Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 15.04.2021
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:der Vorsitzende, die Herren BM Dr. Maier (Referat SOS), Rechtsanwalt Michael Kniesel, Polizeipräsident Franz Lutz und Leitender Polizeidirektor Carsten Höfler (beide Polizeipräsidium Stuttgart I)
Protokollführung: Frau Faßnacht
Betreff: Rückblick auf die "Corona-Demonstrationen"
am Karsamstag

Vorgang: Gemeinderat vom 15.04.2021 öffentlich, Nr. 84

Ergebnis: Feststellung der Beschlussunfähigkeit gem. § 37 Abs. 3 GemO und Verschiebung des Sitzungsbeginns auf 15:00 Uhr


Vor Eintritt in die Tagesordnung stellt OB Dr. Nopper die Beschlussfähigkeit des Rates fest. Anschließend trägt er seinen Vorschlag zur Reihenfolge der Berichte vor und hält dazu wie auch zu seinem Vorschlag, dass die Rednerinnen und Redner am Rednerpult ohne Maske sprechen, das Einvernehmen des Gemeinderates fest.

Für seine sieben Vorbemerkungen tritt der Vorsitzende danach ans Rednerpult. Als erste Vorbemerkung stellt er klar, die Verstöße gegen die Corona-Auflagen sowie die Angriffe auf Journalisten bei den Corona-Demonstrationen am Karsamstag in Stuttgart verurteile man auf das Schärfste. Es widerspreche zutiefst seinem Gerechtigkeitssinn, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer und der Versammlungsleiter der sogenannten Querdenken-Demonstrationen den grundrechtlichen Schutzmantel der Versammlungsfreiheit missbraucht haben, um sich den Corona-Beschränkungen zu entziehen, während gleichzeitig Familien und Freundeskreise an Ostern nur unter ganz strikten Corona-Beschränkungen zusammenkommen konnten oder sich gar nicht besuchen konnten. Die vorsätzliche Nichteinhaltung des Abstandsgebots und der Maskenpflicht bei den sogenannten Querdenker-Demonstrationen sei in Anbetracht der Infektionslage als verantwortungslos und als rücksichtslos zu bezeichnen. Allergrößtes Verständnis habe er daher für die massive Verärgerung in der Bevölkerung über die Corona-Verstöße, die sich während der Corona-Demonstrationen am Karsamstag ereignet haben, und er bedauere zutiefst, dass diese Verstöße und Angriffe stattgefunden haben, die Stuttgart in ein schlechtes Licht rücken.

Seine zweite Vorbemerkung bezieht sich auf das Versammlungsrecht, wo Versammlungsbehörde und Polizei vor dem Dilemma stehen, dass bei der Entscheidung für oder gegen das Verbot immer nur eine Prognose zugrunde liege. Prognosen, auch die Gefahrenprognose der Versammlungsbehörde vor der Versammlung, tragen immer Unsicherheiten und Risiken in sich. Abschließende Sicherheit habe man erst nach der Versammlung. Für die Entscheidung über die Aufhebung bittet er zu berücksichtigen, dass Entscheidungen innerhalb weniger Minuten getroffen werden müssen, während über die Richtigkeit der Entscheidung hinterher über viele Stunden hinweg beraten werde. Für die Bewertung der Entscheidungen der Versammlungsbehörde sei die Sicht der Umstände vor der Versammlung maßgebend, und nicht die Kenntnis der Umstände nach der Versammlung.

Als dritte Vorbemerkung weist er auf die Konsequenzen hin, welche die Stadt nach den unerträglichen Verstößen vom Karsamstag gezogen hat. Sie habe die für den 17.04.2021 geplanten Corona-Demonstrationen sehr schnell nach deren Anmeldung verboten, weil sich die Anmelder bei Versammlungen in der Vergangenheit als unzuverlässig im Sinne des Versammlungsgesetzes erwiesen haben und deswegen keine Gewähr dafür gegeben sei, dass Versammlungsauflagen eingehalten werden. Allerdings seien pauschale Versammlungsverbote nicht zulässig. Soeben habe er die Meldung erhalten, dass das Verwaltungsgericht Stuttgart die Verbote der beiden für den 17.04.2021 angemeldeten Demonstrationen bestätigt hat, informiert der Vorsitzende weiter.

Als vierte Vorbemerkung unterstreicht er, die Verstöße gegen die Corona-Beschrän-kungen und die Angriffe auf Journalisten werden mit allem Nachdruck verfolgt und mit aller Entschlossenheit geahndet. So werde bereits gegen einen Angreifer auf Journalisten strafrechtlich ermittelt. Die Nichteinhaltung von Corona-Beschränkungen sei eine Ordnungswidrigkeit, Verstöße werden mit Geldbußen in Höhe von bis zu 500 Euro belegt. Die vorsätzliche Nichteinhaltung von Versammlungsauflagen durch die Versammlungsleiter sei eine Straftat nach § 25 Versammlungsgesetz und könne zu einer Freiheitsstrafe von bis zu 6 Monaten oder zu einer Geldstrafe von bis zu 180 Tagessätzen führen. Man werde die Verstöße mit hohen Bußgeldern ahnden, und die Staatsanwaltschaft werde gegen die Versammlungsleiter ermitteln.

Fünftens habe man einen unabhängigen und anerkannten Experten im Versammlungsrecht mit der Prüfung beauftragt, ob die Nicht-Untersagung und die Nicht-Auflösung der Corona-Demonstrationen vom Karsamstag richtig und rechtmäßig waren und welche Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen sind. Mit dem Gutachten wurde der Rechtswissenschaftler und Rechtsanwalt Michael Kniesel aus Bonn beauftragt, vormals Polizeipräsident und Staatsrat. Herr Kniesel sei Polizeipraktiker und als Verfasser eines renommierten Standardkommentars zum Versammlungsrecht mit allen Facetten des Versammlungsrechts vertraut.

Vorbemerkung sechs sei die Ankündigung, am morgigen Freitagabend von 18:00 Uhr bis 19:30 Uhr ein Bürgertelefon zu schalten für alle Fragen und Anmerkungen der Bürgerinnen und Bürger im Zusammenhang mit der Corona-Demonstration, wo Herr Ordnungsbürgermeister Dr. Maier, Frau Ordnungsamtsleiterin Koller und er selbst Rede und Antwort stehen. Sogenannte Querdenker, die in rücksichtsloser und verantwortungsloser Weise gegen Corona-Beschränkungen verstoßen, seien nicht Stuttgart. Um ein Zeichen und ein Signal für Zusammenhalt und Zusammenstehen für ein solidarisches und verantwortungsvolles Stuttgart in schwerer Pandemiezeit zu setzen, werde er gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern des StadtPalais und des Kulturamts sowie gemeinsam mit weiteren Stuttgarterinnen und Stuttgartern am Samstagfrüh um 08:00 Uhr auf dem Marienplatz, der Schauplatz der Corona-Demonstrationen war, einen riesigen 0711-Regenbogen aufbringen.

Vorbemerkung sieben sei der Aufruf, gemeinsam den Blick nach vorne zu richten und sich in schwerer Pandemiezeit mit vereinten Kräften und mit aller Entschiedenheit gegen diejenigen zu wenden, die die Versammlungsfreiheit missbrauchen, die den Staat vorführen wollen und die sich über den Gesundheits- und Infektionsschutz zum Nachteil ihrer Mitmenschen vorsätzlich hinwegsetzen.

Für BM Dr. Maier war unerträglich, dass tausende Menschen ohne Masken am 3. April durch die Stadt gezogen sind. Der offene Verstoß gegen alle Regeln sei eine Provokation für all diejenigen, die sich an die Corona-Regeln halten, sich im Sinne des Infektionsschutzes einschränken und damit ihre Mitmenschen schützen. Es dürfe sich so nicht wiederholen, dass dadurch im großen Stil die Weiterverbreitung des Corona-Virus in Kauf genommen wurde und damit Leben und Gesundheit vieler Menschen gefährdet wurden. Tag für Tag seien auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Städtischen Vollzugsdienst auf der Straße unterwegs und überwachen die Einhaltungen der Corona-Regeln. Auch deren tägliche Arbeit werde durch die hemmungslosen Verstöße gegen die Regeln schwergemacht, und die Anstrengungen im Kampf gegen das Virus wurden konterkariert. Im Folgenden werde er Stellung nehmen zu diesen Vorfällen und versuchen, dabei die aus den Fraktionen gestellten Fragen mit zu beantworten.

In der Öffentlichkeit, aber auch vonseiten des Gemeinderats und des Sozialministeriums werde am meisten kritisiert, dass die Versammlung am Karsamstag nicht verboten wurde. Mit dieser Frage habe man sich im Vorfeld des Karsamstags intensiv auseinandergesetzt. Ein Verbot einer Versammlung sei versammlungsrechtlich auch aus Gründen des Infektionsschutzes grundsätzlich möglich, doch sei die Hürde für ein Verbot einer durch Artikel 8 Grundgesetz geschützten Versammlung sehr hoch, unterstreicht er. Die Einzelfallprüfung bedeute, dass die Prüfung, ob ein Verbot ausgesprochen werden kann, nicht pauschal, sondern immer nur im konkreten Einzelfall beantwortet werden könne. Im Rahmen der obligatorischen Prüfung der Verhältnismäßigkeit sei vorher zu prüfen, ob nicht zunächst auch weniger einschneidende Mittel als ein Verbot ausreichend sind. Ein Verbot sei immer - auch im Infektionsschutzrecht - die Ultima Ratio, das letzte geeignete Mittel. Deshalb lasse § 11 Abs. 3 Corona-Verordnung zwar ein Verbot aus infektionsschutzrechtlichen Gründen zu, aber nur, wenn der Schutz vor Infektionen nicht durch Auflagen als milderes Mittel erreicht werden kann. Der Infektionsschutz sei eines von mehreren Kriterien innerhalb der Prüfung nach dem Versammlungsgesetz.

Im Vorfeld der Versammlungen finde immer ein intensiver Austausch mit der Polizei über deren Einschätzungen statt. Mit sämtlichen Anmeldern habe man im Vorfeld die Durchführung ihrer Veranstaltungen schriftlich und mündlich besprochen und die Planungen teilweise auch eingeschränkt. Der Anmelder der Versammlung auf dem Wasen war dem Ordnungsamt bereits aus elf anderen Versammlungen bekannt, die er innerhalb des letzten Jahres in Stuttgart weitestgehend unproblematisch durchgeführt und sich dabei immer kooperationsbereit gezeigt habe. Über den Anmelder am Marienplatz hatte weder das Ordnungsamt noch die Polizei nachteilige Erkenntnisse, die ein Verbot gerechtfertigt hätten. Auch hätten sich Versammlungsteilnehmer ganz konkret hier in Stuttgart bei vergleichbaren Veranstaltungen in der Vergangenheit in der Regel an die Corona-Regeln gehalten. Erkenntnisse aus anderen Städten dürfen dabei nicht pauschal zur Bewertung der Lage vor Ort herangezogen werden. Dass es zu solch massenhaften Verstößen kommen würde, war nicht abzusehen. Deshalb sei man nach Würdigung und Abwägung aller Belange mit Blick auf die Anmelder der Versammlungen und die bisherigen Erfahrungen mit ihnen vor Ort, mit Blick auf die Einschätzungen der Polizei, mit der es bei solchen Entscheidungen eine enge Zusammenarbeit gebe, mit Blick auf bisherige andere Corona-Versammlungen und deren Ablauf in Stuttgart und auch mit Blick auf die Belange des Infektionsschutzes und die Lage in Stuttgart rechtlich zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Verbot im konkreten Einzelfall nicht möglich war bzw. "dass ein Verbot aus unserer Sicht rechtswidrig gewesen wäre".

Mit Blick auf Entscheidungen anderer Städte, wo Demonstrationsverbote erlassen wurden, verweist BM Dr. Maier auf die Stadt Heilbronn, wo das Verbot der Querdenker-Demo gerichtlich aufgehoben wurde, weil die Verbotsbegründung der Stadt offenbar rechtlich angreifbar war. Dieses Beispiel zeige, dass Blaupausen bei der Bewertung von Versammlungsanmeldungen nicht anwendbar sind. "Ein Demonstrationsverbot ist und bleibt eine Einzelfallentscheidung der Kommune, und in diesem unseren Fall war, ich wiederhole das nochmals, im konkreten Einzelfall nach Recht und Gesetz, nach unserer Einschätzung, nach Würdigung und Abwägung aller Belange kein Verbot der Versammlungen möglich." Persönlich hätte er sich sehr wohl ein anderes Ergebnis dieser Prüfung gewünscht.

Dennoch habe man den Veranstaltern eine ganze Reihe von Auflagen gemacht, um eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verhindern und vor allem auch um den Belangen des Infektionsschutzes sowohl der Teilnehmenden als auch von Passanten und Polizeibeamten gerecht zu werden. Unter anderem waren dies Maskenpflicht, Einhaltung des Sicherheitsabstandes der Teilnehmer untereinander, auf dem Wasen sogenannte Wellenbrecher-Gitter, um Abstandsregeln sicherzustellen, und Quadrate zur Kenntlichmachung der Abstände, eine eigene Versammlungsfläche für Personen mit Maskenbefreiung, Ordner in Abhängigkeit von der Teilnehmerzahl, der Abmarsch von der Versammlung sollte in corona-gerechten Kleingruppen erfolgen, speziell am Marienplatz die Einhaltung der genau vorgegebenen Strecke über die B 14 für den geplanten Aufzug, nachdem die eigentlich vom Anmelder gewünschte Strecke untersagt worden war.

Zur Frage, warum keine Auflage zur Begrenzung der Teilnehmerzahl erlassen wurde, führt BM Dr. Maier aus, das Problem einer Teilnehmerzahlbegrenzung sei die Umsetzung. Er nennt beispielhaft eine Versammlung in Kassel, wo der Verwaltungsgerichtshof eine Teilnehmerzahl von insgesamt 6.000 Teilnehmenden bei zwei Versammlungen verfügt hatte, tatsächlich aber 20.000 Menschen kamen.

Die Veranstaltung auf dem Marienplatz, für die eine Teilnehmerzahl von 300 Personen angemeldet war, sei nach Erkenntnissen der Polizei nicht überregional beworben worden. Es war im Vorfeld nicht zu erwarten, dass eine kritische Teilnehmerzahl überschritten worden wäre, weshalb eine Begrenzung hier nicht erforderlich erschien. Anders habe es sich auf dem Wasen verhalten, wo 2.500 Teilnehmer angemeldet waren. Dass es dort mehr werden würden, wurde nach der bundesweiten Bewerbung im Internet nicht ausgeschlossen. Im Frühjahr 2020 wurde für den Wasen schon einmal eine Teilnehmerzahlbegrenzung auf 5.000 verfügt. Die Erfahrung des letzten Frühjahrs in Stuttgart war, dass damals dann auch nur 5.000 Menschen auf dem Wasen waren, die sich auch an die Vorgaben hielten. Gleichzeitig mussten über 1.000 Menschen abgewiesen werden. Diese hätten sich dann auf engstem Raum auf der Mercedesstraße aufgehalten und sich an das Wasengelände gedrängt, um den Reden auf der Bühne folgen zu können, während gleichzeitig bei objektiver Betrachtung auf dem großen Wasen auch bei Einhaltung aller Abstände noch mehr als genug Fläche zur Verfügung gewesen wäre.

Durch die Auflage damals sei also eher eine Verschlechterung der Situation statt einer Verbesserung erreicht worden. Weil dies in diesem Fall vermieden werden sollte, erfolgte keine Teilnehmerbegrenzung. "Denn die Frage ist ja tatsächlich, was passiert mit den Teilnehmern, die angereist sind, weil sie denken, sie fallen noch innerhalb des erlaubten Limits, sie werden dann aber abgewiesen? Was machen die dann, und wo versammeln sie sich stattdessen? Deshalb haben wir aus unserer Sicht die genannten wirksamen Auflagen verfügt, aber in Abstimmung mit der Polizei auf eine Teilnehmerzahlbegrenzung verzichtet. Die Veranstalter selbst waren jedenfalls zur Einhaltung der genannten Auflagen auch verpflichtet. Und wenn uns im Vorfeld Erkenntnisse vorgelegen hätten, dass diese Auflagen nicht eingehalten werden würden, dann hätten wir die Frage eines Verbotes auch anders beantwortet und auch anders beantworten können. In solchen Fragen tauschen wir uns im Vorfeld einer Versammlung eng mit der Polizei aus und erfragen deren Erkenntnisse, die sie aus der Beobachtung der Szene und auch gerade in den sozialen Medien gewinnt. Belastbare Erkenntnisse, und es müssen belastbare, konkrete und tatsächliche Anhaltspunkte sein, hatten wir im Vorfeld aber nicht. Vermutungen oder bloße Verdachtsmomente reichen nach gesicherter Rechtsprechung für ein Verbot eben nicht aus. Soweit zur konkreten Lage und zu unserer Einschätzung zum Zeitpunkt vor Karsamstag, und nur dieser Zeitraum ist maßgeblich. Auflagen ja - Verbot nein."

Er bittet um Verständnis, dass wenn ein Sachverhalt von den erfahrenen Juristen im Haus intensiv und mehrfach geprüft wurde, alle erkennbaren Aspekte abgewogen und mit der Polizei diskutiert wurden, wenn eine belastbare Entscheidung getroffen werden muss und wenn gleichzeitig als Ergebnis dieser Prüfung ein Verbot als rechtswidrig erscheint, "dann kann und darf ich wider besseren Wissens keine anderslautende Entscheidung treffen. Das wäre aus meiner Sicht Willkür. Denn über eines sollten wir hier im Gemeinderat der Stadt Stuttgart nicht diskutieren müssen, denn das sollte eigentlich selbstverständlich sein - in Fällen wie diesen dürfen Entscheidungen einer Verwaltung nicht nach Fragen der politischen Erwünschtheit erfolgen, sondern haben sich an Recht und Gesetz zu orientieren. Das ist jedenfalls meine feste Überzeugung, und da hört auch mein Verständnis für politische Forderungen und Erwartungen auf. Und eines möchte ich an dieser Stelle ganz klar sagen: Die Entscheidung, nicht zu verbieten, lag und liegt in meiner Ressort-Zuständigkeit und damit bei mir. Und für die getroffene Entscheidung bin ich verantwortlich. Dafür stehe ich auch."

Da eine Verwaltung zur Selbstkritik fähig und auch bereit sei, habe man einen ausgewiesenen Experten für Versammlungsrecht um eine objektive, unabhängige und kritische Prüfung der rechtlichen Situation gebeten. Herr Rechtsanwalt Kniesel werde im Anschluss aufzeigen, wie er die rechtliche Lage im Vorfeld der Versammlung am Karsamstag bewertet, und er werde auf die Fragen der Rechtmäßigkeit eines Verbotes und auch einer späteren Auflösung der Versammlung eingehen. Darüber hinaus werde er auch darauf eingehen, wie man als Versammlungsbehörde im Nachgang des Karsamstags in der Zukunft mit ähnlich gelagerten Versammlungsanmeldungen in der jetzigen Rechtslage umgehen könnte.

Zu den Forderungen des Gemeinderats, aber auch aus dem Sozialministerium, wonach die Stadt die Demos doch einfach hätte verbieten sollen, und wenn dann ein Gericht diese Entscheidung kippen würde, dann sei es ja das Gericht gewesen und nicht die Stadt, die die Verantwortung trägt, so hätte das bedeutet, sehenden Auges eine rechtswidrige Entscheidung zu treffen. Dies gehe einfach nicht. Zudem hätte es auch bedeutet, die Verantwortung wegzudrücken, den Schwarzen Peter an das Gericht weiterzuschieben. "So einfach dürfen wir es uns eben auch nicht machen. Und so funktioniert unser Rechtsstaat auch nicht. Und das ist auch nicht mein Verständnis von Verantwortung."

Mit dem Sozialministerium habe er kurz vor der Versammlung am Abend des 1. April, am Gründonnerstag, in Kontakt gestanden. Es hatte zunächst ein Schreiben an ihn geschickt mit allgemeinen rechtlichen Ausführungen. Im Anschluss sei ein Telefonat geführt worden. "Das Ministerium hat dabei zum Ausdruck gebracht, Sie kennen das Schreiben, dass es der Auffassung sei, man sollte die Versammlung verbieten. Leider aber erhielt ich weder im Schreiben noch im Gespräch irgendwelche neuen Erkenntnisse, die ein Verbot begründet hätten. Das Ministerium kannte den konkreten Einzelfall bei seiner Bewertung eben nicht. Und nur mit neuen Erkenntnissen hätte die juristische Abwägung möglicherweise anders ausgehen können. Ich habe dann am Abend des Gründonnerstags auch sofort Rücksprache mit dem Polizeipräsidium gehalten, ob denn etwa die Polizei neue Erkenntnisse habe, die zu einer anderen Bewertung der Situation führen könnten. Doch auch dort stellte sich die Situation unverändert dar, eine neue Sachlage ergab sich nicht. Und eben das spiegelte ich dann dem Ministerium am Morgen des Karfreitags zurück, nämlich, dass wir anhand der uns vorliegenden Erkenntnisse kein Verbot aussprechen können und deshalb auch nicht aussprechen werden. Eine Intervention des Ministeriums folgte sodann nicht mehr."

Auch eine andere Frage bittet BM Dr. Maier nicht ganz zu übersehen, nämlich die, was praktisch denn geschehen wäre, hätte man kurzfristig am Karfreitag noch ein Verbot für die Versammlung auf dem Wasen ausgesprochen, "abgesehen davon, dass mit größter Wahrscheinlichkeit ein Eilverfahren anhängig geworden wäre, und dieses wäre erfahrungsgemäß erst kurz oder unmittelbar vor Beginn der Versammlung entschieden worden? Auch bei einem Verbot wären vermutlich trotzdem viele Demonstranten nach Stuttgart gekommen. Das zeigen die Erfahrungen in Dresden und Kassel. Die Polizei schätzt, dass mindestens die Hälfte der Teilnehmer trotzdem in der Stadt gewesen wäre. Wir reden also von zwischen 5.000 und 7.500 Menschen. Diese wären unkontrolliert und ohne Masken durch die Stadt gezogen, Passanten und Einzelhandel wären noch mehr, als es ohnehin schon der Fall war, beeinträchtigt worden. Die Polizei hätte aber das Verbot der Versammlung durchsetzen müssen, und gewalttätige Konflikte mit Polizei und Gegendemonstranten wären zu befürchten gewesen. Die Polizei hätte die Demonstranten auseinandertreiben müssen, ein Katz- und Mausspiel, auch mit Spontanversammlungen in der ganzen Innenstadt, wäre zu befürchten gewesen. Die Lage wäre komplett unübersichtlich gewesen, Gewalt und eine Eskalation der Lage waren konkret zu befürchten. Dieses Szenario wäre auf keinen Fall besser gewesen, als das ohnehin schon schlimme Geschehen, das wir jetzt so erleben mussten. Die Stadt hätte bei einem Verbot das Problem aber allein der Polizei aufgebürdet, die dann in der Pflicht gewesen wäre. Aber, anders als die Deutsche Polizeigewerkschaft in völliger Unkenntnis der Lage, ist es eben genau nicht so, dass wir unseren 'Mist' mal eben bei der Polizei abladen. Im Gegenteil. Denn Stadt und Polizei sitzen im gleichen Boot, und nur gemeinsam können wir unsere Aufgaben für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt erfüllen."

Zur weiteren berechtigten Frage im Nachgang des Karsamstags, warum die Stadt die Versammlungen nicht aufgelöst und damit beendet hat, als offensichtlich war, dass es zu massenhaften Verstößen gegen die Corona-Regeln kam, erinnert er an die vorhin geschilderte Lage am Karsamstag, wonach am Marienplatz bei dem dortigen Anmelder nicht davon ausgegangen werden konnte, dass er die Auflage nicht einhalten würde. Aufgrund der deutlich geringeren angemeldeten Teilnehmerzahl sei ein Aufzug über die B 14 zum Wasen nicht verboten worden, der Weg durch die Innenstadt war dem Anmelder aber zuvor untersagt worden, um Passanten zu schützen. "Am Mittag des Karsamstags zeigte sich dann, dass die Teilnehmerzahl auf dem Marienplatz um ein Vielfaches höher war als geplant. Gleichzeitig waren bei anderen kleineren Versammlungen im Stadtgebiet gar keine oder kaum Teilnehmer erschienen. Als dann der Aufzug über die B 14 startete, waren schon so viele Menschen unterwegs, dass eine Auflösung faktisch nicht mehr möglich war. Auch strömten aus dem Stadtgebiet immer mehr Teilnehmer hinzu und schlossen sich dem Aufzug an, der so laufend an Größe gewann.

Auf dem Wasen waren es zwischen 10.000 und 15.000 Menschen. Als offensichtlich war, dass die Teilnehmer in großem Stil sich nicht an die Auflagen halten würden, dann war es schlichtweg zu spät. Jetzt eine Auflösung der laufenden Versammlung auszusprechen, wäre nicht mehr sinnvoll gewesen, denn das Ziel einer Auflösung muss es ja sein, die Situation zu verbessern, nicht sie zu verschlechtern. Denn was wäre bei einer Auflösung passiert? Die Versammlungsbehörde hat sich in Abstimmung mit der Polizei bewusst dafür entschieden, nicht aufzulösen, da dies unverhältnismäßig gewesen wäre, denn, wie gesagt, eine Auflösung hätte erhebliche Risiken in sich getragen. Wenn eine Versammlung aufgelöst wird, müssen sich die Teilnehmer entfernen. Am Karsamstag war in Anbetracht der konkreten Situation vor Ort bei der Versammlung aber nicht damit zu rechnen, dass sich die Teilnehmer friedlich entfernt hätten, sondern es war zu befürchten, dass sie mit gesteigerter Aggressivität reagiert hätten. Die Polizei hätte dann die Entfernungspflicht gar nicht oder gegebenenfalls nur mit massiven Zwangsmitteln durchsetzen können. Eine Folge des polizeilichen Eingreifens wäre höchstwahrscheinlich gewesen, dass es zu Gedränge und gewalttätigen Auseinandersetzungen und damit auch wieder zu deutlich erhöhten Infektionsgefahren gekommen wäre. Auch wäre die Frage gewesen, wohin eine so große Zahl von Menschen hätte gedrängt werden können. Zudem lag die Befürchtung nahe, dass sich die Teilnehmer nach einer Auflösung wieder in großer Zahl in die Innenstadt aufmachen und dort unter Gefährdung anderer Passanten sich unkontrolliert bewegen würden. Und die Masken- und Abstandsverstöße wären so trotzdem nicht beendet worden. Diese Überlegungen gaben den Ausschlag, nicht aufzulösen. Man hätte eben nichts gewonnen, sondern die Lage nur noch verschlimmert. Ich hoffe, Sie können diese Entscheidung nachvollziehen.

Ein letzter Punkt noch, der sich in Ihren Anfragen an die Verwaltung und im Besonderen auch an mich selber findet. Mir persönlich wurden im Wesentlichen zwei Dinge vorgeworfen, zum einen, kein Verbot ausgesprochen zu haben. Die rechtliche Einschätzung im Vorfeld des Karsamstags habe ich Ihnen geschildert. Und die Rechtslage ist das entscheidende Kriterium für eine Entscheidung. Hier habe ich mir nichts vorzuwerfen. Die Entscheidung, nicht zu verbieten, traf ich in der vollen Überzeugung, dass das rechtswidrig gewesen wäre. Und rechtswidrig darf eine Verwaltung nicht handeln. Das andere ist meine Äußerung gegenüber der Presse, als ich kurz nach Ende der Versammlung davon sprach, dass ich erleichtert über den friedlichen Verlauf sei und dass es hätte schlimmer kommen können. Ich gebe zu, das kann missverständlich sein.

Ich bitte Sie aber einen kleinen Moment darum, meine Perspektive in diesem Moment einzunehmen. Wir sind uns in einem absolut einig: Die Maskenverstöße von so vielen Menschen sind unverantwortlich und schlimm. Und die Wirkung, die das auf alle anderen Menschen hat, die sich verantwortungsvoll an die Regeln zur Eindämmung des Virus halten, sind verheerend. Gleichzeitig aber hing den ganzen Karsamstag lang das Damoklesschwert über uns als Versammlungsbehörde und auch über der Polizei, dass die Lage ganz plötzlich umschlagen könnte und dass wir dann Szenen eben doch wie in Kassel oder Dresden erleben würden, wo große Mengen von Menschen ohne Masken unkontrolliert durch die Stadt zogen, wo Polizeiketten durchbrochen wurden, wo Steine und Flaschen auf Polizeibeamte flogen, wo offen Gewalt ausgeübt wurde. Meine genannte Wortwahl resultierte eben aus der Erleichterung darüber, dass diese Folgen nicht in dieser Form eingetreten waren. Jede einzelne Gewalttat an diesem Tag, besonders auch solche gegenüber Journalisten, darf nicht sein und ist zu verurteilen. Der Ablauf der Versammlung insgesamt aber war nicht von Gewalt geprägt. Und das wollte ich mit dem Wort 'friedlich' ausdrücken. Ich hoffe, dass Sie das nachvollziehen können, dass diese Äußerung aus der Sorge darüber entsprang, dass es hätte noch schlimmer kommen können. Wie gesagt, ohne dass dadurch das Geschehene verharmlost werden soll. Am Rande bemerkt - am Abend des Karsamstags sagte der SWR-Journalist Martin Rottach in "Baden-Württemberg aktuell" Folgendes - Zitat: 'Mein Eindruck war, vor der Bühne lief alles friedlich ab'. Und er sagte weiter: 'Zwar wurde die Maskenpflicht nicht eingehalten, aber es lief ohne große Hindernisse oder Störungen ab'. Er hatte vor Ort offenbar ein ähnliches Empfinden wie ich in diesem Moment.

Und dann noch zum Vorhalt, ich solle erläutern, was ich meine, wenn ich sagte, dass wir uns Gedanken machen müssten, warum die Politik einen Teil der Menschen offenbar nicht mehr erreichen würde. Ja, ganz im Ernst, sollen wir uns darüber denn keine Gedanken machen? Wir sehen Menschen auf unseren Straßen, die sich bewusst nicht an die Corona-Regeln halten. Da stellt sich doch ganz von selbst die Frage, warum sie das nicht tun? Denn es geht ja nicht nur darum, vordergründig die Corona-Verordnung einzuhalten, das Problem reicht tiefer. Warum halten denn wir alle diese Regeln ein? Doch weil sie sinnvoll und richtig sind? Und eher weniger deswegen, weil sie eben in der Corona-Verordnung stehen. Wie erklären Sie Ihrem Kind, dass es nicht bei Rot über die Straße soll? Etwa damit, weil die rote Ampel das halt verbietet und dass das dann eben so ist, oder nicht vielmehr, Sie erklären, dass das gefährlich sein kann, bei Rot über die Straße zu gehen, weil das Kind überfahren werden könnte, und Sie versuchen, Verständnis für die Problemlage zu wecken. Ich glaube, da sind wir uns einig.

Und bei den Corona-Regeln ist es ähnlich. Wieso schaffen wir es nicht, den Menschen zu erklären, also diesen Menschen, dass es gefährlich und unverantwortlich ist, in großer Zahl ohne Maske durch die Stadt zu gehen? Wieso gibt es überhaupt in unserer vermeintlich so rationalen und aufgeklärten Welt Menschen, die glauben, Corona gebe es nicht? Es ist, wie wenn jemand behaupten würde, die Erde ist nicht rund. Wir sollten uns schon überlegen, wieso solche kruden Vorstellungen bei manchen Menschen verfangen und geglaubt werden. Wieso es Echo-Räume gibt, die völlig faktenresistent sind. Und wieso bei diesen Menschen die Glaubwürdigkeit der Politik verlorengegangen ist. Nur mit dem Verweis auf die geltenden Corona-Regeln schaffen wir das wohl eher nicht. Eine tiefergehende Nachfrage muss da erlaubt sein.

Insgesamt war der Karsamstag ein sehr schlimmer Tag für Stuttgart. Dass in großem Stil gegen Corona-Regeln verstoßen wurde und dadurch Infektionsgefahren entstanden und auch noch nach außen getragen wurden, ist ein unerträglicher Zustand, der sich so nicht wiederholen darf. Was können wir also daraus lernen? Wir sind aktuell in engem Austausch mit dem Innenministerium und dem Sozialministerium, um in der Corona-Verordnung, die für die Zeit nach dem 18. April erlassen werden muss, neue Vorgaben für Versammlungen einzuarbeiten mit dem Ziel, den Kommunen mehr generelle gesetzlich definierte Vorgaben an die Hand zu geben, um rechtssicher strengere Auflagen und auch ein Verbot von Versammlungen in Pandemie-Zeiten zu ermöglichen. Immer wieder in Einzelfallprüfungen eintreten zu müssen, schränkt unsere Möglichkeiten nämlich deutlich ein und erhöht immer wieder unsere rechtlichen Risiken. Der Freistaat Sachsen und der Freistaat Bayern geben in ihren Corona-Verordnungen hierfür übrigens Beispiele. Wir haben unsere Änderungswünsche zusammen mit dem Städtetag Baden-Würt-temberg mittlerweile konkretisiert und dem Sozialministerium vorgelegt, und wir bauen nun im Rahmen des rechtlich Möglichen auf eine wohlwollende Prüfung.

Auch sind wir mit der Landespolizei und dem Polizeipräsidium im Gespräch, wie im Vorfeld einer Versammlung besser darauf hingewirkt werden kann, die Gesamtlage im Griff zu behalten und jederzeit für Sicherheit und Ordnung in unserer Stadt zu sorgen. Wir können zwar nicht völlig ausschließen, dass es in der Zukunft wieder einmal zu schwierigen Situationen kommen kann, das zu versprechen, wäre nicht ehrlich. Aber wir arbeiten mit aller Kraft daran, auch vor den bitteren Erfahrungen, die wir am Karsamstag machen mussten. Diese Erwartung dürfen Sie zu Recht an uns haben. Denn eines eint uns heute sicher alle, dass wir diese Bilder in unserer Stadt nie wieder sehen wollen. Ich danke Ihnen bis hierher für Ihre Aufmerksamkeit. Und nun würde ich an Herrn Rechtsanwalt Kniesel weitergeben, der zu drei Dingen Stellung nehmen soll, zum einen dazu, ob die Entscheidung, meine Entscheidung, nicht zu verbieten, falsch war, ob die Entscheidung, die laufenden Versammlungen nicht aufzulösen, falsch war, und drittens, wie die Stadt Stuttgart in der Zukunft mit ähnlichen Versammlungen von Querdenkern und Corona-Leugnern umgehen könnte. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit."

Herr RA Kniesel nimmt Bezug auf Aussagen, er sei im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung instrumentalisiert worden, und auf einen Artikel in den Stuttgarter Nachrichten vom 12.04.2021, der impliziert habe, man hätte es beim Gutachter "mit einem senilen Rechtsanwalt zu tun, der Entscheidungen durcheinanderwirft und sich im Infektionsschutzrecht nicht auskennt und für ein fünfseitiges Gutachten und die Präsentation desselben einen mittleren vierstelligen Betrag verlangt". Er stellt klar, sein Gutachtenauftrag bestehe nicht nur darin, das Kurzgutachten zu erarbeiten, am Samstag der Presse zur Verfügung zu stehen und in der Vorbereitung der Presseerklärung sowie seinem heutigen Erscheinen im Gemeinderat. Sein eigentlicher Auftrag bestehe darin, mit Blick nach vorne griffige, überzeugende Kriterien für die Zukunft zu entwickeln, wo aufgrund der Erfahrungen vom Karsamstag die Versammlungsbehörde in Stuttgart gerichtsfeste Verbote erlassen kann. Er gehe davon aus, diese Arbeit in zehn Tagen fertig zu haben. Dann werde er seinem Gutachtenauftrag gerecht werden. Weiter macht er darauf aufmerksam, dass, hätte die Stadt das Gutachten bei einem Hochschullehrer oder bei einer Großkanzlei aus dem Raum Stuttgart in Auftrag gegeben, sie mindestens das Vierfache bezahlt hätte.

Zum Vorwurf der Instrumentalisierung merkt er an, "wenn man in der Sache nichts findet, muss man auf die Person draufhauen. Dann wird die Expertise und die Neutralität infrage gestellt". Wenn man dies mache als politische Attacke, so hätte er mehr Professionalität erwartet, denn ein Blick in Google hätte gereicht, um zu sehen, was er in seiner Zeit als Polizeipräsident gemacht und was er veröffentlicht habe. Für mehr als unprofessionell halte er die Unterstellung, er habe hier ein Gefälligkeitsgutachten für die Stadt Stuttgart geschrieben. Mit Ausnahme eines Gutachtens für die Stadt Dresden, wo darüber zu befinden war, ob das geltende Recht es hergäbe, als Versammlungsbehörde die Pegida-Demonstrationen alle zu verbieten, habe er ansonsten für keine CDU-regierte Stadt ein Gutachten erstellt. Seine übrigen Auftraggeber waren aus dem Bereich der GRÜNEN und der SPD, er selber war ursprünglich FDP-Mitglied, dann in der SPD. Inzwischen sei er keiner Partei mehr angehörig.

Was das Zustandekommen dieses Auftrags anbelangt, so sei er von Herrn BM Dr. Maier am letzten Mittwoch angerufen und gefragt worden, ob er bereit sei, die Vorfälle bei der Demonstration am Karsamstag zu beurteilen. Man würde die Unterlagen zur Verfügung stellen. Dies habe er zugesagt. Herr BM Dr. Maier habe ihn vorher nicht gefragt, zu welcher rechtlichen Beurteilung er denn wohl kommen würde. Das nun vorliegende Kurzgutachten habe er innerhalb von zwei Tagen erstellt.

Weiter führt Herr RA Kniesel aus, mit den hier diskutierten Fragen habe sich jüngst z. B. die Staatsrechtslehrertagung in Trier befasst. "Ich fasse mal kurz zusammen: Viele erwecken den Eindruck, als wenn wir im Ausnahmezustand leben würden. Das Grundgesetz kennt keinen Ausnahmezustand. Und wir kennen auch nicht, wie Artikel 48 der Weimarer Reichsverfassung, ein Notverordnungsrecht der Exekutive. Wir erleben vielmehr, dass die Parlamente sich mehr oder weniger selbst entmächtigt haben. Und bei der Staatsrechtslehrertagung in Trier herrschte zwischen Liberalen und Konservativen eindeutig die Auffassung vor, es war am Anfang ja gerechtfertigt, unsichere Rechtsgrundlagen und Tatsachengrundlagen, da sind die Gerichte mal großzügig. Inzwischen wird ganz klar gesagt, dass Versammlungsverbote auf der Grundlage der Corona-Verordnung, also etwa nach 9 und 11 der Corona-Verordnung, schlichtweg verfassungswidrig sind. Ich habe was vom Parlamentsvorbehalt gehört und von der sogenannten Wesentlichkeitslehre. Das bedeutet, je gravierender eine Grundrechtsbeeinträchtigung ist, je dezidierter und konkretisierter müssen die gesetzlichen Bestimmungen sein, die ein Eingreifen erfordern. So.

Und jetzt will ich darauf hinaus und sagen, unverrückbar nach der Verfassung, die muss ich Ihnen nicht in Erinnerung rufen, ist Artikel 8 Abs. 1. Da steht drin, dass Versammlungen bei uns ohne Erlaubnis stattfinden können. Nach dem Verordnungsregime des Infektionsschutzrechts wird das umgedreht in ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Schlichtweg verfassungswidrig. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip im Polizei- und Versammlungsrecht unterscheidet zwischen Störern und Nichtstörern. Und ein Nichtstörer kann im Versammlungsrecht nur in absoluten Ausnahmefällen in Anspruch genommen werden. Das Regime des Infektionsschutzrechts geht aber davon aus, dass jedermann ein potenzieller Störer ist. Da werden wir noch spannende Diskussionen kriegen, wie das ist, wenn ein Geimpfter mit einer entsprechenden Bescheinigung an einer Demo teilnehmen will. Der kann kein Störer sein. Aber das sei nur am Rande erwähnt.

Worauf ich eigentlich hinaus will, selbst wenn man das nicht als verfassungswidrig ansieht, es ist ja hier der Eindruck erweckt worden, dass wenn man nach dem Infektionsschutzgesetz, ich sage jetzt mal nach dem Regime des Infektionsschutzrechts die Versammlung am Karsamstag behandelt hätte, dann wären Verbote möglich gewesen. Und da muss ich einfach sagen: Das ist Schwachsinn! Egal ob Sie § 15 Abs. 1 mit Verbot oder beschränkenden Verfügungen zugrunde legen oder ob Sie nach 9 und 11 Coronaschutz-Verordnung Baden-Württemberg vorgehen, das Ergebnis ist immer dasselbe. Denn jede Auflage, die ergeht, egal auf welcher Rechtsgrundlage, muss geeignet, erforderlich und angemessen sein. Das Ergebnis wäre in beiden Fällen gleich gewesen. So.

In diesem Zusammenhang muss ich was von der sogenannten Konzentrationsmaxime sagen. Damit nicht der Eindruck entsteht - nicht nur jetzt hier im Hause, sondern ganz generell -, dass die Belange des Infektionsschutzes zu kurz kämen dabei. Die sogenannte Konzentrationsmaxime besagt, Rechtsprechung Bundesverfassungsgericht, also keine Exotenmeinung von mir, Bundesverfassungsgericht, Bundesverwaltungsgericht, sagt: Wenn jemand eine Versammlung macht, dann muss er einen Bescheid aus einer Hand bekommen, wo alle gefahrenabwehrrechtlichen Gesichtspunkte abgedeckt sind. Das heißt jetzt nicht, dass die Versammlungsbehörde sich anmaßen kann, Aspekte - jetzt etwa ob eine Sondernutzung vorliegt, wenn einer eine gewagte Konstruktion sinnbildlich einbringen will, wo die Baugenehmigung eine Rolle spielt, oder wie hier, wenn Infektionsschutzrecht eine Rolle spielt -, dann kann sie sich nicht über die Belange der eigentlich dafür zuständigen Behörde hinwegsetzen.

Aber es ist so, und so ist es hier auch eingehalten worden, die Versammlungsbehörde ist federführend. Und sie beteiligt und handelt im Einvernehmen jetzt hier etwa mit dem Gesundheitsamt. Das Gesundheitsamt, und so ist es ja auch gelaufen, meldet seine Bedenken an und sagt, wir wollen die und die Auflagen haben. Das Besondere besteht ausschließlich darin, das ist ein formaler Gesichtspunkt, dass sie nicht selber - jedenfalls nach meiner Meinung nicht selber - eine infektionsschutzrechtliche Verfügung machen kann, sondern ihre Bedenken müssen eingekleidet werden in eine Auflage nach dem Versammlungsgesetz. Verstehen Sie? Das kommt auf dasselbe raus, eine andere Bedeutung hat die Konzentrationsmaxime nicht. Sie will nur ermöglichen, dass der Anmelder nicht zu verschiedenen Behörden hinlaufen muss, sondern eine Entscheidung aus einer Hand bekommt. Und die hat er hier bekommen.

Es juckt mich noch, und ich tue es noch einfach, zwei, drei Aspekte hier anzusprechen. Das eine ist, was ist Aufgabe einer Versammlungsbehörde? Ich habe da völliges Verständnis dafür, wenn ich die Alu-Hüte sehe und was da einige Querdenker und sonstige Verschwörungstheoretiker von sich geben. Ja, in der Tat, da kann man sich nur an den Kopf fassen. Aber es ist nicht Aufgabe der Versammlungsbehörde, egal wie unsinnig und diffus die Vorstellungen eines Anmelders sind, das zu bewerten. Solange keine strafrechtlichen Inhalte vorliegen und es nicht unfriedlich ist, muss er sich einer Bewertung enthalten. Und wenn man die noch so gerne von der Straße runter hätte. Das ist nicht Gegenstand der Aufgabe der Versammlungsbehörde. Ich sage mal, das ist wie bei Pegida. Das muss eine Gesellschaft aushalten können. Und jetzt kommt ja noch eines hinzu. Die Versammlungsfreiheit hat der Verfassung wegen und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts immer die Funktion eines Ventils gehabt, wo die Leute Luft ablassen können. Und ich denke, das ist doch gerade in der gegenwärtigen Diskussion, das muss man ertragen können.

Dann tauchte hier vorhin schon der Aspekt auf, ja, warum ist denn der Oberbürgermeister, der hätte doch dem Verwaltungsgericht vorlegen müssen. Also sorry, ich nehme mich jetzt in der Formulierung zurück und sage nicht, das ist absoluter Schwachsinn. Aber es ist Schwachsinn. Dafür ist er doch da, dafür kriegt er die B-Besoldung, dass er den Rücken hat und sagt, ich habe hier eine rechtliche, keine politische, eine rechtliche Entscheidung zu treffen. Und ich habe das zu verantworten. Und dann kann er kein Schwarze-Peter-Spiel betreiben und sagen, ja komm, dann mache ich es mir doch bequem, ich verbiete das. Und wenn es aufgehoben wird, ja gut, dann bin ich es nicht gewesen. Da habe ich mich früher schon drüber aufgeregt, als ich Polizeipräsident war. Das muss man auf seine Kappe nehmen. Und das ist seine Aufgabe. Und der hat er sich hier gestellt.

Letzter Punkt, da muss ich auch ein bisschen Luft ablassen: Im Zug las ich von einem Herrn Kusterer von der Deutschen Polizeigewerkschaft. Na gut, da ist man was gewohnt, differenzierte rechtliche Stellungnahmen darf man von da nicht erwarten. Aber wenn ich da den Slogan höre: "Friedlich und ohne Waffen ist in Pandemiezeiten wie Abstand und Maske tragen". Ja also hallo. Friedlich und ohne Waffen, das ist schon dieser Doppelbegriff, heißt, ich muss gewalttätig sein. Und wenn ich gewalttätig bin, komme ich gar nicht in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit rein. Wenn ich aber einen normalen, Sie können auch sagen, selbst wenn es ein einfacher Straftatbestand ist, begehe, bin ich deswegen nicht unfriedlich. Wenn ich aber einen Rechtsverstoß begehe, etwa gegen eine Auflage, kann ich aus dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit rausbefördert werden mit einer Auflösungsverfügung, die hier aus den genannten Gründen nicht erfolgt ist. Also, Sie sehen, auch was politisch umstritten sein mag, auf einen gewissen rechtlichen Standard muss man sich schon festlegen. Und nicht rechtliche Entscheidungen mit politischen Entscheidungen verwechseln. So, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und stehe Ihnen gern zur Verfügung."

In Anbetracht dessen, dass Abwägungen und Bewertungen in Kooperation zwischen Stadt, zwischen Versammlungsbehörde und Polizeivollzugsdienst, die im Vorfeld stattgefunden haben, bereits ausführlich dargestellt wurden, übergibt Herr Polizeipräsident Lutz das Wort sogleich an den Leitenden Polizeidirektor Höfler, Leiter der Schutzpolizeidirektion beim Polizeipräsidium Stuttgart und polizeilicher Einsatzleiter vom Ostersamstag, der im Folgenden den Einsatzverlauf aus polizeilicher Sicht darlegt. Die Ausführungen von Herrn Polizeidirektor Höfler sind wiedergegeben im leicht überarbeiteten Wortlaut:

"Sehr geehrte Damen und Herren, besten Dank, dass ich die Gelegenheit erhalte, für die Polizei einige Takte zum Einsatzgeschehen an sich zu sagen. Was wir nicht ganz vermeiden können, dass es natürlich zu ein paar Redundanzen kommt, wenn ich jetzt auf das Einsatzgeschehen zu sprechen komme. Das liegt in der Natur der Sache. Da hat der Herr BM Dr. Maier schon Ausführungen zum Einsatz aus Sicht der Versammlungsbehörde gebracht. Und da wird es wahrscheinlich die eine oder andere Überschneidung geben.

Vielleicht zum Vorfeld, bevor ich am Ende den Einsatz gesamt würdige: Was hatten wir für eine Ausgangslage? Da streiten sich ja auch die Gelehrten darüber, von wie vielen Teilnehmern wir insgesamt ausgegangen sind. Darüber habe ich schon im Innenausschuss berichtet, dass wir uns natürlich intensiv Gedanken gemacht haben, wie viele Teilnehmer werden denn ungefähr bundesweit zu mobilisieren sein an so einem Karsamstag? Und ich bleibe auch bei meiner Bewertung, dass es in der Festlegung, am Ende konkret zu fassen, es sind 4.000, es sind 8.000 oder es sind 12.000, völlig unseriös ist. Wir hatten natürlich die Einschätzung, es werden mehrere tausend Menschen sein. Aber für die Polizei an sich ist es nachher entscheidend, wie wir uns polizeitaktisch, personell und konzeptionell auf eine Einsatzlage einstellen. Da ist es egal, ob 5.000, 15.000 oder 30.000 stehen, wir müssen das polizeilich bewältigen können. Und da gibt es andere Kriterien, als die reine Isolierung einer Gesamtteilnehmerzahl. Das vielleicht vorweg.

Wir hatten natürlich starke Mobilisierungen, die wir über verschiedene soziale Medien insbesondere festgestellt haben im Vorfeld der Einsatzplanung. Wir hatten für den Einsatztag an sich zahlreiche Versammlungsanmeldungen an verschiedenen Örtlichkeiten. Wir hatten mit Sicherheit zwei Örtlichkeiten, die sich herauskristallisiert haben, die für uns im Fokus stehen. Das war einmal natürlich der Magnet, der Wasen, das Veranstaltungsgelände, wo wir mit der größten Versammlung, so wie es ja auch eingetreten ist, gerechnet haben. Wir hatten den Marienplatz. Aber wir hatten auch zahlreiche Versammlungsanmeldungen für die Innenstadt. Und das war unsere eigentliche Prognose, dass wir davon ausgegangen sind, dass die Versammlungsteilnehmer, die der Rubrik der Querdenker-Bewegung zuzuordnen sind, im Innenstadtbereich sich verteilen und dann auch vom Marienplatz kommend in einem gesamten Aufzug nachher verdichten auf der B 14 Richtung Bad Cannstatt. Das war die eigentliche Einschätzung, die wir hatten an dem Tag. Hat sich so in der Praxis, wie Sie es wissen, nicht bestätigt, weil nämlich die Versammlungsörtlichkeiten in der Innenstadt nicht so stark frequentiert wurden, wie wir das annahmen, sondern sich das wirklich vom Marienplatz aus schon sehr, sehr früh entwickelt hat.

Ich glaube, über den alljährlichen Ostermarsch muss ich keine großen Ausführungen machen, das ist alljährlich völlig unkritisch, hat auch an dem Karsamstag keinen großen Raum eingenommen, weil das eine Versammlungslage war, die coronabedingt völlig hygienegerecht erfolgt ist.

Wir hatten darüber hinaus natürlich die Einschätzung und die Bewertung, dass aus dem linksextremistischen Spektrum versucht wird, Protestaktionen zu planen. Dort keine Anmeldung, versammlungsrechtlich betrachtet, sondern dass wir halt von Protestformen ausgingen. Die Erkenntnis hatten wir auch. Wir hatten auch Erkenntnisse dazu, dass aus dem Bereich des rechtsextremistischen Spektrums Personen teilnehmen. Die haben wir in unsere Gesamtbewertung natürlich mit einfließen lassen. Auch ein Kriterium natürlich, wo man sich polizeitaktisch drauf einstellt. Aber auch im ganz normalen Versammlungsgeschehen nichts Atypisches, was uns in der Planung vor die größten Herausforderungen, was diese verschiedenen Teilnehmerformen betrifft, stellt.

Herr BM Dr. Maier hat ausgeführt, darauf kann ich relativ kurz eingehen, wir waren natürlich aufgrund der Gesamteinsatzlage, aufgrund der Größe des Einsatzes in einer sehr, sehr intensiven Abstimmung. Die Grundlage, das wurde jetzt auch sehr plastisch vom Herrn Kniesel noch mal dargestellt, war, dass wir die Situation haben werden am Karsamstag für uns als Polizei: Wir haben eine genehmigte Versammlungslage, sowohl als Kundgebungsform wie auch als Aufzug. Und da ist es für die Polizei entscheidend, diese Versammlungsfreiheit, egal welcher Couleur, egal welcher Teilnehmer, zu gewährleisten. Das ist unser Auftrag. Das, was wir polizeilich dürfen, und das, was wir nicht dürfen, sagt uns das Gesetz. Und das muss man auch bei so einer Einsatzlage, bei allen nachvollziehbaren Emotionen immer bitte berücksichtigen.

Die Einschätzung im Voraus habe ich gesagt: Wir haben damit gerechnet, mehrere tausend Versammlungsteilnehmer insgesamt. Vielleicht ein paar Takte zur Teilnehmerbegrenzung. Teilnehmerbegrenzung mag ein probates Mittel sein in urbanen Flächen, die überschaubar sind. Ich nehme gerne das Beispiel aus Sinsheim, weil wir das vor dem 03.04. hatten. Dort hatte man die Möglichkeit, mit einer Teilnehmerbegrenzung zu arbeiten. Man hatte nur wenige Zufahrtsmöglichkeiten, hatte eine Stadt, die im Kern 'überschaubar' ist, in Anführungsstrichen, ohne despektierlich zu sein, die mit der Großflächigkeit Stuttgarts nicht vergleichbar ist. Eine Teilnehmerbegrenzung in Großstädten mit verschiedenen Möglichkeiten der Ausweichfläche, da hat man mit anderen Herausforderungen zu arbeiten. Deswegen haben wir in der Grundeinschätzung gesagt, wenn wir eine Teilnehmerbegrenzung vornehmen, die Möglichkeit gibt es als Auflage, ist das mit Sicherheit eine Rechtsnatur, über die man praktisch verfügen kann. Aber in der polizeipraktischen Auswirkung hat man danach natürlich mit dem Problem zu kämpfen, dass wenn trotzdem mehrere tausend Teilnehmer kommen, die haben dann nicht das Versammlungsrecht verwirkt, sondern die können in einer Art Spontanversammlungen an Ausweichflächen mit der gesamten gleichen Problematik, die wir haben, des erhöhten Infektionsrisikos sich friedlich versammeln.

Wir haben die Erfahrung gemacht in der Vergangenheit, dass die Teilnehmer, gerade in jüngster Zeit, in den letzten Wochen, ich gucke auf den 13.04. in Stuttgart, diese Auflagen ignorierten. Wir hatten eine genehmigte Versammlung im Oberen Schlossgarten und die Erfahrung gesammelt, dass nach dieser Versammlung, die beendet wurde, 1.500 Menschen durch Stuttgart gelaufen sind, was nicht genehmigt war. Also kein Aufzug war genehmigt, die Teilnehmer haben trotzdem ihren Aufzug gemacht im Rahmen der Friedlichkeit eines spontanen Aufzuges. Aber damit möchte ich Ihnen zeigen, welche Grenzen gesetzt sein können, im Rahmen oder unter dem Schutzmantel der Versammlungsfreiheit, wenn die Leute friedlich bleiben. Es kam in Einzelfällen, um einfach auch Emotionen darzustellen, zu Beleidigungen und in Einzelfällen zu Körperverletzungsdelikten. Aber da liegt ein großer Schwerpunkt auf 'in Einzelfällen'. Wir hatten hier keine insgesamt unfriedliche Entwicklung.

Dann habe ich dargestellt Sinsheim als Beispiel, wo man auch festgestellt hat, dass trotz der Teilnehmerbegrenzung in Sinsheim mit beschränkten Möglichkeiten der Zufahrtskontrolle trotzdem mehr Menschen kamen, mehr Menschen in die Stadt strömten. Und sich an diese Auflage nicht gehalten haben. Das gehört zur Wahrheit dazu.

Ich denke, das war so der kleine Abriss, um darzustellen, warum kamen wir zu der Einschätzung, wie wir sie getroffen haben im Vorfeld der Versammlung. Also, wir hatten die Ausgangslage, am Karsamstag genehmigte Versammlung. Wir werden die Versammlungsfreiheit gewährleisten, und zwar für alle Demonstrationen, auch für die Gegendemonstrationen, auf die ich noch zu sprechen komme. Wir hatten um 10:47 Uhr am Marienplatz ca. 300 Personen, aber haben da schon festgestellt, dass es zu einem massiven Zulauf kommt. Das hat sich dann gezeigt: Bis 12:00 Uhr hatten wir eine Teilnehmerzahl von 4.000 bis 5.000 Personen auf dem Marienplatz. Und auch da haben wir schon festgestellt, obwohl die Chronologie des zeitlichen Ablaufs etwas ganz Anderes vorgesehen hat, dass die Leute in die Bewegung gehen wollten. Wir hatten auch zu dem Zeitpunkt schon in der Aufklärung das Wissen darüber, dass noch wesentlich mehr Leute Richtung Marienplatz laufen und sich genau dieser Versammlung anschließen werden. Aber auch da von Beginn an am Marienplatz ein völlig friedliches Versammlungsgeschehen.

Ich möchte das nicht schönreden, ich werde Ihnen auch noch was dazu sagen, was das mit einem macht als Polizei, wenn man so einen Einsatz leitet, für die Kolleginnen und Kollegen das auch begleiten muss. Weil wir natürlich das Spannungsfeld des Infektionsgeschehens berücksichtigen, sehen. Aber das ist ein Spannungsfeld, was die Polizei in der Form, wie es sich vielleicht einige von uns in der Gesellschaft wünschen, weil sie ein Fragezeichen haben und nicht verstehen, warum die Polizei das so hinnehmen muss. Aber dazu werde ich am Ende noch was sagen.

Der Aufzug hat sich dann um 12:14 Uhr in Bewegung gesetzt. Wir haben bis dahin schon, bis der Aufzug in die Bewegung gegangen ist, auf den Versammlungsleiter hingewirkt, dass er auf die Auflagen hinweist, weil es ja auch schon am Marienplatz zu Auflagenverstößen gekommen ist. Diese Durchsagen des Versammlungsleiters wurden sehr, sehr mäßig umgesetzt. Deswegen haben wir polizeilich unterstützt, auf unsere Möglichkeiten zurückgegriffen und haben intensiv die Teilnehmer über Lautsprecherdurchsagen darauf hingewiesen, welchen Auflagen sie nachkommen müssen für den Infektionsschutz. Also ich möchte nur die beiden wesentlichen herausgreifen: Mindestabstand und Maske tragen. Intensiv, und das können Sie sich vorstellen, haben wir das gebetsmühlenartig von Beginn der Versammlung am Marienplatz bis zum Versammlungsende auf dem Wasen immer wiederholt mit allen Lautsprecherwagen, die wir hatten.

Wir haben darüber hinaus auf den Versammlungsleiter hingewirkt, dass er mit seinen Ordnern an seine Versammlungsteilnehmer diese Auflagen transportiert. Das hat manchmal ganz gut funktioniert, manchmal weniger. Deswegen haben wir mit unseren Kommunikationsteams, Antikonflikt-Teams, wie sie bei uns heißen, genauso diese Aufgabe übernommen, Versammlungsteilnehmer intensiv angesprochen, sie gebeten, Masken zu tragen, Abstand zu halten. In weiten Zügen wurde das aber ignoriert. Der Aufzug ist in Bewegung gegangen, musste dann aber kurz nach Beginn auf der Höhe der Fangelsbachstraße gestoppt werden. Der Grund war eine Gegendemonstration, die so nicht angemeldet war, sondern eine Gegendemonstration, die sich auf die B 14, also als Art Blockade, in den Weg gestellt hat.

Zu der Gegendemonstration kann ich sagen, wir hatten das einmal auf der B 14 an sich, und wir hatten das im Bereich der Tübinger Straße, weil dann der Hauptaufzug der Querdenker Richtung Tübinger Straße abgebogen ist. Deswegen hat man sich auch in die Tübinger Straße begeben, um dort zu blockieren. Das ist im Versammlungsgeschehen eine Handlung, die häufiger eintritt. Deswegen haben wir das auch genauso gehandhabt, wie einmal das Versammlungsrecht es uns vorgibt, und auch wie es bei anderen oder vergleichbaren Themen von Versammlungen immer wieder stattfindet: Man hat zunächst mal versucht, einen Versammlungsleiter in Erfahrung zu bringen von den Teilnehmern während der Blockadeaktion. Es gab keinen Versammlungsleiter, es hat zumindest sich keiner bereiterklärt, die Versammlungsleitung zu übernehmen. Und dann habe ich im Einvernehmen mit der Versammlungsbehörde den Teilnehmern mehrfach, mehrfach einen alternativen Versammlungsort angeboten. Das ist immer die ausgestreckte Hand, zu sagen, sie haben genauso wie die Hauptversammlung der Querdenker die Möglichkeit, die Versammlungsfreiheit für sich in Anspruch zu nehmen, aber wir brauchen für sie einen alternativen Versammlungsort, damit diese beiden Versammlungen sich nicht in die Quere kommen. Haben wir gemacht, mehrfach. Diese mehrfachen Angebote wurden aber nicht angenommen. Dann haben wir im Einvernehmen mit der Versammlungsbehörde ihnen einen alternativen Versammlungsort zugewiesen. Und auch der wurde nicht angenommen. Und dann ist das in dem Bereich angelangt, wo dann die Kooperation endet, weil da keine Lösung in Aussicht ist. Und deswegen hat die Versammlungsbehörde diese Versammlung, diese Protestform der Gegenversammlung, aufgelöst.

Und nach der Auflösung, das ist chronologisch wichtig, haben die Teilnehmer die Möglichkeit, sich vom Ort zu entfernen. Das konnten sie auch. Aber aufgrund der Gefahrenprognose von uns haben sie einen Platzverweis erteilt, weil ich als Einsatzleiter davon ausgegangen bin, dass diese Personen auch im Nachgang zu dieser Protestform weiterhin versuchen werden, die Versammlung zu stören. Das ist ein Platzverweisverfahren, wir haben sogar den Kontakt mit der Bereitschaftsrichterin aufgenommen, und die Bereitschaftsrichterin hätte mir als Einsatzleiter sagen können, dass sie in der Abarbeitung des Platzverweisverfahrens eine Gewahrsamnahme sieht. Aber diese Einschätzung ist nicht eingetreten. Sie hat gesagt, nein, ich habe momentan nicht den Bedarf, ins Anhörungsverfahren zu gehen, machen Sie Ihren Platzverweis. Deswegen haben die Teilnehmer einen Platzverweis erhalten. Das Verfahren an sich, bis alle abgearbeitet waren, hat dann bis 16:45 Uhr gedauert.

Welche Reaktionsmöglichkeiten hatten wir? Ich habe davon berichtet, wir hatten dann den Aufzug, der sich dann über die Nebenstraßen, Tübinger Straße, bewegte, haben wir dann irgendwann wieder auf die Route zurückgeführt. Er hat sich dann irgendwann erhöht, bis er am Wasen dann ankam auf über 10.000 Personen. Ich habe schon berichtet, dass wir über 10 Antikonflikt-Teams im Einsatz hatten, die auf die Teilnehmer intensiv eingegangen sind über 6 Lautsprecherwagen, Versammlungsleiter mehrfach angesprochen, sowohl am Marienplatz als auch am Cannstatter Wasen. Die Ordner wurden immer wieder gebetsmühlenartig angewiesen, ihre Aufgabe zu übernehmen und die Auflagen durchzusetzen. Bei allen Versammlungsteilnehmenden oder ich sage mal bei der überwiegenden Mehrheit hat das leider keine Früchte getragen. Das ist auch Fakt, was man dazu sagen kann.

Bereits zu Beginn, während des Aufzugs und auch auf dem Wasen war natürlich immer die Frage, wir haben massive Auflagenverstöße. Richtig. Und das sind Auflagenverstöße, die für uns als Polizei auch hochgradig unbefriedigend sind. Ich werde gleich eine Bewertung vornehmen, aber mir ist es wichtig, der Herr BM Dr. Maier hat es angesprochen, aus dieser Auflösung, egal ob Sie die am Marienplatz präferiert hätten, im Aufzug selber oder am Wasen, ergibt sich immer eine Entfernungspflicht. Die Personen, kann ich Ihnen sagen, wären nicht gegangen. Das war die klare Einschätzung. Also diese Emotionen, und ich glaube, die können wir als Polizei ganz gut bewerten aufgrund unserer Erfahrungswerte, auch aufgrund unserer Erfahrungswerte in der jüngsten Vergangenheit: Die Masse, es wären tausende von Personen, wäre dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Wir hätten aufgelöst, und dann ergibt sich daraus eine Entfernungspflicht für die Teilnehmer. Und dann bleiben die stehen. Dann ergibt sich die Pflicht aber immer noch. Und dann müssten wir als Polizeivollzugsdienst diese Entfernungspflicht durchsetzen.

Da sagt man, na klar, das hohe Infektionsrisiko. Aber jetzt bitten wir, einfach mal darüber nachzudenken: Wir hatten Tausende von Menschen, wir hatten 30-Jährige, 40-Jährige, 50-Jährige, 70-Jährige, mit Hund, ohne Hund, mit Kindern, wir hatten Tausende Menschen unserer bürgerlichen Mitte, die völlig friedlich dort stehen. Manche nennen das ziviler Ungehorsam. Und dann sollen wir diese Menschen notfalls mit unmittelbarem Zwang, also mit Pfefferspray, mit Schlagstock, mit Wasserwerfern - ich nehme den Wasen - von dem Wasengelände runtertreiben? Das ist unverhältnismäßig. Kriege ich als Einsatzleiter nicht hin. Und deswegen habe ich mich auch eindeutig dagegen ausgesprochen. Dafür stehe ich als Einsatzleiter nicht zur Verfügung.

Ich habe vollstes Verständnis, glauben Sie mir das, für dieses Spannungsfeld, das dort entsteht. Auf der einen Seite die Versammlungsfreiheit, auf der anderen Seite das Infektionsrisiko. Aber dieses Spannungsfeld kann die Polizei in der Form nicht lösen. Weil, wenn nämlich nachher, und wir reden hier immer noch, Herr Kniesel hat es gesagt, über die Ordnungswidrigkeiten, ein Auflagenverstoß, die Maske nicht tragen, ist eine Ordnungswidrigkeit. Wenn wir gegen Tausende von Personen, und ich habe Ihnen gerade gesagt, wer das war - wir hatten natürlich auch Leute aus dem extremistischen Spektrum unter diesen Teilnehmern, das möchte ich gar nicht beiseite wischen, das hatten wir -, aber wir reden über Tausende Menschen unserer bürgerlichen Mitte, die ihren Unmut zum Ausdruck bringen. Und dann erwarten wir von der demokratischen Polizei, dass sie bei einer völligen Friedlichkeit Verletzungen hervorrufen soll, um den Platz zu räumen.

Und da möchte ich auf den Platz eingehen. Wir hätten das Problem gar nicht lösen können. Also ich hätte die Situation nicht verbessert. Wir hätten das Problem räumlich verlagern können vom Wasen runter auf die Mercedesstraße. Da stehen aber immer noch Tausende dort. Und vor allem hätten wir mit der polizeilichen Arbeit das Infektionsrisiko erhöht, weil erstens körperliche Anstrengung dazukommt und wir die Personendichte noch erhöhen. Und mit dem Wissen, dass wir das Infektionsrisiko nicht verbessern, sondern verschlechtern, sollen wir noch weiß ich nicht wie viele Verletzte produzieren, um nachher zu sagen, aber wir haben gehandelt? Steht außer Verhältnis. Kann ich Ihnen so in der Form leider nicht anbieten.

Am Ende, kann ich Ihnen sagen, ist das für uns als Polizei Stuttgart total unbefriedigend, glauben Sie mir das. Und es geht auch nicht darum, dass eine Polizei nicht handlungsfähig ist. Wir sind immer handlungsfähig. Und wir werden auch in Stuttgart, haben wir nicht und werden wir auch nicht in Zukunft, irgendwelche rechtsfreien Räume entstehen lassen. Es ist auch kein rechtsfreier Raum, wenn Leute ohne Maske in diesem Fall friedlich demonstrieren. Weil nämlich trotzdem zu diesem rechtssicheren Raum die Frage trotzdem im Kontext steht, ob der Schaden nachher, den ich mit der Durchsetzung erziele, höher ist, als der Verfolgungsanspruch einer Ordnungswidrigkeit. Und ich hoffe, Sie glauben uns, dass wir, die so einen intensiven Kontakt haben zu Rettungsdiensten, zur Feuerwehr, zu Krankenhäusern, dass wir einen Blick haben für Intensivstationen, für Schwererkrankte, die im Covidbereich irgendwo im Intensivbereich liegen, da haben wir einen ganz, ganz guten Blick für. Und dass sich das nicht gut anfühlt, das, hoffe ich, können Sie uns abnehmen. Soviel aus Sicht der Polizei Stuttgart. Besten Dank."

OB Dr. Nopper dankt für die Berichte und erinnert, bevor er das Wort an die Vertreterinnen und Vertreter der Gemeinderatsfraktionen übergibt, daran, dass mit den Fraktionsvorsitzenden als Orientierungsmarke eine Redezeit von 7 Minuten vereinbart worden sei. Dem Dank an die Berichterstatter schließen sich die Rednerinnen und Redner seitens des Gemeinderates an.

StR Winter (90/GRÜNE) dankt für die Möglichkeit, so kurzfristig über das, was am Karsamstag passiert ist und wie es dazu kommen konnte, in öffentlicher Sitzung zu informieren, und auch den Fraktionen die Möglichkeit zu geben, kundzutun, was sie darüber denken.

Am Karsamstag und in den Tagen danach seien in Deutschland Bilder von Stuttgart kursiert, die eine Stadt im Ausnahmezustand gezeigt haben: Bilder von Menschenmengen, die sich ohne Abstand, ohne Masken und damit ohne Schutz für sich selbst und vor allem ohne Schutz für die jeweils anderen durch Stuttgart bewegt haben, Tausende von Menschen, die zeigen wollen, dass sie nicht an die schützende Wirkung der Corona-Maßnahmen glauben, sondern dagegen demonstrieren. Es waren Leute sowohl aus dem extremistischen Bereich als auch Menschen, die mitgelaufen sind, weil sie vieler Dinge überdrüssig sind, aber ein Mittel gewählt haben, das eine Gefährdung dargestellt habe der Menschen in Stuttgart.

Selbstverständlich sei das Recht auf freie Meinungsäußerung und auch das Recht auf Versammlungsfreiheit von höchster Bedeutung in einer freien Gesellschaft. Ein ebenso hohes Gut, welches im Infektionsschutzgesetz verankert ist, sei das Recht auf Gesundheit und Unversehrtheit, welches hier genauso abgewogen werden müsse. Bevor Herr RA Kniesel zu seiner Abwägung kam, habe sich die Situation die Woche davor laut den Stuttgarter Nachrichten so dargestellt, dass die Querdenker eine Kundgebung angemeldet haben, zu der sie rund 2.500 Teilnehmende erwarten. Jedoch habe es die Einschätzung gegeben, dass es durchaus auch viel mehr Teilnehmende sein können. Zwar sei richtig, dass die Querdenker sich distanziert haben von einem Aufzug, gleichzeitig sei der aber sowohl im Internet als auch auf Flugblättern beworben worden, und man habe von Telefonketten und Ähnlichem gehört.

Gleichzeitig sei zu sehen, dass Herr Ballweg und seine 0711-Demonstrationen in Stuttgart seit November 2020 unter Beobachtung waren. So hätten der Innenminister des Landes Baden-Württemberg und die Präsidentin des Landesverfassungsschutzes Hinweise auf extremistische Umtriebe festgestellt. Dies sei auch im Stuttgarter Rathaus bekannt gewesen. Für seine Fraktion stelle sich insbesondere die Frage "Wie können wir Stuttgarterinnen und Stuttgarter schützen vor diesen Gefahren der Ansteckung?" Die Bundesregierung habe diesbezüglich eine Abwägung getroffen: Ein Eingriff in die Grundrechte muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Dies setze voraus, dass der Eingriff ein legitimes Ziel in geeigneter, erforderlicher und angemessener Weise verfolgt. Der Schutz der Bevölkerung und insbesondere eine Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems seien ein legitimes Ziel für solche Grundrechtseingriffe. Da das Coronavirus sich vor allem durch soziale Kontakte überträgt, seien Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, soziale Kontakte zu verringern oder zu verhindern, wie das Verbot, die Beschränkung von Versammlungen, geeignet, die Gesundheit der Bevölkerung und das Funktionieren des Gesundheitssystems zu schützen.
Herr Kniesel habe dies jedoch in seinem Gutachten in Abrede gestellt.

Man stelle in keiner Weise in Abrede, dass das Versammlungsrecht auch in der Pandemie gilt und dass das Land diese Möglichkeit in der aktuellen Coronaverordnung ausdrücklich eröffnet hat. Es spreche auch weiterhin von einer Einzelfallüberprüfung. Dies sei notwendig, denn man wolle nicht ein pauschales Verbot von Versammlungen jedweder Art. Eine solche Einzelfallprüfung hätte seine Fraktion von BM Dr. Maier erwartet in der Woche vor Karsamstag, denn "die Hinweise für uns alle lagen auf der Hand und waren bekannt". Man habe die Bilder im Kopf, nicht nur von der Demonstration, der Kundgebung, dem Aufzug, auch Szenen von bedrängten Menschen im ÖPNV, Demonstrationsteilnehmer, die die Supermärkte geflutet haben am Marienplatz, und Menschen, die nichts damit zu tun haben, gefährdet haben. Eine solche Gefährdung der Stuttgarterinnen und Stuttgarter wolle man nie mehr so hinnehmen.

Besonders entsetzt habe ihn jedoch die Reaktion von BM Dr. Maier, die er verstehe "als erste Reaktion nach Stunden einer großen Anspannung in dem Bewusstsein, dass es noch viel schlimmer hätte kommen können". Dennoch gebe es keinen Grund, angesichts dieser Bilder von Erleichterung und von friedlich zu reden, weil es trotzdem noch eine Gefährdung der Gesundheit von Bürgerinnen und Bürgern der Stadt gewesen sei. Kein Wort jedoch sei gefallen "zur Unerträglichkeit dieser Geschehnisse in einer Zeit, wo den Bürgerinnen und Bürgern Stuttgarts viele Einschränkungen und Ausgangssperren auferlegt werden müssen". In dieser Zeit erleichtert zu sein und von friedlichen Treffen zu reden, sei ein Schlag ins Gesicht derer, die seit einem Jahr an Intensivbetten stehen und Menschenleben retten, aber teilweise leider auch nicht retten können. Dies habe ihn am Karsamstag-Abend zutiefst erzürnt und umgetrieben.

OB Dr. Nopper habe sich am Ostersonntag zu Wort gemeldet, und er habe auch heute viele richtige Sätze dazu gesagt. Er jedoch hätte sich gewünscht, dass diese Reaktion bereits am Karsamstag erfolgt wäre. Er anerkenne die gestrige Ankündigung des Oberbürgermeisters, die Beschlüsse des Bundeskabinetts umgehend - noch vor der Rechtskraft - umzusetzen, und finde, man müsse wieder in die Rolle kommen, wo Stuttgart in dieser Frage vorangeht, wenn das Bundeskabinett solche Schritte noch nichts rechtskräftig gemacht hat. Auch sei es notwendig und wichtig, nach vorne zu schauen, damit solche Dinge nie wieder passieren. OB Dr. Nopper sei angetreten mit OB-Erfahrung und mit dem Versprechen, entschlossen und engagiert zu handeln. "Bitte tun Sie das. Tun Sie das unbedingt auch in diesen Sachen!"

An BM Dr. Maier gewandt merkt er abschließend an: "Sie haben vorher so etwas in Abrede gestellt, was ist, wenn wir ein Verbot aussprechen und wie dann die Gefahren sein werden. Wir haben jetzt ein Verbot ausgesprochen. Das begrüßen wir außerordentlich. Wir müssen jetzt alles tun, um uns darauf vorzubereiten, dass wir es auch schaffen, solche Bilder von Stuttgart fernzuhalten. Vielen Dank."

StRin Bulle-Schmid (CDU) verurteilt aufs Schärfste die unter Missachtung aller Auflagen stattgefundene Corona-Demonstration am Karsamstag. Man trete diesem Missbrauch des Versammlungsrechts entschieden entgegen, "aber auf dem Fundament des Rechtsstaats, weil wir wissen, wie wichtig das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist. Wenn wir wollen, dass der Rechtsstaat für alle gilt, dann muss das der Maßstab auch für städtisches Handeln sein. Und deshalb ist es gut, dass wir heute erfahren haben, dass Stadt und OB richtig und rechtstreu am Karsamstag gehandelt haben." Jeder habe nach Artikel 8 das Recht zu demonstrieren, unabhängig vom Inhalt, gegen oder für was demonstriert wird. Unliebsame Demonstrationen können nicht einfach so verboten werden, denn sonst würde man das Fundament der Gesellschaft, die freiheitlich-demokra-tische Verfassung, verlassen und hätte Willkür - dies wolle man als CDU nicht.

Man wolle und erwarte aber Rechtstreue und das Einhalten von Regeln von den Demonstranten. Die Stadt habe zusammen mit der Polizei im Vorfeld sehr wohl abgewogen und bewertet, wie mit den Anmeldungen der vielen Demos umgegangen werden kann und darf. Sie habe sich dabei an Gesetze und Verordnungen zu halten und dürfe nicht willkürlich auf Verdacht Verbote aussprechen. Man verurteile das unsoziale, rücksichtslose und rechtswidrige Verhalten der allermeisten Demonstrationsteilnehmer, die bewusst keine Maske getragen haben, bewusst keinen Abstand gehalten haben und bewusst sich und andere, Unbeteiligte, mit dem Virus gefährdet, vielleicht sogar infiziert haben. Sie seien es, die dazu beitragen, dass das Virus sich weiter ausbreitet, dass es mutiert und dass die Bürgerinnen und Bürger Einschränkungen in ihrem täglichen Leben hinnehmen müssen. "Und dann gehen sie wieder gegen diese Einschränkungen auf die Straße und demonstrieren ohne Einhaltung der Regeln und Auflagen und verteilen weiter das Virus!" Man habe null Verständnis für das Verhalten dieser Demonstranten, die den Rechtsstaat mit Füßen getreten haben und die Bevölkerung verärgert, verunsichert und gefährdet haben. Diese Menschen seien zu verurteilen und nicht der Oberbürgermeister, seine Verwaltung und die Polizei, die sich an Recht und Ordnung gehalten haben und die nach intensiver Prüfung und Beratung zu der bekannten Entscheidung gekommen seien. Deren Entscheidung sei jedoch zu Unrecht ganz schnell als Fehler dargestellt worden. Mit der Forderung nach Rücktritt von BM Dr. Maier durch einige Mitglieder des Gemeinderates sei eine rote Linie überschritten worden. Die CDU-Gemeinderatsfraktion erwarte dafür Entschuldigungen von denjenigen, die diese Forderung ausgesprochen haben.

Es gelte jetzt aber auch, nach vorne zu schauen und zu klären, wie geht es weiter, wenn wieder demonstriert wird? Jetzt wisse man, dass auch Herr Ballweg unzuverlässig geworden ist und die Radikalisierung der Coronagegner zugelassen hat. Er habe nicht dafür gesorgt, dass die Teilnehmer die Auflagen einhalten. Daraus könne und müsse man lernen. Sie sei daher froh und erleichtert, dass die Stadt die für den 17.04. angemeldeten Demonstrationen verbieten konnte, weil der Veranstalter Ballweg und andere sich nachweislich vom Pfad der Verlässlichkeit verabschiedet haben. Erneut betont die Stadträtin, es gehe der CDU nicht darum, das hohe Gut der Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 des Grundgesetzes zu untergraben. Man wolle aber auch nicht zusehen, wie die Versammlungsfreiheit von Rechtsbrechern egal welcher Couleur mit Füßen getreten wird. "Dann muss der Staat, dann muss die Polizei eingreifen. Das sind wir unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig. Und wir müssen unseren Bürgerinnen und Bürgern auch erklären, warum welche Entscheidungen gefallen sind." Für die Einrichtung des Bürgertelefons dankt sie dem Oberbürgermeister und bittet darum, den dafür vorgesehenen Zeitrahmen bei Bedarf auszudehnen.

Ausdrücklich dankbar sei sie der Polizei dafür, dass diese so umsichtig war und nicht massiv eingegriffen hat. "Denn dann würden wir heute darüber diskutieren, warum sie eine Eskalation mit Gewaltexzessen provoziert und nicht verhindert hat. Das kann ich Ihnen versprechen. Wie schnell so ein Gewaltausbruch bei so großen Menschenmassen passieren kann, haben wir schon sehr oft in unserem Land erlebt, zuletzt in unserer Stadt bei der Gewaltnacht. Und ich glaube, keiner von uns will solche Bilder noch mal sehen hier in Stuttgart."

Zusammenfassend sei festzustellen, dass erstens der Stadtverwaltung kein Vorwurf gemacht werden kann, da diese rechtmäßig und richtig gehandelt habe. Zweitens, vorausschauend musste eine andere Bewertung über den Verlauf der Demonstration am Karfreitag erfolgen als im Nachhinein, drittens müsse das Wissen um die Radikalisierung der Querdenker Maßstab zukünftigen Verwaltungshandelns sein und das Risiko in Kauf genommen werden, dass das Verwaltungsgericht möglicherweise anders beurteilt, viertens erwarte man, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Versammlungen hart bestraft werden, wenn sie sich nicht an Coronaregeln halten ebenso wie an alle anderen Auflagen.

Auch StR Rockenbauch (FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) geht zunächst ein auf die besondere Situation inmitten einer historischen Pandemie, die der Gesellschaft ungeahnte Kraftanstrengungen abverlange und die von allen Einschränkungen hinzunehmen erfordere und auch Eingriffe in die Grundrechte. Gegen ein Virus helfe es nicht, zu demonstrieren oder mit ihm zu verhandeln, sondern es helfe, die Hygieneregeln einzuhalten, Abstand zu halten, Maske zu tragen, Hände zu waschen, soziale Kontakte zu vermeiden und irgendwann einmal das Impfen.

Dass es inmitten dieser Situation im Zusammenspiel von Verwaltung, Polizei und der Politik nicht gelungen sei, den Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger durchzusetzen und zu garantieren, mache ihn noch immer sprachlos. Ein solches "Corona-Superspreader-Event, diese Corona-Party, dieses Dampfablass-Ventil", wie Herr Kniesel es genannt hat, sei nicht friedlich. Es gehe vielmehr die "brutalst mögliche Gewalt von so einer Veranstaltung aus", denn man müsse davon ausgehen, dass bei der vorherrschenden Virusvariante dieses Verhalten tötet. "Und genau dieses Verhalten haben Polizei, Verwaltung und die politischen Menschen von Herrn Maier bis Oberbürgermeister, die in diesem Prozess Verantwortung tragen, zugelassen!" Sie hätten zugelassen, dass es rechtsfreie Räume gibt. Deswegen wäre für die Polizei aller Anlass gewesen, durchzugreifen. Diese habe den Gesundheitsschutz jedoch nicht durchgesetzt und somit rechtsfreie Räume für diese Menschen gegeben, die eben nicht Teil der bürgerlichen Mitte seien. Es sei ein kleiner Teil der Bevölkerung, eine krude Mischung aus Verschwörungstheoretikern bis hin zu Rechten, Rechtsradikalen, Neonazis, Hooligans, die dort mitdemonstriert hat. Auch frage er sich, wie man gerade von denen, die sich der Hygiene verweigern, glauben kann, dass sie die Hygieneauflagen einhalten? Aus seiner Sicht sei hier eine politische Fehleinschätzung erfolgt.

Der politische Schaden und der gesundheitliche Schaden, der von diesem Event ausgeht, sei noch nicht zu Ende. Und die Einzelfallbetrachtung, die er bei der Frage des Verbots für richtig halte, sei falsch bei der Bewertung dessen, was stattgefunden hat. Da der rechtsfreie Raum zugelassen worden sei, erfolge nun eine Selbstermächtigung dieses kleinen Teils der Bevölkerung, man ermutige sie dadurch sogar, zu mobilisieren, obwohl die Landeshauptstadt für den 17.04. ein Demonstrationsverbot ausgesprochen hat. Die Fehlentscheidung habe also stattgefunden bei der Frage des Verbotes. Die Radikalisierung in der Szene der Querdenken-Bewegung sei bereits auf den letzten Demonstrationen deutlich geworden. Auch habe der Anmelder bereits am 08.07.2020 öffentlich erklärt: "Das Tragen einer Mund- und Nasenbedeckung (Maske) ist mit meiner politischen Aktivität bei Querdenken 711 nicht vereinbar, da die so genannte Maskenpflicht für mich ein Symbol der politischen Unterdrückung darstellt. Und dagegen protestiere ich". Insofern hätte man bereits im Vorfeld von der Missachtung der Masken- und Abstandspflichten wissen müssen, und es hätte dazu keine neue Verordnung gebraucht und keine weiteren Einschränkungen, so der Stadtrat.

Die Verwaltungsspitze habe zugeschaut und damit eine Einladung an die Querdenker ausgesprochen. Deswegen sei es leicht, jetzt zu sagen, diese Menschen hätten das Versammlungsrecht missbraucht. Aus seiner Sicht hätten Herr BM Dr. Maier oder Herr Oberbürgermeister die Versammlung auflösen müssen, weil die Demonstrierenden ihr verfassungsrechtliches Recht verwirkt haben dadurch, dass sie sich nicht an die notwendigen Hygieneauflagen gehalten haben. Wie einfach es ist, den Versammlungsschutz aufzulösen und Platzverweise stadtweit auszusprechen, habe die Polizei an der Gegendemonstration bewiesen. Auch hätte man der Querdenker-Versammlung einen anderen Ort zuweisen und ihnen auferlegen können, dort ihr Demonstrationsrecht wahrzunehmen, z. B. auf der B 14 zu bleiben. All das habe man nicht getan. Daher bleibe er dabei, dass, wenn man diese rechtsfreien Räume zulässt, der Rechtsstaat an dieser Stelle nicht mehr glaubwürdig sei und zu einem nächsten Event ermutige, welches dann wiederum viel gefährlicher sei als diese Veranstaltung, wo die Durchsetzung der Hygieneauflagen zu einer Auflösung hätte führen müssen. Die Auflösung hätte natürlich dann auch durchgesetzt werden müssen. Herr Höfler habe vorhin erklärt, dass die Polizei - egal, ob 5.000 oder 30.000 - handlungsfähig war. "Somit lag es nicht an der Handlungsfähigkeit der Polizei, sondern sie wollte nicht. Und die Politik wollte nicht auflösen unter einer falschen Abwägung, weil sie nur das singuläre Ereignis betrachtet hat und nicht die politischen Folgen."

Scharf verurteile man als FrAKTION die Kommunikation über das Geschehene. Es sei dort nicht friedlich zugegangen, und man habe versagt beim Gesundheitsschutz und bei den rechtsfreien Räumen. Auch habe er heute kein einziges Mal gehört, dass die Verantwortlichen einen Fehler gemacht haben. Zwar sei bedauert worden, dass Menschen sich nicht an Regeln halten, aber das eigene Verhalten sei nicht kritisch hinterfragt worden. Wer aber nicht zugibt, einen Fehler gemacht oder eine falsche Einschätzung gehabt zu haben, der könne nichts dazulernen. Auch habe er heute keinen einzigen Beleg von der Verwaltungsspitze gehört, was sie denn außer dem Verbot am 17.04. besser machen will: "Wird die Polizei jetzt durchgreifen? Oder nicht? Wie setzen Sie es durch, dass vielleicht gar nicht erst die Menschen nach Stuttgart kommen? Gibt es da ein Konzept dafür, gibt es da Kontrollen, gibt es ein Einreiseverbot? Was passiert da? Wie garantieren Sie Gesundheitsschutz und die Gegendemonstrationen, die alle schön ordentlich angemeldet sind?"

StR Körner (SPD) schildert am Beispiel von drei ihm persönlich bekannten Frauen, die am Karsamstag in Stuttgart unterwegs waren, deren traumatische Erlebnisse im Zusammenhang mit der Corona-Demonstration und dem Zusammentreffen mit Teilnehmer*innen. Alle diese Frauen hatten Angst, weil ihre Gesundheit gefährdet worden sei. Auch für ihn bleibe leider festzustellen, "dass wir unsere Bevölkerung an diesem Karsamstag nicht geschützt haben. Und es war auch nicht friedlich, was da stattgefunden hat, sondern das war gefährlich. Die Stadt und das Land haben die Bevölkerung nicht vor gefährlichen Rechtsbrechern geschützt. Und ich finde, dass wir uns dafür bei den Menschen unserer Stadt entschuldigen müssen. Wir müssen um Verzeihung bitten dafür, dass das passiert ist. Wir alle im Übrigen. Die Angst und das Erkennen, dass Stadt und Land mich nicht schützen konnten, sitzen tief, aber alle Menschen erwarten von der Stadt, vom Land, vom Staat den Schutz vor Gefahr. Er persönlich tue sich nach wie vor schwer damit, Schuld zuzuweisen, u. a. deswegen, weil auch er zumindest in den Tagen davor nicht den Vorschlag gemacht habe, diese Demonstration zu verbieten. Die Entschuldigung und die Bitte um Verzeihung erfolge deswegen unabhängig von der Schuldfrage, sondern weil man in der Verantwortung stehe.

Folgende Fragen des SPD-Antrags sieht der Stadtrat noch offen, auf die er gerne noch eine Antwort hätte: Wie wurde die epidemiologische Lage beurteilt und inwiefern wurde die berücksichtigt bei der Frage "Können wir die Versammlung verbieten - ja oder nein?" Schließlich habe man am 31.03. in Stuttgart die Notbremse ziehen müssen, weil die 100er-Inzidenz an mehr als drei Tagen überschritten war und somit eine neue Gefährdungssituation in der Stadt da war und somit eine neue Rechtslage.

OB Dr. Nopper bittet er heute noch um eine Antwort auf die Frage "Wie war der Oberbürgermeister in diese wichtige Entscheidung vor dem Karsamstag eingebunden?" Er erinnert an die Erfahrungen aus der "Krawallnacht" im vergangenen Jahr und daran, dass Fritz Kuhn vor einer solchen Veranstaltung immer voll in der Verantwortung gewesen sei. Die SPD-Fraktion erwarte für die Zukunft, dass OB Dr. Nopper Verantwortung übernimmt für den Schutz der Bevölkerung und es zur Chefsache macht, die Bevölkerung vor dem Corona-Virus zu schützen. Auch sei man der Meinung nach dieser Erfahrung, dass in Pandemiezeiten die Versammlungsfreiheit stärker eingeschränkt werden muss als bislang. Herr Kniesel habe dazu Ausführungen gemacht, dass dies eine ganz schwierige rechtsstaatliche Frage ist, dass wir alle uns ja schwertun damit, "aber ich bin der Meinung, dass bestimmte Teilnehmerzahlen in bestimmten Inzidenzzahlen nicht mehr gehen. Die sächsische Corona-Verordnung lege dazu das Limit fest: 1.000 Teilnehmer und ab einer 200er-Inzidenz 200 Teilnehmer maximal. Frage: Geht das verfassungsrechtlich?" Für wichtig halte man, dass diese Frage geprüft wird auf Landesebene in der Landesverordnung.

Grundsätzlich neue Gedanken müsse man sich auch machen z. B. darüber, was es heißt, wenn erwartet wird, dass Tausende nach Stuttgart kommen, für die Kontrolle der Anfahrtswege, um zu verhindern, dass auf dem Weg zum Versammlungsort Demonstrationsteilnehmer ohne Maske z. B. durch die Königstraße ziehen oder in Stadtbahnen und Bussen fahren. Es brauche ein neues Sicherheitskonzept des Landes, das einerseits umsetzbar ist, andererseits aber auch klar macht, so geht es nicht! Er bitte zu prüfen, ob eine Maskenpflicht in der Innenstadt für solche Tage angeordnet werden kann, weil dann auf andere Weise eingegriffen werden kann, bevor die Teilnehmenden die Versammlung erreicht haben.

Die Behauptung der sog. Querdenker, sie kämen aus Stuttgart, tue vielen Stuttgarterinnen und Stuttgartern wahnsinnig weh. Er begrüße daher sehr, wenn OB Dr. Nopper am Samstag auf den Marienplatz geht, um mit der Bewegung "Wir sind 0711" zu zeigen: Diese Querdenker sind nicht Stuttgart. Diese Stadt übernimmt Verantwortung füreinander. "Unsere Stadt ist anders als diese sogenannten Querdenker. Sie ist tolerant und sie ist weltoffen, und wir nehmen Rücksicht aufeinander in so schwierigen Zeiten. Und das müssen wir in Zukunft auch deutlich machen, weil, es stimmt ja schon: Wir müssen auch in der Breite der Gesellschaft immer wieder dafür werben, dass die Freiheit des einen an der Freiheit des anderen auch aufhört. Und das heißt auch, Rücksicht aufeinander zu nehmen, gerade in so schweren Zeiten. Vielen herzlichen Dank."

StRin Yüksel (FDP) erinnert an ihre Begrüßungsrede für OB Dr. Nopper und ihren dort formulierten Wunsch, dass er sich klar und deutlich gegen sämtliche Bestrebungen von rechts und gegen Verschwörungsideologen positionieren möge, die auch Leben in Stuttgart gefährden. Nur zwei Monate nach seinem Amtsantritt sei es jetzt zu einer massiven Gefährdung der Gesundheit der Stuttgarter Bevölkerung gekommen, nachdem Tausende Demonstranten mit einer unglaublichen Verachtung und Verhöhnung des Rechtsstaates und seiner Institutionen maskenlos und ohne Abstand durch Stuttgart gezogen sind. Die sprunghaft gestiegenen Neuinfektionen und die diffuse Lage, die man in Stuttgart nun habe, sprächen für sich. Der Oberbürgermeister habe nach der Demonstration und auch heute mehrfach sehr deutliche Worte gefunden. Hierfür sei sie ihm dankbar, wenngleich sie sich die Reaktion durchaus ein wenig früher hätte vorstellen können.

Der Wunsch, nun nach vorne zu blicken, sei richtig, aber ohne eine wirkliche Analyse der Geschehnisse und insbesondere ohne die Beantwortung der Frage, welche Fehler aufseiten der Verwaltung gegebenenfalls gemacht wurden, werde man in Zukunft nicht die richtigen Schlüsse ziehen können. Es müsse irgendetwas schiefgegangen sein, wenn diese Demonstration in dieser Form in Stuttgart stattfinden konnte und die Bevölkerung nicht geschützt werden konnte. Man könne nicht so tun, als ob diese Demo ein schicksalhaftes Ereignis war, dem man hilflos ausgeliefert ist. Man höre seit der Demonstration von der Verwaltung unisono, ihre Einschätzung sei rechtlich wie faktisch korrekt gewesen, die Rechtslage habe bei dem Sachverhalt bzw. der vorgenommenen Prognose ein Demonstrationsverbot nicht hergegeben, untermauert mit einem siebenseitigen Kurzgutachten. Diesem Kurzgutachten könne man im Hinblick auf die vorgenommene Gefahrenprognose als tatsächlichen Anknüpfungspunkt entnehmen, dass die Verwaltung den einen Anmelder, dessen Bewegung vom Verfassungsschutz beobachtet wird, aufgrund der elf vorangegangenen Demos als zuverlässig einstufte. Darin erschöpfe sich die Gefahrenprognose aber nicht: Insgesamt vermisse man die Darlegung der Abwägung, welche weiteren Erkenntnisse von der Verwaltung der Gefahrenprognose und der Abwägung zugrunde gelegt wurden:

Wurde die Radikalisierung der vom Verfassungsschutz beobachteten Querdenker-Bewegung berücksichtigt? Wurde gesehen, dass die Demo bundesweit beworben wurde und sehr wohl damit zu rechnen war, dass sehr viel mehr Teilnehmer kommen als angemeldet? Ist man in Erfahrungsaustausch mit anderen Städten gegangen? Wurde berücksichtigt, dass aufgrund des Selbstverständnisses dieser Bewegung selbstverständlich damit zu rechnen war, dass zentrale Aufgaben wie Maskenpflicht missachtet werden? Inwieweit sind die Erkenntnisse aus Kassel und anderen Städten in die Gefahrenprognose eingeflossen? Wie sehr ist die Gefahr, die von der Demo für Leib und Leben der Bevölkerung ausging, in die Abwägung eingeflossen?

Die Antworten auf diese Fragen fehlen, und so sei sie auch nach dem heutigen Statement und nach dem vorliegenden Kurzgutachten überzeugt davon, dass ein Verbot unter Zugrundelegung aller Erkenntnisse rechtlich möglich gewesen wäre und zumindest die Teilnehmerzahl hätte begrenzt werden müssen. Insoweit liege hier eine Fehleinschätzung der Verwaltung vor. Eine wehrhafte Demokratie brauche auch eine Verwaltung, die unerschrocken bestehendes Recht umsetzt und sich nicht davor scheut, ihre Entscheidungen gerichtlich überprüfen zu lassen. An RA Kniesel gewandt betont die Stadträtin, dies sei auch kein Schwachsinn, weil bestimmte Sachverhalte auch von Juristen und Sachverständigen rechtlich unterschiedlich bewertet werden, weshalb man unabhängige Gerichte und verschiedene Instanzen habe. Es gehe ihr nicht um die mögliche fehlende Neutralität von Herrn RA Kniesel, es gehe um die unterschiedliche Bewertung der Sachlage und damit um eine andere Rechtsauffassung.

Zu Irritationen hätten auch die Reaktionen von der Verwaltung insgesamt, aber besonders von Herrn Ordnungsbürgermeister Dr. Maier im Anschluss an die Demo geführt. Die Aussagen waren wohl nicht verharmlosend gemeint, seien jedoch absolut verharmlosend rübergekommen, insbesondere die wiederholte Verwendung des Wortes "friedlich". "Eine Demonstration, die an sich geeignet ist, das Leben und die Gesundheit von vielen Menschen zu gefährden, ist nicht friedlich. Eine Demonstration bei der - in offensichtlich abgesprochenem großen Konsens - praktisch kein Teilnehmer eine Maske trug und die Abstandsregeln nicht eingehalten wurden, Tausende somit bewusst gegen Recht und Ordnung verstoßen, ist nicht friedlich. Eine Demonstration, auf der Menschen, die Masken trugen, von anderen Teilnehmern angepöbelt werden, auch in der S-Bahn, auch auf unseren Plätzen oder in Supermärkten, ist nicht friedlich!"

Die Entscheidung der Polizei, die Versammlung trotz tausendfachem Verstoß gegen die Auflagen nicht aufzulösen, halte ihre Fraktion unter Abwägung der Gesamtumstände und vor allem der Gefahr, die von einer Auflösung ausgegangen wäre, für absolut richtig und verhältnismäßig - auch wenn der Gedanke, dass die Polizei quasi hilflos die tausendfachen Verstöße hinnehmen musste und der Rechtsstaat hier absolut auf der Strecke blieb, geradezu unerträglich sei.

Die Pandemie verlange allen sehr viel ab. Politisch werden bei der Pandemiebekämpfung durchaus auch Fehler gemacht, und es erschließe sich ihr die Sinnhaftigkeit manch einer Maßnahme nicht, sodass diese überprüft werden müsste. Es sei das Recht eines Jeden, die Verhältnismäßigkeit der vielen Eingriffe in die Grundrechte, in die Freiheitsrechte kritisch zu hinterfragen. Man gefährde dabei aber nicht Leib und Leben anderer Menschen. Wenn es den Demonstrierenden wirklich um die Aufhebung der Maßnahmen gegangen wäre, dann hätte es ihnen ein Anliegen sein müssen, dass die Infektionszahlen sinken. Paradoxerweise ließen sie jedoch mit ihrem Verhalten die Infektionszahlen in die Höhe schnellen und erreichen damit genau das Gegenteil, nämlich, dass die Maßnahmen weiterhin aufrechterhalten werden müssen. Der FDP-Gemeinderatsfraktion fehle hierfür jegliches Verständnis, und man verurteile die Vorkommnisse auf das Schärfste.

Auch die Freien Wähler halten das Verhalten der Demonstranten vom Karsamstag für extrem rücksichtslos und unverantwortlich, bekräftigt StRin von Stein (FW). Man verurteile dies auf das Schärfste. Deshalb stehe für sie auch außer Frage, dass die Anmelder und Organisationen der Demonstrationen nicht ungeschoren davonkommen dürfen. Sie sei daher froh zu hören, dass intensiv ermittelt wird. Auch sie unterstreicht, das Recht, seine Meinung öffentlich äußern zu dürfen und zu demonstrieren, sei ein wesentlicher Bestandteil unseres Rechtsstaates. Mehrfach haben die Gerichte daher bestätigt, dass auch während der Pandemie demonstriert werden darf. Es komme auf die Einzelfallprüfung an. Eine solche sei hier erfolgt mit dem Ergebnis, dass man die Demonstrationen unter Einhaltung von Auflagen zulassen musste. Dass diese Auflagen nicht eingehalten wurden, werde künftige Verbote hoffentlich erleichtern.

Sie gibt zu bedenken, dass das Argument, wonach man hätte wissen müssen, dass die Demonstranten sich nicht an die Auflagen halten, und man die Demonstrationen deshalb hätte verbieten müssen, im Klartext bedeute, dass ein Freiheitsrecht aufgrund von Vermutungen verwehrt wird. Denke man diesen Gedanken zu Ende, so könnte jedwede Demonstration, an der vielleicht gewaltbereite Demonstranten teilnehmen, verboten werden. Dies entspreche nicht ihrem Verständnis vom Recht auf freie Meinungsäußerung.

Weiter verweist sie darauf, dass wesentlich mehr Demonstrationsteilnehmer als angemeldet waren, in Stuttgart unterwegs waren. An Beispielen von Demonstrationen in Hamburg zeigt die Stadträtin auf, dass es unmöglich sei zu prognostizieren, wie viele Menschen an einer Demonstration teilnehmen werden. Es müsse daher um die Frage gehen, wie geht man mit einer solchen Demonstration um? Wäre die Demonstration noch per Eilentscheidung genehmigt worden, hätten die Organisatoren obsiegt, und die Demonstration hätte dennoch stattgefunden. Die Stadt hätte sich dann zurücklehnen und sagen können, wir wollten ja verbieten. Aus ihrer Sicht bedeute dies allerdings auch, dass die Verantwortung an ein Gericht abgeschoben wurde. Wäre die Demonstration dagegen verboten worden, so habe aus ihrer Sicht die Polizei glaubhaft dargestellt, dass davon auszugehen war, dass dennoch viele auch ohne Genehmigung demonstrieren würden.

Anhand eines aktuellen Facebook-Posts von StR Rockenbauch, in welchem zu einer Form von Gegendemonstration am 17.04.2021 aufgerufen wird, weist die Stadträtin darauf hin, dass es für Demonstranten häufig unerheblich sei, ob eine Demonstration genehmigt ist oder nicht. Damit zeige StR Rockenbauch deutlich, dass er selbst nicht davon ausgeht, dass ein Verbot der Demonstration die gewünschte Wirkung gehabt hätte. Nach ihrer Meinung müsste StR Rockenbauch in dieser Pandemiesituation auf einen solchen Aufruf und eine Gegendemonstration verzichten, wenn es ihm wirklich um den Schutz der Bevölkerung gehen würde.

Mit Blick auf die Forderung nach dem Einsatz von Wasserwerfern, die mehrfach in den sozialen Medien erhoben worden sei, möge sie sich gar nicht erst vorstellen, was dabei alles hätte passieren können und welchen Aufschrei es dann gegeben hätte. Zudem hätte sehr wahrscheinlich jeder eingreifende Polizeieinsatz zu Situationen geführt, bei denen das Infektionsrisiko um ein Vielfaches höher gewesen wäre, als beim Laufenlassen der Demonstration. Natürlich nehme sie dieses Dilemma sehr stark wahr, denke aber, man müsse es dennoch aushalten. Sie erkundigt sich, ob sich Teilnehmer anderer Demonstrationen immer an die Abstands- und Hygieneauflagen halten.

Im Hinblick auf die Wortwahl merkt sie an, lese man die Berichterstattung zu Demonstrationen oder anderen Großveranstaltungen, so werden diese auch während der Pandemie immer dann als friedlich bezeichnet, wenn es zu keinen gewalttätigen Auseinandersetzungen im Sinne von Handgreiflichkeiten oder Ähnlichem kommt. Angesichts der unaufgeregten Berichterstattung bei anderen Großdemonstrationen mit anderem politischen Hintergrund dränge sich ihr der Verdacht auf, "dass es bei einigen hier im Saal weniger um die Aufarbeitung der Geschehnisse geht als um eine politische Aktion, den Oberbürgermeister und den Ordnungsbürgermeister anzugreifen".

StR Köhler (AfD) lenkt den Blick auf den Mai 2020, als am Rande einer Querdenker-Demonstration auf dem Cannstatter Wasen friedliche Teilnehmer von Linksextremisten teilweise lebensgefährlich verletzt wurden. Er hätte sich damals ein wenig mehr mediale und politische Aufmerksamkeit für die ganz realen und ganz bedrohlichen gesellschaftlichen Entwicklungen in dieser Stadt gewünscht. Die mediale und politische Aufmerksamkeit wurde stattdessen jetzt "einer vollkommen friedlich verlaufenen Demonstration gewidmet, auf der die Ordnungswidrigkeit masken- und abstandsloses Auftreten unter freiem Himmel sehr absichtsvoll und sehr kollektiv begangen wurde". Diese Ordnungswidrigkeiten allein seien bei weitem noch kein Grund, mit Schlagstock und Wasserwerfer gegen die Demonstranten vorzugehen. Davon, "dass man Demonstrationen auch von Spinnern und Esoterikern nicht einfach verbieten kann, haben in den letzten Jahrzehnten besonders Grüne und Linke profitiert", so der Stadtrat weiter.

Zudem sei es mittlerweile gesicherte wissenschaftliche Kenntnis, dass Übertragungen im Freien keine Rolle spielen. Im Positionspapier der Gesellschaft für Aerosolforschung zum Verständnis der Rolle von Aerosolpartikeln bei SarsCoV2-Infektionsgeschehen vom 11.04.2021 heiße es daher folgerichtig: "Es ist mittlerweile Konsens in der Wissenschaft, die Übertragung der SarsCoV2-Viren findet fast ausnahmslos in Innenräumen statt. Übertragungen im Freien sind äußerst selten und führen nie zu klassischen Infektionen, wie das in Innenräumen zu beobachten ist". Weiter heiße es im selben Positionspapier: "Wir sollten nicht unsere begrenzten Ressourcen auf die wenigen Promille der Ansteckungen im Freien verschwenden". Somit habe man es bei diesem Demonstrationsgeschehen "mit dem mannigfaltigen Ausdruck folgenloser Ordnungswidrigkeiten zu tun, was die links-grüne Seite den Schlagstock auf Grundrechte zücken lässt".

Er teile den von seiner Vorrednerin geäußerten Verdacht, dass man offensichtlich den Oberbürgermeister und auch den Ordnungsbürgermeister erkennbar beschädigen will: "Das alles hier trägt schon deutlich sichtbar die Züge einer lokal beschränkten Medienkampagne. Die Presse darf natürlich vermelden, was sie will, sie ist frei, sehr gerne. Aber es fällt schon auf, wie beispielsweise statt des Impf-Desasters ausgerechnet eine vollkommen friedliche Demonstration als Sau durchs Stuttgarter Dorf bis in den Innenausschuss unseres Landes getrieben wurde."

StR Puttenat (PULS) greift den von OB Dr. Nopper in den letzten Tagen häufig wiederholten Satz "Im Nachhinein ist man immer schlauer" auf. Dies stimme natürlich, und zwar insbesondere dann, wenn man im Vorhinein die Situation unterschätzt hat trotz vieler Warnhinweise. Vor dem Ausschuss für Inneres, Digitalisierung und Migration habe der Oberbürgermeister am Montag im Landtag behauptet, die Radikalisierung in Stuttgart hätte erst am 3. April angefangen. Schaue man auf ganz Deutschland und betrachte die Querdenken-Demos, so zeige sich ein völlig anderes Bild. Man wisse wohl, dass es sich bei jeder Demo um eine Einzelfallentscheidung handelt, "aber nichts von dem, was am Karsamstag hier in Stuttgart passierte, war eine riesige Überraschung". Man hätte aus seiner Sicht bereits vorher schon etwas schlauer sein können, weil von Vornherein zu erwarten war, dass sich eine Situation ergeben kann, in der der Infektionsschutz nicht mehr gewährleistet werden kann.

Gegenüber StR Köhler betont er, es gehe dabei nicht nur um die Demonstration als solche, denn die Teilnehmer*innen blieben nicht im luftleeren Raum oder nur unter sich. Sie besuchten Supermärkte, Kioske, Drogeriemärkte, sie fuhren mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Und folglich war es höchst fraglich, davon auszugehen, dass dies stets unter Einhaltung der Masken- und Abstandsregelungen erfolgen würde. Diese Leute begeben sich auch wieder nach Hause, zur Arbeit, treffen mit Familie, Freunden, Bekannten zusammen. Wenn man das Infektionsgeschehen tatsächlich ernst nimmt, so müsse man auch daran denken. Für höchst absurd halte er in diesem Zusammenhang auch, dass es laut SSB zu keinerlei Regelverstößen in den Bahnen gekommen sei. Er bitte daher um eine Berichterstattung der SSB hier im Rat oder im zuständigen Ausschuss, weil auch dies ein sehr wesentlicher Faktor für die Zukunft sei.

In den sozialen Netzwerken sei die Veranstaltung deutschlandweit beworben worden. Unter anderem sei mit fragwürdigen automatisierten Telefonanrufen versucht worden, unzählige Leute zu mobilisieren. Es stelle sich außerdem die Frage, wie vertrauenswürdig ein Anmelder ist, der bei einer seiner Demos in Berlin 1,3 Millionen Menschen zählte, bei dieser Demo jedoch nur 2.000 Menschen anmeldete? Auch dürfe man nicht vergessen, dass die Querdenker-Bewegung in Stuttgart gegründet wurde. Weiter verweist der Stadtrat auf eine Querdenker-Demo in Weil am Rhein vom letzten Dezember, die verhindert worden sei, weil es die pandemische Lage nicht zugelassen hat und das Verbot auch vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde. Die Fraktionsgemeinschaft PULS hätte sich gefreut, wenn auch eines dieser Beispiele herangezogen worden wäre. Selbst, wenn das Verbot vor Gericht gekippt worden wäre, so hätte die Stadt Stuttgart ein klares Signal an jene gesendet, die das Demonstrationsrecht missbrauchen. Aber gleichzeitig hätte sie ein Signal an die große Mehrheit jener Stuttgarter*innen gesendet, die sich ganz große Mühe geben, sich an den Infektionsschutz zu halten.

Im Hinblick auf die verschiedentlich verwendete Wortwahl, die Demo sei friedlich verlaufen, schließt er sich der mehrheitlich geäußerten Auffassung an, wonach, wer die Gesundheit anderer mutwillig in Gefahr bringt, eben nicht friedlich handelt.

Er habe im Vorfeld der Karsamstags-Demo bei einer Fraktionsvorsitzenden-Konferenz das Thema angesprochen und sich danach erkundigt, wie denn die Landeshauptstadt Stuttgart damit umgehen wolle, mit welcher Strategie. Auf diese Frage habe er keine Antwort bekommen. Ein paar Tage vor den Demos habe er außerdem eine E-Mail-Korrespondenz mit BM Dr. Maier geführt, bei der ein Screenshot der Querdenken-Bewegung angehängt war, aus dem unmissverständlich deutlich wurde, dass sich diese Leute egal unter welchen Umständen unter ihren eigenen Bedingungen in Stuttgart breitmachen würden. Es habe also Warnungen im Vorfeld gegeben.

Natürlich gehe es jetzt darum, nach vorne zu schauen, denn das Versammlungsrecht sei ein sehr hohes und schützenswertes Gut, das auch in Zeiten der Pandemie gilt: Aber unter Einhaltung der Auflagen, unter Einhaltung der Infektionsschutzregelungen. Dennoch glaube man, dass die zwei für den kommenden Samstag angekündigten Demos zu Recht aus guten Gründen untersagt werden. Diese Gründe wurden von der Bewegung selbst gegeben, doch werde die Frage generell sein, ob uns dies vor einer Wiederholung der Situation vom Karsamstag bewahren wird. Aus seiner Sicht könne man davon nicht ausgehen, da sich die Querdenken-Bewegung Räume suchen und diese finden werde.

In der Pressemeldung zum Rechtsgutachten, das von der Stadt in Auftrag gegeben wurde, sei er mit Staunen über folgenden Satz gestolpert, Zitat: "Auch hinsichtlich der Veranstalter der weiteren Corona-Versammlungen am Karsamstag haben keine Erkenntnisse, weder der Stadt noch der Polizei, vorgelegen, die gegen ihre Zuverlässigkeit und ihre Bereitschaft zur Einhaltung der erteilten Auflagen gesprochen haben". Auch Herr BM Dr. Maier habe in seiner Rede dies mehrmals wiederholt. Wer sich ein bisschen mit dieser Bewegung befasst, der könne wissen, dass deren Bereitschaft zur Einhaltung von Auflagen entweder nicht mehr vorhanden ist oder zumindest fortlaufend sinkt. "Wer aber in der Verantwortung dessen steht, was am Samstag vor zwei Wochen in unserer Stadt passierte, der muss das wissen!"

Er wiederholt daher seine Fragen: "Herr Oberbürgermeister Dr. Nopper, Herr Ordnungsbürgermeister Dr. Maier, Frau Koller als Leiterin des Ordnungsamtes, Herr Polizeipräsident Lutz und Herr Höfler als Einsatzleiter: Wie bereiten wir uns auf den kommenden Samstag vor? Wie werden wir in Zukunft mit Demo-Anmeldungen dieser Bewegung umgehen, die sicherlich kommen werden? Was ist Ihre Strategie und damit auch die Strategie der Stadt Stuttgart? Uns ist wichtig, wir wollen keine rechtsfreien Räume in dieser Stadt. Wir wollen, dass das Vertrauen in die Infektionsschutzmaßnahmen, in die Politik, in die Behörden, Ämter und in die Polizei nicht weiter beschädigt wird. Eines wollen wir nicht - dass sich die Infektion ein weiteres Mal in Stuttgart in dieser Art frei verbreiten kann. Das sind wir all jenen schuldig, die seit über einem Jahr auf viele Grundrechte verzichten, sich an Regelungen halten, die immense wirtschaftliche Einbußen haben, die sich täglich mit den Folgen der Pandemie auseinandersetzen müssen, die Menschen an das Virus verloren haben oder selbst erkrankt sind oder noch Langzeitschäden davontragen werden. Im Nachhinein ist man immer schlauer, und dieses Nachhinein ist jetzt. Lasst uns gemeinsam schlauer handeln. Vielen Dank."

OB Dr. Nopper dankt für die Redebeiträge und geht zunächst ein auf die Frage, was falsch gelaufen ist. Seines Erachtens hat sich die Gefahrenprognose rückblickend betrachtet als falsch erwiesen. Darüber hinaus war die Pressemitteilung, die unmittelbar nach der Versammlung erging, aus der Erleichterungssituation darüber, dass es nicht zu Gewalttätigkeiten und Ausschreitungen gekommen war, zwar verständlich, sie konnte jedoch missverstanden werden. Abgesehen von drei Angriffen auf Journalisten, die man nicht klein- und schönreden wolle, sei es zu keinen Gewalttätigkeiten gekommen. Im herkömmlichen Sinne könne man die Versammlung vielleicht als friedlich bezeichnen, wahrscheinlich müsse man in Pandemiezeiten aber das Wort friedlich neu definieren, weil die Verstöße gegen die Masken- und Abstandspflicht unter freiem Himmel zumindest potenzielle Angriffe auf die Gesundheit und die körperliche Integrität von Mitmenschen seien.

Zur Frage, wann ist der Oberbürgermeister eingebunden worden, laute die Antwort: Am Gründonnerstag. Da habe man hin und her und intensiv überlegt, ob eine Verbotslage da ist, ob Erkenntnisse und Anhaltspunkte bestehen, die eine Verbotslage hergeben. Dies wurde nach intensivster Abstimmung mit der Polizei verneint. Am Gründonnerstagabend habe er einen Anruf von BM Dr. Maier bekommen, und sie hätten sich gegen 20:30 Uhr wegen dieser Demonstration noch besprochen. Herr BM Dr. Maier habe ihm die Lage nochmals dargelegt und die Auffassung des Sozialministeriums übermittelt, wonach abstrakt betrachtet ein Verbot rechtlich möglich sei. Das Sozialministerium kannte jedoch nicht die Anmelder und kannte auch nicht die Umstände des Einzelfalls. Daraufhin habe er den Ordnungsbürgermeister gefragt, ob es Anhaltspunkte oder Erkenntnisse gibt, die ein solches Verbot rechtfertigen würden. Dies habe jener verneint. Er habe auch gefragt, ob es neue Erkenntnisse gibt, nachdem das Sozialministerium sich zu dieser vorgerückten Stunde mit uns in Verbindung setzt. Solche habe es nicht gegeben.

Zur Wahrheit gehöre auch, dass in diesem Zusammenhang auch die Einschätzung eine Rolle gespielt habe, dass, wenn jetzt am Gründonnerstagabend oder am Karfreitag ein Verbot ausgesprochen werden würde bei einer bundesweit beworbenen Veranstaltung, ein derart kurzfristiges Verbot nach Einschätzung von Versammlungsbehörde und Polizei enorme Eskalationsrisiken in sich getragen hätte.

Weiter stellt er klar, er habe zu keinem Zeitpunkt gesagt, dass der Anmelder Michael Ballweg ein zuverlässiger Partner ist. Er und auch andere haben gesagt: "Ballweg war bei den vorausgegangenen elf Veranstaltungen, jedenfalls weitgehend, zuverlässig im Sinne des Versammlungsgesetzes". Dies sei keine Wertung, sondern es sei ein Rechtsbegriff des Versammlungsrechts. Man habe im Vorfeld der Demonstration vom Karsamstag den Anmelder Ballweg als zuverlässig im Sinne des Versammlungsrechts eingestuft, weil er sich davor zumindest weitgehend an die Auflagen gehalten hatte.

Zum Vorwurf, die Radikalisierung sei schon vorher eingetreten, merkt er an, im Nachhinein sei es richtig, dass ganz offensichtlich die Radikalisierung zumindest in den Köpfen der Versammlungsleiter schon vorher eingetreten war. "Also Radikalisierung in der Gestalt, dass die sagen, wir unterlaufen systematisch die Corona-Auflagen, wir unterlaufen systematisch die Corona-Beschränkungen, das hatten wir bisher so nicht wahrgenommen." In anderen Städten bei ähnlichen Veranstaltungen sei es bereits zu derartigen Verstößen gekommen, doch müsse man sich immer auf den konkreten Einzelfall beziehen.

Was das Vorgehen am nächsten Samstag in Stuttgart angeht, so werde man darauf noch zu sprechen kommen. Tatsache bleibe aber: "Auch in Zukunft werden Versammlungen etwas Unberechenbares in sich tragen, erst recht verbotene Versammlungen. Und es wird auch in der Zukunft so sein, dass nicht alle Verstöße vorhersehbar und beherrschbar sind. Das gehört einfach zur Wahrheit. Etwas Anderes Ihnen zu versprechen, wäre völlig falsch!"

BM Dr. Maier ergänzt, die Tatsache, dass Herr Ballweg vom Verfassungsschutz beobachtet wird, sei kein infektionsschutzrechtliches Kriterium und dürfe für die rechtliche Betrachtung auch keine Rolle spielen, solange die Bewegung nicht verboten ist. Andere Bewegungen im linken Spektrum werden genauso beobachtet und dürften genauso die Versammlungsfreiheit wahrnehmen.

Dem Argument, wonach der Infektionsschutz ein legitimes Ziel für Grundrechtseinschränkungen darstelle, hält er entgegen, in der Begründung zur siebten, der aktuellen Corona-Verordnung in Baden-Württemberg schreibe das Land: "Die Einschränkung dieser verfassungsrechtlich besonders geschützten Rechtsgüter - Versammlungs- und Religionsfreiheit - ist auch vor dem Grundrechtsschutz auf Leben und körperliche Unversehrtheit bei Einhaltung der vorgeschriebenen Schutz- und Hygieneanforderungen derzeit nicht oder nur in geringem Umfang geboten". Die Begründung zur aktuellen Corona-Verordnung sei für die Entscheider immer ein Auslegungsmaßstab, wie mit diesen Punkten umzugehen ist. Beim Einschub, "bei Einhaltung der vorgeschriebenen Schutz- und Hygieneanforderungen" gehe es um die Auflagen, die dann im Rahmen des milderen Mittels eines Teilverbotes für eine Versammlung angeordnet werden.

Die Einzelfallprüfung sei ein paar Tage vor Karfreitag erfolgt, betont er nachdrücklich. Das Ergebnis dieser war der Schluss, dass man die Versammlung nicht verbieten kann, auch nicht nach dem Gespräch mit dem Sozialministerium am Gründonnerstagabend, weil keine neuen Erkenntnisse vorlagen und keine neue Rechtslage da war, die man hätte anders beurteilen können. Der Anmerkung, dass andere Städte Verbote vormachen, hält er entgegen, dass dies pauschal nicht richtig sei, weil es immer Einzelfallentscheidungen seien. So sei in Weil am Rhein das Komplettverbot der Stadt deshalb bestätigt worden, weil der Anmelder unzuverlässig war. Und dies sei auch für Stuttgart mit Blick auf den 17. April der Grund, die Versammlungen zu verbieten, weil man nun nämlich einen handfesten, konkreten Anlass habe zu sagen, der Anmelder ist unzuverlässig, und es ist nicht sichergestellt, dass er sich an die Auflagen hält.

Zum Thema "Blick in die Zukunft/das Verbot für den 17.04. durchsetzen" führt er aus, man sei gemeinsam mit der Polizei in der Abstimmung der Maßnahmen. So werde beispielsweise heute noch eine Verfügung für den 17.04.2021 veröffentlicht, dass in der Innenstadt Maskenpflicht gilt. Mit einer generellen Maskenpflicht in der Innenstadt könne die Polizei viel früher, viel schneller erkennen, wer nicht bereit ist, sich an die Maskenregeln zu halten, und so erhöhe sich dann auch der Kontrolldruck. Aber es bleibe ein erhebliches Restrisiko, weil es schwierig sei, alle Ausfallstraßen nach Stuttgart zu schließen und jeden einzeln zu kontrollieren und demjenigen dann an der Nasenspitze anzusehen, ob er zur Demo will oder andere Motive hat. Mit Blick auf die Aussage von StR Rockenbauch, wonach es eine politische Fehlentscheidung gewesen sei, nicht zu verbieten, verweist er erneut darauf, dass es bei einem Verbot einer Versammlung eben nicht um Politik gehe, sondern es gehe um Recht. Dies sei eine ganz andere Situation, weshalb dieser Hinweis nicht wirklich hilfreich sei. Weiter weist er darauf hin, dass Herr Ballweg innerhalb des letzten Jahres elfmal in Stuttgart als Anmelder vorstellig war, er habe elfmal eine Versammlung durchgeführt, war kooperativ und habe auf seine Teilnehmer eingewirkt, damit sie Maske trugen und sich im Großen und Ganzen an die Regeln hielten. Auf dieser belastbaren Basis habe man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erwarten können, dass er das auch ein zwölftes Mal tun wird. Um eine Versammlung aber verbieten zu können, brauche es belastbare Anhaltspunkte, dass etwas anders zu bewerten ist. Jedoch hatte man gerade einmal Vermutungen.

Er wiederholt: "Das ist das rechtliche Handwerkszeug, das wir anwenden und das wir auch anwenden müssen, und da bitte ich auch um Verständnis. Das hat mit Politik definitiv nichts zu tun. Und diese Einschätzung, wie wir unsere Gefahrenprognose erstellen, die treffen wir nicht allein am Schreibtisch, sondern da tauschen wir uns vorher intensiv mit der Polizei, mit dem Staatsschutz aus, fragen deren Erkenntnisse ab und sind dann auch ein Stück weit inhaltlich auf deren Einschätzung angewiesen, weil wir diese Möglichkeiten als Stadt natürlich nicht haben, solche Erkenntnisse abzugreifen. Aber ich denke, da wird auch die Polizei noch was dazu sagen." Zum Thema Auflösung und Verhältnismäßigkeit sei bereits angesprochen worden, dass man nicht mit Knüppeln und Pfefferspray in eine so große Menge reingeht. Es stimme darüber hinaus so nicht, dass man das eigene Verhalten nicht kritisch hinterfragen würde, denn genau aus diesem Grund finde ja die heutige Sitzung statt.

Gegenüber StR Körner weist er darauf hin, dass die für Stuttgart geltende Corona-Verordnung eine inzidenzabhängige Änderung der Möglichkeit zur Durchführung von Versammlungen nicht enthält. Es sei daher schwierig, sie heranzuziehen, zumal hier wieder das Thema der milderen Mittel, um den Gefahren einer Infektion vorzubeugen, greife. Dies seien Abstand und Maske. Und genau diese Auflagen waren auch angeordnet. Zum Thema Gefahrenprognose/Radikalisierung/bundesweite Bewerbung/Erfah-
rungsaustausch mit anderen Städten, und dann wäre ein Verbot möglich gewesen verweist er erneut auf die erfolgte Gefahrenprognose und deren Zustandekommen. Radikalisierung sei eine politische Kategorie, keine infektions- oder versammlungsrechtliche Kategorie. Die bundesweite Bewerbung sei natürlich eingeflossen in die Frage, mit wie vielen Teilnehmern zu rechnen sein wird, und habe auch Auswirkungen auf die Planungen der Polizei gehabt. Aber nur weil viele Menschen zu einer Versammlung wollen, sei kein Grund, sie zu verbieten, zumal das Thema Infektionsschutz durch geeignete Auflagen theoretisch in den Griff zu bekommen war und die Lage in Stuttgart zum ersten Mal im großen Stil so aus dem Ruder lief. Auch könne man nicht pauschal sagen, dass jeder, der gegen Corona demonstriert, sich nicht an die Regeln hält.


Für den Umgang in Zukunft mit Querdenker-Demos bekräftigt er: "Wer unter dem Segel Querdenker auftaucht bei uns, der ist in Zukunft nach den Erfahrungen vom Karsamstag unzuverlässig. Der wird ein Verbot bekommen. Aber, wie gesagt, die vielen anderen, kleinen, die im vergangenen Jahr schon unterwegs waren und sich an alles gehalten haben, denen können wir nicht pauschal unterstellen, sie würden es in Zukunft nicht mehr tun. Da bitte ich auch um Verständnis. Das dürfen wir auch nicht tun, es sei denn, es käme von einer gesetzlichen Veränderung, in welcher Form auch immer, dass wir hier bessere oder pauschalere, generellere Regelungen von Landesseite hätten."

Zur Frage, wie sich die Polizei auf den kommenden Samstag vorbereitet, führt Herr Polizeipräsident Lutz Folgendes aus:

"Wir werden die Versammlungsfreiheit von den, Sie gestatten mir den untechnischen Begriff, genehmigten Demonstrationen, Versammlungen gewährleisten. Das ist unsere Aufgabe. Und es ist weiterhin unsere Aufgabe, dieses Verbot von verbotenen Versammlungen letztendlich auch durchzusetzen. Das wird unsere Aufgabe sein. Wir haben von den Verbotsverfügungen gehört, die von der Stadt erlassen wurden und mittlerweile, nach meiner Kenntnis, vom Verwaltungsgericht Stuttgart auch gehalten wurden. Schauen wir mal, ob und inwieweit da Rechtsmittel eingelegt werden und auf das weitere juristische Verfahren. Das dazu.

Zum Zweiten bin ich sehr dankbar. Eine dritte Versammlung, ein Camp im Schlossgarten, wollen wir, so ist die Absicht derzeit, ebenfalls verbieten, zumal dort ja auch, sagen wir mal, noch eine Deckungsgleichheit mit der nächtlichen Ausgangsbeschränkung dazukommt. Das im Moment zur Verbotsgeschichte. Ich bin darüber hinaus sehr dankbar für letztendlich die Allgemeinverfügung eines Maskentragegebots in der Innenstadt, weil, wir können lange darüber nachdenken, jawohl, ich bin bei Ihnen, Herr Rockenbauch, da gibt es Reichsbürger, Rechtsradikale, alles, ja, aber wir haben auch, ich sage es jetzt mal in Anführungszeichen, "ganz normale Menschen", denen Sie per se nicht an der Nasenspitze ansehen, was sie jetzt gerade in dieser Stadt vorhaben. Freizügigkeit, irgendwelche Ladengeschäfte aufsuchen usw. und so fort. Und wenn ich, jetzt sage ich mal, radikale Maskenverweigerer habe, die jetzt keine Masken tragen im Innenstadtring, habe ich natürlich von Vornherein ein Indiz, um letztendlich relativ niederschwellig bereits einschreiten zu können, im Gegensatz, wenn ich das so sagen darf, zu beispielsweise Sinsheim.

In Sinsheim haben sie eine Lage am Sonntag. Jetzt möchte ich niemandem zu nahetreten, aber wer geht am Sonntagnachmittag nach Sinsheim? Ab einer bestimmten Größe habe ich da im Prinzip alles im Griff, nur, wer geht am Samstag nach Stuttgart? Und wie bewegen sich Stuttgarter Bürger? Eine ganz andere Freizügigkeit, eine ganz andere Bewegung von Menschen in dieser Stadt. Und deswegen ist es sehr wichtig für uns, ein Indiz und damit das Maskentragegebot zu haben, um letztendlich relativ niederschwellig einschreiten zu können, gegen Maskenverweigerer sofort einen Platzverweis auszusprechen und dann gegebenenfalls diesen Platzverweis am Ende der Eskalationsstufe auch in einen polizeilichen Gewahrsam münden zu lassen. Das ist für uns eine der schon wesentlichen Voraussetzungen, um letztendlich kommenden Samstag auch den Anspruch, nämlich das Verbot der Querdenker-Versammlungen, zu gewährleisten, durchzusetzen, letztendlich auch erfolgreich bewältigen zu können. Ansonsten bitte ich einfach um Verständnis, dass ich jetzt nicht öffentlich einzelne taktische Momente des polizeilichen Einsatzes am Samstag kundtue, weil einfach wir im Moment nicht alles verraten wollen, wie wir da taktisch vorgehen wollen. Der Einsatz selber wird von Polizei-Vizepräsident Eisenbraun geleitet werden. Soweit aus meiner Sicht."

Herr RA Kniesel verweist auf seine Ausführungen, wonach die Begriffe "friedlich" und "ohne Waffen" Parallelbegriffe sind. So sehr er die Bedenken nachvollziehen könne, vermöge er es nicht, sich vorzustellen, "wie wir mit einer seriösen juristischen Begründung aus einem gefährlichen Verhalten ein gewalttätiges Verhalten machen können. Das wird auch die Kapazitäten des Bundesverfassungsgerichts übersteigen".

Was die Anmerkung den rechtsfreien Raum betreffend angeht, weil das geltende Recht nicht durchgesetzt worden ist, merkt er an: "Es gibt in einem Rechtsstaat kein Gebot einer Rechtsdurchsetzung um jeden Preis. Und wenn man diesen Grundsatz beherzigt, dann siegt der Rechtsstaat, dann bleibt er nicht auf der Strecke." Er ruft dazu auf, sich vorzustellen, wie die heutige Diskussion verlaufen wäre, hätte die Polizei mit Wasserwerfern und der Anwendung unmittelbaren Zwanges die Plätze da geräumt: "Da wären Sie genau mit umgekehrten Vorzeichen, entschuldigen Sie, übereinander hergefallen!" Es seien keine Fehler gemacht worden, denn "ich kann nicht eine Gefahrenprognose mit den Erkenntnissen im Nachhinein begründen, dass sie falsch gewesen ist". Aber die Betrachtungen von heute müssen berücksichtigt werden, und dann müsse mit einem kreativen Polizeikonzept notfalls verhindert werden, dass die Leute erst gar nicht bis nach Stuttgart durchkommen. Dies werde nicht einfach sein, doch sei er sich ganz sicher, dass die Polizei ein intelligentes Einsatzkonzept ausarbeiten werde, damit die Szenarien, die hier berechtigt aufgemalt wurden, nicht eintreten werden.

StR Winter stellt mit Blick auf die Wortwahl von BM Dr. Maier, der "von der Mitte der Gesellschaft" gesprochen habe, die da demonstriert hat, klar, dass in Baden-Würt-temberg bereits andere Stimmen laut waren, wonach eindeutig eine Radikalisierung vorhanden war. So seien in manchen Ankündigungen zu den Demonstrationen Hygienemaßnahmen als ein Zeichen einer Diktatur bezeichnet worden. Vor diesem Hintergrund teile er die Meinung von BM Dr. Maier und Herrn RA Kniesel nicht. Ein Verbot der für den Samstag angemeldeten Corona-Demo begrüße man ebenso wie die Lage unter dem Verbot. Abschließend regt er OB Dr. Nopper gegenüber an, zukünftig wieder dahingehend in die Vorhand zu gehen, indem - wie OB Kuhn dies gehandhabt habe - teilweise schon im Vorfeld in den gemeinderätlichen Gremien informiert und diskutiert wird, wenn etwas Derartiges ansteht. Ausdrücklich begrüße man, dass der Oberbürgermeister, was die Umsetzung der Beschlüsse des Bundeskabinetts angeht, bereits in Vorhand gegangen sei.

OB Dr. Nopper wiederholt, er sei im Verlauf des Gründonnerstags zum ersten Mal
konkret mit der Corona-Demonstration befasst gewesen. Er unterstreicht: "Ich möchte jetzt nur noch mal klar sagen, wir haben uns am Gründonnerstag und auch davor - die Versammlungsbehörde mit erfahrenen Verwaltungsjuristen, mit Verwaltungsjuristen, die mit rund 2.000 Versammlungen im Jahr konfrontiert sind - hin und her überlegt, ob eine Verbotslage besteht oder ob eine Verbotslage nicht besteht. Es war nicht so, dass man das leichtfertig vom Tisch gewiesen hätte. Und die Polizei mit ganz erfahrenen Einsatzleitern war da ständig an der Seite der Versammlungsbehörde." Er räumt ein, im Nachhinein habe sich diese Gefahrenprognose als falsch herausgestellt.


StR Dr. Reiners (CDU) spricht OB Dr. Nopper und der Stadtverwaltung seinen ausdrücklichen Dank aus. An die Vertreter der Polizei, Herrn Lutz und Herrn Höfler, gewandt betont er: "Wir haben eine tolle Polizei, wir haben eine Bürgerpolizei, und wir haben eine sehr, sehr umsichtige Polizei!" Er wünsche sich durchaus etwas mehr Rückendeckung auch für die polizeiliche Arbeit in dieser Stadt, und zwar aus der gesamten Breite des Rates. Was die Ex-ante-Perspektive für künftige Lagen und für künftige Verbote angeht, so wäre das Gericht höchstwahrscheinlich dem am Karsamstag nicht gefolgt. Insgesamt wünsche er sich eine Diskussion über die Aushöhlung des Versammlungsgebotes, der Versammlungsfreiheit, des Artikel 8, der leider auch vielfach missbraucht werde. Der Aussage von StR Köhler widerspricht der Stadtrat: "Wenn 15.000 Leute dicht an dicht ohne Maske auch im Freien demonstrieren, dann ist diese Demonstration nicht friedlich. Weil die körperliche Unversehrtheit anderer Menschen natürlich tangiert ist!"

Die mehr oder weniger unterschwelligen Angriffe auf den Ordnungsbürgermeister und den Oberbürgermeister weist er zurück. Bei den polizeitaktischen Maßnahmen habe man sich als Kommunalpolitik nicht einzumischen, dies sei Polizeisache, weil dies die Experten sind. Auch hätten weder der Rat noch der Oberbürgermeister, die Stadtverwaltung und auch die Polizei sich zu entschuldigen. Zu entschuldigen hätten sich hingegen andere Teile in der Bevölkerung, Teile der Demonstranten, aber beispielsweise auch Herr StR Perc, der sofort den Rücktritt von BM Dr. Maier gefordert habe.

OB Dr. Nopper wiederholt ausdrücklich, "dass wir zutiefst bedauert haben, dass diese Verstöße und Angriffe stattgefunden haben, die unsere Stadt in ein schlechtes Licht rücken, das sie nicht verdient hat. Und ich habe auch erklärt, dass wir allergrößtes Verständnis haben für die massive Verärgerung in der Bevölkerung über die Corona-Verstöße, die sich während der Corona-Demonstrationen ereignet haben!"

StR Rockenbauch hält es für notwendig, über die Auslegung auch von Recht, von Begriffen, zu diskutieren und zu streiten. Laut wissenschaftlicher Untersuchungen gäbe es 16.000 bis 20.000 Infizierte weniger, hätten die zwei großen Corona-Demonstrationen um die Weihnachtszeit nicht stattgefunden. Es lasse sich ausrechnen, wenn davon 6 % schwer erkranken, wie viele am Ende dann sterben. "Diesen Beitrag leisten diese Quertreiber und Hygieneverweigerer". Er bleibe dabei, "dass es gewalttätig und potenziell tödlich ist, was diese da machen". Der Vortrag von Herrn Kniesel habe deutlich gemacht, dass man juristische Fragen unterschiedlich beurteilen kann. Recht und Rechtsfragen seien in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext und in wissenschaftliche Erkenntnisse eingebettet. Bei der Bewertung komme man als FrAKTION zu anderen Schlüssen. Gerade bei der Einschätzung einer Gefahrenlage spiele die politische Brille eine Rolle. Das Verweigern von Hygieneauflagen sei keine ideologische Radikalisierung, sondern eine politisch motivierte Radikalisierung, und Gewalt hänge eben nicht nur an Waffenbesitz. Daher glaube er, dass eine politische Fehleinschätzung vorliegt, weil der Fehler gemacht worden sei in der Einschätzung, was Gefahr, was Gewalt angeht.

Bei den elf Demonstrationen in Stuttgart im letzten Jahr habe es keine Maskenauflage gegeben, zumindest nicht bei den ersten großen, über die man im Rat geredet hatte. Daher könne jetzt in dieser neuen Lage auch nicht mit dem Einhalten von Verhaltensregeln in der Vergangenheit argumentiert werden. Vielmehr müssten die Entscheider sich in der veränderten Lage ein politisches Bild machen. Er könne nicht nachweisen, "ob die Fehleinschätzung beim Staatsschutz, Verfassungsschutz oder bei Ihnen liegt, aber sie liegt an der Stelle, dass sie die Radikalisierung, was dieses Verweigern von Hygienemaßnahmen angeht, ablehnt!" Die Demonstration wurde am 18.02.2021 angemeldet, sodass man genug Zeit gehabt hätte, über eine Strategie, ein Konzept nachzudenken und zu reden. "Wir haben Diskussionen nicht nur im Ältestenrat, sondern auch im Sozial- und Gesundheitsausschuss eingefordert mit der klaren Frage, welches Konzept liegt vor, damit es nicht zu Bildern wie in Kassel kommt." Diese Diskussion habe nicht stattgefunden, und anscheinend sei auch keine Strategie entwickelt worden, wie man solche Sachen vermeidet.

Es sei darüber hinaus in erster Linie die Pflicht der Veranstalter, die Auflagen durchzusetzen, deswegen habe er Ordner zu stellen, die dafür sorgen, dass die Auflagen erfüllt werden. Hygieneauflagen seien in Zeiten der Pandemie eine notwendige Voraussetzung für das Versammlungsrecht. Werden die Hygieneauflagen nicht angewendet und nicht umgesetzt, so bleibe dem Anmelder gar nichts anderes übrig, als die Veranstaltung aufzulösen. Jetzt aus polizeitaktischen Erwägungen damit zu kommen, das könne man doch nicht machen, weil es dann durchgesetzt werden muss, und plötzlich "bürgerkriegsähnliche Zustände" zu formulieren, könne er nicht nachvollziehen. Niemand in der Debatte habe den Einsatz von Wasserwerfer oder Schlagstock gefordert. Vielmehr habe man in dieser Debatte die Ankündigung gefordert, die Versammlung aufzulösen. Dann wären dem laut der eigenen Prognose die Demonstrationsteilnehmer aus dem friedlichen Teil der Mitte gefolgt.

Auch hätte man die Bereitschaftsrichter*in anrufen und fragen können, ob man diejenigen, die sich auf einer nicht genehmigten Versammlung aufhalten, wenn sie dem Platzverweis nicht folgen sollten, nicht in Gewahrsam nehmen kann. Ein solches Bemühen um die Auflösung hätte er von der Verwaltungsspitze und von der Polizei erwartet. Die politische Wirkung, der Schaden, sei, dass es möglich war, dass man sich als Stadt, als Staat, an der Stelle nicht durchgesetzt hat mit den notwendigen Maßnahmen. Dieser Schaden lasse sich nicht reparieren durch telefonische Bürgersprechstunden und Regenbogen malen.

Auf den fortlaufenden Lernprozess in dieser schwierigen Pandemielage verweist OB Dr. Nopper. Auch habe er bereits gesagt, dass man den herkömmlichen, gewachsenen Begriff "friedlich" in dieser Pandemielage vielleicht anders definieren muss, weil auch das vorsätzliche und systematische Nicht-Maskentragen, das vorsätzliche und systematische Nicht-Abstandhalten ein potenzieller Angriff ist bzw. sein kann. Anschließend bittet er Herrn Prof. Dr. Ehehalt um eine Einschätzung bezüglich der Auswirkung einer solchen Veranstaltung, bei der die weit überwiegende Mehrheit der Teilnehmer keine Maske trägt und keine Abstände hält.

Herr Prof. Dr. Ehehalt (GesundhA) führt aus, natürlich gehe von so einer Versammlung eine Infektionsgefahr aus, auch wenn diese draußen geringer sei als drinnen. Wenn die Abstände gehalten und Masken getragen werden, sei diese Gefahr gut kalkulierbar und auch berechenbar. Gleichwohl müsse man auch berücksichtigen, dass die Infektionsgefahr noch mal höher ist, wenn eine Demonstration aufgelöst werden muss, dort, wo es Verdichtungen gibt. Insofern sei es aus seiner Sicht eine rechtliche und eine polizeitaktische Frage, wie man dann im Grunde vorgeht. Vereinfacht gesagt: "Keine Demonstration hat ein geringeres Infektionsrisiko wie eine Demonstration. Und eine Demonstration, die sehr unkontrolliert verläuft mit Verdichtungen oder Ausschreitungen, hat natürlich ein höheres Infektionsrisiko, als eine ganz geordnet verlaufende. Insofern ist das infektiologisch differenziert zu bewerten. Und auch da ist die Antwort leider nicht ganz einfach und leicht."

An StR Rockenbauch gewandt unterstreicht OB Dr. Nopper, die Auflösung der Versammlung sei in der Abwägung der Situation ganz bewusst nicht geschehen. Denn die Auflösung einer Versammlung mit 10.000 bis 15.000 Teilnehmenden hätte ganz erhebliche Risiken in sich getragen: Das Risiko des Gedränges und der Verdichtung, das Risiko von Auseinandersetzungen, das Risiko von Gewalttätigkeiten, das Risiko der Eskalation. Deswegen habe die Versammlungsbehörde in Abstimmung mit der Polizei sich ganz bewusst dagegen entschieden.

StR Körner greift den Wortbeitrag von StR Dr. Reiners auf und stellt klar, Herr StR Perc sei heute nicht da, weil der Gemeinderat nicht als Vollversammlung tagt, sondern nur in Ausschussgröße. Was das Thema Rücktrittsforderung angeht, empfehle er ein Gespräch mit dem Vorsitzenden der Stuttgarter CDU. Dieser habe sich auch schon einmal in dieser Richtung ausgesprochen. Zum Thema Versagen sei er durchaus bereit, über die Begrifflichkeiten zu reden. Er finde es wichtig, deutlich zu machen, dass das, was ganz viele in Stuttgart so umtreibt und fassungslos zurücklässt, die Tatsache sei, dass das Geschehene möglich war, ohne dass der Staat dies stoppen kann oder gestoppt hat. Die Bürgerinnen und Bürger haben aus seiner Sicht zu Recht die Erwartung, dass der Staat zuvorderst dafür da ist, sie und ihre Gesundheit zu schützen. Wenn dies dann nicht gelingt, müsse man das beim Namen nennen, unabhängig davon, ob jemand daran schuld ist oder sonst was. Er persönlich finde auch, dass man sich dafür entschuldigen muss, wenn es nicht gelungen ist.

Weil viele nicht nachvollziehen könnten, warum die Stadt die Demo nicht verboten hat, bittet der Stadtrat Herrn BM Dr. Maier um nochmalige Darstellung der Anhaltspunkte für das Nichteinhalten von Auflagen, damit deutlich wird, "was sind denn Anhaltspunkte, mit denen die Stadt was anfangen kann? Und was sind Anhaltspunkte, mit denen man nichts anfangen kann?" Bei der Frage zur epidemiologischen Lage habe BM Dr. Maier darauf verwiesen, dass die Corona-Verordnung des Landes keinen Inzidenzbezug hat. Jedoch frage man im SPD-Antrag ganz explizit danach, wie die Stadt die epidemiologische Lage beurteilt hat und inwiefern diese Beurteilung dann berücksichtigt wurde für das Thema Gefahreneinschätzung? Sowohl in der Sitzung des Innenausschusses als auch in der Diskussion heute sei nicht ersichtlich geworden, welche Rolle dies überhaupt gespielt habe.

Beim Urteil zum Versammlungsverbot von Weil am Rhein müsse die sehr hohe Inzidenz, die damals zwischen 200 und 300 pro 100.000 Einwohner lag, eine Rolle gespielt haben. Deswegen frage er erneut: "Wie war denn die Beurteilung der epidemiologischen Lage, immerhin eine Lage, die drei Tage davor die Stadt veranlasst hat, die Notbremse zu ziehen? Und inwiefern hat das dann eine Rolle bei der Entscheidung gespielt? Und inwiefern kann das auch in Zukunft eine Rolle bei der Entscheidung über Verbot ja oder nein eine Rolle spielen?"

OB Dr. Nopper antwortet, die Verstöße waren schlimm und sehr schwer erträglich, "jedoch wären die Auswirkungen einer Auflösung nach unserer Einschätzung noch schlimmer gewesen". Deswegen war nach seiner Einschätzung die Auflösung auch rückblickend betrachtet zwar rechtlich möglich, aber es wäre wegen der enormen Eskalationsrisiken unverhältnismäßig gewesen.

Zur Frage, wann sind Anhaltspunkte gegeben für ein Verbot und wann sind sie nicht gegeben, stellt er klar, die Stadt Stuttgart habe bereits zwei sogenannte Querdenker-Demonstrationen verboten, die für den 06.01. und für den 13.01.2021 geplant waren. Man habe damals ein Verbot ausgesprochen, weil die Anmelder sich im versammlungsrechtlichen Sinne als unzuverlässig erwiesen hatten. "Unzuverlässig im Sinne des Versammlungsrechts ist jemand, der entweder sagt, ich halte die Auflagen nicht ein, oder aber schon bei Vorveranstaltungen auffällig geworden ist. Das führt zu der Einschätzung, dass jemand unzuverlässig im Sinne des Versammlungsrechts ist." Im Falle von Weil am Rhein war seines Wissens das Verbot auch damit begründet, dass der Versammlungsleiter unzuverlässig im Sinne des Versammlungsrechts war. Es gebe zudem viele Städte in Deutschland, die Querdenker-Versammlungen mal untersagt haben und mal nicht untersagt haben, z. B. Bremen und Stuttgart. "Es war aber bis vor Kurzem die Regel, dass man Querdenken-Demonstrationen nicht untersagt. Und es war die Ausnahme, dass man sie untersagt. So viel kann ich sagen für andere Städte."

BM Dr. Maier fügt zum Thema Anhaltspunkte hinzu, ein starker Fokus liege natürlich auf dem Anmelder. Alles, was ansonsten im Netz oder irgendwoanders geäußert wird, Aufrufe zu einer bestimmten Veranstaltung oder auch die Teilnehmer als solche, könnten nicht unmittelbar dem Anmelder zugerechnet werden: "Stellen Sie sich einfach vor, ein Gegendemonstrant will eine Versammlung sprengen. Dann macht er ein paar blöde Posts ins Internet, und dann muss die Versammlungsbehörde die Versammlung verbieten. Das kann es ja nicht sein. Es muss dann schon erkennbar sein, dass tatsächlich es zu diesen Verstößen kommt, die im Internet oder wo auch immer veröffentlicht sind. Das lässt sich nicht immer eins zu eins sagen, im Internet steht viel drin, was, das wissen wir alle, am Ende ganz anders ist oder gar nicht kommt. Von daher sind solche Hinweise Indizien, dass man verstärkt hinschauen muss, die aber natürlich nicht allein ausschlaggebend sind, sondern wie gesagt Indizien."

Im Wesentlichen gehe es um die Person des Anmelders und darum, wer wird als Teilnehmer dabei sein und wie ist die Gewaltbereitschaft dieser Leute im Sinne von nicht friedlich "oder wie man das nach der heutigen Definition nennen soll. Also schon auch die Frage, wenn wir wissen, dass Anreisende, die teilnehmen, keine Masken tragen und sich nicht an die Abstände halten, wenn wir wissen, der Veranstalter hat nicht die Möglichkeit oder will das auch nicht, darauf hinzuwirken, dass diese Teilnehmer sich an die Regeln halten, er kann ja Teilnehmer, die sich nicht an die Regeln halten, ausschließen, dann werden die vom Platz entfernt, bekommen einen Platzverweis und sind weg. Diese Möglichkeit muss man, allgemein gesprochen, jedem Veranstalter auch zugutehalten, weil er nichts kann für die Leute, die bei einer öffentlichen Versammlung kommen. Also wenn es sich so verdichtet, dass man sagen kann, es ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit oder mit einer großen Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass es zu solchen Auflagenverstößen kommt, dann hat man natürlich schon die Möglichkeit zu verbieten. Aber allein aus Facebook-Einträgen ist das schwierig. Und da sind wir dann auch wieder auf die Gefahrenprognose der Polizei angewiesen, die ja die sozialen Medien überwacht und im Blick hat, und auf deren Einschätzung."

Beim Thema Inzidenz, infektiologische Lage spiele natürlich die Corona-Pandemie bei der Anordnung von Auflagen einer Versammlung eine Rolle, sonst hätte man die infektionsbedingten Auflagen wie Maskenpflicht, Abstand, kleinteiliges Wiederabwandern, anderes mehr wie Wellenbrecher usw. nicht erlassen. Infektiologische Gesichtspunkte seien also eingeflossen in die Bewertung der Versammlung und in die verhängten Auflagen. Aber die Infektionslage als solche sei nicht so, dass sie nicht über geeignete Maßnahmen in den Griff zu bekommen gewesen wäre. Die genannten Maßnahmen helfen, um Gefahren aus der Infektionslage zu verhindern oder spürbar zu verringern. "Und deshalb war hier auch wieder das mildere Mittel Maskenpflicht, weil wir sonst ja eigentlich keine Versammlung aktuell mehr zulassen könnten. Keine Versammlung. Weil in jeder Versammlung Menschen zusammenkommen, die dann auf einem gewissen engen Raum beieinander sind. Und solange wir nicht die konkreten Hinweise haben, dass es konkret zu Maskenverstößen kommt, müssen wir davon ausgehen, dass die Teilnehmer sich auch an die Regeln halten werden. Und von daher ist der Hinweis auf die Infektionslage allenfalls ein nachgeordnetes Argument, wenn man nämlich diesen Bezug hat, Masken werden nicht getragen. Wenn das sicher ist."

Herr Polizeipräsident Lutz verzichtet auf weitere Einlassungen seinerseits.

StRin Yüksel sieht den Knackpunkt im gesamten Abwägungsprozess und der Gefahrenprognose aus Sicht der Verwaltung. Ihr fehlen weiterhin die gesamten vollständigen Erkenntnisse und Umstände, die dem Abwägungsprozess zugrunde gelegt wurden. Dem 7-seitigen Kurzgutachten könne man nun einiges entnehmen, eine Langfassung liege dem Rat jedoch nicht vor. Wenn es eine solche Fassung gibt, so bitte sie darum, diese zur Verfügung zu stellen.

OB Dr. Nopper klärt auf, bisher gebe es nur die Kurzfassung. Herr Kniesel werde die Langfassung in den nächsten Tagen ausarbeiten, die dann selbstverständlich dem Gemeinderat zur Verfügung gestellt werde. Herr Kniesel ergänzt, er benötige für die Erarbeitung noch zehn Tage.

StRin von Stein erkundigt sich danach, ob bei anderen Demonstrationen in Stuttgart die Abstands- und Hygieneauflagen immer eingehalten wurden. Sie persönlich sei froh darüber, "dass hier nach Gesetzen geurteilt wird und dass es hier nicht politisch entschieden wird, welche Demonstration zugelassen wird und welche nicht!" Weiter zitiert die Stadträtin Aussagen mehrerer Experten, die einer Studie widersprechen, wonach die zwei Großdemonstrationen der Querdenker-Bewegung in Berlin und Leipzig zu 21.000 Mehrinfektionen geführt haben.

OB Dr. Nopper bestätigt erneut, die Stadtverwaltung in einem Rechtsstaat darf und kann keine Willkürentscheidungen treffen, sondern sie muss nach Recht und Gesetz entscheiden und nach bestem Wissen und Gewissen. Dazu, welche epidemiologischen Auswirkungen derartige Versammlungen unter freiem Himmel haben, verweist er auf die Einschätzung von Herrn Prof. Dr. Ehehalt.

StR Goller äußert sich zum "Kontext dieses Tribunals", der wissenschaftlichen Faktenlage und zur Beurteilung der hier geäußerten Vorwürfe sowie der vergangenen und der zukünftigen Entscheidungen. So habe im letzten Jahr in direkter Folge des ersten Höhepunkts der Covid-19-Pandemie weitgehende weltweite Unkenntnis geherrscht über das Ausbreitungsverhalten des Virus. Daher fanden über den gesamten Sommer hinweg u. a. in Stuttgart Dutzende Versammlungen und Veranstaltungen statt, an denen jeweils Hunderte bis Tausende Personen teilgenommen haben und wo die Corona-Auflagen wiederholt und systematisch verletzt wurden. Dennoch war Kritik aus Politik und Medien an diesem Fehlverhalten nicht zu hören, und auch das Versammlungsrecht sei nicht infrage gestellt worden. In Diskrepanz dazu frage er, wie heute dieses andere gegensätzliche Verhalten begründet oder rechtfertigt wird.

Heute lägen international, insbesondere aus den USA, empirische Erkenntnisse über die Auswirkungen solcher Großveranstaltungen vor. Sie werden nicht als Superspreader-Events eingestuft. Dies liege daran, dass die Ansteckungsgefahr durch Covid 19 wie bei vielen Viren im Freien so gering ist, dass sie als irrelevant bezeichnet werde. Zur Untermauerung zitiert der Stadtrat aus einem Brief, der von den ehemaligen und amtierenden stellvertretenden Präsidenten der Gesellschaft für Aerosolforschung und der International Society for Aerosols in Medicine verfasst wurde. Er findet, dass dieser Brief vom 11.04.2021 auch für die Politik in Stuttgart berücksichtigt werden muss. Die juristische Einschätzung habe man heute ausführlich und eindeutig von den Vertretern des Rechtsstaats erfahren. In die juristische Begründung gehe aber auch die Verhältnismäßigkeit und die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen ein. Dafür sei die wissenschaftliche Basis die Voraussetzung.

Zur Frage, ob Maskenpflicht und Abstandsregeln sowie andere Auflagen bei anderen Demonstrationen erfahrungsgemäß immer eingehalten werden, teilt Frau Koller (AföO) mit, Verstöße gebe es auch bei anderen Versammlungen, vor allem bezogen auf die Abstandspflichten und häufig kombiniert damit, dass wesentlich mehr Teilnehmer kommen als ursprünglich angenommen wurde. So hatten bei einer Black Lives Matter-Versammlung im letzten Sommer, bei der 700 Teilnehmer angemeldet waren, um die 10.000 Menschen teilgenommen. Auch bei der großen Versammlung zum Frauentag seien wesentlich mehr Teilnehmer*innen gekommen, als erfahrungsgemäß in den letzten Jahren, sodass auch dort die Abstände nicht eingehalten werden konnten. "Wir haben es teilweise aber auch bei Linken, bei Kurden, also das ist schon immer wieder ein Thema. Die Polizei geht dann eben auch rein, macht Anzeigen, versucht auch, auf die Versammlungsleiter einzuwirken. Was in der Tat wirklich neu ist, waren jetzt diese massiven Verstöße gegen die Verpflichtung zum Tragen einer Maske. Aber ich möchte noch ergänzen, der Herr Dr. Ehehalt wird mir da sicher zustimmen: Auch die Abstände sind ein ganz wichtiger Faktor bei der Bekämpfung und bei der Einhaltung der Hygienevorschriften. Also auch das sind für mich keine Banalitäten. Und da habe ich den Eindruck, das rutscht im Moment manchmal ein bisschen weg."

StR Köhler bestärkt die Einschätzung von StR Goller, wonach es hier "um eine Schauveranstaltung von linksgrüner Seite" gehe und darum, "den Ordnungsbürgermeister und den Oberbürgermeister so lange anzuschießen, bis er selbst glaubt, dass er Fehler gemacht hat".

Nach dieser letzten Wortmeldung schließt OB Dr. Nopper die Sitzung.
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