StR Klingler (FDP):
"Ich bin seit 2009 Stadtrat und habe heute die Ehre, meine erste Haushaltsrede zu halten. Wenn man als fünfter Redner sprechen darf, ist Vieles schon gesagt. Ich werde versuchen,
Ihnen jetzt auch noch andere Aspekte nahezubringen.
In der Vergangenheit hat sich in dieser Zeit viel im politischen Bild unserer Republik und in unserer Stadt getan. Die Ausgangslage für die nun anstehenden und sehr anstrengenden Beratungen zum städtischen Doppelhaushalt 2012/2013 ist alles andere als einfach. Auf der einen Seite haben wir einen Haushaltsplan mit harten Zahlen und Fakten; auf der anderen Seite Wünsche und Projekte der Bürgerschaft. Nun gilt es abzuwägen - abzuwägen zwischen Wünschenswertem und wirklich Realisierbarem. Leider hat die Verwaltungsspitze die Spielwiese des Gemeinderats von einem großen Feld zu einem Bolzplatz gestutzt.
Wir Liberalen haben im Vorfeld dieser Haushaltsberatungen einen neuen Weg eingeschlagen. So haben wir im letzten halben Jahr ein Schwerpunktepapier erarbeitet, aufgrund dessen die Rahmenbedingungen und Ziele unserer Fraktion für die kommenden drei Jahre, also bis zur nächsten Kommunalwahl, manifestiert wurden. Daraus resultieren unsere 53 Haushaltsanträge, die allesamt gut für Stuttgart sind, und zwar für die inneren wie für die äußeren Stadtbezirke. Wir sehen uns der ganzen Stadt gegenüber in Verantwortung. Wichtig für die Arbeit der FDP-Fraktion ist, alle Interessen von Bürgerinnen und Bürgern und der Wirtschaft ernst zu nehmen, insbesondere die des Mittelstandes. Wir, die FDP, stehen für die Stärkung des Mittelstandes - denn 'der Mittelstand hälts Volk zsamma'! Mittelstand sind für uns die Familien, Geschäfte, Handwerker und Selbstständigen, also, Menschen und Unternehmen, die in unserer Stadt sesshaft sind und dort investieren wollen. Wir Liberalen treten für einen freien Geist und eine bürgerliche Politik in Stuttgart ein. Die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt stehen traditionell im Zentrum dieser liberalen Politik. Nur gemeinsam können wir die aktuellen und langfristigen Probleme angehen und nachhaltig lösen. Stuttgart ist so das geworden, was es ist: eine lebenswerte und liebenswerte Stadt - traditionell verwurzelt und weltoffen zugleich, wirtschaftlich und kulturell erfolgreich.
Die Wirtschaft gilt dabei für uns als zentraler Punkt. Eine gesunde Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne eine gesunde Wirtschaft ist alles nichts! Grundsätzlich: Wirtschaft und Handel sind seit Jahrtausenden der Weg des Menschen, sein Leben und Überleben zu sichern und müssen deshalb gefördert werden. Eine Behinderung oder Erstickung der Wirtschaft ist also gegen den Menschen gerichtet. Umgekehrt darf aber auch nicht die Wirtschaft in ihren ökonomischen Belangen dem Menschen Dinge abverlangen, die die Lebensqualität infrage stellen. Wir sind dort für eine Ausgewogenheit.
Allerdings gibt es Probleme, die wir alle erkennen müssen: · eine hohe Arbeitslosigkeit · ein Sozialstaat, der im aktuellen Ausmaß nahezu unbezahlbar geworden ist · eine öffentliche Verschuldung hart an der Grenze der Legalität · eine Belastung der Bürgerinnen und Bürger mit Steuern und Abgaben, die ein akzeptables Maß bereits überschritten hat · wirtschaftliche Veränderungen, die uns der globale Wettbewerb aufzwingt
Da sind die Gründe, warum es so ist: · der Staat hat den Bürgerinnen und Bürgern zu viele Aufgaben abgenommen · die trotz sehr niedrigen Zinsniveaus hohen Zinslasten erschweren eine zukunftsorientierte Politik · die Regelungsdichte von Staat, Land und Kommunen erstickt private Initiativen in- wie ausländischer Investoren.
Und da sind schließlich die Lösungsvorschläge, die wir bis vor kurzem wieder von allen politischen Seiten lautstark zu hören bekamen: · runter mit den Schulden · Abbau von Subventionen · Weniger Steuern und Abgaben · Absenken der Lohnzusatzkosten · Aufbrechen überholter Strukturen · Abbau staatlicher Reglementierung.
Alle diese Forderungen münden in das Verlangen nach geringerer öffentlicher Intervention, weniger Umverteilung und stattdessen nach mehr Eigeninitiative, Eigenverantwortlichkeit, größeren persönlichen Gestaltungsspielräumen - dem Fundament liberaler Politik also.
Aber da ist auch die politische Praxis, in der allzu oft geradezu das Gegenteil dessen geschieht, was verbal gefordert wird. Ja, noch viel schlimmer: Mitunter waren und sind die, die das eine forderten, dieselben, die das andere taten oder beabsichtigen zu tun.
Wir stehen jedoch alle in der Verantwortung für unsere Landeshauptstadt, für die Menschen, die hier leben und hier ihre Zukunft sehen. Die FDP-Gemeinderatsfraktion ist sich deshalb ihrer 'einzigartigen' Verantwortung voll und ganz bewusst. Gerade deshalb ist unsere Fraktion auch Kompromisse eingegangen, Kompromisse dahingehend, dass wir auf das ein oder andere Projekt verzichten müssen - schweren Herzens. Wir dürfen jedoch unser Handeln und die finanzielle Situation sowie die finanziellen Spielräume der Zukunft nicht außer Acht lassen. Am liebsten würden wir gar keine neuen Kredite aufnehmen. Jeder Euro an Zinszahlung kann anderweitig besser eingesetzt werden. Momentan müssen wir jedoch auch viele Aufgaben angehen, die nun gemacht werden müssen.
'Die in der großen Politik oft als 'klein' empfundenen Dinge sind, zusammengezählt, die großen Sorgen der großen Mehrzahl der Menschen.' Diesem Aus- und Anspruch des ersten Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Graswurzeldemokraten Reinhold Maier verpflichtet sind die Liberalen im Rathaus bei ihren Beratungen für den Doppelhaushalt 2012/2013 gefolgt.
Wenn Sie die von uns vorgelegten Anträge betrachten, werden Sie erkennen, dass wir überwiegend kleinere, bürgerorientierte Anliegen aufgegriffen haben.
Wir verzichten auf Allgemeinplätze. Wichtig ist uns bei unserer Haushaltspolitik, dass den Bürgerinnen und Bürgern keine zusätzlichen Steuer- und Gebührenerhöhungen entstehen. Der Standort Stuttgart darf nicht weiter belastet werden - sondern im Gegenteil: Wir setzen uns für eine Stärkung des Wirtschafts-, Wohn- und Lebensstandorts Stuttgart ein. Deswegen erteilen wir dem Gedanken mancher Fraktion hier im Raum, die Gewerbesteuer zu erhöhen, eine klare Absage. Auch die Einführung der Citymaut würde den Einzelhandel sowie den Kulturstandort schwächen, also: Finger weg von solchen kontraproduktiven Maßnahmen!
Die Einführung einer Waffenbesitzsteuer wurde vor zwei Jahren bereits geprüft und mangels Sinnigkeit verworfen. Was soll sich bei diesem Thema in den zwei Jahren denn geändert haben?
Auch die nun nicht mehr gerechtfertigte Grundsteuererhöhung - gegen die wir auch 2009 waren - soll unserer Meinung nach komplett zurückgenommen werden. Die Vorzeichen von damals haben sich schließlich geändert. Diese Maßnahme kommt jeder Stuttgarterin und jedem Stuttgarter zugute. Alle haben dadurch mehr Geld zur Verfügung, das ist soziale Gerechtigkeit! Schade nur, dass die CDU sich nun diesbezüglich anders positioniert hat - aber so ist es nun mal mit eingeführten oder nach oben geschraubten Steuern.
Vor ein paar Tagen fand ich in einem Bericht ein gutes Beispiel für eben solche Steuern. Im Jahr 1902 hat Kaiser Wilhelm II. die Schaumweinsteuer eingeführt. Begründet wurde dies mit der Finanzierung des Kaiser-Wilhelm-Kanals und der kaiserlichen Kriegsflotte. Die kaiserliche Kriegsflotte ist längst Geschichte - die Schaumweinsteuer allerdings treibt immer noch durch das undurchschaubare steuerliche Kanalnetz Deutschlands.
Wir haben auch den Schwerpunkt 'Bildung und Erziehung' gewählt. Für die Bildung und Erziehung unserer Kinder und Jugendlichen muss eine gute Basis geschaffen werden. Die Schulen sind dabei ein wichtiger Bildungsraum für unsere Kinder. Allerdings besteht weiterhin in Stuttgart ein erheblicher Sanierungsbedarf eben dieser Schulen. In guter Zusammenarbeit hat der Gemeinderat in der Vergangenheit über alle Fraktionsgrenzen hinweg sich dieses Themas angenommen und Vieles bewirkt. Unsere Fraktion setzt sich deshalb auch weiterhin für die Sanierung der dringendsten Vorhaben ein - auch wenn wir nicht auf dem gemeinsamen Antrag von Grünen/CDU/SPD aufgeführt sind. Im Vorfeld waren wir noch bei dessen Beratung dabei. Der Antrag allerdings wurde dann ohne uns gemacht. Wir durften also bei den Proben mitmachen - bei der Premiere jedoch sollten wir uns hinter der Bühne verstecken. Aber da wir ja stets auf Augenhöhe bei diesem Thema mitdiskutiert haben, haben wir selbstredend einen eigenen Antrag zu diesem Thema formuliert.
Wir wollen mit unserem Bildungspaket in die Zukunft investieren, nicht nur, um zu reparieren, sondern als präventive Maßnahme, um die Bildung zu eigenverantwortlichem und sozialem Handeln zu vermitteln. Aussagen einer vermeintlich großen Fraktion, sie müsse nun die Fehler der langjährigen CDU/FDP/FW-Mehrheit reparieren, sind abenteuerlich, ja wahrlich unsachlich und absolut nicht hinnehmbar. So hat eben diese Fraktion - wie alle anderen übrigens auch - dem wohl doch so schlimmen Haushalten zugestimmt, und trotz langer Recherche konnte ich nirgends einen speziellen Haushaltsantrag zu Schulsanierungen feststellen. So sagte beispielsweise StRin Wüst am 25.10.2007 in ihrer Haushaltsrede zum Doppelhaushalt 2007/08, 'dass die SPD am Abbau der Verschuldung festhalten wird'. Heute wissen wir alle, dass auch solche Entscheidungen sicherlich zum Sanierungsstau unsere Schulen geführt haben.
Da ist es doch erfrischend, dass bei meiner Fraktion niemand persönlich für Entscheidungen vor 2009 verantwortlich gemacht werden kann - sind wir doch alle erst seit der letzten Wahl hier dabei. Selbstverständlich stehen wir jedoch immer zu den Entscheidungen früherer FDP-Fraktionen, aber die Welt dreht sich weiter, und punktuell kann etwas heute betrachtet zu anderen Resultaten führen als in der Vergangenheit.
Nun jedoch zur Kinderbetreuung: Auch am Ausbau der Kinderbetreuung muss noch gearbeitet werden. Die Nachfrage für eine Krippenbetreuung für Kinder von 0 bis 3 Jahren und für die Ganztagesbetreuung von Schulkindern kann leider immer noch nicht befriedigt werden. Es müssen zudem schnell mehr Kita-Plätze geschaffen werden, eventuell mit kostengünstigen Bautypen, die schnell realisiert werden können.
Auch ist es höchst unbefriedigend, dass sich das Land immer noch nicht durchringen kann, die Mitfinanzierung sicherzustellen. Es kann doch nicht sein, dass derartige Kosten überwiegend oder alleine von den Kommunen aufgebracht werden müssen!
Nun stehen wir auch in der sozialen Verantwortung. Sozial heißt, die Schwachen in einer Gesellschaft mitzutragen in dem Maße, dass sie ein Leben in Würde und in eigener Verantwortung gestalten können: Hilfe also zur Selbsthilfe, Hilfe zum Leben. Diese Unterstützung ist an sich die vornehmste Aufgabe einer Gesellschaft. Nur dann, wenn alle ein Auskommen haben, wird eine Gesellschaft in Frieden leben und auch überleben können. Ausgrenzung oder Bevormundung von Mitbürgerinnen und Mitbürgern wird immer auf lange Sicht Unfrieden und damit Schwächung der Arbeits- und Wirtschaftskraft erzeugen.
Es gilt also hier, vorrangig zu investieren in Unterstützungsmaßnahmen, die Schwächen ausgleichen helfen, oder flankierend dort Kraft zu geben, wo sie warum auch immer fehlt. Niemand ist übrigens davor geschützt, in eine Situation zu kommen, in der er oder sie ohne Unterstützung anderer weiterkommt. Es ist also wohl investiertes Geld, das wir in solche Hilfemaßnahmen geben, und ein Schwerpunkt im Haushalt muss zum Erhalt des sozialen Friedens als Priorität solche Maßnahmen haben.
Vieles ist heute schon erläutert worden, und es ist schwierig, wenn man als fünfter Redner das Wort erteilt bekommt, nicht die Zuhörer mit längst schon Gesagtem zu traktieren. Deshalb werde ich nun zum Ende meiner Rede kommen.
Unser Ziel ist es, mit Engagement die Erfolgsgeschichte Stuttgarts um weitere Kapitel zu bereichern und dafür Sorge zu tragen, dass die Landeshauptstadt auch in Zukunft erstklassig bei Lebens- und Wohnqualität sowie Bildungs- und Arbeitschancen bleibt. Wir gehen in die Haushaltsberatungen mit dem Ziel, gemeinsam mit den anderen Fraktionen einen Haushalt aufzustellen, dem auch wir zustimmen können. Ich bin mir bewusst, wer die Richtung vorgeben wird. Es ist auch völlig klar, dass wir uns als FDP richtig taxieren. Es muss jedoch auch Platz sein für unsere Themen. Bei der Breite unserer Anträge bin ich zuversichtlich, dass wir unserer Position entsprechend Platz im neuen Haushalt finden werden. Das Neue kommt, das Gute bleibt
- packen wir es an. Allerdings möchte ich dies nicht tun, ohne mich im Namen der FDP-Fraktion für die gute Zusammenarbeit mit der Rathausspitze, den Amtsleiterinnen und Amtsleitern sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung zu bedanken. Auch unseren Fraktionsmitarbeitern, die uns immer unterstützend bestens zur Seite stehen, einen herzlichen Dank! Ich freue mich auf die Haushaltsplanberatungen und denke, dass wir am 16.12. gemeinsam für Stuttgart ein weiteres gutes Kapitel der Geschichte fortführen." StRin Küstler (SÖS und LINKE): "Wir machen Kommunalpolitik in einer unruhigen Welt. Unsere Antwort darauf ist: Wir wollen die Stadt für alle. Am letzten Samstag haben uns auch in Stuttgart sanfte Ausläufer der internationalen Protestbewegung für mehr Demokratie und gegen die Macht des Finanzkapitals erreicht. Dies ist unserer Meinung nach vor allem ein Signal der jungen Generation an die Politik. Die junge Generation wünscht zu Recht Demokratie und mehr Mitspracherechte, weil ihre Zukunft sonst verspielt wird. Wir müssen sagen, es brennt nicht nur weit weg, sondern es brennt auch in Europa. Wir wollen nicht, dass es auch in Stuttgart brennen soll. Ungerechtigkeit und politische Unterdrückung erzeugen Widerstand. Sozialer Ausgleich und demokratische Teilhabe sind die Grundlage einer lebenswerten Gesellschaft. Wir gehen davon aus, dass es der Stadt gut geht, wenn es allen Menschen in der Stadt gut geht und niemand ausgeschlossen wird. Das ist für uns die Stadt für alle. Wir teilen nicht die konservative Vorstellung, die uns auch heute hier vorgeführt worden ist, dass es allen gut geht, wenn es der Wirtschaft gut geht. So einfach ist die Welt nicht. Auch in Stuttgart geht wachsender Wohlstand einher mit wachsender Armut. In einer bundesweiten Untersuchung über die sozialen Differenzen der Großstädte lag Stuttgart an zweiter Stelle, und zwar diesmal nicht bei den Wohlfühlfaktoren, sondern beim Unterschied zwischen Arm und Reich. Wir wissen sehr wohl, dass von den Arbeitsmöglichkeiten und Arbeitsbedingungen die Lebensbedingungen der meisten Menschen in der Stadt abhängen und dass auch die Stadtkasse davon abhängt. Darum sind wir besorgt, dass die Wirtschaftsstruktur in Stuttgart immer noch sehr einseitig von wenigen Branchen bestimmt wird. Das bringt große Risiken. Dass sich die städtische Wirtschaftsförderung um die Stadtteile und die Nahversorgung kümmert, ist gut, reicht aber bei Weitem nicht aus. Es ist die Aufgabe des Herrn Oberbürgermeisters und auch des Kämmerers, eine Branchenvielfalt zu stärken, die uns weniger abhängig macht von wenigen großen Konzernen. Wir wollen, dass die Lebenschancen der Stuttgarterinnen und Stuttgarter nicht nach dem Geldbeutel oder dem sozialen und kulturellen Kapital bemessen werden. Wir wollen, dass die Stadt die öffentlichen Güter bereitstellt, die für eine moderne Stadtgesellschaft erforderlich sind. Es geht um Daseinsvorsorge, um die kommunale Demokratie und um die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen für die künftigen Generationen. Die demografische Entwicklung bringt neue wichtige Gesichtspunkte in die kommunalen Aufgaben. Ein schrumpfender Anteil der Bevölkerung muss erarbeiten, was für die wachsende Zahl von älteren und alten Menschen gebraucht wird und was wir für die Kinder und für die Jugendlichen brauchen. Diese wachsende Gruppe der Älteren und Alten gewinnt ein höheres Gewicht bei Wahlen. Das könnte zu scharfen Verteilungskämpfen führen, wenn wir nicht dafür sorgen, dass die Konkurrenz nicht zwischen den Generationen und auch nicht zwischen den sozialen Schichten zunimmt. Wir unterstützen eine partizipative Altenhilfeplanung. Dies ist ein wichtiger Bestandteil einer generationengerechten Politik, denn auch in Stuttgart wächst die Altersarmut. Immer mehr Beschäftigte arbeiten in den unteren und gering bezahlten Arbeitsverhältnissen. In den nächsten Jahren kommen zunehmend Menschen ins Rentenalter, die arbeitslos waren, zum Teil lange, und die in dieser Zeit praktisch nichts in die Rentenkasse eingezahlt haben. Wir sind deswegen dafür, dass die Selbstständigkeit der Menschen unterstützt wird, soweit und so lange es möglich ist, und dass dann, wenn sie Hilfe brauchen, die richtigen Hilfen bereit stehen. Auch das kann nur in Zusammenarbeit geschehen. Wir können in der Kommunalpolitik die Hartz IV-Regeln nicht ändern, aber wir können Strukturen aufbauen, die Unterstützung und Teilhabe - und zwar für alle Generationen - sichern. Um in dieser Frage voranzukommen, haben wir den Vorschlag, unter dem Motto 'Die Stadt für alle' eine übergreifende Politik zu machen, d. h. die Entwicklung der Stadtteile und Stadtteilzentren. Wenn man die einzelnen Vorschläge der Verwaltung und auch die Haushaltsanträge der Fraktionen anschaut, stellt man fest, es geht in allen Bereichen um die Vernetzung und Verankerung im Stadtteil, sei es Familienberatung, seien es Familienzentren, Generationenhäuser, gerontopsychiatrische Hilfen, sozialpsychiatrische Hilfen, Altenhilfe, ambulante Dienste aller Art und ebenso die Bildungsregion und Integration, Inklusion usw. - man könnte alles aufzählen. Alle diese Punkte unterstützen wir auch durch Anträge, aber wir wollen, dass es eine Vernetzung dieser Netze gibt, dass also nicht jede soziale und Bildungsaufgabe einzeln ihr Netz in einen Stadtteil baut, sondern dass das in einem gemeinsamen Netz zusammenkommt, dass sich diese Netze nicht überlagern, sondern sich gegenseitig unterstützen. Wir wollen die Stadtteile und Stadtbezirke zu lebendigen sozialen und demokratischen Gemeinwesen entwickeln. Das Programm 'Soziale Stadt' hat in seinem ursprünglichen Ansatz solche Elemente enthalten. Die Entwicklung der Stadtteile sollte aufgebaut und begleitet werden durch die Beteiligung der Einwohnerinnen und Einwohner und durch die Einbeziehung aller sozialen und gesellschaftlichen Akteure. Die Bundesregierung hat das Programm 'Soziale Stadt' verstümmelt. Investive Maßnahmen, also Geld für Bauwerke, fördert sie weiter. Die Mittel für nichtinvestive Maßnahmen, also Geld für die Bürgerbeteiligung, wurden gestrichen. Der Gemeinderat hat zu Recht dagegen protestiert. Wir wollen, dass trotz dieser Streichung in Stuttgart die Stadtteile weiterhin als Ganzes geplant werden, und zwar in einem Prozess, in dem die Bedarfe der Bevölkerung und die vorhandenen Ressourcen festgestellt und fortgeschrieben werden, in dem die Einwohnerinnen und Einwohner an der Zukunftsplanung beteiligt sind und in dem eine umfassende Stadtentwicklung stattfindet. Dafür muss sich in der Zusammenarbeit zwischen den Ämtern viel ändern. Jugendamt und Sozialamt, Schulverwaltungsamt und Stadtplanung sollen nicht mehr getrennte Projekte an verschiedenen Orten betreiben, sondern für das gemeinsame Ziel zusammenarbeiten. Wie viele Kitaplätze, welche Schulen, welche Begegnungsstätten und Betreuungseinrichtungen gebraucht werden, wie Plätze und Straßen, wie die Verkehrsanbindungen gestaltet werden, wie Inklusion ermöglicht wird, wie Integration stattfindet, wo Kinder spielen und Jugendliche bolzen oder Krach machen können - das zu planen geht nur gemeinsam mit den Einwohnerinnen und Einwohnern und gestützt auf das vielfältige ehrenamtliche Engagement in den Stadtteilen. Um dies zu bündeln, wollen wir in jedem Stadtbezirk oder größeren Stadtteil ein Stadtteilzentrum. Das kann je nach dem Vorhandenen neu entwickelt oder weiterentwickelt werden. Hier soll Platz sein für die Aktivitäten aller Gruppen und aller solchen, die sich begegnen wollen. Im Beteiligungsprozess sollen generationen- und sachgebietsübergreifend die Stadtteilziele diskutiert werden, die Maßnahmen und die Zeitschiene festgelegt werden. Hier sollen auch die Anlaufstellen für Hilfe und Unterstützung in sozialen Fragen Platz haben. Wir haben in Stuttgart für eine solche Stadtteilentwicklung gute Voraussetzungen durch die dezentrale Struktur der Bezirke und Bezirksämter. Das gilt es zu nutzen. Ziel könnte sein, einen Stadtteil z. B. aus einem schlechteren Cluster des Sozialdatenatlasses - das ist seine soziale Eingruppierung - in einen besseren zu heben. Wir schlagen vor, ein solches Konzept in den Stadtteilen Hallschlag und Nordbahnhof und im Stadtbezirk Weilimdorf zu beginnen, sind aber auch für Vorschläge der Verwaltung offen. Mit diesem Vorschlag wollen wir erreichen, dass Menschen mit Unterstützung für sich selber sorgen können und dass Menschen, die Hilfe brauchen, diese Hilfe wohnortnah bekommen und nicht in verschiedenen Netzen den Weg suchen müssen. Wir haben selbstverständlich - wie die anderen Fraktionen und Parteien auch - zahlreiche Vorschläge zu den einzelnen Bereichen der Daseinsvorsorge formuliert, z. B. zum Klinikum. Wir haben beantragt, für den Stadtjugendring die Zuschüsse wieder zu erhöhen, nachdem sie viele Jahre festgeschrieben waren, weil der Stadtjugendring einen wesentlichen Beitrag zur Integration leistet. Ich werde jetzt nicht alles aufzählen, sondern nur einige Punkte herausgreifen. Z. B. gehört für uns zur Daseinsvorsorge, dass alle am öffentlichen Nahverkehr teilnehmen können. Wir beantragen daher erneut ein Sozialticket. Und wir wollen eine Sozialcharta der Stadtwerke in Stuttgart, damit niemand wegen Stromsperre im Dunkeln und Kalten sitzen muss. Zu dem Thema Zusammenwirken von Stadtplanung und Sozialem gehört auch die Weiterentwicklung von SIM, dem Stuttgarter Innenentwicklungsmodell. Wir beantragen die Aufnahme des Aspekts Barrierefreiheit im Wohnungsbau, um mehr behindertengerechte und altersgerechte Wohnungen zu bekommen, sowie die Verstärkung des sozialen Wohnungsbaus. Der zweite Schwerpunkt - neben dem Thema 'Wie helfen wir gegen die Armut in Stuttgart' - ist, wir sorgen uns um die Zukunft: Jugend, Bildung und Kultur. Wir wollen den Ausbau der frühen Bildung von Kindern in Krippen und Kitas. Hier unterstützen wir die Vorschläge und Ansätze des Referats Soziales, Jugend und Gesundheit, weil dort große Schritte vorgeschlagen sind und weil wir davon ausgehen, dass diese dann auch realisiert werden können. Sehr wichtig ist uns auch die Schulkindbetreuung. Solange wir hier noch eine Warteliste haben und solange die Versorgungsquote so dramatisch schlecht ist, dürfen keine Plätze für Schulkinder gestrichen werden, sondern muss Ausbau erfolgen. Wenn auf viele Jahre hinaus nur ein Drittel der Kinder, die bis zum Alter von sechs Jahren ganztags betreut werden, einen Platz in der Schulkindbetreuung finden und zwei Drittel leer ausgehen, stürzen Familien in existenzielle Not. Das ist familienfeindlich und kinderunfreundlich und schädlich für den Wirtschaftsstandort. Die von der Verwaltung bereits in den Haushalt eingerechnete Gebührenerhöhung lehnen wir ab. Sie wissen alle, dass wir der Meinung sind, dass Bildung vom frühesten Alter an kostenlos sein muss. Den Ausbau der Grundschulen zu Ganztagsschulen unterstützen wir. Wir haben das schon vor Jahren gefordert und immer gesagt: Alle, die es brauchen, und alle, die es wollen, sollen einen Platz in der Ganztagsschule finden. Wir denken, dass der erste große Schritt die Grundschulen sind, aber nicht der letzte, dass auch in anderen Schulen dieses Problem gelöst werden muss. Zwei Dinge sind uns bei dieser Sache wichtig: 1. Die Schülerhäuser, die jetzt eingerichtet werden, müssen in der Fachkräftequote wie im Raumprogramm tatsächlich dem Hortstandard entsprechen. Wir wollen da keine Mogelpackung haben. 2. Die Übergangszeit zur richtigen Ganztagesschule darf nicht zu lang werden. Wir wollen, dass nicht sozusagen die Ganztagesschule versprochen wird und am Ende die Kinderhäuser bleiben. Wir denken, dass die pädagogischen Fachkräfte der Ganztagesschulen eines Tages mit den Lehrkräften im bisherigen Lehrerzimmer sitzen und gleichberechtigt mitsprechen. Wir sind auch für die Weiterentwicklung der Schulformen. Daher beantragen wir, in der Schulentwicklungsplanung mehrere Standorte für Gemeinschaftsschulen zu untersuchen. Wir sagen klar, wenn uns das Land für Stuttgart nur eine Gemeinschaftsschule zugesteht, dann hat für uns der Hallschlag Vorrang. Hier wurde durch die Soziale Stadt bereits viel Arbeit und Geld investiert. Wenn es im Hallschlag keine entsprechende Schulversorgung mit allen Möglichkeiten bis zum Abitur gibt, werden junge Familien dort nicht hinziehen. Neben solchen Projekten dürfen wir die überwiegend große Zahl bestehender Schulen nicht vernachlässigen. Die Schulhaussanierung muss zügig weitergehen. Es geht uns auch um das Stiefkind berufliche Schulen. Die Bildungsgänge der beruflichen Schulen platzen aus allen Nähten, nicht nur durch den Zustrom auswärtiger Schülerinnen und Schüler. Das Angebot hat auch Lücken, es fehlen Personal, Räume und Ausstattung. Deshalb ist eine Schulenentwicklungsplanung in diesem Bereich dringend nötig. Wir sehen bei der Schulentwicklungsplanung für allgemeinbildende Schulen, dass dieser Prozess lange dauert. Deswegen müssen wir jetzt mit der Untersuchung anfangen. Wir haben auch Mittel beantragt, um eine Untersuchung wie für die allgemeinbildenden Schulen zu machen. Zum Thema Kultur ist unser wichtigstes Anliegen, dass die Kürzungen des letzten Haushalts zurückgenommen werden. Uns ist vor allem die Regelförderung sehr wichtig, denn nur auf dieser Grundlage können kleinere Kulturveranstalter überleben. Verschwinden diese kleineren Kulturschaffenden, verschwindet auch ein großes Potenzial von innovativen Projekten. Das gilt es zu verhindern. Zwei weitere Bereiche haben für uns eine sehr große Bedeutung: Erstens die Weiterentwicklung der demokratischen Prozesse, zweitens die Entwicklung ökologischer Standards im Handeln der Stadt und in der Unterstützung der Bevölkerung. Unsere Stadt hat sich verändert durch die Bewegung gegen Stuttgart 21. Wir haben in der letzten Haushaltsdebatte die Art Parade erlebt, wo Kunst und Kulturschaffende nicht in Konkurrenz, sondern solidarisch ihre Forderungen gestellt haben. Zur Haushaltsberatung kommen, wie auch heute, Stuttgarterinnen und Stuttgarter mit ihren Forderungen ins Rathaus. Wir haben einen Bürgerhaushalt erfolgreich ausprobiert. Das ist ein demokratisches Verfahren. Die Beteiligung daran übersteigt deutlich die Zahl der Teilnehmer/-innen bei wissenschaftlich repräsentativen Umfragen, die meistens nur 1.000 betragen. Der Bürgerhaushalt muss aber ausgewertet, der Prozess überdacht und verbessert, auf jeden Fall aber weitergeführt werden. Schließlich gehören für uns auch die gewerkschaftlichen Kämpfe zu den wichtigen demokratischen Verfahren und zur städtischen Demokratie, denn diese Kämpfe sichern die Lebensgrundlage des größten Teils der Stuttgarterinnen und Stuttgarter. Beteiligung muss auch in allen Bauplanungen und bei der Gestaltung der Stadtteile praktiziert werden. Wir beantragen Beteiligungsformen, die über die formale Beteiligung nach dem Baugesetzbuch hinausgehen, wie Planungswerkstätten oder Planungszellen oder Zukunftswerkstätten - je nach Planungsgegenstand. Und noch einmal der Hinweis: Unsere Stadtteilkonzeption hat auch das demokratische Ziel im Fokus. Das größte ökologische Projekt, das wir gegenwärtig in der Stadt haben im Blick auf die Zukunft, sind für uns die Stadtwerke. Sie wollen wir voranbringen. Wir wollen aber auch zahlreiche kleinere Möglichkeiten der ökologischen Verbesserung voranbringen, also Contracting usw. Wir haben einen Prüfauftrag für die City-Maut beantragt. Wir haben noch kein fertiges Konzept und wir wollen auch nicht irgendwelchen Entwicklungen vorgreifen, aber nachdem das Land jetzt darüber spricht, dass eine City-Maut möglich sein könnte - und ein Landesgesetz ist Voraussetzung -, wollen wir, dass die Stadtverwaltung diesen Weg prüft und uns darstellt, ob er realisierbar ist und welche Vorteile er bringt. Mit einer City-Maut könnte man das Defizit im öffentlichen Nahverkehr ausgleichen und auch die sozialen Aufgaben des öffentlichen Nahverkehrs finanzieren. Kurz erwähnt noch: Wir haben selbstverständlich auch Anträge zum Klinikum gestellt. Der Umgang mit dem ehemaligen Hotel Silber ist ein Prüfstein, wie ernst es die Landesregierung und die Stadt mit der Bürgerbeteiligung meinen. Heute Morgen beim Lesen der Zeitungen war ich ganz schön aufgewühlt. Einerseits bestätigt die Landesregierung, dass sie den Gedenk- und Lernort in der Dorotheenstraße will, andererseits gibt sie das Haus in die Hand der Firma Breuninger. Wenn das so nicht zutreffen sollte, dann bitte ich um eine Klarstellung. Mit der Initiative wurde vorher allerdings nicht gesprochen. Dabei gibt es eine schriftliche Zusage des Landes, noch im Oktober zu einem Runden Tisch einzuladen, bei dem die Stadt und vor allem die Initiative mitreden sollen. Wir hoffen, dass die Stadt und das Land das Geschenk der Initiative annehmen, die seit Jahren daran arbeitet, den Opfern der Nazi-Vernichtungspolitik wieder ihren Namen und ihren Platz in der Stadt zu geben, und die durch eigene Forschung viel Vorleistung erbracht hat. Das Konzept der Initiative für die Gedenk- und Lernstätte muss in die Planung des ehemaligen Hotels Silber einfließen. Der 'Täterort an der authentischen Stelle', dem Sitz der Gestapo, ist ein bundesweit einmaliges Konzept und ergänzt die vorhandenen Strukturen, also die Strukturen des Gedenkens in Baden-Württemberg und im Umfeld, und auch das in Planung befindliche Stadtmuseum. Land, Stadt und Gemeinderat müssen ihre Verantwortung gemeinsam wahrnehmen. Wie halten wir es mit den Finanzen? Wie wollen wir unsere - zugegeben - nicht gerade kleinen Forderungen finanzieren? Wir müssen keinen Sparhaushalt machen. Wir sind in der guten Lage, dass wir die Schwerpunkte für die künftige Stadtentwicklung setzen können, ohne unverantwortliche Schulden zu machen - nämlich solche Schulden, die das Vermögen verzehren und uns in den kommenden Jahren den Hals zuschnüren. Wir wollen daher Deckungsvorschläge machen, die den Haushalt solide sichern. Die LBBW-Wohnungen mit Kredit zu finanzieren - falls wir den Zuschlag erhalten -, ist für uns denkbar, denn diese Wohnungen mehren das Vermögen der Stadt. Durch die Mieteinnahmen amortisieren sie sich. Dieser Kauf dient aber auch der Sicherung dringend benötigter Mietwohnungen und ergänzt unsere Forderung nach Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus. Der Vorschlag des Oberbürgermeisters, die bisher dafür reservierten 150 Mio. € für Schulen und Kitas auszugeben, ist gut. Leider hat er das Wie und Was nicht konkretisiert. Zur Finanzierung von Investitionen wollen wir alle Mittel für Stuttgart 21 loseisen. Morgen wird die Bibliothek eröffnet. Das ist tatsächlich eine Zukunftsinvestition. Sie dient dem Lernen und der Kultur in jedem Lebensalter. Das Projekt Stuttgart 21 ist eine Fehlinvestition. Es ist keine wirkliche Verbesserung der städtischen Infrastruktur. Die jährliche Zahlung von fast 4 Mio. € an das Land und deren Weiterleitung an die Deutsche Bahn AG ist zu unterlassen, denn es gibt eine gutachterliche Feststellung, dass die Mischfinanzierungsverträge für Stuttgart 21 verfassungswidrig sind. Die Rückstellungen in Höhe von 186 Mio. € können aufgelöst werden. Der Kauf der Gäubahntrasse muss rückabgewickelt werden und bringt 14 Mio. € in die Kasse. Wir nehmen auch gern die 1,3 Mio. € im Doppelhaushalt für die Öffentlichkeitsarbeit von Stuttgart 21. Wir haben darüber hinaus noch einige weitere Vorschläge gemacht und wollten diese jetzt in den Vordergrund stellen. Es war ja interessant, dass die Presse nach unserer Pressekonferenz gesagt hat, Stuttgart 21 steht im Vordergrund, obwohl wir erklärt haben, klar, das ist uns ein sehr wichtiges Thema, aber wir stellen das Soziale, die Demokratie und die Armutsbekämpfung in den Vordergrund. Neben den Millionen, die wir einnehmen wollen und die wir für Investitionen brauchen, also die wir einmalig einnehmen und auch nur einmalig ausgeben können, kommt es uns darauf an, die regelmäßigen Einnahmen der Stadt zu verbessern. Für uns ist die wichtigste mögliche Einnahmeverbesserung die Erhöhung der Gewerbesteuer. Wenn wir 101 Mio. € für den Ausbau der Kitas ausgeben, dann brauchen wir jährlich fast 52 Mio. € für das Personal und die Sachkosten. Das muss man sich überlegen. Wir haben uns zu dieser Frage Gedanken gemacht und beantragen deshalb, den Gewerbesteuersatz um 30 Punkte anzuheben. Das bringt schätzungsweise 28 Mio. € im Jahr. Wir halten das auch für zumutbar im Vergleich zu den Hebesätzen anderer großer Städte und im Hinblick auf die hervorragende Infrastruktur, die die Stadt Stuttgart der Wirtschaft bietet. Die Industrie- und Handelskammer Stuttgart insbesondere wirbt seit Jahren für den Ausbau der Ganztageskinderbetreuung und für Ganztagsschulen. Ein Arbeitskreis der Wirtschaft mit der Arbeitsagentur weist auf vier Problemfelder hin: 1. die un- und angelernten Kräfte, für die wir bessere Schulen brauchen und auch frühe Betreuung und Unterstützung, 2. den Ingenieurmangel, wo wir viele gewinnen können, wenn wir die Berufsschulen richtig ausbauen, 3. die Kinderbetreuung und Bildung - dazu habe ich schon etwas gesagt - und 4. die Pflege. Alle vier Aufgaben muss die Kommune schultern. Herr Küpper von Südwestmetall sieht hier vor allem die Politik in der Pflicht. Ja, wir sind in der Pflicht, aber die Wirtschaft genauso. Es geht um gesamtgesellschaftliche Aufgaben, an denen sich alle nach ihren Kräften beteiligen müssen. Unsere Haushaltsvorschläge zielen insgesamt auf das ganze Programm der Fraktionsgemeinschaft SÖS und Linke: Sozial, solidarisch, demokratisch und ökologisch. Mit unserem Schwerpunkt 'Die Stadt für alle' wollen wir der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken - gegen soziale Ausgrenzung, für mehr demokratische Beteiligung -, und wir wollen die notwendigen Zukunftsinvestitionen sichern. Wir bedanken uns sehr beim Personal der Stadt für die bisherige Unterstützung. Wir bedanken uns bei denen, die an der Vorbereitung dieser Haushaltsplanberatungen mitgewirkt haben. Wir hoffen auf sachdienliche und sachliche Beratungen, in denen wir - und zwar im positiven Sinne - um den richtigen Weg und die richtigen Beschlüsse streiten." StR Dr. Schlierer (REP): "Der Weg in die Verschuldung kann generell, aber auch für unsere Stadt, auf Dauer keine Perspektive sein. Das lehrt ganz aktuell die europäische Staatsschuldenkrise, die von einem Höhepunkt zum nächsten eilt. Mit aktuell weniger als 100 Mio. EUR Schulden steht Stuttgart auf den ersten Blick scheinbar gut da - vor zehn Jahren war der Schuldenstand mehr als fünfmal, vor zwanzig Jahren sogar zehnmal höher. Doch so erfreulich das Ergebnis der ablaufenden Haushaltsperiode ist: Der Spielraum für neue Maßnahmen ist angesichts der mageren Überschüsse im von der Verwaltung vorgelegten Entwurf des Ergebnishaushalts von zusammen nicht einmal 20 Mio. EUR für die kommende Haushaltsperiode bedenklich gering. Und genau genommen waren es nicht erwartete Einmaleffekte, die uns in dem zu Ende gehenden Doppelhaushalt vor einer höheren Verschuldung bewahrt haben. Wir können leider nicht damit rechnen, dass uns auch in den kommenden beiden Jahren wieder Einmaleffekte bei der Gewerbesteuer oder andere unverhoffte Einkünfte glimpflich davonkommen lassen. Der Schuldenstand wird deutlich steigen, nicht nur, weil ja immerhin noch eine Kreditermächtigung in Höhe von knapp 165 Millionen aus dem Nachtragshaushalt 2011 im Raume steht, die möglicherweise im kommenden Jahr für Investitionen aus Ermächtigungsübertragungen in Anspruch genommen werden muss, sondern auch, weil wichtige, seit vielen Jahren aufgeschobene Investitionen anstehen, deren Vertagung zu Wert- und Substanzverlusten führen und damit noch größeren Schaden anrichten würde als die Aufnahme neuer Kredite. Die Verwaltung hat in einer recht merkwürdigen Vorgehensweise nicht einmal die unstrittigen unter diesen Investitionen in den vorgelegten Haushaltsentwurf aufgenommen, sondern sie überlässt es vollständig dem Gemeinderat, die erforderlichen Ergänzungen des Haushaltes vorzunehmen. Das führt dazu, dass die anstehenden Haushaltsberatungen sicherlich wesentlich von der Auseinandersetzung über Zweck und Umfang neuer Kreditaufnahmen geprägt sein werden. Und der Schwarze Peter wird dann dem Gemeinderat zugeschoben. Vor diesem Hintergrund ist eines entscheidend: Wir müssen klare Prioritäten setzen. Angesichts dieser Ausgangslage muss in den Haushaltsberatungen eine Maxime unanfechtbar als oberste Richtschnur stehen: Wir müssen klar und deutlich Prioritäten setzen, streng und sorgfältig das Notwendige vom Wünschenswerten abschichten und uns gerade bei kreditfinanzierten Vorhaben strikt auf das unumgänglich Vorgegebene, auf das Substanzerhaltende und das Wertschaffende beschränken. Umgekehrt heißt das: Konsum und Geldverteilen auf Pump, Klientelpolitik und die Subventionierung gruppenspezifischer Steckenpferde und Partikularinteressen kommen angesichts der ernsten Haushaltslage weniger denn je in Frage. Ein besonders schwerer Sündenfall wäre vor allem die Schaffung neuer Stellen im öffentlichen Dienst im großen Stil, auf den sich vor allem die Begehrlichkeiten auf dem linken Flügel richten. Das verbietet sich schon wegen der erheblichen und nur schwer wieder rückgängig zu machenden Folgelasten. Und wenn ich in diesem Zusammenhang heute höre, es ginge da um Investitionen in soziale Infrastruktur, so ist das eigentlich ein Blendwerk. Denn genau genommen geht es hier auch wieder um neue Stellen, die dann später unter den Bestandsschutz fallen und damit um konsumtive Ausgaben. Schauen wir uns an dieser Stelle auch einmal die Einnahmeseite an. Ich halte es trotz der damit verbundenen Mindereinnahmen von ca. 5,6 Mio. EUR für vertretbar, den Hebesatz der Grundsteuer wieder maßvoll von 520 auf 500 zu senken. Ich bin mir auch darüber im Klaren, dass wir im Blick auf die Kreditaufnahme das sorgfältig abwägen müssen. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass dieser Einnahmenverlust im Rahmen einer entsprechenden Ausgabendisziplin sehr wohl ausgeglichen werden kann. Dann kommt die entscheidende Frage: Was gewinne ich mit dieser Senkung? Diese Entlastung kommt allen Bürgern zugute. Hauseigentümer und Mieter werden nämlich beide in den kommenden Jahren durch die gesetzlich vorgeschriebene energetische Sanierung erheblich zusätzlich belastet. Angesichts des damit verbundenen Anstiegs der Mieten ist es mehr als gerechtfertigt, im Interesse der Mieter eine sozial wünschenswerte Entlastung durch eine maßvolle Senkung der Grundsteuer zu schaffen. Ich glaube, dass das vertretbar und sinnvoll ist. Nicht sinnvoll wäre eine Anhebung der Gewerbesteuer; das halte ich für wirtschaftlich schädlich. Zur Citymaut sollte man sich Folgendes deutlich machen: Das ist wieder ein typisches Instrument aus der alten Kiste volkspädagogischer Zwangsmaßnahmen, mit der die Mobilitätsgegner hier versuchen wollen, diejenigen zu bestrafen, die mit dem Auto fahren. Und das nützt niemandem. Es mag zwar zusätzliche Einnahmen generieren, aber das ist kein Weg in die Zukunft für unsere Stadt. Es mag ja da und dort Radfahrer geben, aber Stuttgart wird aufgrund seiner Topografie nie das Eldorado der Fahrradfahrer. Ein zentrales Thema dieser Haushaltsplanberatungen wird die Schulsanierung sein. Die Fortsetzung der Sanierung der Schulgebäude in unserer Stadt steht für mich auf der Prioritätenliste fraglos an erster Stelle. Es ist völlig gleichgültig, wer wann zum ersten Mal 'den Finger in diese Richtung gestreckt hat', es ist auch völlig irrelevant, ob nun der eine oder andere in früheren Jahren sich zu diesem Thema schon mal irgendwo geäußert hat oder nicht, entscheidend ist der Zustand unserer Schulgebäude, den wir inzwischen aufgrund der Expertisen der beauftragten Beratungsfirma kennen. Wir wissen, dass die Erhaltung und Sanierung dieser Schulgebäude nicht nur der Unterrichtsqualität dient, sondern auch der Bewahrung und Erhaltung des städtischen Immobilienvermögens. Zustände wie an der Schickhardt-Schule, dass Unterrichtsräume wegen Gefahr für die Benutzer gesperrt werden mussten, dürfen nicht wieder eintreten; das können und dürfen wir uns im Interesse unserer Schüler nicht leisten. Soweit es die Fortsetzung des im Dezember 2009 beschlossenen Schulsanierungsprogramms betrifft, müssen wir hierfür die Bereitstellung zusätzlicher Mittel entsprechend den Empfehlungen der Beratungsfirma vorsehen. Deshalb unterstütze ich den Antrag von CDU, SPD und Grünen und werde auch den hierfür notwendigen Ausgaben in Höhe von 232,5 Mio. EUR zustimmen. Auch bei anderen Investitionen muss die Schaffung und Erhaltung von Werten bei der Verwendung der knappen finanziellen Spielräume eindeutig Vorrang haben. Deswegen befürworte ich ebenfalls Sonderprogramme zur Sanierung der von Verfall bedrohten Stuttgarter Stäffele sowie der Gemeindestraßen in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Tiefbauamtes. Auch die Verbesserung des Wegenetzes in städtischen Parkanlagen fällt in diese Kategorie. Inzwischen gibt es da und dort Stellen, wo sich für die Stadt Haftungsfragen stellen. Das Prinzip der Vorfahrt für Werterhaltung rechtfertigt die Kreditfinanzierung der Schulhaussanierung, da bei einer Verschiebung dieser Maßnahmen in die Zukunft der Schaden noch größer würde. Dahinter zurücktreten muss das beabsichtigte Engagement der Stadt beim Erwerb des LBBW-Wohnungsbestandes. Zwar ist es grundsätzlich sinnvoll, dass die Stadt hier einen Fuß in der Tür behält, um Fehlentwicklungen bei einem Verkauf der Wohnungen zu verhindern; und das Argument, mit dem Erwerb der Immobilien stehe der finanziellen Beteiligung der Stadt auch ein tatsächlicher Wert gegenüber, ist sicher richtig. Gleichwohl wird der Umfang des kommunalen Engagements zur Heuschreckenabwehr in diesem konkreten Fall noch zu diskutieren sein, wenn die Entscheidung ansteht. Bei den Priorisierungen wird natürlich auch eines unumgänglich sein: Beim Ausbau der Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren werden wir maßhalten müssen. Es gibt gesetzliche Auflagen, die erfüllt werden müssen. Allerdings habe ich den Eindruck, dass sich Verwaltung und Parteien derzeit einen Überbietungswettbewerb liefern: Versorgungsgrad und Anzahl der Betreuungsplätze können nicht groß genug sein. Damit laufen wir Gefahr, Verpflichtungen mit unabsehbaren Folgekosten einzugehen, ohne sicher sein zu können, dass zum einen die damit aufgebauten Kapazitäten überhaupt benötigt werden und dass wir die entsprechenden Zuschüsse in Anspruch nehmen können. Auf der Grundlage des Kindertagesbetreuungsgesetzes des Landes und der hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften gehe ich im Blick auf die Änderung des § 24 SGB VIII zum 01.08.2013 von einem anzustrebenden Versorgungsgrad für die Kleinkindbetreuung aus, wie er vom Land vorgegeben wird, nämlich von 34 %. Wir sollten uns an dieser Vorgabe zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben orientieren. Als Grundlage für die Haushaltsberatungen sollte die Verwaltung daher den Finanzaufwand für die Anhebung des Versorgungsgrades auf 34 % darstellen und zugleich den Anteil der hierfür zur Verfügung stehenden Mittel aus dem Investitionsprogramm des Bundes 'Kinderbetreuungsfinanzierung 2008 bis 2013' ermitteln. Das ist nicht nur sinnvoll im Hinblick auf die Einhaltung des Konnexitätsprinzips. Wenn wir vom Land die angemessene Beteiligung an den Kosten der von ihm gemachten Vorgaben verlangen und dafür ja auch eventuell den Klageweg nicht scheuen wollen - diese vom Oberbürgermeister aufgezeigte Perspektive unterstütze ich ausdrücklich -, sollten wir nicht durch freiwillige Übererfüllung der gesetzlichen Vorgaben den Eindruck erwecken, als könnten wir ohnehin aus dem Vollen schöpfen.
Es gibt aber noch einen anderen, prinzipiellen Grund, sich beim Ausbau der Krippenbetreuung eine kritische Zurückhaltung aufzuerlegen: nämlich das Kindeswohl, das eigentlich im Mittelpunkt stehen sollte. Die möglichst umfangreiche Fremdbetreuung von Unter-Drei- oder gar Unter-Einjährigen mag zwar im Moment als modern gelten, es mag auch im Interesse mancher Eltern sein, sie mag der Wirtschaft oder sogar dem Fiskus dienen, die davon profitieren, wenn Mütter möglichst früh ihre Kinder abgeben, um ohne Einschränkungen Vollzeit arbeiten und Steuern und Abgaben zahlen zu können - im Interesse der Kinder ist sie nicht. Die aktuellen Forschungsergebnisse, etwa der Hamburger Kinder- und Jugendpsychiaterin Carola Bindt, weisen nach: Die Stressbelastung durch die Trennung von der Hauptbezugsperson Mutter ist bei vier Fünftel der Krippenkinder beträchtlich und kann auch durch gute Betreuungsqualität zwar abgeschwächt, aber nie aufgehoben werden. Und die bislang umfangreichste US-amerikanische Krippenstudie belegt, dass selbst der Besuch einer guten Krippe noch bei 15-jährigen Jugendlichen negative Auswirkungen hat und gehäuft zu sozialen Auffälligkeiten führen kann. Das sind interessante Ergebnisse, die man zur Kenntnis nehmen muss, und zwar ohne ideologische Scheuklappen. In den Musterländern der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, nämlich Frankreich, Schweden und Norwegen, ist man längst einen Schritt weiter als bei uns. Man diskutiert offen über die negativen Seiten der Krippenbetreuung und sucht Alternativen zur exzessiven Frühbetreuung: großzügige Freistellungsmöglichkeiten zur Pflege kranker Kinder, Betreuung direkt am Arbeitsplatz und Ähnliches. Statt phantasielos die Fehler zu wiederholen, die andere längst gemacht und erkannt haben, sollten wir alternativen Modellen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ohne Belastung der Kinder eine Chance geben. Was der Bundesfamilienministerin recht ist - den eigenen Säugling mit an den Arbeitsplatz zu nehmen und einen Wickeltisch im Büro aufzustellen, statt das Kind in der Krippe fremdbetreuen zu lassen - sollte Stuttgarter Müttern nur billig sein. Die Stadt Stuttgart könnte auch hier in puncto Kinderfreundlichkeit mit gutem Beispiel vorangehen. Der Katalog der bildungspolitischen Wünsche ist in diesen Tagen umfangreich. Ich darf daran erinnern, dass wir vor zwei Jahren ein ganz anderes Schlagwort hatten. Da ging es um Bildungspartnerschaft - ein ganz zentraler Begriff, den heute schon kaum mehr einer kennt. Ich will damit nur deutlich machen, wie schnelllebig wir in diesen bildungspolitischen Themen sind. Wir müssen klare Prioritäten setzen und langfristige Entwicklungslinien ziehen. Das heißt auch, dass man manchmal etwas zurückstellen muss, z. B. die Aufgaben, die nicht in die Kernkompetenz der Kommunen fallen. Damit meine ich in erster Linie das kostspielige Projekt, sämtliche Grundschulen Stuttgarts in Ganztagsschulen umzuwandeln. Es ist schon von Verfassungs wegen nicht Aufgabe der Kommunen, in der Bildungspolitik vorzupreschen und aus den knappen Mitteln des städtischen Haushalts bildungspolitische Experimente zu finanzieren. Deswegen halte ich es für gar nicht sinnvoll, dass wir uns nun unbedingt mit Pilotprojekten wie der sechsjährigen Grundschule, Bildungshäusern und anderen Dingen belasten. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es hier eher um den Ehrgeiz der Protagonisten und ihre Profilierung mit solchen Themen geht. Das ist eben nicht Aufgabe der Kommune. Für manche Eltern mag es von Vorteil sein, wenn alle Stuttgarter Grundschulen verbindliche Ganztagsschulen werden. Aber denkt man dabei auch an die Kinder? Grundschüler sollten nicht ohne Not zu einer 40-Stunden-Woche an der Schule gezwungen werden. Kinder brauchen in bestimmten Altersabschnitten am Nachmittag Freizeit zu Hause und für frei gewählte musische und sportliche Aktivitäten außerhalb der Schule. Die Sportvereine fürchten zu Recht um ihren Nachwuchs, wenn alle Stuttgarter Grundschulen zu Ganztagsschulen werden. Die Ausrede, die Kinder hätten ja - in einer Vollzeit-Schulwoche! - noch die Abende und Wochenenden für den Vereinssport, ist einigermaßen weltfremd und lässt eigene Erfahrung missen. Die Vorstellung, das alles könnte dann in der Ganztagsschule realisiert werden, ist völlig weltfremd. Die ins Auge gefasste Einbeziehung der Sportvereine in die schulische Ganztagesbetreuung wirft mehr Probleme auf als sie lösen wird. Großvereine mit hauptamtlichen Übungsleitern mögen eine Kooperation mit den Ganztagsschulen leisten können, aber die vielen kleinen Vereine mit ihren vielen ehrenamtlichen Freizeit-Trainern geraten dann unter einen Druck, sei es ein Fusionsdruck der Vereine selber oder aber ein Druck innerhalb der Vereine, Profi-Übungsleiter zu gewinnen, der nicht im Interesse des Bestandes dieser Vereine liegt. Das steht im Gegensatz zu manchen Investitionen, die wir in die Vereine getätigt haben und auch tätigen wollen. Wir sollten uns eher daran orientieren, die Vereinsvielfalt zu erhalten und zu stärken und alles zu unterlassen, was den Bestand dieser wichtigen Einrichtungen für unser Gemeinwohl beeinträchtigen würde. Ich halte es deshalb auch nicht für sinnvoll, wenn man im Bereich dieser schulischen und außerschulischen Aktivitäten nur eine Professionalisierung anstrebt. Mir wäre es lieber, wenn wir uns wieder auf unsere Kernaufgaben beschränken würden und darauf verzichten, hier die Axt an unsere Sportvereine zu legen. Bei der Einrichtung von Ganztagesschulen muss das Prinzip der Freiwilligkeit und der Wahlfreiheit der Eltern strikt gewahrt werden. Niemand sollte genötigt werden, sein Kind nachmittags in die Schule zu schicken, auch nicht indirekt durch einseitige Kostenbefreiungen. Staatliche Gängelung von Familien hat den Beigeschmack totalitärer Bevormundung und sollte unter allen Umständen vermieden werden. Deshalb muss an jeder Grundschule weiterhin die verlässliche Betreuung bis 14 Uhr zur Wahl stehen und darf für die Eltern auch nicht teurer sein als die Ganztagsschule. Die muss eine von beruflichen Zwängen der Eltern bestimmte Ausnahme und nicht die staatlich aufoktroyierte Regel sein, schon gar nicht mit dem Ziel der Zwangsintegration. Und wenn Ganztagesschule - dann bitte als offene und nicht als gebundene! Ich glaube, es gäbe auch da eine ganze Reihe von Alternativen, und es gäbe auch wichtige Projekte, die wir im Bereich der Schulpolitik uns vornehmen sollten. Ich habe dazu in meinen Anträgen einige Punkte aufgezeigt. Wir sind sicherlich gut beraten, wenn wir in eine Reihe wichtiger Schulprojekte investieren, z. B. in den Ersatz- und Erweiterungsbau der Schule für Körperbehinderte in Möhringen und in den überfälligen Ausbau des bereits 2007 im Rohbau fertiggestellten Film- und Tonstudios der it.schule Möhringen. Lassen Sie mich ein Wort zum Bürgerhaushalt sagen. Das mit großem Aufwand durchgeführte Verfahren zum Bürgerhaushalt hat durchaus einige sinnvolle Anregungen erbracht. Die Vornahme der Gewichtung der Vorschläge durch die Nutzer des dafür eingerichteten Internetportals hat allerdings dazu geführt, dass eine beträchtliche Zahl von überflüssigen allgemeinpolitischen Meinungsbekundungen Eingang in die Vorlage gefunden hat, die nichts mit dem Haushalt zu tun haben, während leider andere nützliche Vorschläge außen vor blieben. Ich habe einige dieser Vorschläge aufgegriffen, so den Wunsch nach einer Neugestaltung des Eckensees. Hier gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Deswegen schlage ich einen Ideenwettbewerb zur Neugestaltung vor. Vor einer Fortführung des Bürgerhaushalts muss allerdings eine kritische Evaluierung hinsichtlich Aufwand und Ergebnis und der Praktikabilität für künftige Haushaltsaufstellungen erfolgen, um eine Konzentration auf haushaltsrelevante Fragen zu erreichen. Grundsätzlich mag dieses Projekt fortgesetzt werden, aber nicht so wie bisher, sondern in einer modifizierten Form, die sich mehr auf die haushaltswichtigen Fragen konzentriert. Lassen Sie mich nur kurz noch einige weitere Schwerpunkte anreißen, die mir in den anstehenden Haushaltsberatungen wichtig sind. Stadtplanung und Aufwertung vernachlässigter Innenstadtareale sind nach wie vor ein Problem. Ich befürworte daher das Wiederaufgreifen der Pläne zur Neubebauung des Rathausgaragenareals und die Belagerneuerung und Umgestaltung der Fußgängerzone in der Bad Cannstatter Marktstraße. Über dem Schulsanierungsprogramm sollten wir den großen Investitionsbedarf bei den Sportvereinen nicht aus dem Auge verlieren. Die Ersatzbeschaffung eines Bücherbusses findet ebenfalls meine Unterstützung. Ein bleibendes Anliegen ist für mich nicht nur der Erhalt des Hotels Silber, sondern auch die Schaffung einer Gedenkstätte 'Rote Wand', die dem Andenken der Opfer gewidmet sein soll, die im Zuge der Besetzung Stuttgarts durch alliierte Truppen im Frühjahr 1945 ums Leben gekommen sind. Ich meine, dass man auch für diese Opfer eine würdige Gedenkstätte schaffen kann, schließlich wollen wir ja nicht Opfer erster und zweiter Klasse. Gestatten Sie mir zum Schluss noch eine kritische Anmerkung zum Haushaltsentwurf. Natürlich gilt mein Dank der Stadtkämmerei und den Mitarbeitern der gesamten Stadtverwaltung, die hier viel gearbeitet haben. Aber aus der Sicht eines Mitglieds des Gemeinderates bleibt doch festzuhalten: Der Haushaltsentwurf ist zwar dünner geworden, aber dafür noch schwerer lesbar. Ich glaube nicht, dass es der Transparenz dient, wenn dem Haushaltsentwurf detaillierte Ausgabenverteilungen kaum noch zu entnehmen sind. Ich wünsche mir, dass wir in Zukunft wieder Haushaltsentwürfe an die Hand bekommen, die es uns etwas leichter machen, punktgenau diejenigen Anträge ansteuern zu können, die wir für richtig und notwendig halten. Wir brauchen dann weniger Auskunftsanträge und beschleunigen damit das Verfahren. Diese Anmerkung schmälert in keiner Weise meine Anerkennung und meinen Dank an die Verwaltung für ihr effizientes und hilfreiches Wirken. Ich hoffen, dass wir zu einem guten Ergebnis kommen." OB Dr. Schuster beendet die Allgemeine Aussprache mit dem Dank für die Redebeiträge sowie die Anträge. Er freue sich auf eine konstruktive Zusammenarbeit, den Dialog und auch den Diskurs, damit dann Mitte Dezember hoffentlich ein solider, den vielfältigen Bedürfnissen Rechnung tragender Haushalt verabschiedet werden kann. zum Seitenanfang