Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
701/2013
GZ:
OB
Sitzungstermin: 24.07.2013
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh fr
Betreff: Kultur im Dialog

Vorgang:

Verwaltungsausschuss vom 24.07.2013, öffentlich, Nr. 287
Ergebnis: einmütige Zustimmung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 15.07.2013, GRDrs 701/2013, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart bekennt sich zur Stuttgarter Kultur und will diese stärken.

2. Die Initiative "Kultur im Dialog" hat wertvolle Arbeit geleistet. Der Gemeinderat begrüßt die in Anlage 1 und 2 dargestellten Ergebnisse von "Kultur im Dialog". Sie enthalten wichtige Anregungen für die künftige Kulturpolitik der Landeshauptstadt.

3. Die Kulturverwaltung wird in zwei Jahren berichten, welche Ansätze aus "Kultur im Dialog" realisiert werden konnten


In einer kurzen Einführung schließt sich OB Kuhn der festen Überzeugung des Gemeinderats an, dass die Initiative "Kultur im Dialog" wertvolle Arbeit für die Stadt und ihre Kulturpolitik geleistet hat.

StR Winter (90/GRÜNE) zitiert aus dem Schlussbericht der Enquete-Kommission Kultur des Deutschen Bundestags, in dem der kulturpolitische Diskurs mit gesellschaftlichen Akteuren als zentrales Element kulturpolitischen Handelns beschrieben werde. Gesellschaftliche Reflexion sei nicht nur für ihre Vermittlerrolle in der Kulturpolitik, sondern vor allem für ihre inhaltliche Ausrichtung konstitutiv. Kaum ein anderer Bereich der Kommunalverwaltung habe einen solchen Bezug zum jeweiligen örtlichen Lebenszusammenhang wie die kommunale Kulturverwaltung. Die kulturelle Öffentlichkeit könne dazu beitragen, eine kommunale und regionale Identität zu fördern. Er schildert das Bild eines Dramas in fünf Akten, das der Sachkundige im Ausschuss für Kultur und Medien Jean-Baptiste Joly skizziert habe. Im ersten Akt sei mit der Art Parade 2009 gegen die Kürzungen im Kulturbetrieb protestiert worden, die bei den darauffolgenden Haushaltsplanberatungen teilweise wieder abgewendet worden seien. Im zweiten Akt im Juli 2012 sei in der Kunstakademie das Vorgehen anderer Städte wie München, Freiburg und Dortmund diskutiert worden. Nachdem der Gemeinderat diesen Prozess geschlossen befürwortet habe, habe vor zwei Jahren die erste Tagung im Rathaus stattgefunden. Hier dankt er insbesondere der Bürgerstiftung - allen voran Frau Irene Armbruster, Frau Anna Wagenhals und Herrn Wolfgang Klenk - für ihren großen Einsatz. Im vierten Akt habe es aufgrund von Finanzierungsproblemen einer Broschüre eine fünfmonatige Verzögerung gegeben. Mit dem Beschluss der Vorlage, die auch eine Betrachtung des Prozesses von Herrn Prof. Kurt Jürgen Maaß enthalte, beginne nun der fünfte Akt.

Als zentrale Punkte nennt StR Winter "Fördern, Bewahren, Neues ermöglichen, Bilden, Beteiligen und Zugang ermöglichen". Qualität solle in der Spitze wie in der Breite gefördert werden. Gefördert werden sollten auch das Profil bzw. die Unverwechselbarkeit der Kulturszene der Stadt. Kulturpolitik müsse Begabungen finden, Ressourcen aufspüren und entwickeln. Kultur brauche Sachmittel, Räume, Strukturen und Mitarbeiter. Bestehende Einrichtungen müssten erhalten und gestärkt und neue Entwicklungen ermöglicht werden. Spielräume für jurybasierte Entscheidungen müssten ausgebaut werden.

Seit dem Jahr 2000 seien die Gelder für die meisten bestehenden Institutionen eingefroren worden, was einer jährlichen Kürzung um die Teuerungsrate bei Personal, Mieten, Energie etc. gleichkomme. Zusätzlich seien die Zuschüsse 2010 bei vielen Einrichtungen um 5 % gekürzt worden. In diesem Kontext nehme seine Fraktion mit Freude zur Kenntnis, dass auch die Kulturverwaltung seit einigen Monaten von einer strukturellen Unterfinanzierung spreche. Die Kultur dürfe in Zukunft nicht von einer Dynamisierung der Investitionen ausgeschlossen werden.

Kulturelle Bildung als gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe sei bisher von vielen Kulturinstitutionen übernommen worden. Das Bildungssystem kranke nach wie vor an einer Priorisierung der kognitiven Bildung, wie z. B. die Abschaffung des Faches Musik in den Bildungsplänen an Grundschulen belege. Die in der Stadt reichlich vorhandenen Ressourcen müssten in einem Gesamtkonzept gebündelt und aufgearbeitet werden. Seine Fraktion werde die Vorlage des Referats KBS zur kulturellen Bildung in den Haushaltsplanberatungen aufgreifen und darüber hinaus ein Konzept zur kulturellen Bildung und zur Öffentlichkeitsarbeit der Kultur in Stuttgart vorlegen. Dabei bewerte er die Intention von StR Sauer (CDU), sich überfraktionell zu treffen, als eine wichtige Botschaft.

Auf der Grundlage des 60-seitigen Berichts könne man sich mit den Fragen der Kulturpolitik in Stuttgart auseinandersetzen, Kultur als Querschnittsaufgabe anerkennen und der Kulturlandschaft Stuttgarts die verdiente Wertschätzung entgegenbringen. Er dankt den Bürgerinnen und Bürgern, den Sachkundigen im Ausschuss für Kultur und Medien, insbesondere Herrn Jean-Baptiste Joly, Frau Petra Bewer und Herrn Christian Dosch, aber auch der Bürgerstiftung und dem Kulturamt für ihre hochmotivierte Arbeit. Denn Kulturpolitik sei kein "Closed Job", sondern lebe vom Diskurs und der Teilhabe zahlreicher Akteure.

StR Sauer folgt seinem Vorredner in allen Punkten und schließt sich auch dem Dank an. Die Kulturverwaltung mit BMin Dr. Eisenmann an der Spitze habe den Prozess mit ihrer Dokumentation der "Kultur im Dialog" von 2011 bis 2013 sehr aktiv unterstützt und begleitet.

Damit gehe nun eine zweijährige intensive Arbeit zu Ende. In der weiteren kulturpolitischen Arbeit, und zunächst in den kommenden Haushaltsplanberatungen, wolle man die Broschüre "Kultur im Dialog" als "Steinbruch" nutzen, ebenso aber auch die Prioritätenliste des Kulturamts von Platz 1 bis 11 und den Kulturentwicklungsplan, für den es weitere Mitteilungsvorlagen für die Haushaltsplanberatungen - etwa zum Ausbau des MuPäDi, zum KuPäDi, für mehr Stellen bei der Musikschule und die 15 %ige höhere Bezuschussung ausgesuchter Kulturträger im Bereich Theater und Musik - gebe, die umgesetzt werden sollten. Mit diesem Dreiklang der notwendigen Schritte könne die Stadt, die in vielen Rankings bereits an erster Stelle stehe, diesen Platz konsolidieren.

Die Kulturschaffenden hätten ihre Fraktion, so StRin Wüst (SPD) im November 2009, als das Kulturbudget in den Haushaltsplanberatungen um 5 Mio. € gekürzt werden sollte, mit der Art Parade tief beeindruckt. Diese Aktion sei im Kulturdialog fortgesetzt worden. Mit einem Beschluss des Gemeinderats im Januar 2011 sei es dann gelungen, die Bürgerstiftung für die Moderation zu gewinnen. Gefolgt sei ein intensiver Prozess, an dem 200 Bürgerinnen und Bürger in zwei Phasen in fünf bis sechs Arbeitsgruppen teilgenommen hätten. Parallel hierzu habe sich auch der Ausschuss für Kultur und Medien zu einem lebendigen Diskussionsforum entwickelt, in dem nicht mehr nur Vorlagen abgenickt, sondern Themen vorbereitet und eingebracht worden seien.

Mitnehmen wolle man aus diesem Prozess, dass Kulturpolitik fördern und bewahren, bilden und einbeziehen, kommunizieren und beteiligen, kooperieren und auswerten solle. Kultur sei eine Querschnittsaufgabe und die vorliegende Dokumentation biete sowohl der Politik als auch der Verwaltung viele Arbeitsfelder für die Kulturstadt Stuttgart. Von besonderem Wert sei "Kultur im Dialog" für die verbesserte Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Kulturschaffenden und Kultureinrichtungen einerseits und Kulturverwaltung und Kulturpolitik andererseits. Sie bestärkt die Kulturschaffenden darin, diesen Weg unerschrocken - auch beim aktuell brisanten Thema Jazz - weiterzugehen.

Auch StR Kauderer (FW) würdigt die Dokumentation und die Arbeit der Steuerungsgruppe. Insbesondere hebt er hervor, dass Stuttgart in der Kulturproduktion und -rezeption im Ranking Platz 1 unter 30 deutschen Städten belege. Die Kulturwirtschaft sei ein wichtiger Arbeitgeber und Kultur als Investition in die Zukunft sei wichtig für die Weiterentwicklung einer Stadt. Ein Kulturentwicklungskonzept helfe auch der Wirtschaft, indem es dazu beitrage, gute Führungskräfte und Mitarbeiter mit ihren Familien nach Stuttgart zu holen.

Der demografische Wandel fordere eine neue kommunale Kultur, um die Bedürfnisse von Senioren abzudecken. Der Normalbürger sollte in Entscheidungen mit eingebunden werden, ebenso das Stadtmarketing. Trotz finanzieller Probleme, die seine Fraktion auf den Haushalt zukommen sehe, werde sie sich in nächster Zeit intensiv mit den neu entwickelten Leitlinien beschäftigen, um die Umsetzung des neuen kulturellen Leitsystems als Investition in die Zukunft Stuttgarts zu fördern.

Ergänzend betont StR Prof. Dr. Dr. Lübbe (FDP), dass auch seine Fraktion die Bemühungen und Ergebnisse der Steuerungsgruppe unter dem Gesichtspunkt der kulturellen Vielfalt Stuttgarts sowie den Stadtplan zu den kulturellen Bildungsangeboten unterstütze. Wichtig sei auch die Einbindung der Schulen. Kultur dürfe nicht elitär sein, sondern müsse breitflächig angelegt und erlebbar sein. "Kultur im Dialog" sei sehr positiv angelaufen und sollte auf dieser Basis weitergeführt und begleitet werden.

Auch StR Rockenbauch (SÖS und LINKE) bedankt sich im Namen seiner Fraktionsgemeinschaft für die "unglaubliche Arbeit und kreative Leistung" der Kulturschaffenden. Dabei bezeichnet er es als traurig, dass diese nur auf den Druck der Betroffenen hin - mit der Art Parade z. B. - zustande gekommen sei. Seine Fraktionsgemeinschaft habe sich seinerzeit als einzige gegen die Kürzungen im Kulturbereich ausgesprochen, die zu dem nun festgestellten strukturellen Defizit geführt hätten. Nach den Dankesreden und der Zustimmung seiner Vorredner hoffe er, dass sie dies in den Haushaltsplanberatungen nicht vergessen. Deshalb gehe er davon aus, dass nach der inhaltlichen Arbeit, die eine Leitlinie für die Haushaltsplanberatungen und die weitere Kulturpolitik darstellen könne, eine weitere Mobilisierung und Art Parade auch in den Haushaltsplanberatungen erforderlich sei. Er rät den Kulturschaffenden, dem Gemeinderat hier kritisch auf die Finger zu schauen, damit dieser das Geld zur Beseitigung des strukturellen Defizits bereitstelle.


OB Kuhn stellt abschließend fest:

Der Gemeinderat beschließt einstimmig wie beantragt.

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