Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
252a
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 17.10.2019
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: Vorstellungsrede anlässlich der Wahl des Beigeordneten für den Geschäftskreis VII, Technisches Referat

Die Rede von BM Thürnau anlässlich seiner Bewerbung um die Wiederwahl als Beigeordneter für den Geschäftskreis VII, Technisches Referat (Wahlvorgang s. NNr. 252) wird nachstehend im leicht redigierten Wortlaut wiedergegeben.

BM Thürnau:

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte, meine Damen und Herren, dass ich mich heute um meine dritte Amtszeit als Beigeordneter für Technik der Landeshauptstadt Stuttgart bewerbe, bedeutet auch, dass mich einige oder die meisten hier im Gemeinderat nach 15 Jahren Amtszeit inzwischen gut kennen dürften. Lassen Sie mich dennoch für die neuen Mitglieder zu Beginn ganz kurz einen Blick auf meine Vita werfen. Wie man sicherlich immer noch hört, stamme ich aus Westfalen. Ich bin gelernter Landschaftsgärtner, habe Architektur und Städtebau an der Uni Hannover studiert und mein zweites Staatsexamen bei der Landeshauptstadt Hannover abgelegt. Ich habe mich früh und ganz bewusst für kommunale Verwaltung und Politik entschieden. So war ich unter anderem Leiter des Amtes für Bauwesen in Quickborn. Dann 7 Jahre Stadtbaurat und stellvertretender Stadtdirektor in Hessisch-Oldendorf und anschließend Erster Stadtrat von Goslar. Seit 2004 leite ich das Technische Referat der Landeshauptstadt Stuttgart, zu dem aktuell das Stadtmessungsamt, das Hochbauamt, das Tiefbauamt, das Garten-, Friedhofs- und Forstamt, die Eigenbetriebe Abfallwirtschaft und SES sowie seit 2017 auch die Bäderbetriebe gehören.

Wenn ich meine bisherige Amtszeit betrachte und zu den Anfängen zurückblicke, wird klar, dass wir in Zeiten eines immer schneller werdenden Wandels leben, und ich möchte hierzu vor allen Dingen drei große Themen für das Technische Referat besonders herausgreifen. Erstens haben wir es mit einer rasanten Entwicklung technischer Innovation zu tun. Die Digitalisierung ist dabei mit Sicherheit einer der bedeutendsten Transformationsprozesse für unser künftiges Leben und Arbeiten. Zweitens sind die Fragen der Ökologie, der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes stark in den Fokus gerückt. Und drittens ist zudem ein vielfältiger Wandel in gesellschaftlichen Fragen zu verzeichnen. Der demografische Wandel mit dem daraus resultierenden Fachkräftemangel verlangt hier von uns andere Lösungen in der Personalgewinnung als in der Vergangenheit. Wie wollen wir nun im Technischen Referat diesem vielfältigen Wandel begegnen? Zunächst ist mir wichtig, dass die genannten Themen entgegen mancher Diskussion nicht per se einen Widerspruch darstellen. Im Gegenteil, wir müssen für die Stadt der Zukunft alle Themen gemeinsam denken. Wir im Technischen Referat tun dies traditionell und naturgemäß, vor allen Dingen mit einem technischen Ansatz. Das heißt zunächst einmal aus fachlicher Sicht undogmatisch und lösungsorientiert, oft mit der Ingenieursbrille, aber immer auch mit dem Blick darauf, ob und wie unsere zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etwas in der Praxis umsetzen können und vor allem, was wir für die Bürgerinnen und Bürger draußen am Ende damit erreichen.

Was haben wir in den vergangenen Jahren gemeinsam erreicht und wohin wollen wir in der Zukunft? Ich beginne mit der Digitalisierung. Aufgrund unserer technischen Ausrichtung haben wir uns schon früh mit diesem Thema befasst und sehen im Technischen Referat ein vergleichsweise hohes Maß an IT-Integration. Beim Stadtmessungsamt als modernem Geodienstleister werden die digitalen Grundlagen für zahlreiche stadtweite Anwendungen geschaffen. Geoinformationssysteme, SIAS, das 3-D-Stadtmodell, die Datengrundlagen für mobile Anwendungen wie beispielsweise Baum- und Spielplatzkontrollen. Beim AWS gibt es digitale Systeme zur Behälterverwaltung und Tourenplanung. Die Winterdienst- und Abfallsammelfahrzeuge sind mit Telematik ausgerüstet, und die Kunden können über eine App auf verschiedene Services zugreifen.

Das Tiefbauamt arbeitet mit digitalen Verkehrssteuerungs- und -leitsystemen und steuert Parkscheinautomaten und Klärwerke mit IT-Vernetzung. Genau solche Ansätze sind es ja, die auch gerne als Smart City bezeichnet werden. Neben den Einzelanwendungen arbeiten wir parallel seit einigen Jahren unter dem Titel DAT - Digitale Agenda im Referat T - an einer gemeinsamen Digitalisierungsstrategie der technischen Ämter und Eigenbetriebe für die Zukunft, und bis Mitte nächsten Jahres wollen wir für jede Einheit konkrete Ziele und Pläne ausgearbeitet haben.

Auch im Themenfeld Ökologie, Nachhaltigkeit und Klimaschutz ist während meiner bisherigen Amtszeit schon einiges erreicht worden. Im Tiefbauamt und im Eigenbetrieb Stadtentwässerung ist es uns gelungen, den Gesamtenergieverbrauch erheblich zu senken. Die Straßenbeleuchtung wird vollständig auf LED umgestellt. Unsere heutigen Klärwerke verbrauchen nicht nur weniger Ressourcen, sondern setzen auch bei der Abwasserreinigung Maßstäbe. In verbesserte Spurenstoffeleminierung, Klärschlammaufbereitung und Phosphorentnahme wurde und wird weiterhin massiv investiert. Im Hinblick auf die Starkregenereignisse wurden während meiner Amtszeit 20 Regenwasserbehandlungsanlagen an die erforderlichen Anlagenkapazitäten angepasst, das gesamte Kanalnetz auf seine Leistungsfähigkeit geprüft und Starkregengefahrenkarten erstellt. Beim Eigenbetrieb AWS haben wir erfolgreich die 5 Wertstoffhöfe, das Wertstoffmobil und die Pflichtbiotonne eingeführt. Der nächste Meilenstein wird dann die Bioabfallvergärungsanlage sein, die nach langer, intensiver Vorbereitung hoffentlich im Frühjahr 2020 in Bau gehen wird.
Sehr deutlich wird der anfangs beschriebene Wandel aber auch beim Thema Radverkehr. War dies, als ich nach Stuttgart kam, noch kein allzu großes Thema, realisiert das Tiefbauamt heute jährlich zunehmend mehr Maßnahmen für die Fahrradinfrastruktur, und der AWS stellt sich parallel auf entsprechende Reinigung und Winterdienst ein. Beim AWS wiederum läuft seit Jahren die Umstellung auf alternative Antriebskonzepte der stadteigenen Fahrzeugflotte. Aktuell haben wir bereits 65 vollelektrische Fahrzeuge im Einsatz. Noch sind dies in erster Linie Pkw, die Entwicklung kommt aber auch bei den Nutzfahrzeugen in Schwung. Wir testen bereits Lkws und Maschinen und hoffen auch hier auf baldige Marktreife.

Grünflächen, Parks und Stadtbäume hatten schon immer eine hohe Bedeutung für die Lebensqualität in einer Stadt. Heute sind sie aber auch in ihrer Funktion als Biotop sowie für das Stadtklima immer wichtiger. Das Garten-, Friedhofs- und Forstamt arbeitet daher an einer grünen Infrastruktur, die im besten Sinne multifunktional ist. Sie muss für Sport, Begegnung und Entspannung der Menschen ebenso viel bieten wie als Lebensraum für Pflanzen und Tiere, von der Wildbiene bis zu Vögeln und Fledermäusen, und dabei auch noch einen Beitrag zur sommerlichen Kühlung der Stadt leisten. Neben der Sanierung und Neuausrichtung der Anlagen wird es zukünftig entscheidend sein, dass eine entsprechende Unterhaltung gesichert wird. Dazu braucht es kluge, maßgeschneiderte Pflege- und Bewässerungskonzepte und die zur Umsetzung erforderlichen personellen und auch finanziellen Ressourcen.

Kommen wir von den Grünanlagen und den Stadtbäumen in den Wald. Bereits im Jahr 2013 wurde eine deutlich ökologische Forsteinrichtung auf den Weg gebracht mit Totholzkonzept, Waldbiotopen und reduziertem Holzeinschlag. Morgen Vormittag erhält die Landeshauptstadt Stuttgart die FSC-Zertifizierung für ihren Stadtwald. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Klimawandels wollen wir diesen Weg weitergehen und gemeinsam mit dem in diesem Jahr gegründeten Waldbeirat ein Konzept für den Stuttgarter Stadtwald erarbeiten, das allen Aspekten gerecht wird - der Ökologie, der Erholungsfunktion, aber auch und insbesondere der Zukunftsfähigkeit des Waldes.

Im Hochbauamt beschäftigt uns verstärkt das Thema Zukunft des Bauens. Hier müssen ebenfalls verschiedene neue Aspekte zu einer optimalen Lösung verknüpft werden. Gestiegene Anforderungen an den Brandschutz, an die Barrierefreiheit, an die flexible Nutzung konkurrieren mit Notwendigkeiten des klima- und ressourcenschonenden Bauens. Dennoch sind auch zahlreiche innovative Projekte bereits umgesetzt oder in Planung. Die Kita Osumstraße ist ein Plus-Energie-Gebäude. Die Sporthalle Waldau wird eines. Im Neckarpark und im Stadtpalais gibt es Abwasserwärmetauscher. Ebenso gewinnen Holzbau und Recycling-Beton an Bedeutung. Besonders spannend ist aber auch das Thema BIM, Building Information Modeling. Bei diesem Verfahren werden alle Bauwerksdaten zentral digital erfasst, sodass eine kontinuierliche synchrone Verfügbarkeit der Informationen möglich ist. Es ist daher der vielversprechende Ansatz, die Themen Kosten und termingerechtes Bauen, energetisch optimiertes Bauen und Unterhalts- und Lebenszykluskostencontrolling unter einen Hut zu bringen. Wir stehen bei diesem Zukunftsthema wie alle anderen im Land noch ziemlich am Anfang, wollen nun aber mit einem ersten BIM-Projekt in Synergie zwischen Hochbauamt und Bäderbetrieben Erfahrung sammeln.

Dass das Hochbauamt in der Lage ist, architektonisch höchst anspruchsvolle, qualitätvolle Projekte umzusetzen, muss ich angesichts solcher Highlights wie der Stadtbibliothek, den Wagenhallen oder dem Stadtpalais nicht extra betonen. Auch konnte in der Vergangenheit stets adäquat auf aktuelle Themen wie den schnellen Kita-Ausbau oder die Flüchtlingsunterbringung reagiert werden. Neben all diesen Zukunfts- und Sonderthemen hat das Hochbauamt gleichzeitig aber auch ein in der Breite riesiges Pensum an Bau- und Sanierungsmaßnahmen zu stemmen. Dazu tragen die Tatsachen bei, dass viele öffentliche Gebäude ein ähnliches Alter haben und dass die Unterhaltung in der Vergangenheit vernachlässigt wurde. Eine Mammutaufgabe wie das daraus resultierende Schulsanierungsprogramm ist nur mit modernsten Methoden, perfekter Organisation im Amt und selbstverständlich einer entsprechenden Mittel- und Personalausstattung zu bewerkstelligen. Zu Letzterem komme ich später noch.

Wo ist unsere Arbeit im Technischen Referat für die Bürgerinnen und Bürger außerdem noch sichtbar? Um der zunehmenden allgemeinen Vermüllung entgegenzutreten, haben wir für die Landeshauptstadt Stuttgart gemeinsam mit OB Fritz Kuhn das umfangreiche Maßnahmenpaket Konzept 'Sauberes Stuttgart' aufgelegt. Es enthält neben deutlich verstärkten Reinigungsleistungen auch präventive Maßnahmen zur Müllvermeidung, verstärkte Kontrollen und Strafen sowie eine groß angelegte Öffentlichkeitskampagne. Mit 123 neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und jährlich 10 Mio. € zusätzlich haben wir den Kampf gegen die Vermüllung aufgenommen. Seit diesem Sommer entfaltet das Programm seine volle Wirkung und ich bin zuversichtlich, dass sich der Aufwand sichtbar lohnen wird.

Seit 2016 haben wir auch die Bäderbetriebe im Technischen Referat. Die großen Neubauprojekte kennen Sie. Wir haben den Bäderentwicklungsplan 2030 auf die Schiene gelegt, und wir sind sehr daran interessiert, dass wir davon auch im Haushalt noch etwas wiederfinden werden.

Ich komme nun noch mal ganz zum Schluss auf das Thema Fachpersonal. Wir haben fantastische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch immer noch hervorragende Nachwuchskräfte. Gleichzeitig haben wir aber auch heute schon deutliche Probleme, offene Stellen zu besetzen. Umso mehr ist es unser kurzfristiges Ziel, ein moderner, attraktiver Arbeitgeber zu sein. Dazu gehört auch das Festhalten an der eigenen Ausbildung der für uns wichtigen Berufe. Dazu gehört die Weichenstellung für die Arbeit von morgen, also vernetztes, mobiles und flexibles Arbeiten.

Den hier beschriebenen Weg will ich mit den Ämtern und Eigenbetrieben des Technischen Referates weiter fortsetzen. Wir stehen vor großen Herausforderungen, die ich gerne gemeinsam mit Ihnen, Herr Oberbürgermeister, mit meinen Kolleginnen und Kollegen auf der Bürgermeisterbank und nicht zuletzt mit Ihnen als Gemeinderat annehmen und dabei immer nach den besten Lösungen suchen möchte. Ich bedanke mich an dieser Stelle herzlich für die gute Zusammenarbeit, für Ihre Unterstützung und Ihr Vertrauen in den vergangenen Jahren. Daran möchte ich anknüpfen und Sie auch für die weiteren 8 Jahre um Ihr Vertrauen und damit heute um Ihre Stimme zu meiner Wiederwahl bitten. Herzlichen Dank."

Zur Beurkundung



Sabbagh / pö

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