Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
8/2010
GZ:
WFB
Sitzungstermin: 21.01.2010
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Frau Huber-Erdtmann sp
Betreff: Vorzeitige einvernehmliche Beendigung der US-Lease-Transaktion Klärwerke

Vorgang:

Verwaltungsausschuss vom 20.01.2009, öffentlich, Nr. 4
Ergebnis: Kenntnisnahme


Beratungsunterlage ist die Mitteilungsvorlage des Referats Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen vom 11.01.2010, GRDrs 8/2010.


OB Dr. Schuster erinnert an den Beschluss, die Klärwerke zu verleasen, um den Barwertvorteil allen Abwassergebührenzahlern zugute kommen zu lassen. Nun gebe es die Möglichkeit, diese Transaktion vorzeitig zu beenden, und zwar mit einem erheblichen wirtschaftlichen Vorteil für die Stadt. Er danke EBM Föll für die sehr erfolgreiche Führung der Verhandlungen.

Diesem Dank schließen sich StR Wölfle (90/GRÜNE), StR Stradinger (CDU), StR Kanzleiter (SPD), StRin von Stein (FDP), StR Zeeb (FW), StR Rockenbauch (SÖS und LINKE) und StR Dr. Schlierer (REP) ausdrücklich an.

Die Verhandlungen, so StR Wölfle, seien diskret und vielleicht auch deshalb besonders erfolgreich abgeschlossen worden. Besonders freue ihn, dass das Geschäft mit einem verbleibenden Vorteil von 11,8 Mio. € beendet werden konnte. Er hoffe, dass es gelingt, auch aus den weiteren Cross-Border-Leasing-Verträgen ohne wirtschaftlichen Schaden herauszukommen.

StR Stradinger spricht allen, die zu dem Erfolg beigetragen haben, ein großes Kompliment aus. Was den 2. Teil des Lease-Vertrags angehe, der sich auf das Abwasserkanalnetz beziehe, so sei seine Fraktion gerne bereit, EBM Föll erneut zu beauftragen, auch diesen Vertrag aufzulösen, sofern sich eine günstige Gelegenheit ergibt. Dieser Schritt werde einmal kommen, aber derzeit gebe es noch keinen Grund, ihn zu gehen.

Für StR Kanzleiter wird mit der Auflösung des Lease-Vertrags ein Fehler des Gemeinderats korrigiert. Bereits im Jahre 2004 habe man auf weitere Lease-Verträge verzichtet, weil die Mehrheit des Hauses zur Vernunft gekommen sei. Jetzt könne man nach und nach die Verträge beenden, und man sollte das auch schnellstens tun, sobald sich die nächste Gelegenheit bietet. Aber man wolle vertragstreu bleiben.

StRin von Stein zitiert einen Satz von Søren Kierkegaard: "Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden". Man habe inzwischen erkannt, dass diese Cross-Border-Lease-Aktionen nicht so einfach sind, wie sie seinerzeit schienen. Deshalb sei es auch richtig, sich rechtzeitig davon zu verabschieden. Es sei aber sehr gut für die Stadt, dass diese Transaktion mit einem so großen Barwertvorteil beendet werden konnte.

Seine Fraktion, erklärt StR Zeeb, nehme von dieser Mitteilungsvorlage gerne Kenntnis, doch sie sehe im Gegensatz zu manchen Vorrednern die Angelegenheit etwas differenzierter. Die Freien Wähler würden es für völlig falsch halten, diese Aktion besserwissend zu verteufeln oder sogar als Fehler hinzustellen. Alle hier im Raum würden doch die 11,8 Mio. € Barwertvorteil gerne annehmen. Die neue Situation, die sich ergeben habe, sei von der Verwaltung richtig erkannt worden. Das für das Abwasserkanalsystem angedachte Vorgehen werde von seiner Fraktion unterstützt.

StR Rockenbauch ist vor allem dankbar, dass man so glimpflich davongekommen ist. Um daraus auch etwas für die Zukunft zu lernen, müsse man sich klar darüber werden, dass die Fraktionen, die seinerzeit der Transaktion zugestimmt hatten, der Gier nach schnellem Geld erlegen sind und gegen moralische Grundsätze verstoßen haben. CBL-Geschäfte seien - und seit 2004 sei das auch gerichtlich bestätigt - ein Steuerbetrug am US-amerikanischen Bürger. Der geringe Barwertvorteil von 4,4 bis 5 % vom Kaufpreis habe gereicht, die Mitglieder des Gemeinderats blind dafür zu machen, dass eigentlich ganz andere an diesen Geschäften verdienen, nämlich die Arrangeure, die Berater und die Banken.

Seit er Mitglied im Gemeinderat sei, habe er beantragt, die Cross-Border-Leasing-Verträge grundsätzlich rückabzuwickeln. Zunächst habe es geheißen, dass das nicht möglich bzw. ungünstig wäre. Dabei sei deutlich geworden, wie sich die Stadt durch die Verträge habe knebeln lassen. Selbst als klar war, dass die Finanzkrise jetzt zuschlägt und gerade durch derart strukturierte Geschäfte mit entstanden ist, sei man damit beschwichtigt worden, es sei bei den Geschäften alles in Ordnung. Jetzt gehe es genauso weiter. Weil es sich lohnt, werde dieser eine Vertrag aufgelöst - wobei von dem einst versprochen Geld 4 Mio. € verloren gegangen sind -, und bei den anderen Verträgen werde abgewartet und gesagt, dort bestehe kein Risiko.

Seine Fraktionsgemeinschaft sehe aber noch die Risiken bei den Kanalnetzen und auch bei der SSB. Man müsste eigentlich einmal genauer hinschauen, wer hier davon profitiert und Beraterprämien bekommt. Seine Fraktionsgemeinschaft stimme der Vorlage zu, da jetzt ein Fehler korrigiert werde, an dem sie nicht beteiligt war.

StR Dr. Schlierer (REP) widerspricht entschieden der Behauptung, dass es sich um einen Steuerbetrug gehandelt habe. Vielmehr habe die US-Regierung im Jahr 2004 selber durch einen entsprechenden Gesetzesakt diese Möglichkeit, Steuervorteile geltend zu machen - die weltweit genutzt worden ist -, unterbunden. Dass sie damals genutzt wurden, könne man jetzt im Nachhinein als eine fast an Gier reichende Verhaltensweise brandmarken. Entscheidend für die Kritik an den CBL-Geschäften sei aber das hohe Risiko, das wegen der langen Laufzeit vorhanden ist.

Es sei daher sehr erfreulich, dass die Stadt den Barwertvorteil aus dem aufgelösten Vertrag mitnehmen könne. Er empfinde es aber vor allen Dingen als eine Erleichterung, dass man künftig keine weiteren Risiken mehr habe. Vor diesem Hintergrund und auch vor den Erfahrungen, die man in den letzten 24 Monaten gemacht habe, könne nur die Empfehlung ausgesprochen werden, so weit wie möglich und so früh wie möglich aus diesen Verträgen herauszukommen, um das Risiko zu minimieren.

EBM Föll bedankt sich für das Lob, das er an die beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtkämmerei weitergeben werde. Er lege aber Wert auf die Feststellung, dass er den Abschluss der CBL-Verträge nicht als Fehler betrachte. Anders als StR Rockenbauch gesagt habe, verliere man durch das Geschäft nicht 4 Mio. €, sondern man verdiene 12 Mio. €. Erhalten blieben 73 % des Barwertvorteils bei einer um mehr als die Hälfte reduzierten Laufzeit des Vertrages. Somit stelle man sich in finanzieller Hinsicht sogar besser als im ursprünglichen Vertrag.

Es sei auch falsch - StR Dr. Schlierer habe zu Recht darauf hingewiesen -, von Steuerbetrug zu sprechen. Der amerikanische Gesetzgeber habe diese steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten per Gesetz eröffnet. Man könne über ihre Sinnhaftigkeit streiten, aber es handle sich um legale Steuergestaltungsmöglichkeiten, und diese seien von den US-Investoren genutzt worden.

Es treffe ebenfalls nicht zu, dass die Verträge in einem Zusammenhang mit der Finanzkrise stehen. Allerdings habe es durch die Finanzmarktkrise den Erkenntnisgewinn gegeben, diese Themen mit einer sehr viel größeren Sensibilität und sehr viel stärker auch auf die Risikoseite fokussiert zu betrachten. Daher räume er ein, dass er jetzt nicht mehr den Abschluss eines neuen CBL-Vertrages empfehlen würde, falls diese Möglichkeit noch bestünde. Aber deshalb sei der Abschluss in den Jahren 1999 bzw. 2001 kein Fehler gewesen. Diese Schlussfolgerung halte er für falsch. Die Bürgerinnen und Bürger würden dauerhaft profitieren, da Investitionen im Bereich des Abwassersystems mit diesem Eigenkapital finanziert werden konnten.

Er wolle nochmals ganz ausdrücklich darauf hinweisen, dass die US-Lease-Verträge, die es in der Bundesrepublik gibt, in der inhaltlichen Gestaltung nicht identisch sind. Die Stadt Stuttgart habe sehr gute Verträge abgeschlossen, die bezogen auf das Kanalnetz stabil seien und von allen Vertragsparteien erfüllt würden. Jetzt müsse man auf eine günstige Gelegenheit warten, auch hier gegebenenfalls eine vorzeitige einvernehmliche Beendigung zu erreichen. Wenn das nicht der Fall ist, müsse man den Vertrag über die komplette Laufzeit erfüllen. Immerhin erhalte man hier einen Barwertvorteil von 23,3 Mio. €.

Die Verträge bei der SSB seien anders strukturiert. Bei ihnen gebe es faktisch kein Vertragserfüllungsrisiko, weil durch die Hinterlegung entsprechender Staatspapiere mögliche Risiken in der Bonität und auf der Zinsseite eliminiert wurden, sodass aus Sicht der Verwaltung kein Handlungsbedarf entstehe, außer man möchte vorsätzlich Schaden anrichten. Die Aussagen, die er seit 2008 zu diesem Thema gemacht habe, seien in vollem Umfang eingetreten. Die Vorgehensweise der Stadtverwaltung habe sich in diesem Zusammenhang als richtig, erfolgreich und den Interessen der Stadt und der Bürgerschaft entsprechend erwiesen.

StR Rockenbauch betont, dass es ihm nicht egal sei, woher das Geld kommt, das man hier verdient habe. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass aus dem Nichts nicht einfach Geld kommen könne. Das sei nicht moralisch gewesen. Deshalb sollte man sich in Zukunft gut überlegen, womit man sein Geld verdient, und nicht irgendwelche Schlupflöcher nutzen.

Es habe ja einen Grund gehabt, warum diese Schlupflöcher 2004 gestopft wurden. Die Finanzbehörde der USA habe festgestellt, dass hier Geschäfte gemacht wurden, bei denen keine realen Investitionen getätigt wurden. Die Steuererleichterungen seien jedoch für reale Investitionen gedacht gewesen. Deshalb habe es sich um Scheingeschäfte gehandelt.

Nach Ansicht von EBM Föll ist es fraglich, ob es moralischer ist, dem Stuttgarter Steuerbürger das Geld aus der Tasche zu ziehen, statt solche Verträge abzuschließen. Diese Frage sollte StR Rockenbauch sich stellen, wenn er von Moral spricht.

OB Dr. Schuster weist darauf hin, dass Leasing kein Verkauf ist. Man habe nichts verkauft, sondern nur langfristig vermietet. Von Scheingeschäften könne auch keine Rede sein, da es ja tatsächlich Verträge gebe. Die Regelung sei seinerzeit aufgrund der Interessenlage der damaligen amerikanischen Regierung entstanden, damit die Dollarüberschüsse in langfristigen Investitionen im Ausland angelegt werden. Es sei mit diesen Verträgen in die öffentliche Infrastruktur in Deutschland und in anderen europäischen Ländern investiert worden.

BM Murawski hält es für nicht angebracht, die objektiven Tatbestände, die historisch gegeben waren, jetzt ins Gegenteil zu verkehren. Es habe sich unter Präsident Clinton um eine Überliquidität der Vereinigten Staaten gehandelt, und es sei die Absicht der Vereinigten Staaten und der Weltbank gewesen, die damaligen Finanzkapitalflüsse, die den Finanzmarkt der USA beeinträchtigt haben, weltweit in sinnvollen Projekten zu binden. Die Vorschriften hätten ausdrücklich auf öffentlich-rechtliche Infrastrukturinvestitionen abgehoben, und die CBL-Verträge hätten zu einer Beruhigung der internationalen Finanzmärkte beigetragen.

Wie dringend notwendig und sinnvoll es gewesen ist, die Finanzströme in diese Investitionsprojekte zu binden, könne man daran ablesen, was passiert ist, als das aufgegeben wurde und das Finanzkapital sich dann in Scheinanlagen und Finanzblasenpapieren engagiert hat. Angesicht dieser Fakten sei es völlig absurd, die höchst vernünftige Finanzpolitik unter Clinton zu einem Problem der Unmoral zu erklären.

StRin Küstler (SÖS und LINKE) merkt an, dass die Aussage ihrer Fraktionsgemeinschaft belegt werden könne, denn in den Protokollen des US-Finanzausschusses sei nachzulesen, dass die Firma Ernst & Young für diese Vermittlungen mit deutlichen Worten angeprangert wird und dass diese Geschäfte von der Finanzkommission mit sehr deutlichen Worten so dargestellt worden sind, wie StR Rockenbauch es eben geschildert habe.


Abschließend stellt OB Dr. Schuster fest:

Der Gemeinderat hat von der Mitteilungsvorlage Kenntnis genommen.

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