkeit. Insgesamt - gerade auch mit Blick auf die Bewertung des Gutachtens - sehe er die Geschäftsführer auf einem guten Weg. Er sagt ihnen die Unterstützung seiner Fraktion zu. Größten Respekt zollt er den hochmotivierten Beschäftigten, die im Kerngeschäft eine sehr gute Arbeit leisteten. Darauf lasse das Betriebsergebnis von plus 500.000 € schließen.

StR Adler (SÖS-LINKE-PluS) stimmt im Namen seiner Fraktionsgemeinschaft der Feststellung des Jahresabschlusses ebenfalls zu, mit der Einschränkung, dass durch die intransparente rechtswidrige Führung der International Unit die finanziellen Auswirkungen auf das Gesamtklinikum nicht in letzter Instanz hätten geklärt werden können. Dies gelte nicht nur rückwirkend, sondern durch den deutlichen Rückgang der Patientenzahlen auch weiterhin. Das Ernst & Young-Gutachten bewertet er wie sein Vorredner äußerst kritisch, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass seine Fraktionsgemeinschaft seinerzeit als einzige dagegen votiert habe. Erhebliche Mehrkosten verursache auch der Einsatz von Leasingpersonal. Um die medizinische Versorgung auf Dauer zu sichern, brauche man besser bezahltes und mehr Pflegepersonal. Aktuell sei das immer noch größte Problem die unzureichende Finanzierung der Ambulanzen. Einer eventuell notwendigen weiteren finanziellen Unterstützung des Klinikums im nächsten Doppelhaushalt werde seine Fraktionsgemeinschaft zustimmen. Sie begrüße die Entlastung des Interimsgeschäftsführers ausdrücklich und danke ihm nochmals für seine Arbeit. Im Hinblick auf die neue Geschäftsführung gehe sie davon aus, dass diese gut mit den Beschäftigten zusammenarbeite.

Im Namen seiner Fraktion äußert auch StR Zaiß (FW) die Hoffnung, dass die neue Geschäftsführung das Klinikum gemeinsam mit dem Personal wieder aus den roten Zahlen hole. Dem früheren Geschäftsführer sei die Entlastung aus gutem Grund verweigert worden, umso größerer Dank gebühre hier dem Interimsgeschäftsführer.

Angesichts des Jahresabschlusses begrüßt StR Dr. Fiechtner (AfD) die neue Führungsspitze, sowohl im Klinikum als auch in der Verwaltung, von der er sich eine deutliche Abmilderung der Schieflagen der vergangenen Jahre erwartet. Die desaströsen Zahlen hätten ihn nicht verwundert, da Entscheidungen von Gemeinderäten oder anderen Personen ohne Sachkenntnis getroffen würden. Er erinnert daran, dass der Gemeinderat und der Ausschuss die Millioneneinnahmen in der International Unit seinerzeit bejubelt hätten. Anlass für das finanzielle Desaster seien jedoch die strukturellen Schwierigkeiten, die sich aus dem vierlateralen Vertrag ergäben. Er hoffe, dass nach dessen Auslaufen das Klinikum nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt werde. Mit Blick auf das Argument der Maximalversorgung regt er an, die Stadt müsse sich angesichts mehrerer anderer Kliniken überlegen, was sie selbst überhaupt bereithalten müsse. Sie sollte sich auf die Dinge begrenzen, die für die medizinische Versorgung nötig seien. Und dazu gehöre die Finanzierung der Ambulanzen für ihn nicht.

In Bezug auf die International Unit sollte sich BM Wölfle der Verantwortung stellen und persönliche Konsequenzen ziehen. Das gelte im Übrigen auch für OB Kuhn als Hauptverantwortlichem. Aufgrund der Schieflage, die das Klinikum insgesamt betreffe, werde seine Fraktion den Beschlussantrag ablehnen.

StR Dr. Oechsner (FDP) bekundet Zustimmung zum Jahresabschluss. Die kritischen Punkte seien alle schon angesprochen worden. Deshalb wolle er nun insbesondere dem Interimsgeschäftsführer den Dank seiner Gruppierung mitgeben. Die neuen Geschäftsführer sieht er auf einem guten Weg.

Da beim Klinikum bisher immer Vorsicht geboten gewesen sei, wird sich StR Dr. Schertlen (STd) "mangels tieferer Detailkenntnis" enthalten.

EBM Föll merkt zum Defizit von 23 Mio. € an, dass man bei der Überprüfung der bisherigen Höhe der Rückstellung für medizinische Schadensfälle habe feststellen müssen, dass diese in der Vergangenheit nicht ausreichend gebildet worden sei. Dabei betont er, dass das Klinikum keinesfalls durch eine besondere Anzahl an medizinischen Schadensfällen auffalle. Und zu diesem zusätzlichen Rückstellungsbedarf von 13,3 Mio. € komme eine weitere Belastung von 8 Mio. € in der International Unit hinzu. Dass diese nicht auf das Ergebnis durchgeschlagen habe, hänge damit zusammen, dass man vom Land rund 6 Mio. € Fördermittel bekommen habe, mit denen man nicht gerechnet habe.

Natürlich arbeite man die Vorkommnisse in der International Unit auf. Hier stellt er gegenüber StR Dr. Fiechtner klar, dass die Faktenlage deutlich zeige, dass BM Wölfle in keiner Weise ein Vorwurf zu machen sei.

Das Ernst & Young-Gutachten enthalte viele gute Hinweise, habe aber auch Schwächen. Die neue Geschäftsführung habe im Krankenhausausschuss deutlich gemacht, dass sie beabsichtige, eine Vielzahl der dort aufgeworfenen Themen umzusetzen. Grundsätzlich werde kein Gutachten eins-zu-eins umgesetzt, doch sei das vorliegende Gutachten für eine differenzierte Betrachtung durchaus wertvoll und solle bei der Ausrichtung des Klinikums für die Zukunft in wesentlichen Teilen mitberücksichtigt werden.

Gegenüber StR Adler stellt er klar, dass man, wenn man die Möglichkeiten hätte, alle offenen Stellen mit Stammpersonal mit unbefristeten Verträgen besetzen würde. Doch bekomme man in vielen Bereichen nicht das benötigte Personal. Insoweit diene das Leasingpersonal dem Übergang. Andernfalls müsste man ganze Stationen und Abteilungen schließen und die Leistungen einschränken bzw. Kapazitäten reduzieren.

Auf eine Nachfrage von StR Fiechtner erläutert er das Antragsverfahren für eine Förderung durch das Land. Man habe nicht mit einem positiven Bescheid gerechnet, weil es keinen rechtlichen Anspruch darauf gebe, dass das Land für bereits getätigte und finanzierte Altinvestitionen Fördermittel zur Verfügung stelle. Hierfür bedanke er sich nochmals ganz herzlich beim Land.



OB Kuhn stellt abschließend fest:

Der Gemeinderat beschließt mit 4 Gegenstimmen bei 1 Enthaltung mehrheitlich wie beantragt.

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