Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
617/2017 Neufassung
GZ:
OB
Sitzungstermin: 16.11.2017
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh fr
Betreff: Rosenstein
Weiteres Vorgehen Planung, Beteiligung, Kommunikation

Vorgang: Ausschuss für Umwelt und Technik vom 24.10.2017, öffentlich, Nr. 511

Ergebnis: Einbringung

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 14.11.2017, öffentlich, Nr. 547

Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung (15 Ja-, 2 Nein-Stimmen)


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 17.10.2017, GRDrs 617/2017 Neufassung, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Die Verwaltung wird beauftragt, den internationalen städtebaulichen Ideenwettbewerb (Anlage 1) für den Rosenstein (Flächen A2, A3, B, C1, C2) (Anlage 2) vorzubereiten. 2. Die Verwaltung wird beauftragt, dem Gemeinderat rechtzeitig vor der Auslobung des städtebaulichen Ideenwettbewerbs einen Vorschlag für zukünftige Nutzungen im "Kulturquartier" vorzuschlagen.

3. Die Verwaltung wird beauftragt, den Architektenwettbewerb für das zukünftige "Kulturquartier" am Straßburger Platz vorzubereiten. Grundlage dazu wird das Ergebnis des städtebaulichen Ideenwettbewerbs sein.

4. Die Verwaltung wird beauftragt, den Zielbeschluss zur Verlagerung des Verkehrs von der Schillerstraße auf die Wolframstraße weiter zu bearbeiten und die Vorbereitungen für den Wettbewerb zum Arnulf-Klett-Platz und der Schillerstraße zu treffen.

5. Vom vorgelegten Zeitplan und den Meilensteinen wird zustimmend Kenntnis genommen (Anlage 3). 6. Vom Vorschlag zum Umgang mit der Topographie wird zustimmend Kenntnis genommen.

7. Die Aufstellung der Bestandsbauwerke wird zur Kenntnis genommen (Anlagen 4a und 4b). 8. Die Verwaltung wird beauftragt, dem Gemeinderat einen Vorschlag zur Steuerungsstruktur des Gesamtprojektes inkl. der Vermarktung der Grundstücke vorzulegen.

9. Von der verwaltungsinternen Projektstruktur sowie der Umbenennung des Ausschusses Stuttgart 21 in Ausschuss Stuttgart 21/Rosenstein wird zustimmend Kenntnis genommen (Anlage 5).


OB Kuhn weist auf die Vorbereitung der Grundsatzentscheidung in verschiedenen Ausschüssen hin.

StR Kotz (CDU) begrüßt die Neufassung der Vorlage. Die im gemeinsamen Antrag mit SPD, Freien Wählern und FDP formulierten Eckpunkte fänden sich darin voll umfänglich wieder, z. B. der Internationale städtebauliche Wettbewerb, mindestens 7.500 Wohn-einheiten, Parkerweiterung, Interimsoper im Paketpostamt. Der zweite wichtige Bereich sei die Fläche A2/A3 direkt hinter dem Hauptbahnhof. In diesem Zusammenhang müsse man nochmals über Standorte z. B. für das Linden-Museum und Hotels sowie über Zusatzoptionen für das KKL bzw. die Infrastruktur für einen philharmonischen Saal nachdenken. Beim KKL sei möglicherweise ein Ausbau in zwei Stufen sinnvoll.

Als weiteren Schritt in der Stadtentwicklung und als Platzhalter für Ideen auf dem Weg zum Internationalen Wettbewerb sieht StR Winter (90/GRÜNE) das Projekt Rosenstein. Wichtig sei, Wohnraum, aber auch Wohnformen zu entwickeln, z. B. auch in der Verknüpfung von Wohnen und Arbeiten. Ebenso sei die Mobilität einzubeziehen. Die Diskussion habe unterschiedliche Standorte für das Linden-Museum ergeben. Auch hier gelte es, über Inhalte nachzudenken. Grundsätzlich müsse man fragen, was man erhalten und wie man es nutzen wolle.

Drei Punkte zählt StR Körner (SPD) auf. Im Internationalen städtebaulichen Wettbewerb müssten Rahmenbedingungen festgelegt werden: die Entwicklung eines urbanen Quartiers, in dem Wohnen und Arbeiten wie z. B. in Stuttgart-West verknüpft seien. In jedem Fall müsse der Park zum Schlossgarten hin erweitert werden. Und schließlich müsse die Gäubahn erhalten bleiben und so Verbindungen von Vaihingen nach Feuerbach sowie nach Bad Cannstatt und zur neuen S-Bahn-Haltestelle Mittnachtstraße geschaffen werden. Eine Stichstrecke in den Hauptbahnhof würde dagegen die Entwicklungsmöglichkeiten oberirdisch unmöglich machen, da man dort dann nicht bauen und somit auch kein urbanes Quartier entstehen könnte. Wichtig sei seiner Fraktion das Kulturquartier in der Nähe des Hauptbahnhofs. Insofern wäre eventuell an der Ecke Schillerstraße/Willy-Brandt-Straße ein guter Standort für den Neubau des Linden-Museums - auch als Verbindung zwischen dem neuen Quartier und der Kulturmeile. Im Zusammenhang mit den Planungen sollte auch ein Deckel über der Cannstatter Straße geprüft werden, um Stuttgart-Ost und Stuttgart-Nord aufzuwerten. Grundstücksspekulation müsse ausgeschlossen werden. Hier begrüße er die geplante soziale Bodenentwicklung.

Gemessen am Ergebnis weiter steigenden Mieten sind die Instrumente der sozialen Bodenpolitik für StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) dagegen schlicht ungenügend. Hier solle ein Quartier geplant werden, ohne dass die Rahmenbedingungen, z. B. die Gleisinfrastruktur oder die Zeitschiene, überhaupt geklärt seien. OB Kuhn halte sein Wahlversprechen, die Leistungsfähigkeit des Bahnhofs in einem Testbetrieb zu prüfen, nicht. Zum Verfahren merkt er an, eine so bedeutende Fläche müsse, egal ob mit oder ohne Stuttgart 21, in eine Gesamtstrategie der Stadt in Bezug auf Verkehr, Wohnen und Klima eingeordnet werden. Es gehe um eine Teilfläche der insgesamt 85 ha, die bahnrelevant sei und nach Ansicht seiner Fraktionsgemeinschaft nicht bebaut werden dürfe, da dadurch die Frischluftzufuhr der Wohngebiete am Nordbahnhof, Stöckach und Neckartor gestört werde. Statt dies zu berücksichtigen, starte man einen Internationalen Wettbewerb. Die Bürgerbeteiligung werde nicht ernstgenommen, sie stelle für die Verwaltung offenbar nur ein additives und später zu klärendes Element dar. Angesichts der bevorstehenden gigantischen Investitionen in die Oper hat er kein Verständnis für die Planung weiterer Kulturinstitutionen in diesem Gebiet. Die Wolframstraße, die B10 und Teile der Schillerstraße seien überdimensioniert. In einer Randnotiz bedauert er, dass bei den erhaltenswerten Bahnbauwerken der Bonatzbau nicht aufgelistet sei. Seine Fraktionsgemeinschaft lehne die Vorlage ab.

Demgegenüber erklärt StR Zeeb (FW), er wolle Stuttgart voranbringen und nicht schlechtreden. Seine Fraktion stimme der Vorlage gerne zu, allerdings müssten noch viele offene Fragen zur Machbarkeit und den historischen Verkehrsbauwerken schnellstmöglich beantwortet werden. Hierzu liege seit Kurzem ein Fragenkatalog seiner Fraktion vor. Die sachlich und fachlich kompetenten Anregungen der Interessensgemeinschaft der Bürger müssten gebührend berücksichtigt werden. Den Ansatz von StR Körner, das Kulturband Konrad-Adenauer-Straße mit dem neuen Kulturquartier zu verbinden, in welcher Form auch immer, halte er für eine gute Idee. Er bittet die Verwaltung, die technischen Grundlagen für die weiteren Planungen zu liefern, damit die Ideen aus dem Wettbewerb realitätsnah bewertet werden könnten. Und schließlich weist er darauf hin, dass die Interimsoper im Paketpostamt nicht auf Dauer dort bleiben dürfe.

StR Klingler (AfD) beurteilt das bisherige Beteiligungsverfahren als sehr gut. Seine Fraktion sei überzeugt, dass sich dies so fortsetzen werde und weiterhin viele Bürger aus der Stadt ihre Ideen einbrächten. Immerhin handle es sich hier um das Herz der Stadt, das von vielen Stellen der Stadt aus sichtbar und deshalb stadtbildprägend sei. Zudem entstünden hier in absoluter Citylage dringend benötigte Wohnungen. Seine Fraktion wolle den Deckel über der Cannstatter Straße, sodass der Stadtbezirk Ost mit dem Stadtteil Rosenstein zusammenwachse. Durch Filteranlagen in diesem Deckel könne man zudem die Luftqualität am Neckartor verbessern. Seine Fraktion stimme der Vorlage zu.

Sehr gerne werde auch seine Gruppierung der Vorlage zustimmen, erklärt StR Conz (FDP). Stuttgart 21 biete eine enorme städtebauliche Chance. In einem Wettbewerb könnten Spitzenvertreter aus den Bereichen Architektur und Städtebau Ideen für ein Wohnen am Park nicht nur für Geringverdiener, sondern auch für Menschen mit höherem Einkommen, wie z. B. Ingenieure, Entwickler oder Informatiker darlegen. An einigen Stellen seien auch punktuell höhere Gebäude möglich.

Auch StR Dr. Schertlen (STd) signalisiert Zustimmung und begrüßt, dass gleich am Eingangstor ein Konzerthaus, das Linden-Museum oder ein Konferenzzentrum entstehen solle. Als Ergänzung in diesem Kulturquartier müsse Raum für Subkultur geschaffen werden, um sie aus der Interimsnutzung herauszuholen. Er wirbt dafür, die "Agenda RO5ENSTEIN" der STAdTISTEN zu unterstützen, die ein frei gestaltbares Künstlerviertel vorsehe, in dem sich die Subkultur als Keimzelle für die Hochkultur entwickeln könne. Der Park müsse erweitert werden. Mit Blick auf das Wohnen unterstreicht er, ein nennenswerter Teil der Grundstücke sollte in Erbpacht vergeben werden, damit die Stadt langfristig über ihre Verwendung entscheiden könne. Die Stadtgesellschaft - unter anderem die "IG Bürger" und "Aufbruch Stuttgart" - müsse bei der gesamten Planung einbezogen werden, z. B. in Form der Bürgerbeteiligung.

OB Kuhn sieht die Stadt hier auf einem klar strukturierten und konsistenten Weg. Ungenauigkeiten seien mehrmals nachgeschärft worden. Das Gebiet müsse mit den besten energetischen und verkehrsmäßigen Anforderungen entwickelt werden, und dies werde in die Auslobung des Internationalen Wettbewerbs eingehen. Eines der spannendsten Themen werde sein, die 7.500 in der Zeitstufenliste Wohnen genannten Wohneinheiten zu realisieren, und zwar - entgegen den Gesetzen des Marktes - für Normalverdiener. Dies sei im Hinblick auf die Gestaltung und Finanzierung eine sehr anspruchsvolle Aufgabe und eines der wesentlichen Ziele der Entwicklung dieses Quartiers. Und nur dann erfülle die Stadt den gesellschaftlichen Anspruch, der auch mit der IBA verbunden werde, nämlich angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen die richtigen ästhetischen Bauformen und -materialien zu entwickeln.

Gegenüber StR Dr. Schertlen erklärt er, er unterscheide - wie dieser im Übrigen auch - nicht zwischen "high culture" und kleineren Kulturen oder der freien Szene. Eine kulturell reiche Stadt biete Möglichkeiten in allen kulturellen Ausdrucksformen. Er stimmt dem Stadtrat zu, dass es in Stuttgart gerade für die freie Szene nicht genügend Räume gebe. Dies müsse man bei der Entwicklung des Quartiers berücksichtigen.

Er habe ein Kulturquartier auf dem Areal A3 vorgeschlagen, weil er sich dort Synergien zwischen einem Konzerthaus, einem neugestalteten Linden-Museum im Sinne von "Haus der Kulturen der Welt" und einem Kongresszentrum erhoffe. Doch könne man im Wettbewerb auch Alternativen anregen, z. B. nur zwei der Institutionen auf dem Gebiet A3 zu planen und eine auf der Fläche Ecke Schillerstraße/Konrad-Adenauer-Straße.

An StR Rockenbauch wendet er sich mit dem Hinweis, bei den Kongressen, die in Stuttgart im Zusammenhang mit der hier angesiedelten Wissenschaft stattfinden könnten, bleibe die Stadt bislang unter ihren Möglichkeiten. Er bedauere dies, seien Kongresse - national und international - doch ein Imagefaktor. Und Kongresse wiederum zögen Hotels nach sich. Die Stadt wäre doch schlecht beraten, wenn sie das steigende Interesse der Menschen an einem Besuch der Stadt und ihrer kulturellen und anderen Einrichtungen nicht nutzen würde.

Skurril finde er, dass die Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS die Bürgerbeteiligung boykottiert habe, um danach sagen zu können, es gebe zu wenig Bürgerbeteiligung. Er kündigt eine weitere Bürgerbeteiligung z. B. im Kulturbereich an, wenn die Wettbewerbe ausgelobt würden. Er halte es für ziemlich wichtig für die Stadt, gerade bei diesem Quartier systematisch zu überlegen, wie man Menschen zur Bürgerbeteiligung motiviere, die sonst nicht kämen. Eine Möglichkeit sei die aufsuchende Bürgerbeteiligung. Im Übrigen seien z. B. auch Leute, die im "Aufbruch Stuttgart" organisiert seien, mit dem Wunsch nach einem Konzerthaus auf ihn zugekommen. Stuttgart habe vier weltbekannte Orchester, die nicht alle in die Liederhalle passten.

Er räumt ein, dass er in Bezug auf die Bahn die Zeitabläufe und die Finanzen mit Sorge betrachte. Es gelte, die Bahn dazu zu bewegen, die Probleme und Defizite möglichst schnell abzuarbeiten. Während er das Ziel verfolge, dass die im Volksentscheid geäußerte Mehrheitsmeinung der Stadtbevölkerung so schnell wie möglich umgesetzt werde, ziele die Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS darauf ab, dass das Projekt nie realisiert werde. In Anbetracht der unterschiedlichen Erwartungen sei die Verständigung schwierig. Der Internationale Wettbewerb sei notwendig, um externen Sachverstand hinzuzuziehen.

StR Rockenbauch wirft OB Kuhn im Hinblick auf die Bahn eine Fehleinschätzung der Realität vor. Er fordert ihn auf, umzudenken und umzuplanen und einen Internationalen Wettbewerb erst unter diesen neuen Rahmenbedingungen auszuloben. Die Bürgerbeteiligung habe seine Fraktionsgemeinschaft methodisch von Anfang an kritisiert. Er habe im Vergabeverfahren deutlich gemacht, dass man sich bei dieser Planungsaufgabe innovativere Methoden als die angekündigten überlegen müsse. So hätte man schon damals die aufsuchende Bürgerbeteiligung einbeziehen müssen. Dies hätten die Bürgerinnen und Bürger erkannt und deshalb die Bürgerbeteiligung boykottiert.


Abschließend dankt OB Kuhn allen Beteiligten für die Mitarbeit am Entwurf und
stellt fest:


Der Gemeinderat beschließt mit 7 Gegenstimmen und 1 Enthaltung mehrheitlich wie beantragt.

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