Landeshauptstadt Stuttgart
Technisches Referat
Gz: T
GRDrs 483/2020
Stuttgart,
06/18/2020



Personalbedarf beim Stadtmessungsamt im Zuge
der Grundsteuerreform




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
23.06.2020
24.06.2020
09.07.2020



Beschlußantrag:


1. Die Verwaltung wird mit der Aktualisierung der Bodenrichtwertzonen und Bodenrichtwerte beauftragt in Erwartung des neuen Grundsteuer-Reformgesetzes.

2. Vom zusätzlichen unabweisbaren Personalbedarf in Höhe von 1,0 Stelle in EG 12 TVöD (Sachverständige/-r für Immobilienbewertung) und 1,0 Stelle in EG 9a TVöD (Vermessungstechniker/in) bei der Abteilung Immobilienbewertung und Beiträge des Stadtmessungsamtes wird Kenntnis genommen. Die Entscheidung über die Stellenschaffung ist im Vorgriff auf den Stellenplan 2022 zu treffen.

3. Die Verwaltung wird ermächtigt ab sofort Personal einzustellen..

4. Die erforderlichen zusätzlichen Mittel für den Gutachterausschuss in Höhe von 40.000 € werden im Teilergebnishaushalt 2020 THH 620 – Stadtmessungsamt, Amtsbereich 6207020 Immobilienbewertung, Kontengruppe 440 – Sonstige ordentliche Aufwendungen überplanmäßig bereitgestellt. Die Deckung erfolgt aus der Deckungsreserve im Teilhaushalt 900 – Allgemeine Finanzverwaltung, Kontengruppe 440 – Sonstige ordentliche Aufwendungen (allgemeine Deckungsreserve).









Begründung:



Hintergrund

In der derzeit geführten Form und Umfang erlauben die für Stuttgart geltenden Bodenrichtwerte keine rechtssichere Verwendung im Rahmen einer reformierten Grundsteuererhebung. Für die dauerhafte Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen und zur Vermeidung eines Haftungsrisikos müssen die Bodenrichtwerte daher regelmäßig überarbeitet werden. Dies ist nur mit zusätzlich bereitgestellten Ressourcen möglich.

Die Grundsteuer stellt mit über 150 Millionen Euro pro Jahr einen großen Anteil an den Einnahmen der Landeshauptstadt Stuttgart dar. Das Bundesverfassungsgericht erklärte am 10.04.2018 die bisherige Ermittlung der Grundsteuer für verfassungswidrig. Als Grund wurde genannt, dass die Einheitswerte von 1964 als Bemessungsgrundlage überholt seien.

Alle in Baden-Württemberg diskutierten Reformvorschläge ziehen für nicht land- und forstwirtschaftliche genutzte Grundstücke (Grundsteuer B) als Bemessungsgrundlage die Bodenrichtwerte und die Grundstücksfläche heran. Das bedeutet, den Finanzbehörden müssen bis zum 01.01.2022 für sämtliche Grundstücke in Stuttgart Bodenrichtwerte im Sinne des Bewertungsgesetzes vorliegen. Danach erfolgt die Hauptfeststellung der Grundstückswerte in Zeitabständen von je sieben Jahren.

Die Bodenrichtwerte werden vom Gutachterausschuss jährlich beschlossen. Sie geben den durchschnittlichen Bodenwert für eine Mehrheit von Grundstücken innerhalb einer Bodenrichtwertzone wieder. Sie beziehen sich auf Grundstücke mit den angegebenen Grundstücksmerkmalen und gebietstypischen Eigenschaften (insbesondere Entwicklungszustand, Art und Maß der baulichen Nutzung, Wohnlage). Bodenrichtwerte sollen vorrangig mit Hilfe von Kaufpreisen ermittelt und fortgeschrieben werden. Liegt keine ausreichende Anzahl an Kaufpreisen vor, sind Bodenrichtwerte in anderer geeigneter Weise abzuleiten.

Die Bodenrichtwertzonen müssen so abgegrenzt sein, dass lagebedingte Wertunterschiede zwischen der Mehrheit der Grundstücke und dem Bodenrichtwertgrundstück nicht mehr als 30 Prozent betragen. Damit ist unabhängig vom noch zu beschließenden Grundsteuermodell ein Qualitätsstandard für Bodenrichtwerte gesetzlich festgelegt, der bei Nichteinhaltung ein Haftungsrisiko bedeutet und die Basis der Berechnung der Grundsteuer gerichtlich angreifbar macht.

Für eine rechtssichere und belastbare Erhebung der Grundsteuer ist es daher erforderlich, die zunehmend auftretenden Mängel zu korrigieren. Zu Herstellung rechtskonformer Bodenrichtwerte sind zusätzliche Ressourcen erforderlich.


Bisher zurückgestellte Aufgaben aufgrund fehlender Ressourcen

Bis einschließlich 31.12.2006 wurden in Stuttgart ca. 390 lagetypische Bodenrichtwerte für Baugrundstücke ausgewiesen. Für nicht land- und forstwirtschaftliche genutzte Grundstücke (Grundsteuer B) erfolgte zum 31.12.2007 die Umstellung auf eine zonale Darstellung mit heute ca. 730 Zonen, deren Anzahl aufgrund notwendiger Korrekturen weiter steigen wird. Für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke werden voraussichtlich bis 31.12.2021 ca. 200 zonale Bodenrichtwerte vorliegen.

Zur Fortschreibung der Bodenrichtwerte originär zu verwendende Grundstücksverkäufe von unbebauten Grundstücken sind selten. Kaufpreisarme bzw. kaufpreisleere Zonen sind inzwischen der Regelfall. Belastbare und den Anforderungen gerecht werdende Bodenrichtwerte können somit nur noch für wenige Teilmärkte unmittelbar mit Hilfe von Kaufpreisen ermittelt und fortgeschrieben werden. Deutlich personalintensiviere deduktive Verfahren und Lagewertverfahren werden zukünftig zur Anwendung kommen müssen.

Insgesamt ist damit der Aufwand für die Prüfung und Fortschreibung der Bodenrichtwerte massiv gestiegen, dem Mangels Personalressourcen nicht Rechnung getragen werden konnte. Die sich daraus zunehmend ergebenden Nachteile sind für eine rechtssichere Ermittlung der Grundsteuer folgendermaßen zu bereinigen.



Neue Anforderungen durch die Reform der Grundsteuer

Im Zuge des Grundsteuer-Reformgesetzes wurde im Dezember 2019 mit § 10 Abs. 3 eine präzisierte Abweichungsquote für die Ableitung der Bodenrichtwerte in die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) aufgenommen. Bodenrichtwertzonen müssen nun so abgegrenzt sein, dass lagebedingte Wertunterschiede zwischen der Mehrheit der Grundstücke und dem Bodenrichtwertgrundstück nicht mehr als 30 Prozent betragen. Damit ist unabhängig vom noch zu beschließenden Grundsteuermodell ein Qualitätsstandard für Bodenrichtwerte gesetzlich festgelegt, der bei Nichteinhaltung das Risiko einer Niederlage vor Gericht bedeutet, falls gegen den Grundsteuerbescheid geklagt wird.

Die Bodenrichtwertzonen sind dahingehend zu prüfen, ob innerhalb von Zonen lagebedingte Wertunterschiede von mehr als 30 Prozent vorliegen. Diese Zonen müssen überarbeitet werden, indem neue zonale Grenzen gezogen und Richtwerte sowie gebietstypische Eigenschaften abgeleitet werden.

Steuerpflichtige haben Erklärungen zur Feststellung der Grundsteuerwerte gegenüber der Finanzbehörde abzugeben. Es wird erwartet, dass die Steuerpflichtigen die notwendigen Daten u.a. bei der Geschäftsstelle abfragen werden. Damit ist ein erhöhtes Auskunftsaufkommen beim Stadtmessungsamt abzudecken.


Ressourcenbedarf

Die zur Bewältigung der dargestellten Aufgaben notwendigen Arbeiten unterteilen sich in eine erste Phase einmaliger Sofortmaßnahmen zum ersten Hauptfeststellungszeitpunkt 01.01.2022 und in eine daran anschließende zweite Phase wiederkehrender kontinuierlicher Tätigkeiten.


1. Phase bis 2022:

In der ersten Phase sind die Tätigkeiten beschrieben, die im Zuge der Grundsteuerreform unbedingt erforderlich sind.


2. Phase ab 2022:

Die dauerhafte Erfüllung der beschriebenen Aufgaben bedeutet einen erheblichen Mehraufwand. Den gesetzlich verpflichtenden Anforderungen kann mit der aktuellen Ausstattung des Stadtmessungsamtes nicht entsprochen werden.

Als Grundlage für eine ungefähre Abschätzung des Stellenbedarfs können die Erfahrungen bei der beispielhaften Ableitung von Bodenrichtwerten für landwirtschaftliche Flächen, bei der Überprüfung der City-Bodenrichtwerte 2015/2016 sowie aus bei anderen Gutachterausschüssen durchgeführten Lagewertverfahren herangezogen werden. Auf dieser Grundlage und aus den Erfahrungen der Geschäftsstelle bei der Ableitung der Bodenrichtwerte, wird der dauerhafte Mehrbedarf für das Stadtmessungsamt auf 1 Stelle im gehobenen und 1 Stelle im mittleren Dienst geschätzt.


Geschätzte zusätzliche Finanzmittel Phase 1 und 2

Neben einer Erhöhung der Personalkapazität in der Geschäftsstelle werden auch die ehrenamtlichen Mitglieder des Gutachterausschusses stärker in die Ableitung der Bodenrichtwerte einbezogen werden müssen. Neben den Sondersitzungen in Phase 1 ist die Mitarbeit der Gutachter in den folgenden Jahren beispielsweise im Lagewertverfahren erforderlich.

Entsprechend der Gutachterausschussverordnung Baden-Württemberg (GuAVO BW) werden die Gutachter für ihre ehrenamtliche Tätigkeit mit 36 € je angefangener Stunde entschädigt. Ausgehend von dem Beratungs- und Abstimmungsbedarf und einer Besetzung des Gutachterausschusses mit einer Stärke von durchschnittlich 10 Personen wird der jährliche zusätzliche Bedarf für die Arbeit des Gutachterausschusses auf ca. 40.000 € geschätzt.

Finanzielle Auswirkungen

Für die zwei zusätzlichen Stellen fällt ab 2021 ein jährlicher Aufwand von rund 145.000 € an. Für das Jahr 2020 fällt ein anteiliger Aufwand rund 73.000 € an. Die Verwaltung berichtet im zweiten Halbjahr 2021 auf Basis der dann vorliegenden Erfahrungen über den genauen vorübergehenden und dauerhaften Personalbedarf.

Für die zusätzliche Arbeit des Gutachterausschusses fallen überplanmäßige Aufwendungen im THH 620 – Stadtmessungsamt, Amtsbereich 6207020 Immobilienbewertung, Kontengruppe 440 – Sonstige ordentliche Aufwendungen in Höhe von 40.000 € an. Die Deckung erfolgt in 2020 aus der Deckungsreserve im Teilhaushalt 900 – Allgemeine Finanzwirtschaft, Amtsbereich 9006120 – Sonstige allgemeine Finanzwirtschaft, Kontengruppe 440 – Sonstige ordentliche Aufwendungen.


Beteiligte Stellen

Referate AKR und WFB
Der örtliche Personalrat hat Kenntnis genommen.


Vorliegende Anträge/Anfragen

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Erledigte Anträge/Anfragen

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Dirk Thürnau
Bürgermeister


Anlagen

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