Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OB0102
GRDrs 821/2015
Stuttgart,
10/16/2015


Stuttgart – als Stadt in Europa
international kompetent und nachhaltig gestaltend




Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Internationaler Ausschuss
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
28.10.2015
25.11.2015

Bericht:


Dieser Bericht nimmt Bezug auf die Anträge 355/2014 (FDP - Abteilung Außenbeziehungen), 02/2013 (SPD - Städtepartnerschaften, Europäische Union, Entwicklungszusammenarbeit) und 67/2013 (Bündnis 90/DIE GRÜNEN - Europa gestalten ­- auch eine Aufgabe des Gemeinderats).


Inhalt

I. Stuttgart als weltoffene und innovative Metropole
II. Was unsere Stuttgarter Partnerschaften so wertvoll macht
III. Europäisch vernetzt und informiert
IV. Als Stadt nachhaltig, solidarisch und fair handeln
V. Botschafter des internationalen Stuttgarts
VI. Vergleich international ausgerichteter Abteilungen
VII. Entwicklung eines strategischen Handlungsrahmens


I. Stuttgart als weltoffene und innovative Metropole

Ein Anspruch Stuttgarter Stadtpolitik ist die ökologisch sinnvolle, ökonomisch wertschöpfende, sozial gerechte und kulturell vielfältige Nutzung urbaner Räume. In diesem Sinne wollen wir uns zu einer nachhaltig und innovativ agierenden Metropole entwickeln, die als Stadt in Europa Politik und internationale Partnerschaften zum gemeinsamen Gewinn aller gestaltet.

Stuttgart ist im Weltmaßstab eine verhältnismäßig kleine, dabei aber einzigartige Großstadt mit 50% Grünflächen auf dem Gebiet der Stadt, inmitten einer pulsierenden und wirtschaftsstarken Region im Herzen Europas: geprägt durch eine agile und weltoffene Stadtgesellschaft, eine hohe Lebenszufriedenheit der Bevölkerung, eine innovative Kunst- und Kreativszene, einen weltweit führenden Standort der Automobil- und Zulieferindustrie und gleichzeitig eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Stadtpolitik.

Dazu gehört es, im globalen Wettbewerb Maßnahmen zu ergreifen, um als Technologie-, Wirtschafts- und Finanzstandort, Hauptsitz internationaler Konzerne, Arbeitgeber, Tourismusdestination, Zentrum für Wissenschaft und Innovation, Ausrichter internationaler Großveranstaltungen, Heimat weltweit renommierter Kultureinrichtungen sowie als weltoffene und nachhaltig agierende Metropole auf lange Sicht attraktiv zu bleiben und dadurch Standortvorteile zu sichern.
Dafür braucht es sowohl in internationalen Fragen unterstützende, engagierte Rathausspitzen und Gemeinderäte genauso wie international versierte und agierende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die den fachlichen Dialog mit weltweiten Partnern führen und sich als Botschafter der Stadt für universelle Werte von Demokratie, Menschenrechten, Toleranz und Weltoffenheit einsetzen.

Fachlich sind alle Ämter der LHS von internationalen Fragestellungen betroffen, die Abteilung Außenbeziehungen nimmt im Geschäftsbereich des Oberbürgermeisters eine koordinierende, vernetzende und gestaltende Funktion ein.

Aus dieser Perspektive ist der folgende Bericht erstellt. Damit werden die Anfragen 355/2014 (FDP - Abteilung Außenbeziehungen), 02/2013 (SPD - Städtepartnerschaften, Europäische Union, Entwicklungszusammenarbeit) und 67/2013 (Bündnis 90/DIE GRÜNEN - Europa gestalten - auch eine Aufgabe des Gemeinderats) beantwortet, in deren Fokus Fragen nach dem Leistungsportfolio und der verwaltungsmäßigen Verortung der Abteilung Außenbeziehungen, der Ausgestaltung der städtepartnerschaftlichen Zusammenarbeit, der Europafähigkeit der LHS sowie der Einbindung des Gemeinderats und der Öffentlichkeit standen.

Die mit diesem Bericht vorgenommene Standortbestimmung erfolgt ein Jahr nach der Neubesetzung der Abteilungsleitung, der eine achtmonatige Vakanz von November 2013 bis Mai 2014 voraus ging.

Was die Abteilung Außenbeziehungen leistet

Die Tätigkeitsfelder der Abteilung Außenbeziehung umfassen

· die Gestaltung und Pflege der zehn Städtepartnerschaften,
· die Koordinierung und Beobachtung von EU-Themen sowie der Kommunalen Entwicklungspolitik,
· die Analyse internationaler Fragestellungen mit kommunalem Bezug sowie
· die Konzeption von Vernetzungs- und Informationsangeboten innerhalb der Verwaltung und mit externen Partnern.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung Außenbeziehungen

§ agieren als Kompetenz- und Vernetzungsplattform für die international ausgerichteten Aktivitäten der LHS und gewährleisten Informationsgewinnung, Wissenstransfer, Koordinierung und ämterübergreifende Dienstleistungen,
§ gestalten die partnerstädtische Zusammenarbeit durch Beratung und Finanzierung zivilgesellschaftlicher Akteure in Stuttgart sowie im Austausch mit Partnern auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene und vor Ort in den zehn Partnerstädten,
§ konzipieren und organisieren Veranstaltungen und Fachdelegationsreisen für den Oberbürgermeister und den Gemeinderat, bereiten diese fachlich vor und nach und sorgen für einen Wissens- und Informationstransfer zwischen den Beteiligten,
§ vertreten internationale Themen in der Öffentlichkeit,
§ führen vereinzelt eigene, durch Drittmittel und damit entsprechend personell unterstützte, Projekte durch,
§ beraten strategisch und unterstützen Kolleginnen und Kollegen anderer Ämter, die selbst mit der Befassung von internationalen Themen und besonders mit der Durchführung von Projekten betraut sind. Komplexität und Anzahl internationaler Aspekte, Themen und Akteure nehmen zu. Dadurch sind die Anforderungen an die Abteilung Außenbeziehungen kontinuierlich gestiegen, innerhalb der Verwaltung zu beraten und Prozesse zu steuern, z. B. bei der Befassung mit EU-Programmen oder der Konzeption ämter- und themenübergreifender Delegationsbesuche.

Die Arbeitsleistung der Abteilung erfolgt im Rahmen vorhandener Personalressourcen im Verbund mit allen städtischen Referaten und Ämtern, Mitgliedern des Gemeinderats, mit Vertreter/-innen der in Stuttgart ansässigen international ausgerichteten Einrichtungen sowie mit Akteuren auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene, die sich um kommunale Themen der Auslandsarbeit kümmern.

Die Abteilung umfasst inklusive der Leitung fünf Haushaltsstellen, die mit sechs Personen besetzt sind, davon drei Teilzeitstellen und zwei im höheren Dienst. Das fachliche Profil konzentriert sich mit drei Stellen vor allem auf die lebendige und fachkundige Gestaltung der zehn Städtepartnerschaften. Mit den zwei weiteren Stellen wird das EU-Themenfeld zwar im o. g. Sinne teilweise abgedeckt, aufgrund des vielfältigen Aufgabenprofils inklusive Leitungsfunktion jedoch nicht als ausschließliche Tätigkeit.

Was Ämter und Referate mit internationaler Ausrichtung leisten

Ämter und Eigenbetriebe führen internationale Projekte, Netzwerkarbeit oder Fachprogramme eigenständig durch; hier wurde, wie in GRDrs 699/2003 und 595/2006 erläutert, eine starke eigene dezentrale internationale Expertise aufgebaut.

Im Hinblick auf die Umsetzung lokaler Nachhaltigkeit gilt dies besonders für das Amt für Umweltschutz, das Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung, die Abteilung Wirtschaftsförderung, die Abteilungen Mobilität und Integration sowie das Sozialamt, das Kulturamt, das Amt für Sport und Bewegung und die Arbeitsförderung.

Beispielhaft illustriert sei dies durch

· die Kompetenzen der Abteilung Mobilität im Referat Koordination und Planung des Oberbürgermeisters, die das internationale Netzwerk Cities for Mobility koordiniert und damit den Wissens- und Erfahrungsaustausch in Fragen nachhaltiger Mobilität zwischen Kommunen, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung sowie der Zivilgesellschaft fördert,
· die Abteilung Wirtschaftsförderung, die beispielsweise Unternehmerdelegationen ins Ausland organisiert, ausländische Delegationen über den Wirtschaftsstandort Stuttgart informiert und Wirtschaftstage zum Wirtschaftsstandort im Ausland und in Stuttgart durchführt.

Als ämterübergreifender Dienstleister agiert z. B. das Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung durch die Bereitstellung von Informationen zu Projekten aus EU-Strukturfonds-Mitteln und der Kontaktanbahnung entsprechender potentieller Partner.

Die Notwendigkeit, globale Zusammenhänge zu verstehen und auf den kommunalen Kontext anzuwenden, zeigt sich auch in der Integration von Flüchtlingen sowie Zuwanderinnen und Zuwanderern. Stuttgart verfügt über eine lange und gute Tradition, Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen und Herkunftsländern willkommen zu heißen. Diese menschliche und politische Kompetenz prägt den gesellschaftlichen Zusammenhalt unserer Stadt sowie die fachliche Expertise der städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.


II. Was unsere Stuttgarter Partnerschaften so wertvoll macht

Mit Abschluss der ersten Städtepartnerschaft (1948 mit St. Helens in Großbritannien) begann die Stadt Stuttgart, im Interesse einer friedlichen Weltordnung ihre Expertise zu teilen und Anregungen für die eigene innovative Weiterentwicklung zu gewinnen - in der unmittelbaren europäischen Nachbarschaft wie bei weltweiten Partnern.

Getragen werden diese Partnerschaften von Menschen, die ihre Herzen und Häuser öffnen, um beispielsweise Austauschschüler aufzunehmen, neue kreative Ideen aus anderen Kulturkreisen zu übernehmen oder über Fachveranstaltungen u. a. zu Fragen der Menschenrechte zu sensibilisieren. Durch diese zivilgesellschaftliche Trägerschaft und ein komplexes Netz an Beteiligten sind die Städtepartnerschaften in Stuttgart sehr lebendig.

Themen und Projekte der zehn Städtepartnerschaften

Die Abteilung Außenbeziehungen und auch das Kulturamt fördern den regelmäßigen Austausch für die rund 80 beteiligten Vereine, Institutionen und Einrichtungen in Stuttgart durch Beratung und finanzielle Unterstützung für die Durchführung partnerstädtischer Projekte. Ziel ist es, durch fachlichen Austausch die Begegnungen zwischen Bürgerinnen und Bürgern der Partnerstädte zu fördern.

Ein Schwerpunkt der partnerstädtischen Projekte liegt, neben dem Schüler- und Jugendaustausch, auf themenbezogener Zusammenarbeit mit Schwerpunkten auf ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten von Nachhaltigkeit.

Mit den Städten Mumbai, Lodz und Cardiff wurde in den zwei vergangenen Jahren die Zusammenarbeit mit dem Ziel, die wirtschaftlichen Beziehungen auszubauen, intensiviert. So hat die Abteilung Wirtschaftsförderung mit Cardiff eine Absichtserklärung ausgearbeitet, um in Wirtschaftsfragen stärker zusammen zu arbeiten: Beide Städte sind Finanz- und Wirtschaftszentren und verfügen über eine ausgeprägte Film- und Kreativszene. Die Erklärung wurde im Rahmen des 60-jährigen Jubiläums 2015 unterzeichnet. Während hier die Stadtverwaltungen direkte Partner sind, ist die Kooperation mit der Megacity Mumbai vielmehr eingebettet in Initiativen etablierter Organisationen wie der Europäischen Kommission oder der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ): Experten aus der Stadtverwaltung sowie Vertreter der IHK oder von Unternehmen sind beteiligt, die Stadt und die Region Mumbai im Bereich Umwelttechnologien zu beraten und konkrete Projekte mit europäischen Unternehmen zu initiieren.

Die Stuttgarter Partnerstädte variieren in Größe, wirtschaftlicher und kultureller Bedeutung sowie in der politischen Stabilität der Staaten, in denen sie liegen. Die Kooperation mit Kairo (Ägypten) und Menzel Bourguiba (Tunesien) zielt aufgrund der problematischen innenpolitischen Lage daher vor allem auf die Erreichung der Zivilgesellschaft, sei es durch Jugendprojekte vor Ort und in Stuttgart oder die Betonung demokratischer Werte, wenn Termine auf politischer Ebene wahrgenommen werden. Unterstützt und beraten werden diese Kooperationen oft durch das Auswärtige Amt oder Mittlerorganisationen auswärtiger Politik.

Als Beispiel eines vernetzten thematischen Ansatzes in der partnerstädtischen Zusammenarbeit kann das XI. Stuttgarter Städtepartnerschaftstreffen 2014 gesehen werden: Ein lokales praktisches Thema (Eröffnung Welcome Center) wurde fachlich mit EU- und UN-Initiativen verbunden (dem Europäischen Jahr der Entwicklung 2015 sowie der Weiterentwicklung der Millenium-Entwicklungsziele der UN), um gemeinsam mit Vertretern aus den Partnerstädten Fragen nachhaltiger Stadtentwicklung zu diskutieren und gemeinsam nach Lösungsansätzen zu suchen.

Die Befassung mit Themen urbaner Nachhaltigkeit bildet die inhaltliche Klammer der städtepartnerschaftlichen wie der projektbezogenen Arbeit. Hier gilt es noch schärfer herauszuarbeiten, wie dies für die einzelnen Städte akzentuiert werden kann.

Aus der Analyse aktueller Projekte mit den Partnerstädten ergeben sich folgende Schwerpunktthemen:

§ Nachhaltige Stadtentwicklung
§ Jugend und Bildung
§ Kulturprojekte und Kreativwirtschaft
§ Gesunde und solide Wirtschaft
§ Wissenschaft und Hochschule
§ Stärkung der Zivilgesellschaft
§ Gute Regierungsführung

Vertiefung kommunaler Partnerschaften

Stuttgart engagiert sich fachlich dort international, wo ein sinnvoller Austausch zu den städtisch bedeutsamen Politikfeldern besteht oder zu erwarten ist. Dazu sind keine weiteren formalen Partnerschaften (weder auf Stadt- noch auf Bezirksebene) notwendig, inhaltlich passende Projekt-Kooperationen auf Zeit und/oder in Netzwerken werden als zielführender erachtet. Nach diesem dynamischen Ansatz geht die Stadt schon seit einigen Jahren vor. So entstehen z. B. über Kooperationen in Projektverbünden enge fachliche Bindungen mit anderen beteiligten Städten. Um einige Beispiele zu nennen:

· Mit der niederländischen Stadt Utrecht pflegen einige Ämter einen fachlichen Dialog, ohne dass dieser formalisiert oder zentral koordiniert wäre.
· Stuttgart als Zentrum einer exportstarken Region verfügt über gute Verbindungen zu ähnlichen Märkten. Hier ist exemplarisch Indien mit der Partnerstadt Mumbai im Bundesstaat Mararashtra – mit dem das Land Baden-Württemberg eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet hat – zu nennen: Aufgrund der gewachsenen Infrastrukturen und hohen Entwicklungspotentiale ist der indische Markt für Stuttgarter Firmen attraktiv; umgekehrt finden indische Firmen in Stuttgart ein gutes Investitionsklima vor.
· In der chinesischen Stadt Nanjing, mit der Stuttgart über eine Städtefreundschaft verbunden ist, hält die Messegesellschaft Stuttgart über ein Joint-Venture 60% an der dortigen Messegesellschaft. Die Geschäftsbeziehungen sind ein wichtiger Pfeiler gerade für exportorientierte mittelständische Unternehmen der Region als auch die Ausweitung der internationalen Aktivitäten der Messe Stuttgart.
· Mardin im Südosten der Türkei an der Grenze zu Syrien verfügt über eine aktive Zivilgesellschaft, die sich vorbildlich für die Integration der syrischen Flüchtlinge engagiert. Ein Spendenprojekt für Flüchtlingsprojekte im Rahmen der Stuttgarter UNICEF-Partnerschaft 2015/2016 wird hier unterstützt.
· Über das Netzwerk Cities for Mobility und EU-Projekte gibt es viele Kontakte und Kooperationen zu Städten in Lateinamerika, generiert durch die Teilnahme am URB-AL Programm 2000 - 2004 zum Aufbau eines europäisch-lateinamerikani­schen Städtenetzwerks zur Urbanen Mobilität.

Frieden und Völkerverständigung bleiben weiterhin treibende Kräfte der internationalen Tätigkeit. Ohne andere Regionen aus dem Blick zu verlieren, ist der Nahe und Mittlere Osten existentiell für die Entwicklung einer friedlichen Weltordnung. Schon Manfred Rommel hat sich persönlich und in seiner Funktion als Oberbürgermeister von Stuttgart (1974 – 1996) früh um die Aussöhnung mit Israel verdient gemacht. In diesem Geist ist eine freundschaftliche Zusammenarbeit mit Israel und Palästina auch heutzutage von besonderer Bedeutung für die Außenbeziehungen der Stadt Stuttgart.

Die Stuttgarter Außenbeziehungen sind auch schon lange positiv durch eine starke europäische und internationale Vernetzung geprägt, die den fachlichen Austausch zur Steigerung der städtischen Leistungsfähigkeit zum Ziel hat. Aus diesem Grunde wurden z. B. fachliche Zusammenschlüsse initiiert, wie das 2006 gegründete, heute 656 Mitglieder aus 85 Staaten umfassende, Netzwerk ‚Cities for Mobility‘. Auch ist Stuttgart aktives Mitglied in europaweiten Fach-Netzwerken (siehe Kapitel III).

Netzwerkverbünde sind wichtige internationale Akteure, die für einzelne Einrichtungen/Städte neben der fachlichen Beratung auch eine Lobby-Funktion gegenüber politischen Gestaltern wie der EU einnehmen. Selbstverständlich muss hier immer abgewogen werden, in welcher Relation Aufwand und Nutzen einer Beteiligung an Projekten, Initiativen und Netzwerken zueinander stehen. Dabei ist der Mehrwert nicht nur monetär zu messen, sondern auch im fachlichen Austausch und der Kompetenzsteigerung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in interkultureller Kommunikation und im Projektmanagement.

Öffentliche Wahrnehmung und Beteiligung der Zivilgesellschaft

Die Ergebnisse kommunaler Partnerschaften und Netzwerke werden vor allem über die Durchführung von Projekten und Veranstaltungen öffentlich. Mit Vereinen, Schulen oder Kultureinrichtungen ist ein breiter Akteurskreis in die partnerstädtische Arbeit eingebunden, der als Multiplikator in die Stadtgesellschaft fungiert. Alle Interessierten an partnerstädtischem Engagement erhalten eine individuelle Beratung durch die Abteilung Außenbeziehungen oder das Kulturamt. So werden beispielsweise Vereine unterstützt, die in Stuttgart mehrtägige facettenreiche Veranstaltungen mit einem Länder-/Städte-Schwerpunkt durchführen: So erreichten die von Yalla e. V. und den Sekem-Freunden organisierten, vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) und dem Arab Business Center unterstützten, Kairo-Tage in 2014 über 400 Teilnehmer/-innen.

Auch werden Formate wie der Tag der Offenen Tür (2015 am 7. Februar) genutzt und die partnerstädtische Arbeit gemeinsam mit den jeweiligen Trägern durchgeführt: So informierten beispielswiese das Renitenztheater, das Ferdinand Porsche Gymnasium und der Zonta Club über ihre Projekte in und mit Partnerstädten. Nach dem gleichen Prinzip wird bei der Zusammensetzung städtischer Fach-Delegationen verfahren, die Stuttgart in einer Partnerstadt vertreten - neben Vertretern der Stadt sind auch immer Aktive aus Vereinen oder Institutionen beteiligt. Als weitere Multiplikatoren fungieren auch Dachverbände zivilgesellschaftlicher Gruppen.


III. Europäisch vernetzt und informiert

Entscheidungen der Europäischen Kommission oder der Europäischen Räte haben auch in Stuttgart Einfluss auf politische Programme und Entscheidungen. Die Beispiele reichen von der Unterbringung von Asylsuchenden bis zur Brüsseler Mahnung wegen zu hoher Feinstaubwerte: In beiden Fällen ist Stuttgart als untere Verwaltungsbehörde von Regelungen betroffen, zu denen Deutschland sich im Kreise der 28 Mitgliedstaaten verpflichtet hat. Stuttgart selbst verhandelt nicht darüber, d. h. die politischen Anliegen der Landeshauptstadt können direkt, über die Interessensverbände bei Land, Bund und EU oder über bei der EU-Kommission profilierte Netzwerke kommuniziert werden.

EU-Netzwerke und Einflussnahme

Mit dem Ziel der direkten Politikgestaltung vor Ort unterhalten z. B. von Seiten baden-württembergischer Kommunal-Verbände der Städtetag, der Landkreistag sowie der Gemeindetag gemeinsam mit Bayern und Sachsen ein eigenes Büro in Brüssel. Gleiches gilt für den Verband Region Stuttgart, der innerhalb der Vertretung des Landes Baden-Württemberg ein eigenes Büro in Brüssel hat.

Auch ermöglichen Engagement und Positionierung in fachspezifischen Netzwerken eine aktive Politikgestaltung durch Vertretung Stuttgarter Schwerpunktthemen bzw. das gegenseitige Lernen. Beispielhaft zu nennen sind die fachspezifischen Netzwerke wie EFUS (Europäisches Forum Urbane Sicherheit), POLIS (Europäische Vernetzung für nachhaltige Verkehrslösungen), Energy Cities (Europäischer Verband zur Beförderung der Energiewende in Kommunen), der Konvent der Bürgermeister (Klimaschutz) oder Mayors Adapt (Klimawandelanpassung).

Eine breitere Themenbasis hat der RGRE (Rat der Gemeinden und Kommunen Europas) als Lobby-Organ kommunaler Interessen gegenüber der Europäischen Kommission, der auch über eine Deutsche Sektion verfügt. Stuttgart beteiligt sich dort in der Arbeitsgruppe der nationalen EU-Referenten, die auch beim Städtetag Baden-Württemberg regelmäßig zusammen kommen. Darüber hinaus hält Stuttgart als Fördermitglied auf Bürgermeisterebene einen Sitz im Hauptausschuss, vier Gemeinderäte sind Mitglied in politisch besetzten Fachausschüssen.

Aktuell geprüft wird die Mitgliedschaft der LHS beim europaweiten Städtenetzwerk EUROCITIES, das seit 1992 erfolgreich kommunale Belange in die europäischen Institutionen trägt: Europäische Großstädte mit über 250.000 Einwohnern (darunter 16 deutsche) werden über eine Geschäftsstelle in Brüssel fachlich vernetzt und in ihrer inhaltlichen Europaarbeit gestärkt. Thematische Schwerpunkte liegen in den Politikfeldern nachhaltiges Wachstum und Arbeitsplätze, Soziale Integration und Smart Cities. Der Vorteil in der Mitgliedschaft läge in der Einbindung in europäische Diskurse und der handfesten Unterstützung durch ähnlich verfasster Städte und versierter Fachleute.

Die EUROCITIES-Struktur entspricht zudem den gewichtigen Förderkriterien Transnationalität und Nachhaltige Netzwerkkooperationen, was einen Wettbewerbsvorsprung bei der Gewinnung von EU-Förderprojekten bedeuten kann.

Eine weitere Möglichkeit ist die Beantwortung von Grünbüchern und die Kommentierung von Weißbüchern der Europäischen Kommission, mit denen Ratschläge für die zukünftige Ausgestaltung europäischer Politikfelder angefordert werden.

EU-Projekte und Stadtentwicklung

Städtisches Engagement auf europäischer Ebene ist längst integrierter Bestandteil kommunalen Verwaltungshandelns. So hat sich die LHS in der Vergangenheit an großen EU-Ausschreibungen beteiligt und die finanzielle Förderung genutzt, Großprojekte der Stadtentwicklung und Mobilität voranzutreiben. Als Beispiele sind zu nennen:

· INTERREG-Projekt PROSIDE, Integrierte Stadtentwicklung mit Testplanung im Veielbrunnen-Gebiet 2004–2006
· INTERREG-Projekt REVIT, Revitalisierung von Brachflächen, Güterbahnhof Bad Cannstatt 2004–2007
· INTERREG-Projekt MANDIE, Sozioökonomische Reaktivierung und Stärkung von Stadtteilzentren 2008–2011
· INTERREG-Projekt COBRAMAN, Bürgerbeteiligung bei der Sanierung des Schoch-Areals 2008–2012
· INTERREG-Projekt i. e. SMART, Training Network for Innovation and Entrepreneurship in Emerging Sustainable Economic Sectors 2012–2014
· CIVITAS Projekt 2MOVE2, Konzepte und Maßnahmen für Nachhaltige Mobilität in europäischen Städten, 2012–2016

Zudem wurde über Jahre die Beratungsleistung des Gründerbüros Stuttgart mit EU-Mitteln kofinanziert.

Zur Verwirklichung einer nachhaltigen Stadtentwicklung wird Stuttgart weiterhin versuchen EU-Fördermittel zu akquirieren, die städtische Planungen finanziell und programmatisch unterstützen können.

Kommunale Europafähigkeit

Gemäß der Handreichung der Deutschen Sektion des Rates der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) umfassen die Säulen der kommunalen Europaarbeit

1. Vernetzung
2. Europafähigkeit der Verwaltung
3. Kommunikation und Information
4. Fördermittelakquise sowie
5. Einflussnahme auf und Abfluss von EU-Politiken

Die Säulen 1–3 sind in der LHS sehr gut ausgeprägt, u. a. in Kooperation mit Kompetenzträgern zu EU-Fragen (wie das Europa Zentrum Baden-Württemberg in Stuttgart oder der Verband Region Stuttgart) sowie durch Fortbildungs- und Informationsangebote für Verwaltung und Gemeinderat, in die auch die Erfahrungswerte anderer Kommunen und Partner einfließen.
Die Säulen 4 und 5 dagegen sind ausbaufähig. Hier sieht sich die Abteilung Außenbeziehungen immer stärker mit Anforderungen nach zentraler Unterstützung für Ämter und Referate konfrontiert, die in der gegenwärtigen Personalausstattung nur bedingt zu leisten ist. Dies beinhaltet u. a. die

a. Aufbereitung von EU-Themen zum besseren kommunalen Verständnis/der Umsetzung in Stuttgart
b. Navigation durch die EU-Förderlandschaft für Stuttgart, verbunden mit Stellungnahmen zu und Ausgestaltung der neuen Programme auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene zum Wechsel der Förderperioden
c. Analyse und Bewertung, ob EU-Programme (wie Fördermittel, aber auch Europäischer Wettbewerbe oder einzelner Programmlinien) überhaupt in Frage kommen sowie die
d. Unterstützung bei den ersten Schritten einer Projektbeantragung, bevor Projektmittel freigegeben sind oder ein externer Partner für die administrative Durchführung gewonnen werden konnte
e. Beratung für Fragen während der Umsetzungsphase von EU-Projekten. Elementarer Bestandteil zur Steigerung der Europafähigkeit innerhalb der LHS ist der Ausbau analytischer und themenübergreifender Kompetenz zur

o Auswertung kommunal ausgerichteter EU-Programme und -Initiativen, vor allem in der Gesetzgebung,
o vorherigen Einflussnahme auf diese Prozesse durch Koordinierung der Stuttgarter Positionen und deren Einspeisung in die kommunalen Interessensvertretungen bei der EU sowie
o Formulierung von Handlungsempfehlungen für die Umsetzung in Stuttgart. Erforderlich dafür ist der kontinuierliche Austausch eines definierten Kreises von EU-Experten in den einzelnen Ämtern und Abteilungen – auf Leitungsebene oder von dieser unterstützt – im Zusammenwirken mit der Abteilung Außenbeziehungen.


IV. Als Stadt nachhaltig, solidarisch und fair handeln

Spätestens seit der Rio-Konferenz 1992 (Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung) steht das kommunale entwicklungspolitische Engagement unter der Überschrift von Nachhaltigkeit auf der weltpolitischen Agenda. Das Abschlussdokument der Konferenz, die Agenda 21, steht unter dem viel zitierten Motto Think global, act local und weist auf die bedeutende Rolle der Kommunen bei der Bewältigung globaler Herausforderungen hin.
Im Weißbuch zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung 2013 heißt es, dass Kommunen durch ihre Bürgernähe Entwicklungspolitik besser lokal verständlich machen und das Bewusstsein der Bürger/-innen fördern können. Aber auch durch ihre ausgewiesene Expertise z. B. in der Daseinsvorsorge oder dem lokalen Klimaschutz könnten Kommunen Partnerschaften sinnvoll gestalten. Um diese Kompetenz auszubauen und zu nutzen, wurde 2013 erstmals ein Titel zur Förderung des kommunalen Engagements in der Entwicklungszusammenarbeit in den Bundeshaushalt eingebracht.

In diesem Themenfeld bietet die Bundeseinrichtung Engagement Global (EG) mit der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) bereits seit 2012 Kommunen ihre Unterstützung an; für Baden-Württemberg und Bayern gibt es eine SKEW-Außenstelle in Stuttgart.

Mit den am 27. September 2015 verabschiedeten Nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals) adressieren die Staaten der Vereinten Nationen - nach einem Beratungsprozess mit Nichtregierungsorganisationen und internationalen Organisationen – in der sogenannten 2030-Agenda nun die strukturellen Herausforderungen der Weltgemeinschaft wie soziale Ungleichheit, Konsumverhalten oder die Bedrohung durch den Klimawandel.

Kommunen als Träger von Innovation und Kompetenz kommt eine entscheidende Rolle in der Umsetzung dieser Beschlüsse zu. So können sie, wie es der Deutsche Städtetag formuliert, mit ihren Bürgerinnen und Bürgern beispielsweise in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit vor Ort aktiv sein oder kommunale Strategien für ein Nachhaltigkeitsmanagement verfolgen, ihr Partnerschaftsnetz vertiefen, ihre Partnerstädte auf anderen Kontinenten durch kommunalen Erfahrungsaustausch unterstützen, beim Aufbau selbstverwalteter Strukturen beraten und dabei von innovativen Ansätzen und neuen Methoden ihrer Partner profitieren.

Die städtischen Themenfelder der Kommunalen Entwicklungspolitik, ergänzt durch kom­munale Nachhaltigkeitsaspekte, betreffen verschiedene Ämter und Referate sowie vor allem zivilgesellschaftliche Einrichtungen. Der Abteilung Außenbeziehungen kommt hier eine vernetzende, beratende, koordinierende und impulsgebende Aufgabe zu.

Aktiv besetzt und breit vernetzt aufgebaut wurde das Thema z. B. im Gemeinschaftsprojekt Engagement Kommunal. Verantwortung Global., das im Auftrag des Städtetages Baden-Württemberg mit finanzieller Unterstützung des Landes sowie Engagement Global (EG) vom März 2014 bis Februar 2015 durchgeführt wurde (GRDrs 1389/2014). Hier war das Management mit projektfinanzierten zusätzlichen Personalressourcen bei der Abteilung Außenbeziehungen angesiedelt und hatte zum Ziel, Kommunen für die kommunale Entwicklungspolitik zu sensibilisieren. Inhaltlich war die LHS mit Beiträgen zur aktiven Rolle der Migrantenvereine in der Stadtgesellschaft, dem Welcome Center sowie dem Fairen Handel vertreten.

Nachdem 2013 mehr als zwei Drittel der Stuttgarter Stadtbezirke als Fairtrade-Stadtbezirke zertifiziert waren, wurde auch die Gesamtstadt als Fairtrade-Stadt zertifiziert und die Auszeichnung 2015 für weitere vier Jahre bestätigt. Ergänzt wurde dieser wichtige Schritt für eine nachhaltige Stadtpolitik z. B. durch die städtische Unterstützung bei der Einrichtung des Welthauses, einem von engagierten Bürgerinnen und Bürgern aus Eine-Welt Gruppen und Migranten-Organisationen initiierten Zentrums für interkulturellen Austausch, globales Lernen und ein soldarisches Miteinander.

Als weiteres aktuelles Beispiel ist die UNICEF-Städtepartnerschaft zu nennen, die Stuttgart 2015/2016 übernimmt: Bürgerinnen und Bürger sowie Kinder und Jugendliche sollen in diesem Jahr für globale Solidarität und entwicklungspolitische Zusammenhänge sensibilisiert werden. Im Mittelpunkt steht der Einsatz für die Rechte von Kindern in Krisenregionen.

Mit dem Städtepartnerschaftsjahr werden konkrete Projekte von UNICEF unterstützt, die auch in einem Bezug zu Stuttgart stehen, z. B. in der Partnerstadt Kairo (Gesundheitsversorgung in Slums und illegalen Siedlungen), dem baden-württembergischen Partnerland Burundi (Innovationsprojekte in Bildung und Mobilität) sowie in der Region rund um die Stadt Mardin in der Türkei (Bildung für syrische Flüchtlinge).

Kommunales Expertenwissen

Kommunen verfügen über das Wissen, das Geldgeber auf EU-, Bundes- und Landesebene zur Umsetzung politischer Konzepte benötigen: Konkrete Lösungsansätze zur Bewältigung lokaler Probleme können am besten über kollegiale Beratung kommunaler Experten vermittelt werden.

In diesem Sinne sind Tätigkeiten der LHS immer mehr eingebettet in Initiativen und Programme anerkannter Organisationen und Einrichtungen mit internationaler Schwerpunktsetzung (Landes-/Bundeseinrichtungen, Stiftungen, Europäische Kommission oder internationale Organisationen). Dies geschieht beispielsweise durch

· Beratung der Stadtverwaltung von Bogota und Cartagena de Indias in Kolumbien durch Mitarbeiter des Amtes für Umweltschutz bei der Erarbeitung einer eigenen Gesetzgebung zum Umgang mit Altlasten (gefördert durch Engagement Global und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit im Programm ‚Nachhaltige Kommunalentwicklung durch Partnerschaftsprojekte‘ (NAKOPA).
· Fachliche Unterstützung Griechenlands über die Deutsch-Griechische Versammlung, in Fragen der dualen Ausbildung und der Abfallwirtschaft, des Natur- und Umweltschutzes sowie des allgemeinen Verwaltungsaufbaus.
· Engagement Stuttgarts innerhalb der Urban Partnership EU-Mumbai sowie der darauf aufbauenden Initiative World Cities, einem Programm der Europäischen Kommission mit dem Ziel der engeren Kooperation zwischen der EU und Drittstaaten in Fragen nachhaltiger Stadtentwicklung.
· Beratung – basierend auf Erfahrungen bei der WM-Durchführung in Stuttgart – von südafrikanischen und brasilianischen WM-Städten zur Sicherung von Großveranstaltungen und im Verkehrsmanagement (im Rahmen von Bundesprojekten zum kommunalen Wissens- und Erfahrungsaustausch).

Informationen, Fortbildungen und fachliche Unterstützung zur Erreichung lokaler Umweltschutz-Ziele stellt der weltweite Verband ICLEI seinen mehr als 1000 Mitglieds-Städten zur Verfügung. ICLEI ist wurde als International Council for Local Environment Initiatives zum Abschluss des ersten Weltkongresses von Kommunen für eine nachhaltige Entwicklung 1990 bei den Vereinten Nationen gegründet. Inzwischen ist ICLEI mit zwölf Büros an zehn Standorten auf allen Kontinenten vertreten, der Sitz der Organisation ist Bonn.

Auf der globalen Ebene vertritt ICLEI die Interessen der Kommunen u. a. auf UN-Konferenzen, gleichzeitig engagiert sich ICLEI vor Ort und begleitet die Kommunen auf ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Die Vorteile der Mitgliedschaft bestehen in der Teilnahme an geförderten länderübergreifenden Forschungsvorhaben oder an Projekten der internationalen Zusammenarbeit. Kooperationen, Information und fachliche Beratung finden zu Fragen von Bürgerbeteiligung, Wasser, nachhaltige Beschaffung, Governance, Biodiversität, Klimaschutz und Klimaanpassung statt. Die Stuttgarter Umweltverwaltung prüft die Möglichkeit der Mitgliedschaft an dem Städtenetzwerk ICLEI, da diese die Bemühungen der LHS bei der Umsetzung einer wirkungsvollen Umweltpolitik unterstützen würde.
V. Botschafter des internationalen Stuttgarts

Urban Diplomacy/Diplomacity sind Begriffe und Konzepte, die in der aktuellen Debatte um die Rolle von Kommunen als außenpolitische Akteure genutzt werden, internationale Debatten im ‚eigenen Sinne‘ mitzugestalten.

Dafür müssen auf der einen Seite die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung entsprechend ausgebildet sein und handeln. Auf der anderen Seite kommt der Rathausspitze und dem Gemeinderat eine vorbildhafte Rolle zu, internationale oder europäische Fragestellungen als integralen Bestandteil auch der kommunalen wie regionalen politischen Agenda zu verorten und umzusetzen.

Die Einrichtung eines eigenen Gremiums ‚Europa‘ oder ‚Außenbeziehungen‘ erscheint dafür nicht notwendig: Als Querschnittsthema können international ausgerichtete Fragestellungen in allen bestehenden Ausschüssen des Gemeinderats befasst werden. Bewährt hat sich dafür besonders der Verwaltungsausschuss. Die Beteiligungsmöglichkeiten des Gemeinderats liegen darüber hinaus in der Vertretung der LHS bei Veranstaltungen, Fachbesuchen oder in Gremien, beispielsweise als Mitglieder in Gremien des RGRE/Deutsche Sektion (Ausschuss zur Deutsch-Französischen Zusammenarbeit oder zur Kommunalen Entwicklungszusammenarbeit).

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung vertreten die LHS beispielsweise in Fach-Netzwerken im In- und Ausland, empfangen ausländische Delegationen, die sich in Stuttgart u. a. in Fragen ökologischer und sozialer Stadtentwicklung, zu Mobilitätskonzepten oder zu Instrumenten der Wirtschaftsförderung beraten lassen oder gestalten mit ihrem Experten-Wissen den partnerstädtischen Wissenstransfer. Aufbau und Pflege entsprechender Kompetenz bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist daher bedeutsam für gutes und vorausschauendes Verwaltungshandeln.

Internationale, vor allem EU-weite, Veranstaltungsformate werden genutzt, wenn kommunale/regionale Interessen Stuttgarts betroffen sind und mit der Teilnahme die Entwicklung eines städtischen Themenfelds unterstützt und die Stadt als aktive Gestalterin nachhaltiger Urbanität positioniert werden kann.


VI. Vergleich international ausgerichteter Abteilungen

Stuttgart ist gut positioniert im internationalen Wettbewerb der Städte um kluge Köpfe, zupackende Hände und innovative Erfindungen. Als ein stark wissenschaftlich geprägter Standort verfügt Stuttgart z. B. über eine der höchsten Dichten an akademischen Einrichtungen in Deutschland, die weltweite Anerkennung genießen: 19 Prozent der rund 61.000 Studierende in Stuttgart sind internationale Studierenden, dazu kommen die zahlreichen internationalen Wissenschaftler und Professoren.

Auf dem Weg zur nachhaltigen Stadt hat Stuttgart noch einige Schritte vor sich: Die Attraktivität der zukunftsorientierten und damit überlebensfähigen Stadt wird immer davon beeinflusst sein, wie nachhaltige Mobilität, ein gesundes Stadtklima sowie Wohlstand und Wohlbefinden für alle gewährleistet werden. Im Zuge dessen wird auch die internationale Arbeit von Städten mit entscheidend für eine erfolgreiche Positionierung und Standortwerbung.

Wie auch in Stuttgart, wo die Erweiterung des Portfolios schon früh vorgenommen wurde, begrenzt sich die internationale Arbeit von Städten nicht mehr allein auf die Pflege und Gestaltung der städtepartnerschaftlichen Beziehungen, sondern hat die Entwicklung und Darstellung einer umfassenden gesamtstädtischen „Außenpolitik“ zum Ziel. In den meisten deutschen Städten ist diese direkt an der Verwaltungsspitze, beim Büro des Oberbürgermeisters/der Oberbürgermeisterin, angesiedelt.

Die internationalen Abteilungen variieren in Aufgaben, Themenschwerpunkten sowie Personal- und Budgetausstattung. Im Vergleich der Landeshauptstädte

· verfügt Düsseldorf in der internationalen Abteilung über 5,0 Stellen, wovon 2,0 Stellen für den Bereich Europa eingesetzt werden. Die restlichen drei Stellen decken mehrheitlich den Bereich Städtepartnerschaften ab. Die kommunale Entwicklungszusammenarbeit befindet sich nicht im Zuständigkeitsbereich der internationalen Abteilung.
· ist die internationale Abteilung der Millionenstadt München mit 1,7 Stellen nur für den Bereich der Kommunalen Entwicklungszusammenarbeit zuständig. Schwerpunkt der international ausgerichteten Tätigkeiten liegt jedoch auf der Gestaltung der Europaarbeit, die mit 7,86 Stellen im Referat für Arbeit und Wirtschaft (beim Zweiten Bürgermeister) angesiedelt ist: Die Aufgaben reichen von der EU-Projektmittelakquise über die Betreuung von europäischen Netzwerken und Durchführung von EUROCITIES-Fachveranstaltungen bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit sowie der inhaltlichen Betreuung europäischer Städtepartner. Neben diesen referatsübergreifenden Funktionen gibt es ähnlich wie in Stuttgart in den Ämtern EU-Experten für die jeweiligen Fachgebiete. Ein Schwerpunkt der Arbeit ist auch die EU-Interessenvertretung, die zu kommunalrelevanten Themen (wie beispielsweise öffentliche Daseinsvorsorge oder Luftqualität) Einfluss auf regionale, nationale und europäische Institutionen ausübt. Da Städtepartnerschaften nicht im Fokus der Münchner internationalen Arbeit stehen, werden diese lediglich protokollarisch betreut.
· führt in Hannover die internationale Abteilung in ihrem Zuständigkeitsbereich vor allem Außenbeziehungen, Europa (ESF-Projektbetreuung ausgenommen) und Netzwerkarbeit durch, personell unterlegt mit 2 Stellen. Die Betreuung von Städtepartnerschaften oder -freundschaften obliegt dagegen dem Kulturbüro, das zusammen mit dem Agenda-21- und Nachhaltigkeitsbüro auch mit der Kommunalen Entwicklungspolitik befasst ist.

So wenig aufgrund unterschiedlicher Inhalte und Verwaltungstraditionen eine Vergleichbarkeit möglich ist, lassen sich doch im Vergleich deutscher Großstädte Trends abzeichnen:

· Personell wird der Fokus auf EU-Fragen gelegt, die für die gesamte Verwaltung koordinierend behandelt werden (im Zusammenspiel mit den dezentralen Kompetenzen in anderen Ämtern).
· Internationale und EU-Arbeit wird immer stärker mit Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung einer Region in Verbindung gebracht.
· Städtepartnerschaften fokussieren auf Themen und Netzwerke und bauen, wie seit vielen Jahren in Stuttgart, auf die Ausgestaltung durch zivilgesellschaftliche Gruppen.
· Die mit Außenbeziehungen zentral befassten Abteilungen vertreten ihre Städte oder koordinieren die städtischen Beiträge in vielen internationalen und europäischen Netzwerken. Dazu gehören neben den thematischen Netzwerken, denen auch Stuttgart angehört, wie z. B. Convenant of Mayors und Klima-Bündnis (Klimapolitik), Mayors for Peace (zur Ächtung von Atomwaffen) oder EFUS (Europäisches Forum für Urbane Sicherheit) auch die themenübergreifenden Lobbynetzwerke wie der Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE/Deutsche Sektion) oder EUROCITIES, dem profilierten EU-Netzwerk für Großstädte über 250.000 Einwohnern.
· Die Herangehensweise an international ausgerichtete Tätigkeiten wird immer mehr Bestandteil gesamtstädtischer Strategie-Entwicklung.
VII. Entwicklung eines strategischen Handlungsrahmens

Stuttgart als Heimat von Bürgerinnen und Bürgern aus über 180 Nationen verfügt über einen großen Reichtum an engagierten weltoffenen Menschen und international ausgerichteten Einrichtungen, mit denen ein enger Austausch und die Entwicklung gemeinsamer Projekte gepflegt werden.

In der Kontinuität einer langjährigen städtischen Politik der Weltoffenheit, Willkommenskultur und wirtschaftlichen Entwicklung gilt es nun, mit diesen Partnern die internationale Ausrichtung der Stadt Stuttgart programmatisch immer weiter zu entwickeln.

Dazu gehört zum einen die Beteiligung an internationalen Diskursen in der Stadt, mit renommierten Partnern wie dem Institut für Auslandsbeziehungen, den ausländischen Kultureinrichtungen, der Robert Bosch Stiftung oder dem Europa Zentrum Baden-Württemberg mit dem Europäischen Informationszentrum europe direct.

Zum anderen wird die thematische Vernetzung und Fokussierung der geschilderten Aufgabenfelder mit allen Gruppen und Einrichtungen vertieft, die in Stuttgart partnerstädtische und internationale Arbeit gestalten möchten.

Ausgehend von diesem Bericht und den darin enthaltenen Maßnahmen wird die Abteilung Außenbeziehungen einen Beteiligungsprozess sowohl innerhalb der Verwaltung als auch mit allen interessierten Partnern in Stadt und Region starten. Ziel ist es, Stuttgart als ökologisch, wirtschaftlich und sozial gerecht agierende Stadt im Sinne seiner Bürgerinnen und Bürger in Europa und der Welt zu positionieren.

Über Entwicklung und Umsetzung wird dem Gemeinderat 2017 berichtet.

Beteiligte Stellen








Fritz Kuhn






zum Seitenanfang