Antrag vom 11/20/2023
Nr. 299/2023

Antrag
Stadträtinnen / Stadträte - Fraktionen

SPD-Gemeinderatsfraktion
Betreff

Wärmeplanung braucht Verbindlichkeit und eine starke Bürgerbeteiligung

Der vorliegende Entwurf zur Wärmeplanung ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg in Richtung einer klimaneutralen Wärmeversorgung in unserer Stadt. Auf Grund der fehlenden Verbindlichkeit bzw. der fehlenden Verpflichtung der Stadt in den ausgewiesenen Wärmenetzeignungsgebieten auch Wärmenetze zu errichten, hat das Dokument nur vorläufigen und orientierenden Charakter.

Eine gelingende Wärmewende erfordert eine intensive und umfassende Beteiligung der Stuttgarter Bewohner*innen in den Bezirken und Quartieren (siehe auch SPD-Antrag 187/2023 "Wärmeplanung braucht eine breite Bürgerbeteiligung") und eine formale Beteiligung der Verbände und Interessengruppen. Dies konnte insbesondere auf Grund der erst sehr spät verfügbaren Potentialstudien von regenerative Wärmequellen (Geothermie und Flusswasser) im Stadtgebiet nicht ausreichend erfolgen. Insbesondere wurden die Bezirksbeiräte nur unzureichend oder gar nicht eingebunden.

Die nun vorliegenden Stellungnahmen verschiedener Bürger*innen und Umweltverbände zum Entwurf der Wärmeplanung machen deutlich, dass noch einige grundsätzliche Fragenstellungen im Ausschuss für Klima und Umwelt erörtert und begleitend zur notwendigen Fortschreibung der Wärmeplanung beschlossen werden müssen. Die vorliegende Wärmeplanung sortiert wichtige potentielle Verbrauchergruppen als Nutzer von Wärmenetzen auf Grund komplexer Eigentümerstrukturen aus. Dieses Vorgehen stellt ein fachlich inakzeptables Vorgehen dar, da auch für Mehrfamilienhäuser mit verschiedenen Eigentümern eine Energieversorgung mit Anschluss an ein Wärmenetz oftmals der einzig sinnvolle und gangbare Weg darstellt. Im Ergebnis werden im vorliegenden Entwurf der Wärmeplanung viel zu kleine Wärmenetzeignungsgebiete ausgewiesen.

Vor Verabschiedung eines verbindlichen Wärmeplans benötigen wir daher eine zeitnahe Fortschreibung der Wärmeplanung mit Ausweisung größerer Wärmenetzeignungsgebiete, welcher dann dem vorliegenden Entwurf der Stuttgarter Wärmeplanung gegenübergestellt werden kann. Erst auf dieser Grundlage ist der Gemeinderat in der Lage einen fundierten Beschluss zur Ausweisung verbindlicher Wärmenetzgebiete im Stadtgebiet zu treffen. Eine vorgeschaltete intensive Diskussion in den Bezirken und ein Erörterungstermin mit Verbänden und Interessenverbänden sind vorzusehen.

In diesem Antrag werden entsprechende Anforderungen an den weiteren Arbeitsprozess für die Erarbeitung eines verbindlichen Wärmeplans dargestellt und eingefordert. Weiterhin werden Prioritäten für die parallel anlaufenden detaillierten Planungen und Umsetzungsprojekte von neuen Wärmenetzgebieten bei den Stadtwerken benannt. Ein Schwerpunkt wird dabei auf die bedeutenden Potentiale der Flusswärme (Neckar) gelegt, da hiermit eine kostengünstige Wärmeversorgung für mehr als 20% der Stuttgarter Wärmekunden erfolgen kann.

Wir beantragen daher:

1. Die Ende des Jahres im Gemeinderat zu beschließende Wärmeplanung wird als vorläufig gekennzeichnet. Die Stadt Stuttgart verfolgt das Ziel noch in 2024 verbindliche Ausweisungen von neuen Wärmenetzgebieten im Stadtgebiet vorzunehmen und diesen Prozess Ende 2025 mit der ersten Fortschreibung der Wärmeplanung abzuschließen (siehe neues Gebäude-Energiegesetz - GEG).

2. Für die bereits vorgesehene Fortschreibung der Wärmeplanung und die die darin vorgenommene Festlegung von Netzeignungsgebieten sind die folgende Aspekte zu beachten:

2.1. Die Bedarfsstruktur basiert ausschließlich auf der Wärmeverbrauchsdichte. Die Wärmeabnehmerstruktur bzw die Eigentümerstrukturen werden als erschwerendes Umsetzungsrisiko ausgewiesen.

2.2. Die Wettbewerbsfähigkeit der neuen Wärmenetzgebiete ist gegenüber individuellen Lösungen darzustellen. Dabei sind auch unterschiedliche Anschlussgrade (60%, 80% und 95%) für die entsprechenden neuen Wärmenetze zu betrachten. Für neue Wärmenetzgebiete, in welchen auch individuelle Wärmepumpenlösungen denkbar und realisierbar sind, wird zur Gebietsabgrenzung ein vertretbarer Maximalwert für die spezifischen Wärmeverteilkosten der Wärmenetzeignungsgebiete festgelegt. Für Abschreibung von Investitionen wird ein Zinssatz von 3% bei einer 30 jährigen Nutzungsdauer ohne Förderung unterstellt.

2.3. Die Stadtverwaltung und die Stadtwerke streben an, den ehemaligen Abteilungsleiter der Klima- und Energieagentur Baden-Württemberg, Herrn Böhnisch bei der Festlegung der Randbedingungen und Anforderungen an die Fortschreibung der Wärmeplanung einzubinden. Das Ergebnis dieser Festlegungen wird im AKU nochmals vorgestellt. Herrn Böhnisch wird auf dieser Sitzung die Möglichkeit einer mündlichen Stellungnahme eingeräumt.

2.4. Die größte Leerstelle in der vorliegenden Wärmeplanung ist das fehlende Committement und die fehlenden Vereinbarungen der Stadt mit der EnBW zur Verdichtung und dem Ausbau des bestehenden Fernwärmenetzes. Im ersten Quartal 2024 ist daher ein Tagesordnungspunkt "Stand und Ausblick auf die zukünftige Zusammenarbeit der Stadt mit der EnBW" im AKU aufzurufen. Die Stadtverwaltung stellt auf der Sitzung die zukünftigen Optionen für die Zusammenarbeit von Stadt und EnBW auf Grundlage des am 15. Dezember 2023 zu erwartenden Urteils im Fernwärmestreit dar. Die EnBW wird zu dieser AKU-Sitzung eingeladen.

3. Parallel zur Fortschreibung der Wärmeplanung muss die Umsetzung von ersten Wärmenetzen bei den Stadtwerken vorangetrieben werden. Die folgenden Prioritäten sind dabei vorzusehen:

3.1. Das Potential regenerativer Wärme aus dem Neckar ist vollständig zu heben. Hierzu sind die Detailplanungen für die in der vorläufigen Wärmeplanung ausgewiesenen Stadtbezirke Untertürkheim, Hedelfingen, Wangen und Münster mit vorgesehener Flusswärmenutzung mit höchster Priorität anzugehen, da hier eine wettbewerbsfähige Wärmeversorgung erwartet werden kann, aber noch wichtige Standortfragen für die notwendigen Flusswärmepumpen zu klären sind.

3.2. Weiterhin ist die detaillierte Wärmeplanung für den Stadtbezirk Zuffenhausen zu erarbeiten, da für diesen Stadtteil noch keine gute Lösung für die regenerative Wärmequellen identifiziert werden konnte. Flusswärme bietet sich auch hier als zentrale Wärmequelle an. Parallel wird mit der EnBW über die Einbindung eines großen Flusswärmepumpe für das bestehende Fernwärmenetz verhandelt.

3.3. Auch für die bestehenden Wärmenetze (z.B. Uni Stuttgart in Vaihingen, Uni Hohenheim, Porsche, Daimler und die amerikanischen Militärstandorte) müssen Ausbau- und Dekarbonisierungsstrategien erarbeitet mit hoher Priorität erarbeitet werden, die dann Bestandsteil der verpflichtenden Wärmeplanung sein müssen.

4. Die Stadtverwaltung forciert den Aufbau eines professionellen Projektmanagements in der Stadtverwaltung und Aufbau eines dezentralen, energetischen Quartiersmanagements mit Projektleitungsverantwortung bei den Stadtwerken als Voraussetzung für eine wirkungsvolle Umsetzung der Energiewende in unserer Stadt. Dabei geht es auch um eine Organisationsentwicklung zur Optimierung von Prozessen und Abläufe und die Festlegung (neuer) Rollen und Verantwortlichkeiten im Zusammenspiel von Stadtverwaltung und Stadtwerken. Ziel muss eine ganzheitliche und wirkungsvollen Infrastrukturplanung und -umsetzung in den Stadtquartieren sein (Strom, Gas und Nahwärme sowie perspektivisch Fernwärme und Wasser) durch die Stadtwerke bzw. die Stuttgart Netze.

5. Der vorliegende Antrag wird in die Tagesordnung der Sitzung des Ausschusses für Klima und Umwelt am 01.12.2023 aufgenommen und dort eingebracht und beraten.

Gezeichnet

Dr. Michael Jantzer Lucia Schanbacher Stefan Conzelmann
Fraktionsvorsitzender


zum Seitenanfang