Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
272
1a
VerhandlungDrucksache:
1337/2011
GZ:
WFB
Sitzungstermin: 15.12.2011
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Gallmeister
Betreff: Bildungs- und Teilhabepaket
Umsetzung in Stuttgart

Vorgang:

Verwaltungsausschuss vom 06.12.2011, nicht öffentlich, Nr. 578/HH
Ergebnis: Festlegung der weiteren Vorgehensweise / Einbringung

Verwaltungsausschuss vom 14.12.2011, öffentlich, Nr. 614
Ergebnis: einmütige Zustimmung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen vom 04.12.2011, GRDrs 1337/2011, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Vom Gesamtkonzept zur Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets in Stuttgart wird zustimmend Kenntnis genommen.

2. Die Bonuscard bleibt das Zugangsinstrument zu den Teilleistungen Mittagessen und Ausflüge und wird zur Abgrenzung der Kostenträgerschaft entsprechend gekennzeichnet.

3. Bonuscard-Inhaber, die nicht bildungs- und teilhabeberechtigt sind, werden bei den gemeinsamen Mittagessen in Schulen und Kindertageseinrichtungen sowie bei den eintägigen Ausflügen und bei der Schulwoche im Waldheim im Rahmen freiwilliger Leistungen den BuT-Berechtigten gleichgestellt.

Ergänzend wird auf die Fachvorlagen des Referats SJG (GRDrs 1258/2011) und des Referats KBS (GRDrs 1267/2011) verwiesen, die die notwendigen Änderungen im Rahmen der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets beim Mittagessen, bei der Schülerbeförderung, beim Bonuscard-Budget und bei den Klassenfahrten enthalten.


4. Vom zusätzlichen Stellenbedarf

im Teilstellenplan des Jobcenters Stuttgart

1,00 Stelle in EG 8, für Abrechnung Mittagessen, Ausflüge
1,00 Stelle in EG 9, für Beratung und Antragsbearbeitung


im Teilstellenplan des Schulverwaltungsamts

0,50 Stelle in A 11, für Koordination und Steuerung
0,50 Stelle in A 9M, für Abrechnung Essensgeld

im Teilstellenplan des Sozialamts

zeitlich befristet zwischen Oktober und März eines jeden Jahres zusätzliches Personal im Umfang von 100 % Stellenkapazitäten in EG 8 um Spitzenbelastungen bei der Bearbeitung von Familien- und Bonuscard personell abdecken zu können

wird Kenntnis genommen (Anlage 2). Über die Stellenschaffungen und Ermächtigungen zur Beschäftigung außerhalb des Stellenplans wird im Rahmen der Haushaltsplanberatungen 2012/2013 entschieden.



- Gemeinsam mit diesem Tagesordnungspunkt erfolgt die Beratung zum TOP "Bildungs- und Teilhabepaket / Umsetzung im Schulbereich" (GRDrs 1267/2011, vgl. Niederschrift Nr. 273) und zum TOP "Bildungs- und Teilhabepaket / Umsetzung in den städtischen Tageseinrichtungen für Kinder - Neufassung der Satzung" (GRDrs 1258/2011, vgl. Niederschrift Nr. 274) -


Einleitend zeigt sich OB Dr. Schuster erfreut darüber, dass es im Rathaus eine große Koalition für eine kinderfreundliche Stadt gibt. Auch freue er sich stets über interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer bei den Sitzungen des Gemeinderats <es sind zahlreiche Demonstranten auf der Tribüne des Sitzungssaals anwesend>. Er weist darauf hin, dass der Etat für Kindergärten, Krippen, Schulen und zahlreiche andere Leistungen für Kinder und Jugendliche derjenige Posten ist, der seit Jahren am stärksten ansteigt, um allen Kindern bessere Chancen zu geben. Die Stadt Stuttgart habe deshalb neben anderen Leistungen die Bonuscard eingeführt, sodass für 25 % der Kinder der Besuch von Krippen nichts koste. Ein Teil der Kosten werde jetzt vom Bund im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets übernommen. Die Stadt wolle aber dennoch ihre Leistungen zu den Bundesmitteln ergänzen.

Die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes in Stuttgart erachtet StR Stopper (90/GRÜNE) im Rahmen der Möglichkeiten, die das Bundesgesetz der Stadt gebe, als eine gute Umsetzung. Er kündigt die Zustimmung seiner Fraktion zu den Vorlagen an, merkt aber gleichzeitig an, dass die von der Bundesregierung aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gewählte Regelung zur Verbesserung der Chancengleichheit im Sozialgesetzbuch II und im Sozialgesetzbuch XII für Kinder und Jugendliche aus Sicht seiner Fraktion doch sehr unbefriedigend sei. Das Bildungs- und Teilhabepaket bringe einen beträchtlichen Verwaltungsaufwand und einen beträchtlichen Aufwand an Personal- und Sachkosten in den kommunalen Verwaltungen mit sich, was seine Fraktion missbillige. In Stuttgart habe die Verwaltung durch die Bonuscard aber gute Voraussetzungen geschaffen und komme insofern mit der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes "ganz gut weg". Dies zeigten auch die bisherigen Erhebungen, was die Antragsquote betreffe. Hier liege Stuttgart im Vergleich der Kommunen weit über dem Landes- und dem Bundesdurchschnitt.

Es müsse darauf geachtet werden, dass die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes bei den Anspruchsberechtigten tatsächlich ankomme und bei den bedürftigen Kindern wirklich Verbesserungen der Teilhabechancen ermögliche. Es müsse darauf hingearbeitet werden, dass die gute Umsetzung beispielsweise im Bereich des Schulessens auch in den anderen Bereichen des Bildungs- und Teilhabepakets erreicht wird. Hierzu sei eine intensive Information der Betroffenen über ihre Ansprüche notwendig, betont StR Stopper. Seine Fraktion hoffe, dass das Bildungs- und Teilhabepaket trotz all seiner Mängel bei den Betroffenen ankommt und in Stuttgart zu einem Erfolg wird.

StRin Ripsam (CDU) verweist auf das Interesse, mit dem "die ganze Republik" nach Stuttgart schaue, weil die Stadt die Familiencard und die Bonuscard schon lange eingeführt und damit sehr gute Erfahrungen gesammelt hat. Ihre Fraktion sei der Bundesregierung ausgesprochen dankbar, dass sie diese Leistung nicht einrechne, sondern dass sie diese Leistung gesondert und gezielt einsetze und dass sie verdeutliche, welche Leistungen in Zukunft aus dem Bildungs- und Teilhabepaket bezahlt werden sollen (z. B. Mittagessen, Schulbedarf, Schülerbeförderung, Ausflüge, Klassenfahrten, Lernförderung). Es handle sich um ein rundes Programm, das nochmals signalisieren solle, welche Bedeutung die Kinder in der Gesellschaft haben.

Sie gehe davon aus, dass eine Entlastung des städtischen Haushalts durch das Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung es der Stadt ermöglichen wird, im Bildungsbereich nochmals einen großen Schwerpunkt zu setzen und dass die finanziellen Ressourcen wieder in diesen Bereich zurückfließen können. Ihre Fraktion danke deshalb für das Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes, so StRin Ripsam, und sei erfreut, dass die Stadt Stuttgart es bekommen habe.

StRin Gröger (SPD) erinnert daran, dass ihrer Fraktion die Mit- und Teilnahme von Menschen, die nicht auf der Sonnenseite stehen, von jeher ein wichtiges Anliegen sei. Ihre Fraktion sei heute noch froh, dass sie im Jahr 2007 den Anstoß gegeben habe, sich des Themas Kinderarmut anzunehmen, das dann zu einer regen Beteiligung interessierter Bürgerinnen und Bürger geführt habe. Ihres Erachtens könne der gesamte Gemeinderat stolz auf die Schaffung der Stuttgarter Netze für Kinder und auf das Festhalten an diesen Netzen in schwierigen Zeiten sein. Das Bildungs- und Teilhabepaket sei eine gute Sache und eine notwendige Entlastung durch den Bund, weil die Mittel auch für andere Aufgaben, wie beispielsweise für den Ausbau im Bereich der Kinderbetreuung, benötigt werden.

Eine zentrale Frage - neben einigen anderen Punkten - im weiteren Verfahren sei, wie allen Kindern die Teilnahme am Schulessen ermöglicht werden könne, betont die Stadträtin. Mit dem Hinweis auf den guten Umgang mit diesem Thema in der Vergangenheit und der Erwartung, dass die Stadt sich in Zukunft eigentlich nur noch steigern könne, kündigt StRin Gröger die Zustimmung ihrer Fraktion zur Vorlage an.

StR Gulde (FW) erklärt, seine Fraktion stimme der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes in Stuttgart mit Freude zu. Die Benutzung der Bonuscard sei einfach und garantiere den diskriminierungsfreien Zugang und die direkte Unterstützung der Kartenempfänger. Ebenso beinhalte sie nach wie vor eine erhebliche Subvention der Schwellenhaushalte.

Unter Hinweis auf die gestrige Diskussion im Verwaltungsausschuss merkt der Stadtrat zu seiner Aussage, dass das Programm fortschrittlich sei, an, er habe dabei insbesondere das Programm der Familiencard und der Bonuscard gemeint, bei dem man in Stuttgart einmal mehr vorausgegangen sei, wenn es darum gegangen sei, alle Kinder in Stuttgart "mitzunehmen". Erfreut zeigt sich StR Gulde darüber, dass der Bund jetzt über das Bildungs- und Teilhabepaket Mittel zur finanziellen Förderung bereitstelle und der Stadt so die Möglichkeit gebe, den weiteren Kindertagesstättenausbau zu betreiben. StR Gulde bestätigt - wie dies im Verwaltungsausschuss gestern angesprochen worden war -, dass seine Fraktion stets für einen möglichst geringen bürokratischen Aufwand eintritt. Man habe aber im vorliegenden Fall zur Kenntnis nehmen müssen, dass manchmal Bürokratie benötigt werde, um zielgruppengerecht Leistungen den Kindern zur Verfügung stellen zu können.

StR Klingler (FDP) wiederholt seine im Verwaltungsausschuss gemachte Aussage, dass seine Fraktion sehr erfreut sei, dass die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes jetzt so zeitnah erfolgen könne. Die Bundesregierung habe sehr gute Vorarbeit geleistet und man könne erkennen, welche soziale Verantwortung bei der Bundesregierung vorherrsche. In Stuttgart sei in den letzten Jahren sehr viel im Bereich Kinderbetreuung investiert worden. Seiner Fraktion sei es wichtig, dass möglichst wenig Kinder verloren gehen und dass die Kinder in Stuttgart Chancengleichheit erhalten.

Die Leistungen der Bundesregierung brächten für den städtischen Haushalt eine Entlastung in Höhe von 4,2 Mio. €, wofür seine Fraktion sehr dankbar sei. Die Bonuscard sei ein gutes Instrument, wie man der Antragsquote von 70 % in Stuttgart entnehmen könne. Die Bonuscard ermögliche den Berechtigten unter Berücksichtigung des Sachleistungsprinzips bei den Leistungen "Mittagessen" und "Ausflüge" den denkbar einfachsten Zugang, was ein Mittel sei, um den "Bürokratiewahn" möglichst einzudämmen. Wichtig seien seiner Fraktion auch die 2.500 Kinder und Jugendlichen in den Schwellenhaushalten ohne BuT-Berechtigung, da sie gleichgestellt würden, was auch zu mehr Chancengleichheit führe. Auch Sportvereine, Musikschulen und künstlerische Aktivitäten seien wichtige Bildungsschwerpunkte, die oftmals zu kurz kämen und von der Förderung profitieren müssten, da es nicht nur um die schulische Bildung, sondern um die Bildung der Kinder als Person und Mensch gehe. Dort habe sich richtungweisend etwas getan. Die FDP-Gemeinderatsfraktion stimme den Beschlussvorlagen heute mit großer Freude zu.

StRin Küstler (SÖS und LINKE) kündigt die Zustimmung ihrer Fraktionsgemeinschaft zu den drei Vorlagen an. Allerdings sei man sich im Klaren darüber, dass durch diese Beschlüsse die Armut nicht beseitigt wird. Auch die Auswirkungen der Hartz-Gesetze auf Familien und Langzeitarbeitslose könnten nicht ausgeglichen werden. Mit Hilfe der Bonuscard sei es in Stuttgart gelungen, einige wirklich gute Regelungen im Vergleich zur Bundeslage durchzusetzen. Die Kommune könne nicht das zugrunde liegende Gesetz ändern, aber sie könne im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihren Einwohnerinnen und Einwohnern helfen durch die Schaffung von Strukturen für alle Kinder, die auch den Kindern aus armen Familien bessere Bedingungen schaffen. Das Bundesgesetz habe erhebliche Mängel, und zwar die Bürokratie betreffend, die auch die Betroffenen bezüglich der Antragstellung betreffe. Ihre Fraktionsgemeinschaft werde darauf hinwirken, dass im Jobcenter Stuttgart die Bürokratie möglichst gering gehalten wird. Weiter wolle ihre Fraktionsgemeinschaft, dass in den Stadtteilen Zentren geschaffen werden, in denen alle Hilfeleistungen gebündelt werden und möglichst unbürokratisch vorgegangen werden soll.

Mit ihrem Lob für den Fortschritt bei der Schülerbeförderung kündigt die Stadträtin an, dass beim Punkt Mobilität ihre Fraktionsgemeinschaft weiterarbeiten wird, da sie noch ein Sozialticket für alle vermisse. Ebenso werde ihre Fraktionsgemeinschaft daran weiterarbeiten, dass die Mittagessensmöglichkeiten an den Schulen ausgebaut werden, damit an jeder Schule jedes Kind ein Mittagessen bekommt. Ziel sei dabei auch, dass gesundes Essen ausgegeben wird. Nicht geregelt im Gesetz sei die Lernförderung. Angestrebt werde, u. a. von ihrer Fraktionsgemeinschaft, Lerninseln einzurichten, die außerhalb der Schule liegen. Dieses Angebot solle allen Kindern gemacht werden können, ohne dass "teure Paukvereine oder Paukfirmen" in Anspruch genommen werden müssen.

Zur Frage der Teilhabe merkt StRin Küstler an, dass 10 € ein sehr geringer Betrag sind. Ihre Fraktionsgemeinschaft erwarte, dass mit der Familiencard noch weitere Angebote gemacht werden können, an denen Kinder kostenlos teilnehmen können. Beispielsweise wolle ihre Fraktionsgemeinschaft das Projekt "Kultur für alle" aufrechterhalten, damit die Teilhabe an der Kultur leichter möglich ist. Von Bedeutung sei auch, dass die Regelung hinsichtlich der Schwellenhaushalte bestehen bleibe; sie regt an, auch hier Verbesserungsmöglichkeiten zu überlegen. Für erforderlich halte ihre Fraktionsgemeinschaft die Durchführung der beschlossenen Armutskonferenz.

Ausdrücklich bedankt sich StRin Küstler für die von der Initiative "Reiche Stadt - arme Kinder" geleistete Arbeit; es handle sich hier um ein bürgerschaftliches Engagement, das die Stadt Stuttgart anerkennen und sehr stark würdigen sollte.


Abschließend stellt OB Dr. Schuster fest:

Der Gemeinderat beschließt einstimmig wie beantragt:

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