Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
269/2011
GZ:
OB
Sitzungstermin: 14.04.2011
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Frau Gallmeister
Betreff: Resolution des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart (LHS) zur Übertragung der Aufgabenträgerschaft für die SSB-Verkehre auf den Verband Region Stuttgart

Beratungsunterlage ist die dieser Niederschrift angeheftete Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 11.04.2011, GRDrs 269/2011.


OB Dr. Schuster erläutert einleitend im Sinne der oben genannten Drucksache und bittet um die Zustimmung des Gemeinderats hierzu.

Dieser Bitte könne seine Fraktion - wie auch im Jahr 2003 - nachkommen, erklärt StR Wölfle (90/GRÜNE). An der aus Sicht seiner Fraktion zur kommunalen Daseinsvorsorge gehörenden Aufgabe, den Nahverkehr zu organisieren und auch zu tragen, wolle seine Fraktion nicht rütteln. Mit dem, was erreicht worden sei, habe die Stadt auf jeden Fall den besseren und konkreteren Blick auf den Nahverkehr als eine übergeordnete Behörde. Dass die Thematik immer wiederkomme, sei der seinerzeitigen Verwaltungsreform mit der Gründung der Region Stuttgart geschuldet, die mit begrenzten Aufgabenstellungen versehen worden sei, sodass sich der seit langem bestehende Wunsch nach einer Übertragung des Nahverkehrs ergeben habe. Nach Meinung seiner Fraktion werde die Aufgabe durch die Landeshauptstadt ordentlich wahrgenommen.

Bei Presseberichten, dass die Grünen die Stadtbahn nach Frankreich verkaufen wollen, handle es sich um "völligen Unsinn", betont StR Wölfle. Richtig sei, dass im Wahlprogramm der Grünen zur Landtagswahl diese Verlagerung der Aufgabenstellung enthalten sei. Er könne aber - ohne ein Geheimnis zu verraten - aus den Koalitionsgesprächen heute mitteilen, dass die Gefahr, die teilweise gesehen wurde, gebannt sei und die Frage mit dem Koalitionspartner einvernehmlich so gelöst worden sei, "dass das jetzt von manchen an die Wand gemalte Schreckgespenst sich wieder verziehen kann". Dies bedeute nicht, dass die Region dieses Thema nicht immer wieder einmal aufgreifen wird.

StR Wahl (CDU) geht davon aus, dass Einigkeit im Gemeinderat darüber besteht, dass die SSB weder an einen französischen Konzern verkauft werden soll, noch dass an der Aufgabenträgerschaft der Stadt gerüttelt werden soll. Seine Fraktion komme daher der Bitte des Vorsitzenden gerne nach, der Resolution zuzustimmen, die sich an den künftigen Landesgesetzgeber wendet. Für seine Fraktion gebe es überhaupt keinen Grund, die alleinige Aufgabenträgerschaft der Landeshauptstadt Stuttgart für den ÖPNV in der Region auf den Verband Region Stuttgart zu übertragen, da die Vorteile der bisherigen Konstellation auch in Zukunft gesichert bleiben müssten. Seine Fraktion gehe davon aus, dass hier sogar ein weiterer Ausbau möglich sei.

StR Wahl betont, dass der ÖPNV in der Region Stuttgart bundesweit keinen Vergleich scheuen müsse, im Gegenteil. Die SSB sei ein sehr modernes Verkehrsunternehmen mit modernsten Beförderungsmitteln und biete höchsten Komfort. Die hohe Inanspruchnahme der Fahrzeuge der SSB durch über 320 Mio. Fahrgäste sei seines Erachtens ein klarer Beweis für die Qualität des städtischen Verkehrsunternehmens SSB in der Region.

Die SSB beschäftige hervorragende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die gemeinsam mit dem Vorstand, der Personalvertretung und der Landeshauptstadt in den letzten Jahren den Weg einer nicht einfachen Restrukturierung erfolgreich gegangen seien. Diesen Weg wollten sie in den nächsten Jahren mit der Stadt auch erfolgreich fortsetzen. Die heutige Resolution habe im Prinzip einen vorsorglichen Charakter, weil an die neue Landesregierung die Botschaft übersandt werden solle, dass an der Aufgabenträgerschaft für die SSB in der Region Stuttgart überhaupt nichts verändert werden muss und überhaupt nichts verändert werden soll. In diesem Sinne sei die Resolution zu verstehen, der seine Fraktion heute gerne zustimme, schließt StR Wahl seine Wortmeldung ab.

StRin Dr. Blind (SPD) weist darauf hin, dass man, als die EU in der Vergangenheit den öffentlichen Verkehr liberalisiert habe, sehr froh gewesen sei, weiterhin die SSB als integriertes Verkehrsunternehmen in Stuttgart behalten zu können, da eine enge Verzahnung von Stadtplanung, Verkehrsplanung und Infrastruktur wichtig sei. Die SSB sei hervorragend aufgestellt und sie - Dr. Blind - wolle durchaus erwähnen, dass die Mitarbeiter/-innen dort zum Teil schmerzliche Einschnitte hinnehmen mussten. Ihre Fraktion wolle auf keinen Fall eine europaweite Ausschreibung des öffentlichen Verkehrs in Stuttgart, zu der es käme, wenn die Aufgabenträgerschaft der Stadt z. B. an die Region ginge. Ihre Fraktion stimme der Resolution selbstverständlich zu.

StR Dr. Stübel (FDP) kündigt die Zustimmung auch seiner Fraktion zur Resolution an. Die FDP-Fraktion stimme mit StR Wölfle überein, dass es nicht nur die Partei der Grünen gewesen sei, sondern auch Mitglieder aus seiner Partei gewesen seien, die gerne alles in der Region vereinigt hätten. Dies sei aber im Rahmen des Parteitags mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Wichtig seien für seine Fraktion hierbei drei Gründe. Erstens: Als Mitglied des SSB-Aufsichtsrats könne er bestätigen, dass bei der SSB hervorragende Arbeit geleistet wird. Der Grund, der von der Region angeführt werde, dass gemeinsam viel rationeller Politik aus einer Hand gemacht werden könnte, sei nicht zutreffend, da auch jetzt im VVS gemeinsame Beschlüsse z. B. über die Fahrpreise getroffen werden. Zweitens würde eine europaweite Ausschreibung mit Sicherheit zu einer Infrastrukturänderung der SSB-Organisation führen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die gesamte Abwicklung schwerfälliger und am Ende für alle viel teurer würde. Drittens gelte nach wie vor das Subsidiaritätsprinzip - und die SSB in Stuttgart erbringe außerordentlich gute Leistungen.

Die SSB habe sich in den letzten Jahren um Kosteneinsparungen und darum bemüht, auf die Wünsche der Landeshauptstadt einzugehen, argumentiert StR Kauderer (FW). Sie sei eines der besten öffentlichen Nahverkehrsunternehmen in der Bundesrepublik. Würde den Wünschen der Region nachgegeben, würde die Stadt alle Einflussnahmemöglichkeiten aus der Hand geben. Die Landeshauptstadt habe eigene Wünsche und Vorstellungen, die ständige Anpassungen verlangten. Die Region könne die fehlenden Zuschüsse des Bundes nicht zurückholen, die der SSB für neue Aufgaben bzw. nötige Investitionen fehlen. Seine Fraktion stimme der Resolution in vollem Umfang zu.

Die Fraktionsgemeinschaft SÖS und LINKE unterstütze die Resolution aus voller Überzeugung, da sie der Meinung sei, dass die SSB in Stuttgart gute Arbeit leiste und dass es sich um einen zentralen Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge handle, hebt StRin Küstler (SÖS und LINKE) hervor. Ihre Fraktionsgemeinschaft wolle auf keinen Fall, dass die gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Stadt Stuttgart einen geringeren Einfluss auf das Verkehrswesen erhielten als bisher. Mit einer Ausschreibung nach EU-Richtlinien bestünde sogar die Gefahr, dass unter Umständen Private in dieses Geschäft eintreten, woraus sich das Problem ergebe, dass die Stadt weniger Einfluss habe und der zu erwirtschaftende Gewinn nicht zum weiteren Ausbau des öffentlichen Verkehrs und für die Aufgaben, wie sie seitens des Gemeinderats gesehen werden, zur Verfügung stünde.

Die SSB sei auch ein fairer Partner im Verkehrsverbund, fährt die Stadträtin fort, weshalb ihre Fraktionsgemeinschaft der Meinung sei, dass diese Zusammenarbeit weitergehen könne. Auch fühle sich ihre Fraktionsgemeinschaft der Belegschaft verpflichtet, die gute Arbeit leiste - wofür sich ihre Fraktionsgemeinschaft bedanke - und die dazu beigetragen habe, dass die SSB so gut aufgestellt ist; die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten durch ihre Zustimmung und ihre Mitarbeit bei der Restrukturierung diese gute Situation überhaupt erst möglich gemacht.

StR Dr. Schlierer (REP) merkt an, regionale Planungen und auch regionale Planungskompetenzen könnten im Grundsatz durchaus sinnvoll sein, weshalb der Wunsch, bestimmte Bereiche im Rahmen des VVS zu entscheiden, zunächst nachvollziehbar sei. Genauso gelte aber der Grundsatz der Subsidiarität, der bedauerlicherweise oft zu nachrangig behandelt werde. Die dem Wettbewerbsgedanken zugrunde liegende Wunschvorstellung, dass Wettbewerb und Markt alles besser regelten, treffe nicht zu, weshalb immer wieder darauf hingewiesen werden müsse, dass das Subsidiaritätsprinzip als Korrektiv zu diesem Wettbewerbsdenken eingesetzt werden und seine Gültigkeit behalten müsse. Im vorliegenden Fall gebe es eigentlich keine sachliche Notwendigkeit für eine Übertragung auf den VVS; er sehe keine Vorteile aus einer solchen Übertragung. Vielmehr sei davon auszugehen, dass das Problem der finanziellen Unterdeckung auch durch den VVS nicht gelöst werden könnte und dass - gerade im Hinblick auf die angesprochene Gefahr einer europaweiten Ausschreibung - sich das Problem ergeben würde, dass die Tarifstruktur in einer Art und Weise geändert würde, wie es Gemeinderat und Landeshauptstadt nicht haben wollten. Er halte es deshalb für völlig richtig und unterstütze uneingeschränkt, dass der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart erneut mit einer Resolution seine Position deutlich macht.


Abschließend stellt OB Dr. Schuster fest:

Der Gemeinderat beschließt einstimmig wie beantragt.

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