Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
118/2011 Ergänzung
GZ:
OB
Sitzungstermin: 26.05.2011
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Gallmeister
Betreff: Neuordnung der Energie- und Wasserversorgung
Gründung der Stadtwerke Stuttgart

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 11.05.2011, öffentlich, Nr. 123
Gemeinderat vom 12.05.2011, öffentlich, Nr. 68

jeweiliges Ergebnis: Vertagung

Verwaltungsausschuss vom 25.05.2011, öffentlich, Nr. 142

Ergebnis: einmütige Zustimmung zum geänderten Beschlussantrag
mit Maßgabe


Beratungsunterlage ist die dieser Niederschrift angeheftete Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 25.05.2011, GRDrs 118/2011 Ergänzung.

Die Ausführungen des Vorsitzenden sowie der Sprecher der Fraktionen werden nachstehend in leicht gekürztem, überarbeitetem Wortlaut wiedergegeben:

OB Dr. Schuster:

"Diese Beschlussvorlage ist ja über einen längeren Prozess vorbereitet, ergänzt, vertieft worden im Rahmen eines Unterausschusses und durch entsprechende Fachgutachten, sodass ich glaube, dass es richtig ist, dass wir heute diese Weiche stellen. Natürlich kann man jetzt darüber diskutieren, ob es richtig war, was wir vor zehn Jahren entschieden haben, nämlich dass wir die Anteile der NWS AG und der EnBW verkauft haben und damit auch aus der Kernenergie ausgestiegen sind. Es war damals eine Bedingung, dass die Finanzmittel nicht verbraucht werden, sondern dass sie separat als Vermögen erhalten bleiben. Und deshalb können wir, weil die Finanzmittel bei der Stadt sind, jetzt auch das Thema Stadtwerke neu angehen. Und das Zeitfenster ist richtig. Es gibt ja immer wieder Zeitfenster, um Weichen für Projekte zu stellen. Das Zeitfenster für diese Weichenstellung ist richtig, erstens weil die Konzessionen ablaufen und damit eine Entscheidung ansteht, diese Konzessionen langfristig neu zu vergeben - Konzessionen sowohl für den Strom-, Gas- als auch Wasserbereich. Zweitens: Das Zeitfenster ist richtig, weil es auf der technologischen Seite viele neue Entwicklungen gibt, die dezentrale Erzeugungsstrukturen mit zentralen Strukturen neu verbinden lassen, was vor zehn Jahren in der Weise überhaupt nicht der Fall war. Und insoweit können Stadtwerke Vorreiter in Sachen Ökologie und Kundennähe sein. Und das ist eines der zentralen Themen, die wir wiederholt diskutiert haben, uns als Ziel vorgenommen haben. Und die Zeit für Weichenstellungen ist richtig, weil auch das bürgerschaftliche Interesse an diesen Themen sich geändert hat und gewachsen ist und auch das Interesse von Bürgergruppen, sich beispielsweise im Bereich dezentraler Energieerzeugung zu engagieren, entsprechend groß ist, z. B. in Energiegenossenschaften. Wir haben also insoweit ein Zeitfenster für diese Weichenstellung und ich freue mich, dass der Gemeinderat in einer breiten Mehrheit diesen Weg bislang gegangen ist in einem, wie ich meine, sehr sachlich kooperativen Miteinander - das ist nicht selbstverständlich, weil es ja um durchaus komplexe und große und wichtige Vorgänge geht.

Wir werden nach Ihrem Beschluss dann in die Verhandlungsrunden einsteigen mit der EnBW, wobei für uns klar ist, wir sind schließlich ein schwäbisches Rathaus, dass unternehmerische Entscheidungen mit Steuergeldern getroffen werden und dementsprechend risikominimiert zu treffen sind. Wie jede unternehmerische Entscheidung hat das natürlich auch ein Risiko.

Wir werden zum Zweiten mit der EnBW versuchen, einvernehmliche Lösungen, vor allem was die Wasserversorgung angeht, hinzubekommen. In dem Kontext ist es natürlich wichtig, dass auch die Versorgungssicherheit gewährleistet bleibt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EnBW haben in den vergangenen Jahren bis heute, und morgen und übermorgen wird das genauso sein, für eine hohe Versorgungssicherheit gesorgt. Deshalb möchte ich mich bedanken - es sind ja heute einige gekommen und haben vorher auch deutlich gemacht, was ihre Sorgen sind -, dass Sie gekommen sind, aber vor allem für die Arbeit, die Sie tagtäglich für uns Bürgerinnen und Bürger leisten. Herzlichen Dank dafür.

Und deshalb ist natürlich Teil der Verhandlungen die Frage, wie wir mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der EnBW umgehen und wie sie sich einbringen können in diese neue Struktur. Es ist sicher nicht das Ziel des Gemeinderates, dass man sie in die Arbeitslosigkeit schickt, sondern wir werden - wie immer im Leben, wird man nicht Maximalforderungen durchsetzen - vernünftige Kompromisse finden. Und dazu gehört für mich auch, dass man die berechtigten Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EnBW mit berücksichtigt. Das wollte ich nur sagen, das sage ich auch im Namen des Gemeinderates, weil ich weiß, dass der Gemeinderat genauso fühlt. Ich würde das auch als unfair erachten, nachdem Sie wirklich gute Arbeit für uns leisten. Das wollte ich vorweg anmerken.

Ich wollte abschließend mich bedanken beim Ersten Bürgermeister und seinem Team für die Vorbereitung, Betreuung, für diese wichtige Weichenstellung für die kommunale Daseinsvorsorge und bin gespannt, wie wir gemeinsam diese Stadtwerke strukturieren und letztlich zu einem Erfolg führen für die Bürgerinnen und Bürger."


StR Pätzold (90/GRÜNE):

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, den Beschluss, den wir nachher treffen werden und der laut Vorlage den Titel 'Neuordnung der Energie- und Wasserversorgung, Gründung der Stadtwerke Stuttgart' trägt, ist kein alltäglicher Beschluss. Mit diesem Beschluss sind wir am Beginn einer neuen Epoche der Energie- und Wasserversorgung der Stadt Stuttgart. Wir geben heute der Stadtverwaltung den Auftrag, den Gesellschaftervertrag des neuen Stadtwerks zu erstellen. Das ist der erste Schritt zur Gründung von kommunalen Stadtwerken. Der Fehler des Verkaufs der alten TWS bzw. NWS an die EnBW kann damit zwar nicht beseitigt werden, aber er kann geheilt werden. Dass wir die Stadtwerke heute mit einer großen Mehrheit gründen, ist nicht selbstverständlich. Es ist das Ergebnis eines langen fairen Diskussionsprozesses, insbesondere im Unterausschuss.

Wir stehen an einem Wendepunkt in der Debatte zur Energiewende. Und es ist vielleicht eine glückliche Fügung, dass der Zeitpunkt des Ablaufs des Konzessionsvertrags in die heutige Zeit des Umbruchs im Energiebereich fällt. Damit haben wir die Chance, das Heft des energiepolitischen Handelns in Stuttgart wieder in die Hand zu bekommen in Zeiten, in denen die Energieversorgung an einem Wendepunkt steht. Wir führen die Diskussion um Stadtwerke, aber nicht um 'gut oder böse', wie manche meinen, sondern welchen Mehrwert kann die Stadt mit neuen Stadtwerken erhalten? Die GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion sieht in der Neugründung von kommunalen Stadtwerken enorme Vorteile für die Stadt und für ihre Bürger. Wir können wieder über die Grundlage der Energie- und Wasserversorgung, die Versorgungsnetze, bestimmen, sprich wir sind wieder Herr des Untergrunds und der Leitungen. Wir können professioneller und gezielter als bisher in die nachhaltige dezentrale Energieerzeugung einsteigen, vor allem direkt vor Ort und in der Region. Ein ökonomisch und ökologisch ausgerichtetes Stadtwerk bringt mehr Einnahmen als bisher aus dem Energiesektor in den städtischen Haushalt. Wir beschränken uns nicht wie bisher nur auf die Konzessionsabgabe und die Gewerbesteuer der EnBW.

Ein wichtiger Punkt in der Stadtwerksdebatte und sozusagen der Grundstein ist die Rückführung der Wasserversorgung, insbesondere der Wasserbezugsrechte, zurück in die städtische Hand. Dies haben auch die Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger mit dem Bürgerbegehren '100-Wasser' klar gefordert. Und das wird der zentrale Punkt in den Verhandlungen mit der EnBW sein. Der Beschluss heute ist aber kein Beschluss, der einfach so jetzt gefällt wird. Wir alle sind uns bewusst, dass dieser Beschluss weitreichende Konsequenzen hat, insbesondere finanzielle, denn wir setzen hier einen dreistelligen hohen Millionenbetrag aus dem städtischen Vermögen ein. Das tut man nicht einfach so, um eine nette Idee umzusetzen. Wir haben alle gelernt aus dem fehlervollen schnellen Verkauf der alten Stadtwerke. Deshalb haben wir uns hier im Gemeinderat über ein Jahr mit diesem Thema ausführlich beschäftigt - kritisch beschäftigt. Denn die rosa Brille der Wünsche oder einfacher Glaube helfen hier nicht weiter. Die Gutachter haben uns bestätigt, dass sich ein nachhaltiges kommunales Stadtwerk rechnet. Das haben wir zwar vorher laienhaft immer behauptet, aber nun ist es auch fachlich belegt: Ökonomie und Ökologie lassen sich verbinden. Aus dieser Untersuchung kamen am Ende aus einer Vielzahl von Varianten sechs Varianten heraus, die nun die Grundlage des weiteren Vorgehens sein werden.

Keine der Varianten ist ausgeschieden. Die Varianten haben dabei eines immer gemein: Sie sind kommunal geprägt, ob komplett oder auch nur als Teil. Und sie beinhalten als Kern die nachhaltige Energieerzeugung. Die neuen Stadtwerke werden mit einer großen Bandbreite von Geschäftsfeldern tätig sein. Nachhaltige Energieerzeugung, Vertrieb von Strom und Gas, Wasserversorgung, Versorgungsnetze für Strom, Gas, Wasser, aber auch dezentrale Nahwärmenetze und Dienstleistung im Energiesektor. Dies kann alleine oder auch mit einem Partner geschehen, der seine Erfahrung mit einbringt. Und dieser Partner könnte ein bestehendes kommunales Stadtwerk oder auch ein Stadtwerksverbund sein. Das Stadtwerk wird der zentrale Beitrag zu einer ökologischen nachhaltigen Energieversorgung in Stuttgart sein. Projekte zur nachhaltigen Energieerzeugung direkt in der Stadt, aber auch regional, und wenn es hier nicht reicht, auch überregional, werden uns die Gelegenheit geben, unsere eigene Stuttgarter Energiewende zu machen: weg vom Atom, weg von fossilen Energien, hin zu regenerativen Energien. Dabei setzen wir auch hier auf die Unterstützung der Bürger. In Energiegenossenschaften für einzelne Projekte sehen wir einen wichtigen Baustein eines in der Bürgerschaft Stuttgarts verankerten Stadtwerks. Und wir sorgen dafür, dass Geld der Stuttgarter Bürger hier bei uns angelegt wird - ein netter Nebeneffekt. Ergänzt werden muss dies selbstverständlich durch ein Stadtwerk, das Dienstleistungen im Bereich der Energieeffizienz oder des Contractings anbietet, denn die nachhaltigste Energie ist die eingesparte Energie.

Und was ist mit der EnBW? Die EnBW wird der Verhandlungspartner auf dem Weg zu kommunalen Stadtwerken sein. Denn sie ist heute der Grundversorger, besitzt die Netze und vor allem die Wasserbezugsrechte. An der EnBW kommen wir nicht vorbei. Aber wir haben keine Angst vor Verhandlungen oder vor Auseinandersetzungen mit der EnBW, sonst würden wir diesen Beschluss heute nicht fassen. Die EnBW ist allerdings nicht mehr die gleiche wie vor einem Jahr. Eigentümer sind fast ausschließlich die oberschwäbischen Kommunen und das Land Baden-Württemberg. Damit ist die EnBW de facto in öffentlicher Hand. Wir erhoffen uns aus diesem Umstand zumindest einen gesprächsbereiten Verhandlungspartner, der den Kommunen entgegenkommt.

Wir haben Ende letzten Jahres mal flapsig beantragt, dass wir das EnBW Regionalzentrum Stuttgart einfach übernehmen könnten. Eine Variante, die jetzt durchaus machbar wäre, wenn ein Zusammenschluss von Kommunen die EnBW Regional AG übernehmen würde, sozusagen als regionaler kommunaler Netzverbund. Diese Idee ist sicher zu prüfen und zu diskutieren. Wir sind gespannt auf die neue EnBW am Verhandlungstisch. Der erste Prüfstein hier für unseren Verhandlungspartner wird die Rückgabe der Wasserbezugsrechte sein. Und, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EnBW: Je schneller der Umbau der EnBW weg von einem Atomkonzern hin zu einem ökologischen Dienstleister der Kommunen geht, desto besser sind Ihre Arbeitsplätze gesichert und desto leichter lässt sich gemeinsam ein Energiekonzept entwickeln und realisieren.

Ausgehend von den vorgeschlagenen Varianten muss das Verhandlungsteam und damit auch wir, der Gemeinderat, in den kommenden Monaten die Verhandlungen detailliert vorbereiten. Das neue Stadtwerk Stuttgart wird am Ende eines Prozesses, den wir heute einleiten, stehen. Die Stadtwerke werden ein Ergebnis aus Verhandlungen, juristischen Streitigkeiten und einem harten Diskurs sein. Diesen Prozess wird man aber nicht innerhalb von sechs Wochen in einem Schritt machen können. Er wird in mehreren Zwischenschritten ablaufen. Diese Zwischenschritte wird man wieder diskutieren, auch öffentlich.

Wie man diesen Prozess und den Weg hin zu kommunalen Stadtwerken auch mit den Bürgern vonseiten der Stadt angeht, werden wir noch festlegen müssen. Dass es nicht nur eine Meinung der Stuttgarter Bürger gibt, sieht man heute hier an der Kundgebung von Verdi, die alles so lassen will, wie es ist, und den verschiedenen Bürgerinitiativen, wie z. B. der Aktion Stadtwerke, welche genau das Gegenteil wollen. Den Meinungen der Bürger stellen wir uns aber gerne, helfen sie uns doch, auch unsere Position klar zu machen und zu überprüfen - sei es wie bisher auf Veranstaltungen hier im Haus in direkten Gesprächen mit den Initiativen oder auch auf Veranstaltungen außerhalb. Bürgerbeteiligung ist ein Dialog, und der ist vielfältig. Gehen wir heute also den ersten Schritt auf dem Weg zu neuen Stuttgarter Stadtwerken. Wir GRÜNEN gehen ihn gerne mit Ihnen, liebe Gemeinderatskollegen, und auch mit den Bürgern von Stuttgart. Danke."


StR Kotz (CDU):

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr verehrte Stadträtinnen und Stadträte, liebe Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EnBW. In der Geschichte der Energieversorgung unserer Stadt wird heute ein neues Kapitel aufgeschlagen: Wir gründen unsere eigenen Stadtwerke. Wenn man in einigen Jahren im Rückblick nach historischen Beschlüssen des Gemeinderats suchen wird, dann ist der heutige sicherlich unter den Top Ten zu finden. Die heutige Entscheidung, eigene Stadtwerke zu gründen, ist kein Schnellschuss, sondern das Ergebnis einer monatelangen Vorarbeit und Diskussion im Gemeinderat, in den Gremien mit externen Gutachtern, mit der Verwaltung, und nicht zuletzt in unzähligen Bürgergesprächen und Veranstaltungen zu diesem Thema. Es freut mich sehr, dass weite Teile des Gemeinderats beim Thema Stadtwerke heute in der Grundfrage des Ziels einig sind. Anders als z. B. beim Projekt Stuttgart 21, wo ein Ringen um die beste Ausgestaltung eines Vorhabens gar nicht möglich ist, da nur die Diskussionen geführt wurden, oben oder unten, lässt die grundsätzliche Einigkeit des Gemeinderats hier andere Möglichkeiten zu. Wir können unsere ganze Energie gemeinsam darauf verwenden, innerhalb des heutigen Grundsatzbeschlusses die beste Ausgestaltung unserer Stadtwerke zu erzielen, und ich freue mich auf diesen spannenden Prozess.

An dieser Stelle möchte ich mich auch bei all den bisher Beteiligten bedanken, die sich vorbildlich mit dem Ziel, Stadtwerke in Stuttgart zu gründen, in die Diskussion eingebracht haben. Mein Dank gilt dem Oberbürgermeister, dem Ersten Bürgermeister, der gesamten Verwaltung, den Gutachtern und Beratern und auch allen Vertretern der Fraktionen im Unterausschuss. Es wurde immer sachorientiert diskutiert und informiert. Der Anstoß für das Thema Stadtwerke kam aus der Bürgerschaft. Mit Ihrem Engagement und Ihrer Energie haben Sie diesen Zug in Fahrt gebracht. Und Sie haben mit Ihrem Wissen, mit Ihrer Einschätzung und auch Ihren Wünschen uns bis heute aktiv begleitet. Dafür ganz herzlichen Dank, verbunden auch mit der klaren Bitte, dies weiterhin so aktiv zu tun.

Beim Thema 'Kommunales Wasserwerk' sind die Überlegungen ja schon sehr weit gediehen. Mit der Erweiterung unseres Eigenbetriebs Stadtentwässerung um das Geschäftsfeld Wasserversorgung können wir eine schlanke und effiziente Struktur für die Zukunft vorschlagen. Wir als CDU wünschen uns auch beim Thema Stadtwerke eine Bürgerbeteiligung, sogar eine doppelte. Zum einen mit der eben angesprochenen aktiven Begleitung des Prozesses. Es wird auch weiter unzählige Möglichkeiten geben, sich über das Thema auszutauschen. Erst gestern Abend durften wir als Vertreter der Fraktionen bei einer Veranstaltung der Volkshochschule und der Initiative Kommunale Stadtwerke mit den Bürgerinnen und Bürgern um die besten nächsten Schritte nach dem heutigen Beschluss ringen. Seien Sie sicher, dass wir diesen Gesprächsfaden nicht abreißen lassen werden. Klar ist aber auch, dass Bürgerbeteiligung nicht bedeutet, dass Politiker automatisch die Meinung einer Gruppe von besonders interessierten Bürgern übernehmen müssen. Deshalb ist es für uns als Stadträte natürlich wichtig, nicht nur bei speziellen Themenveranstaltungen die Stimmung der Bürger abzuholen. Dies muss bei jedem unserer vielfältigen Bürgerkontakte geschehen, ebenso aber auch ist die umgekehrte Variante wichtig, nämlich dass wir als Stadträte unser Wissen um die kommunalen Angelegenheiten in diese Bürgerkontakte einbringen und unsere Ansichten und Einschätzungen bei aller Offenheit in der Argumentation entsprechend vertreten.

Die zweite Art der Bürgerbeteiligung, die wir uns wünschen, ist eine direkte Beteiligung an den Stadtwerken selbst. Wir haben in den Gremien immer die Verwaltung aufgefordert, bei allen weiteren Schritten die Möglichkeit zu schaffen, dass sich Bürger in geeigneter Form auch mit Kapital an den Stadtwerken beteiligen können. Dies ist für uns ein ganz wichtiger Punkt für die Akzeptanz unserer Stadtwerke und deren Verankerung in der Stadtgesellschaft.

Lassen Sie mich aber, bevor ich zu den inhaltlichen Themen komme, noch einige Sätze zur EnBW sagen: Ich möchte an dieser Stelle vom Hauptorgan der Landeshauptstadt Stuttgart für die CDU-Fraktion den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der EnBW herzlich Danke sagen. Dank sagen für einen tollen Job in den letzten Jahren für diese Stadt und ihre Kunden, danke für eine Qualität und Versorgungssicherheit mit Trinkwasser und Energie, die ihresgleichen sucht. Dank sagen für ihre Treue zum Standort Stuttgart und für die Arbeits- und Ausbildungsplätze hier bei uns. Und auch Dank sagen für ein vielfältiges Engagement im sozialen, sportlichen und kulturellen Bereich.

Wenn wir jetzt in Verhandlungen über Veränderungen im Zusammenarbeiten zwischen der Stadt und der EnBW eintreten, hat das nichts mit der bisherigen Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EnBW zu tun. Und ich möchte an dieser Stelle auch noch mal Dank sagen, dass wir als Fraktionen vorher die Gelegenheit erhalten haben, auf der Kundgebung unsere grobe Meinung, unsere Stellung zu diesem Thema kundzutun. Ich kann Ihnen sagen für die CDU-Fraktion, wir haben direkt im Anschluss daran auch besprochen, dass wir diesen Gesprächsfaden auch intensiv fortsetzen möchten, indem wir die Vertreterinnen und Vertreter der EnBW zu weiteren Gesprächen in unsere Fraktion einladen.

Meine Damen und Herren, die ökologischste Energie ist diejenige, die gar nicht erst verbraucht wird. Aus diesem Grund stehen für die CDU an erster Stelle die zwingende Notwendigkeit und unser dringender Wunsch, in dieser Stadt die Energieeffizienz zu erhöhen und noch mehr Energie einzusparen. Nur aufgrund der Tatsache, dass das Strom- und Gasnetz in Stuttgart vielleicht einen neuen Besitzer - vielleicht die Stadtwerke Stuttgart - bekommt, kann kein Atomkraftwerk abgeschaltet werden und kein Kohlekraftwerk heruntergefahren werden. Für die CDU steht die Gründung von Stadtwerken nicht unter der Überschrift, wie erzielt die Stadt die beste Kapitalrendite, nein, für uns heißt die Headline: Stuttgart investiert in eine ökologische und nachhaltige Energiewende in unserer Stadt.

Dazu gehört als erstes Energieeinsparung. Wir haben hierfür in Stuttgart noch umfangreiche Möglichkeiten. Direkt bei der Stadt im Bereich unserer Schulen und Schwimmbäder oder bei der Straßenbeleuchtung. Wir müssen mutig und unkonventionell Vorschriften, Regelungen und Gewohnheiten hinterfragen und wenn nötig verändern, die unserer Energiewende im Weg stehen. Und wir müssen neue und zusätzliche Anreizsysteme entwickeln, um den privaten Bestand unserer Gebäude in Stuttgart noch viel stärker energetisch zu sanieren. Unsere guten Erfahrungen mit dem stadtinternen Contracting können hier Beispiel sein für Unterstützung auch im privaten Immobilienbereich. Stuttgart soll die bestgedämmte Stadt Deutschlands werden. Energie, die wir hier in Stuttgart nicht verbrauchen, muss auch nicht von der Ost- oder Nordsee hierher transportiert werden in Leitungen, die es noch gar nicht gibt und bei deren Bau auch wieder große Energiemengen verbraucht werden würden.

Als Zweites wollen wir regenerative und ökologische Energieerzeugung betreiben. Und wir wollen dies, wann immer technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll, in unserer Stadt, in unserer Region tun. Auch hier gilt: Priorität hat die Energieerzeugung dort, wo sie auch benötigt wird. Abgesehen davon, dass auch hier für andere Lösungen im großen Stil die nationalen Transportnetze fehlen, wollen wir auch die Wertschöpfung in der Region halten. Das Kapital, welches wir nun in Ökoenergieerzeugung investieren, ist das Geld unserer Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger. Das Geld wurde durch unsere Bürger und Unternehmen erarbeitet. Sie haben ein Recht darauf, dass dieses Geld wieder in Arbeits- und Ausbildungsplätze und in die Wirtschaftskraft in Stuttgart und der Region gesteckt wird.

Dass zu einem Stadtwerk auch die entsprechenden Netze und der Vertrieb gehören, ist für uns selbstverständlich. Wir werden in den nächsten Monaten in Verhandlungen und Beratungen intern und extern die beste Lösung und Konstruktion für unser Stadtwerk in diesen Bereichen erarbeiten. Auch hier muss das Ziel sein, unser Stadtwerk so aufzustellen, dass es bei überschaubarem wirtschaftlichem Risiko größtmöglichen Nutzen für seine Kunden und alle Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt erzielt. Wenn es sich herausstellt, dass für diesen Weg ein Partner mit an Bord sollte, ist das auch für die CDU eine sehr gute Lösung, und selbstverständlich könnte dieser Partner auch die EnBW sein. Wir haben hier keine ideologischen Vorbehalte. Denn, meine Damen und Herren, Ideologie und Sozialromantik, wie es manche, die die Marke von Stadtwerken bei 100 % kommunal als nicht verrückbar ansehen, sind hier absolut fehl am Platz und wären auch ein sehr schlechter Ratgeber bei diesem großen Projekt.

Allerdings ist für uns klar: Die grundsätzlichen und richtungsweisenden Entscheidungen für unser Stadtwerk auch in Zukunft müssen hier in Stuttgart, hier im Rathaus, hier im Hauptorgan gefällt werden. Ich wünsche mir, dass die Bürgerschaft unserer Stadt gemeinsam mit dem Gemeinderat in den nächsten Monaten ein Stuttgarter Energiekonzept 2030 entwickelt. Wie stellen wir uns die Energieversorgung, die Energieverteilung und die Energieerzeugung in den nächsten zwanzig Jahren in Stuttgart vor? Wie werden die Schnittstellen zu anderen großen Themen, wie der Frage unserer Mobilität, geregelt und gelöst? Wie wird das Stadtwerk aussehen und wer wird ein eventueller Partner sein? Ich freue mich auf dieses spannende Ringen um die besten Zukunftsvisionen. Unsere neuen Stadtwerke werden dann mit ganzer Kraft dieses Energiekonzept vorantreiben. Den Stuttgarter Stadtwerken ein herzliches Glück auf! Die CDU-Fraktion wird der Vorlage 118/2011 'Neuordnung der Energie- und Wasserversorgung, Gründung der Stadtwerke Stuttgart' zustimmen, wird sich aber vorbehalten, wenn auf dem weiteren Entscheidungsprozess nach unserer Einschätzung falsche Weichenstellungen getätigt werden, dass wir dann auch die Notbremse ziehen werden. Herzlichen Dank."


StR Kanzleiter (SPD):

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus dem Gemeinderat, liebe Kolleginnen und Kollegen von der EnBW und meine Damen und Herren, heute - ich glaube, das kann man unumwunden sagen - ist ein historischer Tag. Der Gemeinderat stellt die Weichen dafür, die Wasserversorgung für Stuttgart und wesentliche Teile der Energieversorgung wieder in die eigene Hand zu nehmen. Wir Sozialdemokraten verbuchen die jetzt anstehenden Entscheidungen als einen Erfolg unserer Politik. Und wir freuen uns über den breiten Konsens, der sich im Gemeinderat nach und nach entwickelt hat. Die bisherigen Reden haben dies deutlich gemacht.

Die SPD in Stuttgart, sowohl die Partei als auch die Fraktion, hat bereits lange vor den Kommunalwahlen diesen Kurswechsel unserer Stadt eingeleitet. Symbolisch wurde dies durch ein Plakat während des Wahlkampfes deutlich gemacht, auf dem stand 'Wir holen unser Wasser zurück'. Und wir haben die Forderung erhoben, die Gründung neuer Stadtwerke zu prüfen. Wir haben frühzeitig erkannt, dass die Bürgerinnen und Bürger, welche die Rekommunalisierung der Wasserversorgung verlangen, einer wachsenden Stimmung in der Bevölkerung Ausdruck verleihen. Meine Damen und Herren, die Entscheidung zum Verkauf sämtlicher Aktien der NWS an die EnBW und die dahinterstehenden Aktionäre der OEW und der EDF wird von manchen Leuten immer noch gerechtfertigt. Etwas peinlich empfinde ich dabei die Zwischenrufe unseres ehemaligen Ersten Bürgermeisters und heutigen Vorsitzenden von Haus und Grund; nicht nur der Empfehlung des Oberbürgermeisters - nämlich Ihrer Empfehlung, Herr OB Schuster -, sondern seiner Empfehlung sind wir damals gefolgt. Ich denke, darüber muss man sich im Klaren sein. Festzuhalten bleibt in diesem Zusammenhang: Der Verkauf vor zehn Jahren hat uns zwar Geld zur Anlage bei den Banken gebracht in den Spezialfonds, die Verzinsung ist mäßig, aber immerhin, sie ist gesichert. Und wir haben das Geld nicht verplempert. Aber wir haben uns jeglicher Gestaltungsmöglichkeit bei der öffentlichen Daseinsvorsorge beraubt. Stuttgart ist seither die einzige Großstadt in Deutschland, die so konsequent gehandelt hat. Alle anderen Großstädte haben an ihren Stadtwerken festgehalten und seither gute Geschäfte gemacht und gleichzeitig die Chance nutzen können, eine dezentrale Energiepolitik voranzutreiben. Der Beschluss von damals, um es differenziert zu sagen, war zu pauschal und deshalb unterm Strich falsch.

Meine Damen und Herren, es geht darum, zu erkennen, dass in einer globalisierten Wirtschaft eine neue Arbeitsteilung erforderlich ist. Aufgaben der Daseinsvorsorge gehören in die Verantwortung der Kommunen und nicht in diejenigen von internationalen Konzernen. Dabei geht es darum, Dienstleistungen der Grundversorgung für die Bürgerschaft, die Bereitstellung der Infrastruktur, die jeder braucht, in die Entscheidungsgewalt der Bürgerinnen und Bürger bzw. deren Vertreterinnen und Vertreter in den Gemeinderäten zu legen. Nicht der Gewinn ist der Maßstab, sondern der Nutzen für das allgemeine Wohl. Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass kommunale wirtschaftliche Betätigung natürlich auch finanziell erfolgreich sein muss.

Unsere Gesellschaft steht vor einer riesigen Herausforderung. Wir müssen unsere
Energieversorgung gründlich umbauen - heraus aus der Kernenergie, Fördern und Ausbauen erneuerbarer Energien, hin zu einer effektiven Nutzung aller umweltschonenden Ressourcen von der Kraft-Wärme-Kopplung über Geothermie und Solarenergie, über Biomasse und Wind. Dezentrale Energieerzeugung ist ein wesentlicher Beitrag, diese Herausforderung zu meistern. Und hier sind Stadtwerke unschlagbar. Großstädte wie München und kleinere Städte wie Schwäbisch Hall beweisen, dass es geht.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun noch mit einigen wenigen Worten auf die zur Entscheidung vorgesehene Vorlage eingehen und Folgendes feststellen:

Es handelt sich um einen Grundsatzbeschluss, der viele Details, die der Ausgestaltung bedürfen, bewusst offen lässt. Denn wir wissen, dass jemand, der Verhandlungen führen muss, einen ausreichenden Spielraum braucht. Endgültig abgestimmt wird, wenn das Ergebnis der Verhandlungen vorliegt. So viel ist aber gewiss, zumindest aus Sicht der SPD: Die Stadtwerke Stuttgart werden, und jetzt bitte ich, genau zuzuhören, eine hundertprozentige Tochter der Stuttgarter Versorgungs- und Verkehrs-Gmbh sein. Sie wiederum wird Mutter auch von einem Netzbetrieb sein. Bei diesem Netzbetrieb ist die Frage, wie er ausgestaltet sein wird. Aber die Stadtwerke selbst, um die es heute geht, werden eine hundertprozentige Tochter der Stadt sein. Sie müssen in ihrem Geschäftszweck breit angelegt sein, und die Ergänzung der Vorlage, die vorgenommen worden ist im Laufe des Verfahrens der Beratungen, berücksichtigt dies.

Richtig ist auch, die Wasserversorgung Stuttgart künftig durch unseren erweiterten
Eigenbetrieb SES betreiben zu lassen. Die Klarstellung hierzu wurde eingearbeitet. Wir glauben, dass hier die erforderliche Kompetenz schon zu einem guten Teil vorhanden ist. Ich will aber auch klar sagen, Kolleginnen und Kollegen, dass wir auch auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EnBW, die einen guten Job machen, nicht verzichten wollen, denn es ist ja eine wesentlich größere Aufgabe, als die, die bisher wahrgenommen werden muss.

Noch etwas: Eine Wasserversorgung ohne die Wasserrechte, also die Anteile an den Zweckverbänden, ist nicht vollständig. Sie sind unverzichtbar. Und wir erwarten hierzu harte, aber auch faire Verhandlungen mit der EnBW.

Das gilt in gleicher Weise für die Verhandlungen zur Überlassung der Netze für Strom und Gas. Dabei wollen wir auch den neuen Eigentümer, das Land, beim Wort nehmen. Die neue Landesregierung möchte die Stadtwerke stärken, indem die Netzübernahme zu fairen Bedingungen erfolgen soll. Dazu gehören die notwendigen Informationen zum Netz und die Begrenzung des Kaufpreises auf den objektiven Ertragswert. Ich habe zitiert aus der Koalitionsvereinbarung.

Meine Damen und Herren, wir sind uns des tiefen Einschnitts bei der EnBW bewusst, der entsteht, wenn Stuttgart seine Netze für Strom und Gas wieder selbst übernimmt. Deshalb haben wir von Anfang an erklärt, dass wir dabei auf eine enge Zusammenarbeit auch mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und mit den Betriebsräten und der zuständigen Gewerkschaft setzen. Ihre Rechte wollen wir im Verlauf der anstehenden Verhandlungen beachten und respektieren. Dies gilt insbesondere für die tariflichen Ansprüche und die Mitbestimmungsrechte und insbesondere die Sicherheit der Arbeitsplätze.

Und, meine Damen und Herren, weil wir die Bedeutung unserer heutigen Entscheidung kennen, haben wir vorgeschlagen, die Regional AG der EnBW, die ja die Netzgesellschaft ist, gemeinsam mit anderen Kommunen oder Stadtwerken insgesamt in kommunale Hand zu übernehmen. Und ich bin dankbar, dass der Kollege Pätzold unseren Gedanken, den wir im Verlauf der Beratungen hier eingebracht haben, aufgegriffen hat und offensichtlich unterstützt. Ich denke, da kommen wir in der Sache weiter. Die Prüfung unseres Vorschlages wird nun durch unseren Berater Horváth und Partners vorgenommen und im Laufe der Verhandlungen, da sind wir uns sicher, wird er auch noch eine große Rolle spielen.

Meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass die anstehenden Verhandlungen durch zahlreiche Bürgerinnen und Bürger kritisch beobachtet werden. Dafür sind wir dankbar. In der Vergangenheit haben viele Wortmeldungen aus der Bürgerschaft dazu beigetragen, dass wir so weit gekommen sind, wie wir heute sind. Nicht zuletzt hat ja der Antrag auf ein Bürgerbegehren zum Rückkauf der Wasserversorgung den Ausschlag dafür gegeben, den heute zu beschließenden Weg einzuschlagen. Wir werden auch weiterhin auf die Hinweise aus der Bürgerschaft hören, bitten dafür aber auch um das Vertrauen, das dem gewählten Gemeinderat gebührt. Wir freuen uns heute schon auf das Konzept der Verwaltung zur Bürgerbeteiligung, das wir nach der Sommerpause dann beraten und beschließen wollen.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, dankbar sind wir auch den Mitarbeitern der Verwaltung und des Gutachters, die uns insbesondere im Unterausschuss fachkundig begleitet haben und weiter begleiten werden. Der Vorlage in der Fassung der Vorberatung im Verwaltungsausschuss stimmen wir zu. Leidenschaftlich in der Zielsetzung, aber mit klarem Verstand geht es jetzt darum, das ganze Werk zu vollenden; gemeinsam im Gemeinderat, gemeinsam mit all denjenigen, die mitarbeiten wollen, werden wir es schaffen. Vielen Dank."


StR Klingler (FDP):

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und sehr geehrte Herren, wir gründen jetzt also Stadtwerke. Wenn man zusammenzählen kann und Mathematiker ist, versteht man, dass wir Stadtwerke gründen. Aber, wie heißt es, auch eine Minderheit kann im Besitz der absoluten Wahrheit sein. Man kommt sich heute so vor. Es ist definitiv ein richtungsweisender Tag für die Stadt und für uns alle, und wir werden sicherlich noch sehr lange daran denken. Die Frage ist natürlich, ob wir positiv oder negativ in ein paar Jahren auf den 26. Mai 2011 zurückblicken werden. Irgendwo hat das in den letzten Tagen und Wochen eine Art Goldgräbermentalität - oder man fühlte sich wie vor knapp zehn Jahren am Neuen Markt. Man denkt hier, man gründet jetzt wieder Stadtwerke und dann kommt die Kohle nur so rein in den Haushalt.

Die FDP-Gemeinderatsfraktion hat sich seit Wochen und Monaten in zahlreichen Sitzungen Gedanken gemacht, was für uns das Beste ist. Wir merken, eine besitzergreifende Euphorie durchströmt sämtliche Rathäuser, Kommunen kaufen Firmen, wollen ihre Strom- und Gasnetze zurück, gründen wieder eigene Stadtwerke. Sicherlich Chancen, aber auch Risiken. Die Frage ist, was überwiegt. Bei uns gibt es definitiv die Auffassung, dass es Chancen gibt, aber dass wir definitiv die Risiken nicht aus den Augen verlieren dürfen.

Ein Beispiel: die Netze. Die bringen berechenbare Renditen, weil das Geschäft von der Bundesnetzagentur reguliert wird. Nur, die Einnahmen sinken beharrlich, weil die Behörde nur ein Ziel kennt: die Netzentgelte weiter zu kürzen. Außerdem müssen die Anlagen mit viel Geld erneuert werden. Der Verband Kommunaler Unternehmen rechnet mit 25 Mrd. € bis 2030. Da ist der Aufwand für neue Techniken, intelligente Netze, sogenannte Smart Grids, noch nicht einmal inkludiert.

Ein Hauptproblem stellt für uns jedoch der Vertrieb dar. Zwar können alteingesessene Stadtwerke auf ihre ultratreuen Kunden bauen, genauso wie örtliche Sparkassen. Aber wer eine neue Energiefirma gründet, muss erst einmal viel Geld in die Hand nehmen, um ständig in einem sehr starken, schweren Wettbewerb um die Verbraucher anzutreten und die Verbraucher zum Wechsel zu bewegen. Laut einer Untersuchung von Infratest geben 63 % der Befragten an, der Hauptwechselgrund ist der Preis. Eine Sentimentalität, dass wir denken, wir gründen die TWS wieder zurück und dann kommen alle zu uns, weil wir vielleicht eine Ökoenergieerzeugung garantieren - die sehen wir nicht. Wir starten ohne Kundschaft. Wir fangen bei null an und nehmen das Risiko in Kauf, dass wir einen Totalverlust erleiden.

Ein weiteres Beispiel: die Erzeugung. Das Geschäft mit Kraftwerken wird doch immer volatiler. In den Energiekonzernen mühen sich gut bestückte Handelsabteilungen, die Preise für Strom, Kohle, Gas, CO2-Zertifikate halbwegs im Griff zu behalten. Vielen Kommunen, wie auch uns, fehlt hier definitiv die Erfahrung. So etwas kann man vielleicht mit einer Partnerlösung machen. Wir sind aber nicht gut beraten, wenn wir im Vorfeld den interessantesten Partner, nämlich die EnBW, permanent schlechtreden wollen. Das ist leider geschehen in den letzten Tagen. Die EnBW ist für uns in Stuttgart ein sehr wichtiger Arbeitsplatzgarant, ein solider Partner, was die Gewerbesteuerzahlung anbelangt, und ein nicht wegzudenkender Partner, was soziale Engagements, siehe Sport, VfB, oder sonstige kulturelle Institutionen angeht, die von der öffentlichen Hand nicht mehr bezahlt werden können, da springt die EnBW sehr gerne ein.

Entscheidende Kriterien für die künftige Wasser- und Energieversorgung sind für uns die Versorgungssicherheit und Qualität bei möglichst stabilen Preisen, die Wirtschaftlichkeit unserer Investition sowie die Minimierung der Risiken für die Stadt. Nehmen wir wieder einmal die TWS. In der Zeit, als die TWS unsere Stadtwerke waren mit Aufsichtsrat, bestehend aus Stadträten und Verwaltung - sicherlich alles sehr gut geführt, die Stadt hat ja wirklich sehr viele gute Firmen, wo sie wirtschaftlich sehr gut agiert. Aber ein Beispiel: Von 1986 bis 1997 stieg der Wasserpreis jährlich um durchschnittlich 7,3 %. Seit dem Jahr 2002, seit die EnBW das übernommen hat, ist die durchschnittliche Steigerungsrate bei nur noch 1,9 %. Warum soll denn jetzt auf einmal deswegen in diesem Bereich die Stadt besserer Unternehmer sein als ein privat sehr gut geführtes Unternehmen?

Es wird auch immer wieder uns 'verkauft', wir stehen vor einem Ökologiewechsel und vor einem Wechsel, was Energiegewinnung anbelangt. Das ist sicher richtig, aber mit der EnBW hat man einen Partner, der zu 98 % der öffentlichen Hand gehört. Wenn unserer Mehrheit hier in diesem Saal und der neuen Landesregierung es nicht gelingt, in diesem Unternehmen die richtungsweisenden Veränderungen durchzusetzen, dann verstehe ich das wirklich nicht.

Die FDP-Gemeinderatsfraktion hat deswegen sich Gedanken gemacht, dieses Geld lieber in Investitionen bei Energiesparmaßnahmen einzusetzen, wie beispielsweise der Gebäudesanierung. Die Energie, die nicht verbraucht wird, ist für uns die beste Energiequelle. Dort haben wir Möglichkeiten. Und dann sind das Dinge, die definitiv nicht zu einem Totalverlust führen können.

Deswegen lehnen wir diese heutige Beschlussvorlage ab. Wir sind gegen die Gründung der Stadtwerke Stuttgart, weil wir der Meinung sind nach einem umfangreichen Faktencheck, dass wir definitiv mehr Punkte haben, die dagegen sprechen, als Punkte, die dafür sind. Man muss sehen, es gibt eine Wirtschaftsebene, eine Lenkungsebene mit definitiv positiven Einflussnahmen und auch eine emotionale Ebene, die dieses Thema momentan beherrscht. Man darf aber wirklich den Blick zur Objektivität nicht verdrängen. Und dort muss man dann sehen, was dabei herauskommt, ob wir es wirklich schaffen, hier diese Renditen einzufahren, wie es von vielen Kollegen hier so gesehen wird. Wir denken, nicht. Deswegen sehen wir auch keine Möglichkeit, dass wir mit einer Ökoenergieerzeugung Geld verdienen können.

Es wird von uns begrüßt, dass wir den Aufbau einer Bioabfallvergärungsanlage anstreben. Dort ist sicherlich sehr viel Potenzial möglich. Man könnte vielleicht auch im Solarprogramm, was Dächerprogramme anbelangt, Ökoenergie hier im Stadtgebiet erzeugen. Aber laut Gutachten ist ja diese Ökoenergieerzeugung, wie sie in der Beschlussvorlage erwähnt wird, nur ein Scheingeschäft. Es heißt definitiv, man geht ein reines Finanzinvestment ein, und für Finanzinvestments sind uns die Steuergelder unserer Bürgerinnen und Bürger einfach zu schade.

Wir lehnen es ab, dass wir in Windparks in der Nordsee oder in Solarparks in Afrika Geld investieren. Wir lehnen es ab, dass wir das Risiko von Vertrieb Strom und Gas eingehen und wir lehnen 'weitere Energieleistungen', wie jetzt in der gestern veränderten Vorlage neuerdings aufgenommen wurde, genauso ab. Man kann sich Gedanken machen. Mit den Netzen der allgemeinen Versorgung für Strom und Gas könnte die Stadt Stuttgart eventuell Geld verdienen. Das wäre etwas, wo wir gesprächsbereit wären, aber aufgrund dieser gesamten Vorlage sind wir gegen die Gründung der Stadtwerke. Da wir aber faire und gute Demokraten sind und wir jetzt glücklicherweise einen Sitz in dem Gremium haben, das künftig auch den Gesellschaftervertrag mit verhandelt, werden wir positiv und konstruktiv die Sachen einbringen. Ich hoffe, dass der 26.05. für uns kein Horrortag in ein paar Jahren sein wird. Vielen Dank."


StR Zeeb (FW):

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Bürgermeister, Stadträte, Stadträtinnen und liebe Zuhörer auf der Tribüne, es ist jetzt schon eigentlich alles gesagt. Deshalb werde ich Sie auch nicht allzu sehr in Anspruch nehmen. Vieles deckt sich mit der Rede vom Kollegen Klingler, wir gehen in vielen Punkten in eine ähnliche Richtung. Ich schaffe es vielleicht nicht, das ist altersbedingt, das so pointiert zu bringen wie der Bernd das gemacht hat, aber ich will auch kurz unsere Meinung zusammenfassen. Alles ist gesagt. Es gibt die Unterschiede. Die Stadt nimmt alles zu 100 % in die Hand oder wir suchen uns einen Partner, auch zur Risikominderung. Oder wir stehen dieser ganzen Vorlage sehr, sehr kritisch gegenüber.

Erstaunt war ich über unseren Ersten Bürgermeister Michael Föll, der im VA gestern sehr, sehr optimistisch war, was die Fähigkeiten seiner Stadtverwaltung angeht, solch ein Unternehmen zu gründen und zu leiten. Er sah hier auch eine Chance für die Stadt. Ich war wirklich überrascht, wie positiv von seiner Seite das alles gesehen wurde, wobei er doch sonst sehr dafür bekannt ist, dass er manches Ding kritisch hinterfragt. Und das ist alles richtig, mag ja sein, aber als verantwortungsbewusste Stadträte wollen wir dem Bürger doch keine Kosten und Risiken verschweigen. Die Verhandlungen haben noch gar nicht begonnen. Also können wir auch heute noch kein wirtschaftliches Ergebnis dem Bürger avisieren oder sogar schon in Zahlen benennen. Die Preise für Gas, Wasser, Strom können erheblich auch steigen, nicht nur Gewinne abwerfen. Wir beginnen mit einem geringeren Know-how und evtl. mit vielen neuen Mitarbeitern, die zu anderen Konditionen arbeiten müssten als bisher. Wir verzichten auf 50 Mio. € Konzessionsabgabe, die wir bisher ohne Risiko bekamen. Wir verzichten auf einen großen Betrag an Zinsen aus den Rücklagen, die wir als Investition für die Stadtwerke benötigen werden, und natürlich verzichten wir auch auf die Gewerbesteuer, die bisher die EnBW entrichtet hat. Und darüber hinaus müssen wir, und das ist ja heute am Markt besonders kritisch zu sehen, ein neues Vertriebsnetz aufbauen gegen große vielfältige Konkurrenz. Wie Sie alle wissen, gibt es momentan in Stuttgart, glaube ich, 122 Anbieter auf diesem Sektor, und da denke ich, wird es nicht ganz leicht sein, sich zu behaupten. Deshalb, wenn schon, brauchen wir einen Partner, der für uns nicht unbedingt EnBW heißen muss, aber EnBW heißen kann, zumal die EnBW ja mittlerweile ein Unternehmen der öffentlichen Hand ist. Auch das wurde ja schon deutlich angesprochen.

Und die Stadtwerke, sofern wir sie zustande bringen, brauchen Partner. Es muss zunächst mit den Bürgern zusammen eine Marke geschaffen werden, die man auf dem Markt platzieren muss. Dafür brauchen wir eine starke Identifikation, um die lokale Wertschöpfung zu erreichen. Denn, wie Herr Klingler das auch schon sagte, 63 % der Kunden entscheiden momentan über den Preis und über sonst nichts. Und jetzt würde es mich natürlich freuen, wenn die 27.000 Bürger, die sich in Unterschriftenlisten für Bürgerbegehren eingetragen haben, damit gleich schon ihre Kundschaft bei den neuen Stadtwerken unterschrieben hätten, denn dann würden wir nicht bei Null anfangen, sondern wir hätten schon mal 27.000 Kunden.

Das alles mündet für uns, die Freien Wähler, letzten Endes auch in einen zweiten Schritt, auch das wurde schon gestern im VA angesprochen als dringende Notwendigkeit, dass wir ein städtisches Energiekonzept für 2030 jetzt ins Auge fassen müssen. Und daraus ergeben sich für uns schon wieder einige Fragen. Wie binden wir in so ein Konzept die bestehenden Initiativen, die Energiegenossenschaften ein? Investieren wir mögliche Gewinne z. B. in Offshore-Windparkprojekten oder Onshore- oder etwas anderes hier in der Gegend mit einer besseren Wertschöpfung, evtl. mit weniger Effizienz? Wo liegen die Schwerpunkte? Wie gewährleisten wir die Reinheit unserer Energie in den nächsten Jahren, also wie gewährleisten wir, dass das dann atomstromfrei ist aus Frankreich oder sonst woher? Wie fragen wir den Bürger, was er bereit ist, für dieses alles zu bezahlen? Deshalb fordern wir eine fortlaufende Information, auch der Bürger, über alle Risiken und finanziellen Auswirkungen auf die Energiepreise. Unserer Meinung nach müssen die Bürger zuerst wissen, was 100 % Stadtwerke kosten werden. Und danach ist eigentlich eine Bürgerbefragung nötig, wie sie ein wenig versteckt von den anderen Fraktionen auch angesprochen wird, aber niemand getraut sich das laut zu sagen.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, es gibt noch einiges zu hinterfragen und nicht nur abzunicken. Zusammenfassend gilt für uns Freie Wähler für die heutige Abstimmung: Ja natürlich zu Punkt 1, 4 und 5 der Vorlage. Punkt 2 und 3 lehnen wir ohne Bürger-befragung ab, weil die Klärung zur Kostenfrage der nächste Schritt sein müsste, nicht die Gründung. Und deshalb bitten wir nachher um getrennte Abstimmung dieser Punkte. Also Fazit: Kosten benennen, Bürgerbefragung durchführen und daraus die Entscheidung fällen, Stadtwerke ja oder nein. Vielen Dank."

StR Rockenbauch (SÖS und LINKE):

"Liebe Damen, liebe Herren, die Energie- und Wasserversorgung gehört für uns schon immer zur Daseinsvorsorge, einmal weil Wasser einfach keine Ware ist, sondern das wertvollste Lebensmittel, das es gibt. Und ohne Energie geht heute in unserer Gesellschaft auch nichts mehr. Und auch für das Wasser und die Energie muss gelten, sie müssen in guter Qualität und gut bezahlbar für die Zukunft gesichert werden.

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen benennt den Klimawandel als beispiellose historische Herausforderung. Wir wollen uns dieser Herausforderung stellen, deswegen sind für uns Stadtwerke in erster Linie wegen sozialer Teilhabe und dem Erhalt der natürlichen Lebensgrundlage und nicht aus Renditeerwägungen so dringend notwendig. Stadtwerke auf dem Weg zu einer CO2-freien Stadt durch Energieeinsparung, Energieeffizienz, Contracting-Programme, durch das Produzieren von dezentraler erneuerbarer Energie und Wärme, durch das Initiieren von lokaler Wertschöpfung unter Beteiligung von Bürgerkraftwerken: Können wir uns dieser Herausforderung stellen?

Es wird kein einfacher Weg werden und es wird auch nicht ohne qualifiziertes Personal gehen, das ist doch völlig klar. Und man kann wirklich sagen, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EnBW, seien Sie stolz auf die Versorgungssicherheit und Qualität von Energie und Wasser, die Sie hier in dieser Stadt die ganze Zeit geliefert haben. Und das sage jetzt ganz deutlich und selbstkritisch, vielleicht hätten wir schon früher als heute auf dieser Demonstration uns zusammensetzen sollen, egal ob es ein runder oder eckiger Tisch gewesen wäre. Für uns ist völlig klar, es geht nur gemeinsam mit Ihnen, diese Zukunft zu bewältigen.

Die Fraktionsgemeinschaft SÖS und LINKE sagt auch, Arbeitsplatzsicherheit und die Bezahlung, wie Sie es jetzt zu den Tarifverträgen gewöhnt sind, und Ihre betriebliche Mitbestimmung sind für uns kein Spielball von Verhandlungen. Aber wir sind uns sicher, dass diese beispiellose Herausforderung einer Energiewende und die dazu notwendigen Technologien eine wahre Jobmaschine sind und dass Stadtwerke deswegen auch hier in Stuttgart ein zukunftsfähiger Arbeitgeber für Sie sein werden. Und, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EnBW, täuschen Sie sich nicht - und darüber freuen wir uns, dass die Mehrheit das gelernt hat - Privat ist nicht immer der bessere Arbeitgeber und der zuverlässige, weil in einer globalen privaten Wirtschaft, da sind doch die Beschäftigten allzu oft nur ein lästiger Kostenfaktor. Schon bei der Entscheidung zu privatisieren hat Siegfried Deuschle dagegen gestimmt, und Frau Küstler und ich haben eigentlich zu jeden Haushaltsberatungen die Gründung von Stadtwerken beantragt. Deswegen ist es umso schöner, heute mitzuerleben, dass der Gemeinderat hier mit der heutigen Beschlussvorlage den ersten Schritt auf dem Weg zu Stadtwerken beginnt.

Für die Fraktionsgemeinschaft SÖS und LINKE ist klar, dass wir der heutigen Verwaltungsvorlage zustimmen werden, wenn das Versprechen der Verwaltung garantiert ist. Und, Herr Dr. Schuster, ich bitte Sie, das zu wiederholen, dass mit dieser Verwaltungsvorlage keine unnötigen Vorfestlegungen getroffen werden, die die zukünftigen Geschäftsfelder von Stadtwerken einschränken, explizit auch, was den Vertrieb und die Versorgung mit Wärme angeht. Denn nur unter dieser Bedingung ist auch klar, dass das laufende Bürgerbegehren - wir haben schon das erste '100-Wasser' mit unterstützt - jetzt nicht einfach mit unserem heutigen Beschluss obsolet ist. Da wünschen wir uns alle von Ihnen, Herr Dr. Schuster, eine klare Aussage, denn wir nehmen Bürgerbeteiligung ernst. Deswegen wollen wir, dass das Bürgerbegehren jetzt nicht einfach von uns konterkariert wird. Aber wir sagen auch, wir brauchen in Zukunft weitere Methoden der Bürgerbeteiligung. Wir können nur gemeinsam - erstens mit den Beschäftigten, die wir dazu brauchen, und zweitens mit den Bürgerinnen und Bürgern - diese beispiellose Herausforderung der Gründung von Stadtwerken in Angriff nehmen. Und deswegen freuen wir uns, hier von der Verwaltung ein wirkliches Konzept der Bürgerbeteiligung vorgelegt zu bekommen. Das muss auch gelten für ein Konzept, in dem Stadtwerke der Beginn sind, aber ein Konzept, das grundsätzlich eine Wende hin zu erneuerbaren
Energien in allen Lebens- und Produktionsbereichen in dieser Stadt beinhaltet, denn nur so kommen wir zu einem wirklichen Stuttgart, das ökologischer und sozialer wird. Vielen Dank."

StR Dr. Schlierer (REP):

"Herr Oberbürgermeister, meine sehr verehrten Damen und Herren, in einem Kommentar, der heute zu diesem historischen Tag erschienen ist, heißt es so schön: 'Zurück in die Zukunft'. In der Tat kann man, wenn man diesen Rückblick auf die letzten zehn Jahre wirft, feststellen, dass die Ära der Privatisierung öffentlicher Aufgaben zu Ende geht. Man könnte fast in Anlehnung an Fontane von Irrungen und Wirrungen sprechen. Die Vorstellung, dass der Markt alles besser könne und dass die Wirtschaft solche Aufgaben günstiger lösen würde, hat sich als unzutreffend erwiesen. Die Rekommunalisierung der Energieversorgung als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge, die wir heute einleiten, ist richtig. Wenn man nun heute davon spricht, man hätte vor zehn Jahren einen großen Fehler gemacht, dann sollte man sich am heutigen Tage auch bewusst werden, dass es ganz interessant sein wird, in zehn Jahren darüber nachzudenken, was Sie jetzt für Fehler machen. Ich will nur auf Folgendes mal hinweisen: Für mich stellt sich schon die Frage, welche Fehler werden eigentlich heute gemacht, wenn im Rausch der Nachhaltigkeit und des Ökoabsolutismus möglicherweise energiepolitisch motivierte Fehlallokationen von Ressourcen vorgenommen werden, die uns später wirklich schwer reuen werden. Die Frage stellt sich. Heute habe ich so den Eindruck, dass manch einer nach dem Motto lebt: grün, grüner, am grünsten. Mal abwarten, ob das in zehn Jahren auch noch gilt. Ich habe im letzten Jahr gelernt, dass die Halbwertszeit energiepolitisch unverrückbar erscheinender Weisheiten rapide abnimmt. Wir haben vor nicht allzu langer Zeit noch Debatten geführt, da ging es nur um den Klimawandel und nur um CO2. Und heute sind dieselben Leute mit derselben Selbstverständlichkeit dabei uns zu erzählen, das machen wir alles mit Biomasse. Als ob bei der Verbrennung von Methan kein CO2 herauskäme. Aber ich gebe zu, Stöchiometrie ist nicht jedermanns Sache.

Vielleicht noch eine Anmerkung. Ich glaube, dass die oftmals geäußerte Kritik an der EnBW hinsichtlich der letzten zehn Jahre unbegründet ist. Denn in der Tat - die Preisentwicklung war moderat. Und man muss wirklich fairerweise, Herr Klingler hat das ja auch getan, daran erinnern, dass beispielsweise die Wasserpreise zu TWS-Zeiten deutlicher gestiegen sind als in den letzten zehn Jahren. Und man kann hinzufügen, vielleicht wären sie ja heute auch höher, wenn wir damals bei unseren Anteilen an der TWS geblieben wären. Eines allerdings, meine Damen und Herren, muss man auch sagen. Wir haben uns vor zehn Jahren mit der Veräußerung der Anteile jeglicher Ge-staltungsmöglichkeiten und Einflussnahme auf die energiepolitische Entwicklung unserer Stadt begeben. Und ich glaube, dass ein nicht unwesentlicher Teil jener Stimmungslage in der Bürgerschaft, die sich für eine Rekommunalisierung ausgesprochen hat, auch darin zu suchen ist, dass dieser Verlust an Einflussmöglichkeiten den Eindruck erzeugt, dass man nicht mehr Herr seiner eigenen wichtigen kommunalen Daseinsvorsorge ist. Heute fassen wir nun einen Grundsatzbeschluss, nämlich den für eigene Stadtwerke. Und ich sage ganz offen, das entspricht der Linie, die wir Republikaner seit jeher vertreten haben. Die Rekommunalisierung der Gas-, Strom- und Wasserversorgung in Gestalt eines echten und hundertprozentigen Kommunalbetriebes war immer unsere Forderung.

Ich möchte allerdings an dieser Stelle heute auch im Blick auf die geänderte Beschlussvorlage eines anmerken: Hinsichtlich des noch aufzustellenden Energie- und Investitionskonzeptes muss und darf es nicht in der Zukunft um ökologische Wunschvorstellungen gehen, sondern in erster Linie um Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit. Oberste Priorität muss die preisgünstige und verlässliche Versorgung der Stuttgarter Bürger mit Wasser und Energie haben, nicht die Wunschvorstellung, hier einen ökologischen Umbau des Landes aus der Mitte der Stadt stemmen zu wollen. Ich sage das deswegen, weil es mit Sicherheit schon schwierig genug werden wird, die Energiepreise stabil zu halten.

Wir geben heute den Auftrag zur Gründung eines Stadtwerkes als Tochter der SVV. Wir wollen die Errichtung eines Eigenbetriebs Kommunale Wasserwerke Stuttgart in Angriff nehmen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Übernahme der Wasserversorgung und der Wasserbezugsrechte unbedingt erforderlich ist. Die Übernahme der Versorgungsnetze für Strom und Gas muss mit der EnBW mit Nachdruck verhandelt werden. Ich weiß wohl, dass der heute eingeschlagene Weg auch eine ganze Reihe von Risiken beinhaltet. Es ist richtigerweise darauf hingewiesen worden, dass wir um einen Kundenstamm kämpfen müssen in einer Zeit, in der Anbieterwechsel ja regelrecht gefördert und in öffentlich-rechtlichen Medien nicht selten als der richtige Weg ausgewiesen wird. Wir haben deswegen auch eine große Anbieterkonkurrenz. Und es ist richtig, dass der Betrieb von Versorgungsnetzen aufgrund der regulierten Netz-Benutzungsentgelte auch einige wirtschaftliche Risiken enthält. Deswegen ist die heute zu treffende Entscheidung eine Abwägung. Eine Abwägung, bei der man sich die Risiken bewusst machen muss, sich keinen Illusionen hingeben darf, auch nicht so tun darf, als ob da jetzt der Aufbruch zu neuen Ufern, paradiesischen Gefilden gewissermaßen, gesucht und gefunden worden sei, sondern es ist eine bewusste Entscheidung, eine Entscheidung, in der es darum geht, diese zentralen Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge wieder in die Hand der Kommune zu legen. Und deshalb werde ich dieser Beschlussvorlage zustimmen. Vielen Dank."

Verwundert zeigt sich StR Wölfle (90/GRÜNE) über die von StR Klingler dargestellte Haltung der FDP-Gemeinderatsfraktion, nachdem diese Fraktion bis gestern der Gründung von Stadtwerken in Stuttgart positiv gegenübergestanden ist. StR Klingler begründet die Meinungsänderung seiner Fraktion mit der aufgrund des Diskussionsergebnisses in der gestrigen Sitzung des Verwaltungsausschusses erfolgten Änderung des Beschlussantrags der GRDrs 118/2011.

An StR Rockenbauch gewandt verweist OB Dr. Schuster bezüglich des Bürgerbegehrens auf die ausführliche Diskussion in der gestrigen Verwaltungsausschuss-Sitzung; die Verwaltung werde Formulierungsvorschläge für den Gesellschaftszweck machen, der sehr weit gefasst werde, damit die Bereiche Wärme, Energiedienstleistung, Contracting usw. abgedeckt sind. Sollte dies in der Zukunft sich als nicht ausreichend herausstellen, könne der Gemeinderat jederzeit mit Mehrheit den Gesellschaftszweck wieder ändern.


OB Dr. Schuster lässt über die Beschlussantragsziffern der GRDrs 118/2011 Ergänzung getrennt abstimmen und stellt folgende Abstimmungsergebnisse des Gemeinderats fest:

Ziffer 1: Kenntnisnahme
Ziffer 2: mehrheitlich beschlossen bei 12 Gegenstimmen
Ziffer 3: mehrheitlich beschlossen bei 5 Gegenstimmen
Ziffer 4: mehrheitlich beschlossen bei 2 Gegenstimmen
Ziffer 5: einstimmig beschlossen.
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