Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 188/2021
Stuttgart,
06/08/2021



Projekt: Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen in Sozial- und Gemeinschaftsunterkünften



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Gemeinderat
Jugendhilfeausschuss
Vorberatung
Beschlussfassung
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
öffentlich
28.06.2021
01.07.2021
19.07.2021



Beschlußantrag:

1. Vom Bericht der Projektgruppe zur Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen in Sozial- und Gemeinschaftsunterkünften wird Kenntnis genommen. 2. Die Verwaltung legt vor den Beratungen zum Doppelhaushalt 2022/23 in einer haushaltsrelevanten Vorlage kurzfristige Maßnahmen zur Umsetzung der Handlungserfordernisse und Empfehlungen vor und zeigt die dafür erforderlichen Ressourcen auf. Den Maßnahmen werden die von der Verwaltung in der Begründung vorgeschlagenen Standards zugrunde gelegt. 3. Die Verwaltung wird darüber hinaus beauftragt, ein Konzept zur Einleitung des Strategiewechsels mit alternativen Unterbringungsmodellen für Sozialunterkünfte im Rahmen der Projektstruktur zu erarbeiten und eine Beschlussvorlage zur mittel- bis langfristigen Umsetzung vorzubereiten.



Begründung:

1. Das Projekt Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen in Sozial- und Gemeinschaftsunterkünften

In der Landeshauptstadt Stuttgart bestehen verschiedene Formen der Unterbringung in Gemeinschafts- und Sozialunterkünften, in denen Kinder und Jugendliche mit ihren Familien wohnen.

Über das gesamte Stadtgebiet verteilt gibt es derzeit 98 Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete. In 85 dieser Unterkünfte leben 1.961 Kinder und Jugendliche (Stichtag 21.09.2020).

In den 24 Sozialunterkünften für Familien in Wohnungsnot leben insgesamt 233 Kinder und Jugendliche in 117 Familien (Stichtag 21.09.2020).

Diese Unterbringungsformen sind grundsätzlich unter der Maßgabe zu sehen, dass die Menschen nur für kurze Zeit dort leben, bis sie in privaten Wohnraum ziehen können. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben dargelegt, dass die durchschnittliche Verweildauer in den Unterkünften deutlich länger ist als gewünscht (vgl. 2., Abb. 2), da eine zeitnahe dezentrale Versorgung mit Wohnraum in immer weniger Fällen gelingt. Dies hat zur Folge, dass Kinder und Jugendliche einen Großteil ihrer Kindheit und Jugend in diesen Unterkünften verbringen.

Mit der vorliegenden Beschlussvorlage legt die Verwaltung einen ersten Ergebnisbericht aus der referats- und ämterübergreifenden Projektarbeit vor und zeigt konkrete Handlungserfordernisse sowie eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen auf.

1.1 Einordnung, Beschreibung, Ziel, bisheriger Verlauf

Im Rahmen des ämterübergreifenden Projekts „Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen in Sozial- und Gemeinschaftsunterkünften“ werden aktuell unter Einbeziehung aller bisherigen Überlegungen und Aktivitäten, Vorschläge und Maßnahmen erarbeitet, um die Lebenssituation der jungen Menschen und ihren Familien zu verbessern.

Grundlage und Orientierungshilfe stellen die UN-Kinderrechtskonvention, zu deren Einhaltung sich der Gemeinderat mit dem Beschluss des Aktionsplans Kinderfreundliche Kommune (GRDrs 1510/2019) verpflichtet hat. Das Projekt greift den Aktionsplan vor allem im Hinblick auf die beengten Wohnverhältnisse und die vielfältigen Belastungen der Bewohner*innen und damit der Kinder in den Sozial- und Gemeinschaftsunterkünften auf.

Folgende Kinder- und Jugendrechte nach der UN-Kinderrechtskonvention sind besonders im Fokus des Projekts:
· Art. 2 kein Kind darf benachteiligt werden
· Art. 22 Flüchtlingskinder haben das Recht auf besonderen Schutz und Hilfe
· Art. 23 Förderung und Fürsorge behinderter Kinder
· Art. 19 Recht auf Schutz vor Gewalt
· Art. 28 das Recht auf Bildung
· Art. 31 das Recht zu spielen, sich zu erholen und künstlerisch tätig zu sein
· Art. 12,13,14,17 das Recht auf Information, freie Meinungsäußerung und Mitbestimmung

Mit dem Leitbild Inklusion zur Umsetzung der Ziele der UN-Behindertenrechts-konvention UN-BRK (GRDrs 793/2015) hat der Gemeinderat entschieden, Stuttgart zu einem inklusiven Gemeinwesen zu entwickeln. Dies schließt alle Menschen in der Stadtgesellschaft ein, auch Kinder und Jugendliche in Sozial- und Gemeinschaftsunterkünften.

Das Ergebnis des Projekts soll in einem Rahmenkonzept mit konkreten Umsetzungsschritten bestehen, das sowohl die Verbesserung der räumlichen Situation, der Nutzung von Angeboten durch die Kinder und Jugendlichen, als auch deren Beteiligung beinhaltet.

Zur Anpassung der Wohnraumsituation in den Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete und den Sozialunterkünften für akut obdachlose Familien an die bestehende längere Verweildauer sind verschiedene Maßnahmen erforderlich. Hierzu zählen u. a. die Überprüfung bestehender Standards in den Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete und die Prüfung einer Implementierung von Mindeststandards in den Sozialunterkünften für Familien in Wohnungsnot sowie die Bereitstellung von Rückzugsorten zum Spielen und Lernen. Außerdem sollen Möglichkeiten zur Umgestaltung von Gemeinschaftsunterkünften/Systembauten in getrennte Wohneinheiten untersucht und ggf. ausgearbeitet werden. Das Projekt beinhaltet darüber hinaus die Umsetzung von Angebotsformen, um die Kinder und Jugendlichen, die in den Unterkünften leben, besser zu erreichen. Dies bezieht sich zunächst auf Regelangebote im Quartier, aber auch auf Angebote in den Unterkünften.

In einer Auftaktveranstaltung am 01.10.2020 wurden 3 Arbeitsgruppen bestimmt, die sich seither mit den folgenden Arbeitsschwerpunkten beschäftigen:
Thematik
Arbeitsgruppen
Neubewertung der Unterbringung und Gebäude der Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete sowie der Sozialunterkünfte für obdachlose Familien
Arbeitsgruppe 1
Gebäude / Wohnen
Thema:
Sozialunterkünfte
: Leitung: Sozialamt, Abt. Sozialarbeit und Betreuungsbehörde [50-4]
Thema:
Gemeinschafts­unterkünfte
: Leitung: Sozialamt, Abteilung Flüchtlinge [50-6]
Sicherung des Zugangs zu Angeboten für Kinder und Jugendliche (Regelangebote, Bürgerschaftliches Engagement, Sozialraum, neue Angebote) und Bündelung der bestehenden spezifischen Projekte für Kinder und Jugendliche in Unterkünften
Arbeitsgruppe 2
Angebote für Kinder und Jugendliche
Leitung: Jugendamt, Jugendhilfeplanung [51-00-70]
Beteiligung der Kinder und Jugendlichen
Arbeitsgruppe 3
Beteiligung
Leitung: Abteilung Stuttgarter
Bildungspartnerschaft [JB-BiP]

Die Träger der Jugend- und Flüchtlingshilfe werden in einzelnen Arbeitsgruppen themenbezogen hinzugezogen.

Unabhängig von den Projektzielen, die die Unterbringung in den Unterkünften betreffen, hat das Ziel einer schnellstmöglichen Wohnraumintegration weiterhin oberste Priorität. Im Projekt identifizierte Handlungsfelder dieses Ziel betreffend werden vom Sozialamt im Rahmen der Weiterentwicklung des Themas Wohnen und Wohnungsnotfallhilfe (vgl. auch GRDrs 648/2020) aufgegriffen und umgesetzt.



1.2 Vorangegangene Problemanzeigen sowie ergriffene und geplante Maßnahmen, die Situation zu verbessern – Vorlagen und Anträge

Das Thema Familien in Sozial- und Gemeinschaftsunterkünften hat in der Vergangenheit zu verschiedenen Vorlagen und Anträgen geführt. Die Verwaltung hat bereits in den letzten Jahren verstärkt Maßnahmen angestoßen und umgesetzt, um die Situation in den Unterkünften zu beleuchten und zu verbessern (vgl. Tabelle 1). Im Vordergrund stand dabei zunächst die Problematik des Versorgungssegments „Sozialunterkünfte“ und die betroffene Zielgruppe der von Wohnungslosigkeit betroffenen Personen. Konsequenterweise folgte dieser Problemanzeige in den letzten zwei Jahren die Beschlussfassung neu zu schaffender Stellen und Angebote.

Tabelle 1: vorangegangene Vorlagen und Anträge zum Thema Familien und Alleinerziehende in Sozial- und Gemeinschaftsunterkünften
2015
2017
2018
2019
2020
2021
übergeordnete VorlagenGRDrs 648/2020 - Die Stuttgarter Wohnungsnotfallhilfe 2021 - Grundlagen und Ziele
Versorgungssegment:
Sozialunterkünfte
AntragsNr. 337/2018 - Mehr Transparenz in das städtische LiegenschaftsmanagementGRDrs 397/2018 Unterstützung für Familien und Alleinerziehende in SozialpensionenGRDrs 253/2019 - Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Situation von Menschen in ordnungsrechtlicher Unterbringung in SozialunterkünftenGRDrs 1016/2020 - Verbesserung der Situation in Sozialunterkünften -
Abschlussbericht der Arbeitsgruppen
Zielgruppe: Kinder und Jugendliche in SozialunterkünftenAntragsNr. 226/2015 - Wohnungsnot für Alleinerziehende - Hilfsangebote notwendig!GRDrs 1027/2017 (437/2017) Unterstützung von Familien und Alleinerziehenden in SozialpensionenGRDrs 558/2019 (839/2019) - Projektbericht: Präventive Wohnraumsicherung für Familien
Stellen­schaffungGRDrs 1252/2019 - Kinder- und Jugendsozialarbeit in Sozialhotels und GemeinschaftsunterkünftenGRDrs 998/2020 (111/2021)
Sonderprojekt Qualitätsentwicklungsfonds der LHS Stuttgart Mobiler Lernraum


Antrag Nr. 385/2020 WLAN in Unterkünften für Geflüchtete
GRDrs 674/2020 (998/2020) Verwaltungsausschuss 23.09.2020 Lernräume für Kinder und Jugendliche in Gemeinschaftsunterkünften


GRDrs 902/2020 Bundesprogramm "Kita-Einstieg" / Weiterführung der Spielstuben
GRDrs 187/2021 Bildung stärken über den Sozialraum – Pilotprojekt „Fachkräftetandem“
Angebotsentwicklung
Zielgruppe: Kinder und Jugendliche in Gemeinschaftsunterkünften
In der GRDrs 1016/2020 werden die Ergebnisse von Arbeitsgruppen, die sich unter der Überschrift Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Situation von Menschen in ordnungsrechtlicher Unterbringung in Sozialunterkünften mit den Themen „Familien und Alleinerziehende“, „Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf“ (vor allem psychische Erkrankung) und „Umgang mit Gewalt in Sozialunterkünften“ beschäftigt haben, dargestellt. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart hat in seiner Sitzung am 04.02.2021 das Sozialamt beauftragt, entsprechende Umsetzungsvorschläge zu erarbeiten. Mit der hier vorgelegten GRDrs 188/2021 werden Ergebnisse aus diesem Prozess aufgegriffen und bereits konkretisierte und erweiterte Vorschläge hierzu formuliert, um vor allem die Nachteile, die durch das Betreibermodell in den Sozialpensionen in Kauf genommen werden müssen, vor allem für Kinder und Familien abzumildern.

2. Handlungserfordernisse für die Kinder und Jugendlichen in den Sozialunterkünften

Sozialunterkünfte bieten keine kindgerechte Umgebung. Neben den entwicklungsbeeinträchtigenden Faktoren führt dieser Umstand in den betroffenen Familiensystemen zu zusätzlichen Belastungen. Es muss davon ausgegangen werden, dass dies mit zunehmender Unterbringungsdauer zu verfestigenden und zu eskalierenden Mustern führt. Für Kinder und Familien, die zudem von Flucht und/oder Behinderung betroffen sind, verstärken sich die Belastungen. Obwohl diese Umstände seit Längerem bekannt sind, sind die strukturellen Einflussmöglichkeiten des Sozialamts weiterhin begrenzt.

Durch die anhaltende Knappheit an entsprechendem Wohnraum in Stuttgart und der geringen Auswahl passender Hotels / Pensionen, die als Sozialunterkünfte für Familien in Wohnungsnot genutzt werden, konnte das Ziel (vgl. GRDrs 253/2019, Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Situation von Menschen in ordnungsrechtlicher Unterbringung in Sozialunterkünften) einer klaren Trennung bei der Unterbringung zwischen Familien und Alleinerziehenden mit ihren Kindern einerseits und Alleinstehenden (mit und ohne zusätzlichen Unterstützungsbedarf) andererseits bis heute nicht entscheidend umgesetzt werden.

Erschwerend kommen die Auswirkungen der Corona-Pandemie hinzu, die zwar auch dafür sorgt, dass weniger Familien ihre Wohnung verlieren. Andererseits ist auch die Dynamik in den Versorgungsbereichen insgesamt eingeschränkt, Vorort-Kontakte sind erschwert und Umzüge finden nur eingeschränkt statt.

Aufgrund des eingesetzten Fallmanagements in der städtischen Wohnungsnotfallhilfe im Sozialamt können mittlerweile die infrage kommenden Sozialunterkünfte in Bezug auf ihre Eignung für Familien besser und differenzierter beurteilt werden. Damit ist die erste Voraussetzung erfüllt, bei entsprechendem Ersatz für die Sozialunterkünfte das problematische Versorgungssegment durch die Trennung von schlechten Angeboten sukzessive günstiger zu gestalten.

Die Aussicht, als einkommensschwache Familien oder Alleinerziehende in Stuttgart Wohnraum zu finden, hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich verschlechtert. Nutzt man als Beleg für diese Lage die Entwicklung der Zahl der Unterbringungen in Sozialunterkünften (vgl. Abbildung 1), so muss, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, trotz der „bremsenden“ Wirkung der Pandemie auch in nächster Zeit ein ständiges Anwachsen (vgl. Trendlinie) der unterbringungsbedürftigen Familien befürchtet werden.




Ein weiteres wichtiges Indiz für die nachteiligen Effekte des Wohnungsmarktes auf die Zielgruppe der Familien und Alleinerziehenden ist die Verweildauer in den Sozialunterkünften.

Die Verweildauer der Familien in Sozialunterkünften verlängert sich seit 2013 zunehmend. Kürzere Aufenthalte nehmen ab, längere werden dagegen häufiger. Die Gefahr von langen Aufenthalten im Provisorium der Sozialunterkunft steigt kontinuierlich und damit auch die Risiken der Verfestigung von negativen Effekten für die Familien (vgl. Abbildung 2).



2.1 Wohnfläche in den Sozialunterkünften

Ein grundsätzlicher Mangel der Sozialunterkünfte liegt in der begrenzten Wohnfläche für die Familien. In einer einzelfallbezogenen Abfrage konnte festgestellt werden, wie viel Quadratmeter für die einzelnen Familien zur Verfügung steht.

Tabelle 1: Fläche pro Person
verfügbare Fläche
Anzahl der Personen
Quadratmeter durchschnittlich pro Person
weniger als 4 qm5 (5 %)
47 %
7,40
zw. 4 qm - 5 qm15 (14 %)
zw. 5 qm - 6,75 qm27 (26 %)
7 qm und mehr57 (55 %)
In einer personen- bzw. familienbezogenen Recherche konnte festgestellt werden, dass 47 % der Personen aus dem Kreis Familien in den Sozialunterkünften auf weniger als 7 qm (pro Person) wohnen (vgl. Tabelle 1). Durchschnittlich stehen 7,40 qm pro Person zur Verfügung. Kinder und Jugendliche mit Behinderung sind auf ein barrierefreies Umfeld angewiesen und haben in der Regel einen erhöhten Platzbedarf. Unter diesen beengten Verhältnissen müssen vor allem Einschränkungen auf das Bewegungsverhalten von Kindern und Jugendlichen und damit auch auf deren Gesundheit und Lebensqualität und ggfs. Rehabilitation befürchtet werden, die durch die Quarantäne-Auflagen massiv verschärft wurden.

2.2 Anbindung an soziale Dienste und Unterstützung vor Ort

In den letzten drei Jahren sind bereits Anstrengungen unternommen worden, die Kontaktmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen zu Regeldiensten zu verbessern. Das Fallmanagement übernimmt dabei neben der Vermittlung von Unterkünften auch die Absicherung der Anbindung der Familien an die Beratungszentren vor Ort. Hierdurch konnte bereits eine wesentliche Verbesserung für die Familien erreicht werden.

Derzeit, jedoch eingeschränkt durch die Pandemie, versuchen außerdem die Bürgerschaftlich Engagierten, aber auch weitere Dienste (z. B. Schulsozialarbeit, "Recht auf Zukunft" AGDW e. V., Schwangerenberatung, Gesundheitsamt), soweit als möglich Kontakt zu den Familien zu halten.

Die Erfahrungen zeigen jedoch, dass es in vielen Fällen neben dieser Anbindung einer zusätzlichen, begleitenden Unterstützung für die Familien bedarf, die bislang nicht oder nur bedingt gewährleistet werden kann. Wenn weitere Bedarfe, z.B. Behinderung und Krankheit im Familiensystem hinzukommen, potenzieren sich Probleme sowie zusätzliche Versorgungsbedarfe und damit die Einbeziehung von weiteren Beratungsnetzwerken oder Leistungsangeboten.

Die verantwortliche Arbeitsgruppe hat für den Bereich der Sozialunterkünfte deshalb folgende Handlungserfordernisse identifiziert:

Ein zentrales Ergebnis der AG 2 Angebote für Kinder und Jugendliche ist deshalb die Notwendigkeit einer direkten, lebensweltorientierten Unterstützung vor Ort für die Bewohner*innen der Sozialunterkünfte. Es braucht viel Zeit und Durchhaltevermögen, um den Zugang zu den Familien zu bekommen und um einen Kontakt aufzubauen, der Unterstützung überhaupt möglich macht. Auch wenn über die Beratungszentren des Jugendamtes eine Vermittlung zur Hilfe geleistet werden kann, zeigt die Praxiserfahrung, dass Unkenntnis und bestehende Hürden auf Seiten der Familien nur über ein Vertrauensverhältnis abgebaut werden können. Zugänge, die bisher funktioniert haben, machen deutlich, dass eine Ansprechperson vor Ort notwendig ist, um bedarfsorientierte Angebote in die Unterkunft zu holen und die Familien daran aktiv anzubinden. Die teilweise erforderliche intensive Unterstützung und Begleitung sind sowohl von den Beratungszentren als auch vom Fallmanagement konzeptionell und mit Blick auf die vorhandenen Ressourcen nicht leistbar. Angelehnt an das Integrationsmanagement der Gemeinschaftsunterkünfte braucht es daher eine Bezugsperson, die dauerhaft vor Ort oder in unmittelbarer Nähe im Sozialraum verankert ist. Ein konkreter Maßnahmenvorschlag, wie die Betreuung vor Ort für die Familien verbessert werden kann, wird für die Haushaltsplanberatungen noch vor der Sommerpause eingebracht. Im Rahmen der Erarbeitung des Maßnahmenvorschlags findet ein enger Abstimmungsprozess der Beteiligten statt, um Doppelstrukturen zu vermeiden und Aufgabenbereiche und Arbeitsinhalte gut aufeinander abzustimmen.

2.3 Ausstattung in den Sozialunterkünften

Eine Recherche des Sozialamts zu den Ausstattungsmerkmalen der belegten Sozialunterkünfte macht deutlich, dass in den meisten Unterkünften nicht von einem angemessenen und kindgerechten Wohnraum für Familien ausgegangen werden kann. Dies betrifft vor allem die Aspekte Sicherheit, Intimität, Barrierefreiheit sowie die Voraussetzungen für Lernen und eine altersadäquate Entwicklung.

Eine Zusammenstellung der Ausstattungsmerkmale der 18 vom Sozialamt belegten Sozialunterkünfte (Unterkünfte, in denen nur selten bzw. wenige Familien untergebracht sind, wurden nicht berücksichtigt) ergibt ein uneinheitliches Bild. Zum Teil finden sich in denselben Unterkünften Wohnraum für Kinder und Eltern mit angemessener und unangemessener Ausstattung. Vor allem in Hinblick auf den Schutz der Intimität der Kinder und deren Sicherheit gibt es in verschiedenen Unterkünften Mängel.

Nach den Recherchen des Sozialamts sind derzeit 12 Sozialunterkünfte nur für die Bewohner*innen und die Betreibenden zugänglich, vier Gebäude sind allerdings offen, sodass externe Personen ungehindert Zugang haben. Ein Schutz vor unerwünschten oder gar Gewalt ausübenden Kontakten kann nicht gewährleistet werden.

Alle Unterkünfte haben Waschmaschinen für die Familien. Trockner sind in 16 Sozialunterkünften vorhanden. Die Nutzung von Küchen ist in vielen Unterkünften nur in wenigen Fällen auf den Zimmern der Familien möglich, was vor allem bei der Versorgung von Babys und Kleinkindern Schwierigkeiten bereitet.

Schwerer wiegt der Umstand, dass bei 10 Unterkünften nur ein Bad auf jedem Stockwerk vorhanden ist. Nur zwei Unterkünfte haben Bäder in jedem Zimmer. Bei zwei Unterkünften teilen sich jeweils zwei Zimmer ein Bad. Kindertoilettenaufsätze sind in vier Sozialunterkünften vorhanden, in den übrigen 14 nicht. Gemeinschaftsbadezimmer stellen eine potenzielle Unsicherheitsquelle für die Familien und insbesondere für die Kinder dar. Die notwendige Intimität für die Kinder ist nicht gegeben. Dies ist nicht nur gefährlich (z. B. unerwünschte Beobachtungen), sondern auch nachteilig für die Entwicklung (Schamgrenzen, Rücksichtnahme).

WLAN ist in 13 der 18 Unterkünfte vorhanden. Dies ist in Zeiten vom Homeschooling eine wichtige Voraussetzung, damit Kinder überhaupt außerhalb der Schule unterrichtet werden. Allerdings fehlt es für Schulkinder in den Sozialunterkünften an Lernräumlichkeiten. Es gibt in keiner Unterkunft zusätzliche Räume zum Lernen. Auch das Zimmerrinventar bietet neben einem Tisch für die ganze Familie keine gerechte Ausstattung für Schüler*innen.

Die fehlenden Räumlichkeiten schränken die Aktivitäten der Kinder auch beim Spielen ein. In drei Unterkünften gibt es keinen Außenbereich und nur in zehn Sozialunterkünften können Kinder im Außenbereich tatsächlich spielen.

Insgesamt sind die Sozialunterkünfte für Kinder und Jugendliche ungeeignet, wobei die Themen Sicherheit, Lernen und Spielen die größten Probleme darstellen.

2.4 Nachteile des Betreibermodells

Die Notwendigkeit, Familien und Alleinerziehende in Sozialunterkünften unterzubringen, hat verschiedene nachteilige Auswirkungen bei der Gestaltung des Unterstützungsprozesses. Besonders nachteilig ist die Masse der Problemlagen in einem Wohnobjekt mit den vielfältigen Dynamiken, die sich aus der Ballung von Menschen mit all den Schwierigkeiten, die mit einem Wohnungsverlust einhergehen, der entweder unmittelbar zurückliegt oder bereits längere Zeit andauert. Trifft diese Situation zusätzlich auf nachbarschaftliche Präsenz alleinstehender wohnungsloser Menschen, mit z. T. ganz anderen Hintergründen, muss von kritischen und verschärfenden Verhältnissen ausgegangen werden, die vor allem für Kinder negative Folgen haben können (z. B. Beobachtung von Gewalt). Von den vermietenden Hotelbetreibenden, deren Interesse in erster Linie eine gute Auslastung ist, kann kein differenzierter Umgang mit den unterschiedlichen Bewohner*innen erwartet werden, eine Intervention und Hinzuziehung der belegenden Ämter findet in der Regel nicht statt.

Ohne eine Vorort-Präsenz und eine Ausübung des Hausrechts sind steuernde Eingriffe nahezu unmöglich. Eine Belegung der Zimmer nach individuellen Faktoren oder zur Vermeidung von Unsicherheiten, vor allem der Kinder, kann nicht vorausgesetzt werden. Zudem muss immer davon ausgegangen werden, dass weitere Zimmer an Privatleute vermietet werden. Eine exklusive Vermietung ausschließlich an Vermittelte der städtischen Ämter ist problematisch, da in diesen Fällen auch dann Kosten anfallen, wenn einzelne Zimmer leer stehen und weitere objektbezogene Verbindlichkeiten entstehen.

Die verantwortliche Arbeitsgruppe hat für den Bereich der Sozialunterkünfte deshalb folgende Handlungserfordernisse identifiziert:

Das Betreibermodell hat sich in der Vergangenheit, insbesondere für Familien, als zunehmend problematisch und für die Entwicklung der Kinder zum Teil als schädlich erwiesen. Die Sozialverwaltung empfiehlt, diese Form der Unterbringung für diese Personengruppe schnellstmöglich aufzugeben. Statt der Unterbringung in Sozialunterkünften sollen die Familien in Unterkünften untergebracht werden, die die Anbindung an das Regelsystem, eine bedarfsorientierte fachliche Begleitung (z. B. in Zusammenarbeit mit Trägern der freien Wohlfahrtspflege) und die Möglichkeiten des Hausrechts vor Ort gewährleisten. Hierzu entwickelt die Verwaltung geeignete Modelle und prüft die weitere Akquise, den Ankauf oder die Anmietung von geeigneten Immobilien durch die Landeshauptstadt.

3. Handlungserfordernisse für die Kinder und Jugendlichen in den Gemeinschaftsunterkünften für geflüchtete Menschen

Im Rahmen des Projektes wurden die Wohnstandards und die Prozess- und Strukturqualität in den Gemeinschaftsunterkünften erhoben und beschrieben. Ziel ist es, daraus nachhaltige Handlungsempfehlungen für die Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen in Gemeinschaftsunterkünften abzuleiten.

Kinder und Jugendliche entwickeln im Laufe des Lebens aufgrund ihrer gemachten Erfahrungen und der Lebensbedingungen ihre eigene Persönlichkeit. Bei diesem Entwicklungsprozess spielen die Wohnbedingungen eine ausschlaggebende Rolle. Zudem gehören beengte und schlechte Wohnverhältnisse zu den Risikofaktoren und Ursachen von Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen innerhalb der Familie. Die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen unter auf Dauer nicht geeigneten Wohnstandards hat eine stigmatisierende Wirkung und kann zu gesellschaftlicher Ausgrenzung führen.
Von 28 Gemeinschaftsunterkünften für geflüchtete Menschen sind fünf Unterkünfte teilweise barrierefrei, 23 Unterkünfte sind nicht barrierefrei. Alle 24 Systembaustandorte sind im EG barrierefrei (stufenloser Zugang und weitgehend behindertengerechter Sanitärbereich in mindestens einem Gebäude). Allerdings sind die Wege zu den Objekten teilweise nicht barrierefrei.


Bislang wurde davon ausgegangen, dass die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft nur eine Übergangslösung darstellt bis zum Auszug in Privatwohnraum. Jedoch liegt die durchschnittliche Verweildauer dort bei mittlerweile 38,7 Monaten 0-18-Jährige im Zeitraum 06/2018-12/2020, noch in der Flüchtlingsunterbringung wohnhaft oder schon ausgezogen . Vor diesem Hintergrund kann nicht von einer vorübergehenden Unterbringung ausgegangen werden. Vielmehr ist es zwingend erforderlich, dass die Kinder und Jugendlichen bis zum Auszug in Privatwohnraum unter Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse wohnen können.

Durch die mittlerweile vorhandenen freien Platzkapazitäten eröffnen sich nunmehr vollkommen neue Möglichkeiten, Kindern und Jugendlichen auch in Gemeinschaftsunterkünften ein Zuhause auf Zeit zu bieten und damit die Weichen zu stellen für eine gesunde Entwicklung, eine erfolgreiche Integration und den Start in eine aussichtsreiche Zukunft.

Folgende Handlungserfordernisse wurden durch die verantwortliche Arbeitsgruppe identifiziert und Handlungsempfehlungen erarbeitet:

· Überprüfung der Standards im Belegungs- und Immobilienmanagement und Unterbringung nach UN-Mindeststandard


· Ausreichende und angemessene Platzkapazitäten: 10 qm pro Person
· Einführung und Implementierung eines Schutzkonzeptes und Beschwerdemanagements
· Verbesserung der Betreuungsstruktur und Empowerment der Kinder und Jugendlichen
· Bauliche Mängel und Schäden
· Optimierung und Umgestaltung des vorhandenen Wohnraums
· Bereitstellung von WLAN
4. Strategiewechsel und Qualifizierung/ Verbesserungen der Unterbringung von Familien mit ihren Kindern

5. Ausblick

Im Rahmen einer haushaltsrelevanten Mitteilungsvorlage werden die bisherigen Ergebnisse aus dem ämterübergreifenden Projekt noch vor der Sommerpause zur Beschlussfassung eingebracht, in der erste Erfordernisse zur Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen aus Sozial- und Gemeinschaftsunterkünften als Maßnahmenpaket dargestellt werden.

Im Rahmen dieser Haushaltsvorlage sollen finanzielle Auswirkungen der kurzfristigen Maßnahmen zur Umsetzung des Strategiewechsels konkretisiert und ausgearbeitet werden. Hierzu wird u. a. ein Raumprogramm, Konzepte und Fördergrundlagen erarbeitet.

Darüber hinaus werden erforderliche Angebote zur Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen in den Sozialunterkünften entwickelt und der für die Umsetzung erforderliche Ressourcenbedarf aufgezeigt.


Finanzielle Auswirkungen




Vorliegende Anträge/Anfragen

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Erledigte Anträge/Anfragen

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Dr. Alexandra Sußmann
Bürgermeisterin


Anlagen

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<Anlagen>



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