Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Städtebau/Wohnen und Umwelt
Gz: SWU
GRDrs 34/2021
Stuttgart,
06/07/2021



Potenzialanalyse Wohnen - Ergebnisbericht und weiteres Vorgehen



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
UA WA + STA Wohnungsbau
Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen
Gemeinderat
Vorberatung
Vorberatung
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
öffentlich
21.06.2021
22.06.2021
25.06.2021
01.07.2021



Beschlußantrag:



Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Die Landeshauptstadt Stuttgart ist ein attraktiver Wohn- und Arbeitsstandort, der eine hohe Anziehungskraft auf die Bevölkerung ausübt. Der Wohnungsmarkt ist seit Jahren einem enormen Druck unterworfen, die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum hält konstant an. Flächenknappheit und steigende Grundstückspreise verschärfen die Problematik des Wohnraummangels und führen dazu, dass die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten langfristig eine der wichtigsten Aufgaben von Politik und Verwaltung bleibt.

Um der Aufgabe der Wohnraumschaffung nachkommen zu können, ist es wichtig, alle denkbaren Flächenpotenziale zu lokalisieren. Somit hat die Potenzialanalyse Wohnen zum Ziel, neue, bisher nicht erfasste Potenziale im gesamten Stadtgebiet zu untersuchen und aufzuzeigen. Gemäß der Leitlinie „Innentwicklung vor Außenentwicklung“ liegt der Schwerpunkt auf potenziellen Wohnbauflächen innerhalb des bebauten Siedlungskörpers. Flächen im Außenbereich wurden weitgehend ausgeschlossen und nur bei Vorliegen eng gefasster Kriterien berücksichtigt.

Das Ergebnis stellt einen Flächenpool mit rund 5.500 Grundstücken und einer Gesamtfläche von ca. 330 ha dar, auf denen rund 18.300 neue Wohneinheiten geschaffen werden können. Über drei Viertel dieser Wohneinheiten resultieren aus baulichen Maßnahmen auf privaten Grundstücken, weshalb die Mitwirkungsbereitschaft der privaten Eigentümerinnen und Eigentümer einen wichtigen Aspekt bei der Umsetzung darstellt.

Da eine zeitgleiche Aktivierung aller Potenzialflächen nicht möglich ist, hat die Verwaltung die sogenannte Vorschlagsliste erarbeitet. Diese benennt 15 Entwicklungsräume bzw. Einzelflächen, welche jeweils als Entwicklungsbereiche bezeichnet werden. Bei all diesen Entwicklungsbereichen handelt es sich um Potenziale, die besonders vielversprechend sind und im Rahmen einer ganzheitlichen Konzeption gedacht und aktiviert werden müssen. Ergänzende Nutzungen und Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Grün- und Freiflächen, Einzelhandel, Gewerbe und Dienstleistung sind dabei zu berücksichtigen.

Für jeden der 15 Entwicklungsbereiche der Vorschlagsliste wird ein spezielles Vorgehen entwickelt und umgesetzt. Darüber hinaus gehende Entwicklungen, die sich aus dem vorgelagerten Aktivierungsprozess heraus ergeben, werden selbstverständlich weiterverfolgt. Über den zeitlichen Planungshorizont kann derzeit keine verbindliche Aussage getroffen werden, dies ist in den weiteren vertiefenden Planungen zu klären.

Zur Aktivierung der Potenziale schlägt die Verwaltung ein 5-stufiges Vorgehen vor. Zentrales Ziel ist es, die Bevölkerung und die Eigentümerinnen und Eigentümer für das Thema der Nachverdichtung zu sensibilisieren und sie zum Mitmachen zu bewegen. Die einzelnen Stufen sind inhaltlich voreinander abhängig und überschneiden sich zeitlich. Sie setzen sich folgendermaßen zusammen:
Nachdem der Gemeinderat über die vorliegende Drucksache entschieden hat, werden den zuständigen Bezirksbeiräten die jeweiligen Entwicklungsbereiche aus der Vorschlagsliste erläutert. Darüber hinaus spielen die Bezirksbeiräte im Rahmen der Aktivierungsstrategie eine wichtige Rolle. Sie können in ihrer Funktion als Schnittstelle zwischen Verwaltung und Bürgerschaft als Sprachrohr agieren. Als Multiplikatoren können sie viel dazu beitragen, die Bevölkerung für das Thema Nachverdichtung zu sensibilisieren, die notwendige Akzeptanz zu schaffen sowie die Eigentümerinnen und Eigentümer zum Mitmachen zu bewegen.


Finanzielle Auswirkungen

Zur Aktivierung der erhobenen Flächenpotenziale im Rahmen einer Gesamtstrategie werden 4 neue Stellen im Amt für Stadtplanung und Wohnen benötigt. Dabei sollte der Fokus zunächst auf den Flächen liegen, die bereits heute als Wohnbaufläche oder Gemischte Baufläche im Flächennutzungsplan dargestellt sind. Die Aufgabenstellung der vier neu zu schaffenden Stellen orientiert sich am kommunalen Flächenentwicklungsmanagement (FEM) ähnlich wie man dies vom nachhaltigen Bauflächenmanagement (NBS) Stuttgart kennt, geht aber in der Aufgabenvielfalt über dieses hinaus. Sie werden im Rahmen des Stellenplans 2022 beantragt. (Siehe Haushaltsrelevante Mitteilungsvorlage GRDrs 458/2021).

Die im Rahmen der Flächenaktivierung benötigten Mittel belaufen sich nach einer ersten Einschätzung auf rund 1.230.000 €. Aufgeteilt auf die Haushaltsjahre 2022-2024 muss mit Finanzmitteln in Höhe von rund 410.000 € pro Jahr gerechnet werden.



Beteiligte Stellen

Referat WFB
Referat SOS


Vorliegende Anträge/Anfragen

keine

Erledigte Anträge/Anfragen

keine



Peter Pätzold
Bürgermeister


Anlagen

Anlage 1: Ausführliche Begründung
Anlage 2: Endbericht zur Potenzialanalyse Wohnen
Anlage 3: Potenzialplan Gesamtstadt
Anlage 4: Vorschlagsliste - Bewertung der Flächen


Ausführliche Begründung


1. Ausgangslage und Ziele

Die Landeshauptstadt Stuttgart übt als attraktiver Wohn- und Arbeitsstandort eine hohe Anziehungskraft auf die Bevölkerung aus; die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist seit Jahren angespannt. Stuttgart hat sich deshalb zu einer der deutschen Städte mit dem höchsten Mietpreisniveau entwickelt. Trotz des coronabedingten Rückgangs der Einwohnerzahlen ist damit zu rechnen, dass der hohe Nachfrageüberschuss nach Wohnraum auch weiterhin bestehen bleibt. Somit wird die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten auch langfristig eine der wichtigsten Aufgaben von Politik und Verwaltung bleiben.

Dieser Aufgabe ist die Stadtverwaltung bisher mit Instrumenten wie dem Nachhaltigen Bauflächenmanagement (NBS), der daraus resultierenden Zeitstufenliste Wohnen, dem Baulückenkataster und dem Stuttgarter Innenentwicklungsmodell (SIM) begegnet. Trotz dieser Bemühungen ist der Druck auf dem Wohnungsmarkt weiterhin ungebrochen, weshalb es notwendig ist, weitere Potenzialflächen für den Wohnungsbau zu identifizieren. Vor diesem Hintergrund wurde das Karlsruher Büro berchtoldkrass space&options mit der Erstellung der Potenzialanalyse Wohnen beauftragt.

Die Potenzialanalyse Wohnen untersucht das gesamte Stadtgebiet auf neue, bisher nicht erfasste Potenziale. Zur Identifizierung dieser wurde die Gesamtstadt bewusst mit einem offenen Blick „gescannt", um auch langfristig denkbare Potenziale in den Fokus zu nehmen. Die Studie baut auf der Leitlinie „Innentwicklung vor Außenentwicklung“ auf, sodass der Schwerpunkt auf potenziellen Wohnbauflächen innerhalb des bebauten Siedlungskörpers liegt. Flächen im Außenbereich wurden weitgehend ausgeschlossen und nur bei Vorliegen eng gefasster Kriterien berücksichtigt: Das jeweilige Grundstück muss an einer Straße liegen und gut an den schienengebundenen öffentlichen Nahverkehr angebunden sein. Es muss sich für eine Bebauung mit Geschosswohnungsbau eignen und darf nicht Bestandteil eines Landschafts- oder Naturschutzgebietes sein.

Im Zentrum der Studie standen folgende Fragestellungen:
Aus der Beantwortung dieser Fragen resultiert nicht nur eine Flächenkulisse, die aufzeigt, wo und wie viel zusätzlicher Wohnraum im Rahmen einer qualitätvollen Nachverdichtung entstehen kann. Es wird auch aufgezeigt, welche Chancen mit einer Aktivierung der Potenzialflächen verbunden sein können und welche Mehrwerte für die jeweilige Fläche, das nähere Umfeld und ggf. das gesamte Quartier entstehen können.




2. Vorgehen und Methodik

Das Vorgehen des Büros berchtoldkrass space&options bei der Erstellung der Potenzialanalyse Wohnen kann in fünf Arbeitsschritte gegliedert werden. Die ersten vier Schritte wurden am Pilotprojekt Bad Cannstatt erprobt und mit entsprechenden Anpassungen auf das restliche Stadtgebiet übertragen.

Im Rahmen der Grundlagenermittlung fanden mehrere Abstimmungsgespräche und verwaltungsinterne Workshops statt. In diesen Terminen wurden die Methodik, die Suchkriterien und die Grundlagen festgelegt. Darauf aufbauend wurden sogenannte Stadtstrukturtypen erarbeitet, die als Grundlage für alle weiteren Arbeitsschritte dienten. Zur Erstellung der Stadtstrukturtypen wurde die bestehende Bebauungsstruktur analysiert und unterschiedlichen Kategorien zugeordnet. Im Ergebnis sind 13 Stadtstrukturtypen entstanden, die Aussagen über die Dichte der bestehenden Bebauung treffen. An Hand der Kategorien konnte ein Vergleich unterschiedlicher Bereiche erfolgen. So konnten Bereiche lokalisiert werden, die im Vergleich zu anderen Bereichen desselben Stadtstrukturtyps weniger dicht bebaut sind und Raum für eine qualitätvolle und verträgliche Nachverdichtung bieten.

Zur Lokalisierung konkreter Potenzialflächen wurden unterschiedliche Analysen im Geoinformationssystem im Zusammenspiel mit Luftbildauswertungen und Ortsbegehungen vorgenommen. Dabei wurde einerseits die vorhandene Ausnutzung eines Grundstücks betrachtet und andererseits nach Räumen mit besonderem Entwicklungspotenzial gesucht, die bspw. gut an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) angebunden sind und besonders geeignete Eigentumsverhältnisse aufweisen (vollständig oder größtenteils im Eigentum der öffentlichen Hand, einer Baugenossenschaft, eines Wohnungsbauunternehmens oder einer privaten Einzeleigentümerin bzw. eines privaten Einzeleigentümers).

Neben Einzelflächen wurden sogenannte Entwicklungsräume identifiziert. Ein Entwicklungsraum umschließt viele einzelne Potenzialflächen und ermöglicht die Umsetzung einer hohen Anzahl an neuen Wohneinheiten. Durch eine ganzheitliche planerische Konzeption von Entwicklungsräumen können Mehrwerte entstehen, die über die Grenzen der Potenzialflächen hinausreichen. So werden zum Beispiel im Rahmen der sogenannten doppelten Innenentwicklung Flächenreserven im Bestand effizient ausgenutzt und zeitgleich urbanes Grün aufgewertet oder geschaffen.

Bereits bekannte Potenziale aus dem NBS, der Zeitstufenliste Wohnen und dem Baulückenkataster werden in der Studie der Vollständigkeit halber nachrichtlich aufgeführt, in den statistischen Auswertungen aber nicht berücksichtigt.

Zur Plausibilisierung der lokalisierten Potenzialflächen wurden Gespräche mit allen Planungsabteilungen und der Abteilung Stadtentwicklung sowie den Bezirksvorsteherinnen und Bezirksvorstehern geführt. Ziel der Gespräche war es, weitere Einschätzungen zur Eignung der Potenzialflächen zu erhalten, wichtige Informationen und Hinweise abzufragen sowie gegebenenfalls zusätzliche, noch nicht identifizierte Potenziale aufzunehmen. Potenzialflächen wurden im Zuge der Gespräche nur ausgeschlossen, wenn sie bereits Bestandteil laufender Planungen sind, bereits durchgeführte Untersuchungen (bspw. Brandschutz, Erschließbarkeit der Fläche) oder unausräumbare Belange (bspw. Baugrund, Naturschutz) vorliegen, die gegen die Entwicklung der jeweiligen Fläche sprechen.

Dem folgte die Vertiefung der Entwicklungsmöglichkeiten. Es wurde untersucht, in welcher Form eine Entwicklung der jeweiligen Fläche erfolgen kann und wie viele neue Wohneinheiten dadurch entstehen können. Auch wurde beleuchtet, welche positiven Auswirkungen auf das Umfeld mit einer entsprechenden Entwicklung verbunden wären. Dazu gehören neben der Stärkung und Schaffung urbanen Grüns zum Beispiel auch die Entwicklung eines Quartierszentrums, die Schaffung sozialer Einrichtungen sowie von Einrichtungen des täglichen Bedarfs.

Für die wichtigsten Potenziale wurden Steckbriefe erstellt. Zu diesen Potenzialen gehören die Entwicklungsräume sowie vielversprechende Einzelflächen. Die Steckbriefe enthalten alle relevanten Informationen, konkretisieren die Entwicklungsmöglichkeiten der Potenziale und beinhalten Handlungsempfehlungen.

Für fünf der in den Steckbriefen näher beleuchteten Entwicklungsräume bzw. Potenzialflächen wurden Testentwürfe erarbeitet. Sie stellen erste konzeptionelle Ideen und Lösungsansätze dar und vermitteln eine Idee davon, wie eine bauliche Verdichtung auf den ausgewählten Flächen aussehen kann. Zusammen mit einer Sammlung an Beispielen für eine qualitätvolle Nachverdichtung zeigen die Testentwürfe, wie eine Entwicklung auf den Potenzialflächen aussehen kann. Sie sind nicht als feste Planungen zu verstehen.

Bei der Auswahl der Flächen, für die Testentwürfe erstellt wurden, wurden die unterschiedlichen Nachverdichtungsmöglichkeiten, eine gute Umsetzbarkeit und die maximal mögliche Anzahl an neuen Wohneinheiten berücksichtigt. Im Rahmen dieses Vorgehens sind Testentwürfe für folgende Bereiche entstanden:

Neben der Darstellung der Ergebnisse in Form des beiliegenden Abschlussberichtes (Anlage 1) wurden die Potenzialflächen als GIS-Layer zum Übertrag in die städtischen Datenbanken übergeben. Die ermittelten Potenzialflächen werden als eigenständiger GIS-Layer integriert und langfristig mit den bereits bekannten Flächenpotenzialen zusammengeführt. Ziel ist die Schaffung einer Arbeitsgrundlage, die einen Gesamtüberblick über alle Potenziale ermöglicht und auf die im Rahmen der künftigen Flächenaktivierung zugegriffen werden kann.


3. Potenzialanalyse Wohnen in Zahlen

Für die Gesamtstadt wurde ein maximales Entwicklungspotenzial von etwa 18.300 neuen Wohneinheiten ermittelt. Die bereits bekannten Potenziale, die sich aus dem NBS, der Zeitstufenliste Wohnen und dem Baulückenkataster ergeben und ca. 19.500 Wohneinheiten betragen, sind darin nicht enthalten.



Die neu lokalisierten Potenziale verteilen sich auf insgesamt 5.500 Grundstücke und 330 ha. Eine Übersicht über die Gesamtstadt (Anlage 2) ist diesem Bericht beigefügt.
Die Potenziale lassen sich wie folgt den fünf Planungsbezirken zuordnen:
Die Realisierung von ca. 89 % der möglichen Wohneinheiten wäre auf bereits bebauten Flächen möglich, die restlichen 11 % entfallen auf unbebaute Grundstücke wie zum Beispiel kleinere Grundstücke, Brachflächen und kleinere Arrondierungsflächen. Bei ca. 87 % der maximal möglichen Wohneinheiten handelt es sich um solche, die auf Grundstücken privater Eigentümer und Eigentümerinnen entstehen können. Die restlichen 13 % können auf Grundstücken der Stadt, des Landes oder des Bundes errichtet werden.

In allen fünf Planungsbezirken besteht das größte Potenzial (ca. 42 %) auf Flächen, die bereits heute zu Wohnzwecken genutzt werden. Rund ein Viertel der Entwicklungspotenziale (28 %) resultiert aus Flächen, die heute durch Gewerbe- und Büronutzung geprägt sind. Rund 5 % der Potenziale sind der Versorgungsinfrastruktur zuzuordnen und können zum Beispiel durch die Aufstockung von Supermärkten entstehen. Bei 12 % der Wohneinheiten handelt es sich um solche, die auf Parkierungs- und Garagenflächen realisiert werden können. Hierbei ist zu prüfen, inwiefern es sich dabei um nachzuweisende Stellplätze handelt und ob bzw. wie der Wegfall der Parkplätze kompensiert werden kann. Die restlichen 13 % der Wohneinheiten sind auf unversiegelter Fläche sowie auf Flächen für soziale Infrastruktur (Kirchen, Sportflächen, Kindergärten) zu verorten. Hinsichtlich der Kindergärten soll verdeutlichet werden, dass es sich nur um wenige einzelne Flächen handelt und nicht das Ziel verfolgt wird, die vorhandenen Standorte aufzugeben. Vielmehr geht es darum, eine Nutzungsmischung zu erzielen und die bestehende Kindergartennutzung zu integrieren.

Bei all den Potenzialflächen, die heute nicht ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werden, bietet sich im Rahmen einer ganzheitlichen Entwicklung die Möglichkeit, neue Mischgebiete zu entwickeln. Dem Leitbild der nutzungsgemischten Stadt und der Stadt der kurzen Wege entsprechend, können hybride, mischgenutzte Quartiere entstehen.

Bei den ermittelten rund 18.300 Wohneinheiten handelt es sich um einen theoretisch möglichen Zuwachs. In dieser Zahl ist nicht berücksichtigt, dass die Schaffung neuer Wohneinheiten weitere Flächenbedarfe für Kindergärten, Schulen, Grün- und Freiflächen, Stellplätze etc. nach sich zieht. Die Abschätzung zeigt jedoch, dass über die bereits bekannten Potenziale hinaus umfangreiche zusätzliche Potenzialflächen für die Schaffung neuen Wohnraums vorhanden sind.

Da die Flächen über einen Zeitraum von einem Jahr erhoben wurden und jede Stadt sich in einem stetigen Entwicklungsprozess befindet, können die Verfügbarkeiten einzelner Flächen aufgrund aktueller Entwicklungen nicht mehr gegeben sein.



4. Weiteres Vorgehen

Auf Grund des immensen Drucks auf dem Stuttgarter Wohnungsmarkt muss mit der Aktivierung der Potenzialflächen umgehend begonnen werden. Bei vielen Flächen handelt es sich um Potenziale, deren Aktivierung einer umfassenden Vorbereitung und Vorarbeit seitens der Verwaltung bedarf. Zahlreiche Flächen sind einer eher langfristigen
Zeitschiene zuzuordnen, vor allem solche, die sich ausschließlich im Besitz vieler privater Einzeleigentümerinnen und Einzeleigentümer befinden.


Da eine zeitgleiche Aktivierung aller Flächenpotenziale nicht möglich ist, hat die Verwaltung die sogenannte Vorschlagsliste erstellt. Diese setzt sich aus 15 Positionen zusammen, zu denen elf Entwicklungsräume und vier Einzelflächen bzw. zusammenhängende Flächen gehören, die außerhalb eines Entwicklungsraums liegen. Sie werden im nachfolgenden als Entwicklungsbereiche bezeichnet.

Bei allen Entwicklungsbereichen handelt es sich um solche, die besonders vielversprechend sind und im Rahmen einer ganzheitlichen Konzeption gedacht und aktiviert werden müssen. Bei der Aktivierung ist es wichtig, dass nicht nur das Thema Wohnen berücksichtigt wird. Ergänzende Nutzungen und Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Grün- und Freiflächen, Einzelhandel, Gewerbe und Dienstleistung müssen ebenfalls mitgedacht werden. Vor allem bei Flächen, die heute nicht mit Wohnnutzung belegt sind, müssen die bestehenden Nutzungen berücksichtigt und ggf. Alternativstandorte zur Verfügung gestellt werden.

Die 15 Entwicklungsbereiche der Vorschlagsliste wurden einer Bewertung unterzogen, die auf den Steckbriefen basiert und zusätzliche Faktoren wie zum Beispiel die durchschnittlichen Wohneinheiten pro Quadratmeter Grundstücksfläche und Besonderheiten der Flächenverfügbarkeit berücksichtigt (geplante Standortaufgaben von Gewerbe- und Dienstleistungsnutzungen, bestehende Verkaufsabsichten, rückläufige Mitgliederzahlen bei Vereinen). Im Ergebnis wurden vier Entwicklungsbereiche als „besonders gut geeignet“, sechs als „sehr gut geeignet“ und fünf als „gut geeignet“ eingestuft. Die detaillierte Bewertung ist der Anlage 3 zu entnehmen.

Kleinere Potentialflächen welche nicht zu den Entwicklungsbereichen gehören, werden systematisch auf bestehendes Baurecht geprüft. Wenn Baurecht auf diesen Flächen besteht, werden sie in das vorhandene Baulückenkataster übernommen. Kleinere Flächen ohne Baurecht bei denen es sich per Definition nicht um Baulücken handelt, werden in der Priorisierung zur Aktivierung aller Flächen der Potentialanalyse Wohnen hintenangestellt, da die generell größeren Entwicklungsbereiche vorrangig umgesetzt werden sollen.

Nach § 25 BauGB kann die Gemeinde in Gebieten, in denen sie städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht, zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung besondere Vorkaufsrechtssatzungen erlassen. Dies kommt für Arrondierungsflächen am Ortsrand in Frage. Die Verwaltung wird die Entwicklungsbereiche der Vorschlagsliste dahingehend prüfen und dem Gemeinderat entsprechende Satzungen zur Beschlussfassung vorlegen.

Sofern der Gemeinderat der Vorschlagsliste zustimmt, wird für jeden Entwicklungsbereich ein spezielles Vorgehen entwickelt und umgesetzt. Sollten sich Entwicklungen für Potenzialflächen ergeben, die nicht in der Vorschlagsliste enthalten sind, werden diese selbstverständlich aktiv weiterverfolgt und vorangetrieben.


Nr. lfd.Entwicklungsraum/Potenzialflächemax. Anzahl der Wohneinheiten Bewertung
1Parkplatz Bürocampus Wangen130besonders gut geeignet
2Gaisburg, Stuttgart-Ost400besonders gut geeignet
3Salzäcker, Möhringen240besonders gut geeignet
4Statistisches Landesamt und Universität, Stuttgart-Süd110besonders gut geeignet
5Muckensturm, Bad-Cannstatt290besonders gut geeignet
6Achardweg, Zuffenhausen210besonders gut geeignet
7Ortskern Stammheim120sehr gut geeignet
8Kelterplatz, Zuffenhausen70sehr gut geeignet
9Botnang-Zentrum, Stuttgart-West150sehr gut geeignet
10Birkach-Nord80sehr gut geeignet
11An der Schusterbahn, Münster120sehr gut geeignet
12Hausen, Weilimdorf130sehr gut geeignet
13Föhrichstraße, Feuerbach240gut geeignet
14Messstetter-/Prager-/ Trautäckerstraße, Möhringen400gut geeignet
15Hoffeld, Degerloch150gut geeignet

Zur Aktivierung der Potenzialflächen wurden 5 Stufen definiert, die inhaltlich voneinander abhängen und sich zeitlich überlagern:

Stufe 1: Einbindung der Bezirke

Die Bezirksbeiräte sollen frühzeitig eingebunden werden. Den zuständigen Bezirksbeiräten werden die jeweiligen Entwicklungsbereiche der Vorschlagsliste erläutert und im Kontext des Endberichts der Potenzialanalyse Wohnen vorgestellt. Die Bezirksbeiräte können den Aktivierungsprozess in ihrer Rolle als Schnittstelle zwischen Verwaltung und Bürgerschaft begleiten und zur Sensibilisierung und Akzeptanzschaffung für das Thema Nachverdichtung beitragen. Auf Grund der Bürgernähe, die dem Amt innewohnt, kann jede einzelne Bezirksbeirätin und jeder einzelne Bezirksbeirat als Multiplikator auftreten und dadurch die Schaffung neuen und bezahlbaren Wohnraums vorantreiben.

Stufe 2: Öffentlichkeitsarbeit und bürgerschaftlicher Dialog

Bei der Realisierung der ermittelten Wohnbaupotenziale spielen die Akzeptanz der Bevölkerung sowie die Mitwirkungsbereitschaft der privaten Eigentümerinnen und Eigentümer eine große Rolle. Dies gilt insbesondere für die Potenziale auf privaten Grundstücken. Der Begriff Nachverdichtung geht oft mit negativen Assoziationen einher, viele Menschen verbinden damit automatisch eine zunehmende Lärmbelastung, mehr Verkehrsaufkommen, weniger Grün- und Freiflächen. Da es äußerst wichtig ist, den Bürgerinnen und Bürgern diese Ängste und Bedenken zu nehmen, stellen die Öffentlichkeitsarbeit und der bürgerschaftliche Dialog, durch welche die Bevölkerung in die Planungen eingebunden wird, einen zentralen Grundbaustein der Aktivierungsstrategie dar.

An Hand der 15 Entwicklungsbereiche der Vorschlagsliste soll in diesem Schritt aufgezeigt werden, dass eine bauliche Nachverdichtung die Lebensqualität in den Quartieren und ihre Attraktivität beispielsweise durch die Modernisierung der Bestandsgebäude, die Begrünung von Dach- und Fassadenflächen, die Aufwertung bestehender Grün- und Freiräume sowie die Schaffung ergänzender sozialer Infrastrukturen erhöhen kann. Gelingen kann das am besten mit Visualisierungen, zum Beispiel in Form der vorhandenen Testentwürfe. Im Rahmen von Beteiligungsveranstaltungen könnten gemeinsam mit der Bevölkerung neue Ideen kreiert und weitere Testentwürfe erarbeitet werden. Sollten sich im Rahmen dieses Schrittes weitere Entwicklungsschwerpunkte herauskristallisieren, können auch für diese Bereiche Testentwürfe erarbeitet werden.

Um eine breite Bürgerschaft zu erreichen, muss sowohl auf Printmedien als auch auf einen Onlineauftritt gesetzt werden. Mit einem guten Internetauftritt mit integrierten, einfach zu bedienenden Beteiligungsinstrumenten wie zum Beispiel Umfragen, Abstimmungen, Bewertungen sowie der Übermittlung von Anregungen und Projektideen kann auch die jüngere Bevölkerung erreicht und zum Mitmachen motiviert werden.

Stufe 3: Entwicklung ganzheitlicher Konzeptionen

Eine erfolgreiche Umsetzung der ermittelten und bereits bekannten Potenziale bedarf ganzheitlicher Planungen wie beispielweise Machbarkeitsstudien, Rahmenpläne und städtebaulicher Konzepte. Dabei müssen bestehende Untersuchungen und Planungen berücksichtigt und die Bürgerschaft eingebunden werden. Es ist davon auszugehen, dass solche Konzeptionen sich sowohl aus kurzfristigen als auch aus mittel- und langfristigen Projekten zusammensetzen werden und eine entsprechende Umsetzungszeit benötigen. Die Durchführung von Beteiligungsveranstaltungen ist dabei unabdingbar. Gegebenenfalls ist auf externe Moderation und Mediation zurückzugreifen, um zwischen Bürgerschaft, Eigentümerschaft und Verwaltung zu vermitteln. Die Versöhnung der unterschiedlichen Interessen wird in vielen Fällen sicherlich maßgebend zur Realisierbarkeit von Projekten zur Wohnraumschaffung beitragen.

Stufe 4: Aktivierung und Beratung der Eigentümerinnen und Eigentümer

Eine intensive Einbindung der Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer ist sehr wichtig. Dies muss sowohl im Rahmen von Veranstaltungen vor Ort als auch über Onlinekanäle und gängige Printmedien erfolgen. Dabei ist herauszustellen, welche finanziellen Vorteile mit einer Entwicklung einhergehen (Einnahmen aus Miete und Verkauf, Wertsteigerungen, Förderprogramme etc.) und welche anderweitigen Möglichkeiten bestehen (Tauschgrundstücke, Verkauf an die Stadt etc.). Insgesamt handelt es sich dabei um einen langwierigen Prozess, der über Monate und Jahre andauern kann.

Darüber hinaus sollte seitens der Verwaltung eine kostenlose Erstberatung angeboten werden, um den Eigentümerinnen und Eigentümern eine Idee davon zu vermitteln, wie eine Nachverdichtung auf ihrem Grundstück aussehen und erfolgen kann, welche Rahmenbedingungen zu beachten sind und wie die weiteren Schritte aussehen.

In Fällen, in denen die Umsetzung entsprechender baulicher Maßnahmen aus Altersgründen oder finanziellen Gründen nicht erfolgen kann, die Mitwirkungsbereitschaft jedoch vorhanden ist, müssen alternative Modelle zur Eigentumsbildung aufgezeigt werden. Die Verwaltung kann hierbei wegweisend agieren und in Frage kommende Möglichkeiten wie zum Beispiel die Bildung von Wohnungseigentumsgemeinschaften (WEG) oder von Baugemeinschaften aufzeigen. Die Stadt Stuttgart darf hierbei keine Rechtsberatung vornehmen.

Ein Verwaltungslotse könnte die interessierten Eigentümerinnen und Eigentümer über notwendige Schritte informieren und schnell an die richtigen Ansprechpartner innerhalb der Stadtverwaltung vermitteln.

Stufe 5: Umsetzung konkreter Projekte

Wird zugunsten von Wohnbauprojekten neues Planrecht geschaffen und ist hierbei ein Planungsgewinn zu verzeichnen, greift das SIM. Die jeweils geltenden Konditionen regeln die Rahmenbedingungen, die mit entsprechenden Projekten einhergehen wie zum Beispiel den Anteil geförderter Wohnungen. Der entsprechende Prozess wird begleitet von der Abteilung Stadterneuerung und Wohnbauentwicklung, Sachgebiet Wohnbauentwicklung, sowie der jeweils zuständigen Planungsabteilung.

Für einige Potenzialflächen müssen Erwerbsverhandlungen geführt werden, vor allem für solche, bei denen es sich um Arrondierungsflächen handelt. Dies fällt in die Zuständigkeit des Liegenschaftsamtes. Der Grunderwerb erfolgt im Rahmen der bestehenden personellen Kapazitäten und den vorhandenen Grunderwerbsmitteln. Das Amt für Stadtplanung und Wohnen kann dabei unterstützend agieren und aktiv an der Umsetzung mitwirken.

Die Änderung bestehender Bebauungspläne und die damit im Vorfeld erforderlichen städtebaulichen Untersuchungen, Mehrfachbeauftragungen und Wettbewerbe fallen in die Zuständigkeit der Planungsabteilungen und können unter der Voraussetzung der Verfügbarkeit personeller Ressourcen je nach Entwicklungsbereich auch zu einem früheren Zeitpunkt, erfolgen. Dabei sollte der Fokus zunächst auf den Flächen liegen, die bereits heute als Wohnbaufläche oder Gemischte Baufläche im Flächennutzungsplan dargestellt sind.


5. Finanzielle Auswirkungen

Personalbedarf
Zur Aktivierung der erhobenen Flächenpotenziale im Rahmen einer Gesamtstrategie werden 4 neue Stellen im Amt für Stadtplanung und Wohnen benötigt. Die Aufgabenstellung der vier neu zu schaffenden Stellen orientiert sich am kommunalen Flächenentwicklungsmanagement (FEM) ähnlich wie man dies vom nachhaltigen Bauflächenmanagement (NBS) Stuttgart kennt, geht aber in der Aufgabenvielfalt über dieses hinaus. Sie werden im Rahmen des Stellenplans 2022 beantragt.

Mittel für die Umsetzung der Aktivierungsstrategie
Die im Rahmen der Flächenaktivierung benötigten Mittel belaufen sich nach einer ersten Einschätzung auf rund 1.230.000 €. Darin enthalten sind pro Entwicklungsbereich jeweils eine Planungsleistung eines externen Büros (insgesamt rund 600.000 € für Machbarkeitsstudien, städtebauliche Konzepte etc.) sowie zwei Beteiligungsveranstaltungen mit externer Moderation/Mediation und der entsprechenden Vor- und Nachbereitung (insgesamt rund 630.000 €). Aufgeteilt auf die Haushaltsjahre 2022-2024 muss mit finanziellen Mitteln in Höhe von rund 410.000 € pro Haushaltsjahr gerechnet werden. Außerordentliche Aufwendungen und allgemeine Preisanpassungen sind darin nicht enthalten.



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