Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz:
0322-04
GRDrs
678/2021
Neufassung
Stuttgart,
11/29/2021
Entscheidung über die Zulässigkeit des Einwohnerantrags "Klimagerechtes Stuttgart: Neue Impulse durch einen Bürger*innenrat"
Beschlußvorlage
Vorlage an
zur
Sitzungsart
Sitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
01.12.2021
02.12.2021
Beschlußantrag:
1. Der Einwohnerantrag „Klimagerechtes Stuttgart: Neue Impulse durch einen Bürger*innenrat“ ist nach erneuter Einreichung mit einer ausreichenden Zahl an Unterschriften nunmehr zulässig.
2. Die Anhörung der Vertrauenspersonen des Einwohnerantrags und die Behandlung des Gegenstandes des Einwohnerantrags finden als Tagesordnungspunkte 1 und 2 der Sitzung des Gemeinderats am 16.12.2021 statt.
3. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, den Vertrauenspersonen des Einwohnerantrags die Feststellung der Zulässigkeit formal bekannt zu geben und diese zur Anhörung gem. Ziff. 2 einzuladen.
Begründung:
Zu 1.
Die Unterschriftenlisten des Einwohnerantrags wurden zunächst erstmals am 24.06.2021 an eine Vertretung der Landeshauptstadt Stuttgart (LHS) aus dem Bereich der Stabstelle Klimaschutz des Referats Strategische Planung und Nachhaltige Mobilität (S/OB-Klimaschutz) übergeben. Der Einwohnerantrag hat folgende Angelegenheit, welche im Gemeinderat behandelt werden soll, zum Gegenstand:
„Der Gemeinderat möge beschließen, einen losbasierten Klima-Bürger*innenrat einzuberufen. Dieser soll konkrete Lösungsvorschläge zur klimagerechten Stadtentwicklung zur Einhaltung des 1.5°C-Zieles des Pariser Klimaabkommens ausarbeiten. Zusätzlich soll der Rat eindeutige Emissionsziele für Stuttgart formulieren. Die Stadtverwaltung unterstützt den Bürger*innenrat organisatorisch und fachlich. Der Gemeinderat entscheidet über die Annahme der Lösungsvorschläge.“
Der Einwohnerantrag ist wie folgt begründet:
„Stuttgart hat sein Maßnahmenpotential für die Abwendung eines gefährlichen Klimawandels noch lange nicht ausgeschöpft – Klimaneutralität deutlich vor 2050 ist auch in Stuttgart machbar. Wo angesetzt werden kann, wissen die Stuttgarter*innen am besten. Ein organisierter, geloster Bürger*innenrat ermöglicht ihnen, selbstbestimmt die klimagerechte Gestaltung ihrer Stadt voranzubringen. Gemeinsam, im Dialog und rücksichtsvoll für die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen. Geloste Räte werden immer häufiger zur Bewältigung drängender Fragen eingesetzt. Sie werden sowohl der Komplexität der Herausforderungen durch die Klimakrise als auch der Vielfalt der Stadtbevölkerung gerecht. Dank dem repräsentativen Losverfahren wird die volle Breite der Stuttgarter Lebensrealitäten bei allen Lösungsvorschlägen mitgedacht. Diese haben eine hohe Legitimität und Akzeptanz. Bürger*innenräte ermitteln einen breiten Konsens und liefern mehrheitsfähige, lokal wirksame Lösungsvorschläge zur Vorlage an den Gemeinderat. Dessen Entscheidungen werden somit tragfähiger und bürgernäher. Eine klimagerechte Stadt ist auch eine lebenswerte Stadt. Mit Vertrauen in seine Bürger*innen kann Stuttgart ausgetreten Pfade verlassen und den Schritt in eine nachhaltige Zukunft gehen.“
Eine Blanko-Musterunterschriftenliste ist als
Anlage 1
beigefügt.
Gemäß § 20b Abs. 3 Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GemO) entscheidet der Gemeinderat über die Zulässigkeit eines Einwohnerantrags. Der Gemeinderat hat zu prüfen,
·
ob der Einwohnerantrag schriftlich eingereicht wurde,
·
ob der Einwohnerantrag hinreichend bestimmt und begründet ist,
·
ob bei einem gegen einen gefassten Beschluss des Gemeinderats gerichteten Einwohnerantrag die Ausschlussfrist von drei Monaten eingehalten ist,
·
ob nicht innerhalb des letzten Jahres bereits ein entsprechender Einwohnerantrag gestellt worden ist,
·
ob nicht ein gesetzlich bestimmtes Beteiligungs- oder Anhörungsverfahren dem Einwohnerantrag entgegensteht
·
ob es sich nicht um eine nach § 21 Abs. 2 GemO ausgeschlossene Angelegenheit handelt
·
ob es sich um eine Angelegenheit im Wirkungskreis der Gemeinderat handelt, für die der Gemeinderat zuständig ist, sowie
·
ob das notwendige Quorum erfüllt ist.
Es handelt sich dabei - wie bei Bürgerbegehren - um eine reine Rechtsprüfung ohne Ermessen.
Der Einwohnerantrag wurde schriftlich durch Übergabe der Unterschriften in Papierform eingereicht und enthält die oben angegebene Begründung; er ist hinreichend bestimmt und auch ausreichend begründet. Der Antrag richtet sich nicht gegen einen Gemeinderatsbeschluss, sodass keine Ausschlussfrist zu beachten ist.
Vorliegend steht dem Einwohnerantrag weder ein innerhalb des letzten Jahres bereits gestellter Einwohnerantrag noch ein gesetzlich bestimmtes Beteiligungs- oder Anhörungsverfahren entgegen.
Auch ist hinsichtlich des Einwohnerantrags zum einen keine der nach § 21 Abs. 2 GemO ausgeschlossenen Angelegenheiten betroffen und zum anderen eine Angelegenheit des Wirkungskreises der Gemeinde, für die der Gemeinderat zuständig ist, gegeben.
Während für die (dauernde) Einrichtung eines beratenden gemeinderätlichen Gremiums der Ausschlussgrund der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 GemO) eingreifen würde, da es sich beim Gemeinderat um ein Verwaltungsorgan der Gemeinde handelt, ist die mit dem Einwohnerantrag aus Sicht der Verwaltung allein bezweckte (zeitlich begrenzte) Maßnahme der informellen Bürgerbeteiligung gem. § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die dialogische Bürgerbeteiligung (Dialogische-Bürgerbeteiligungsgesetz, DBG) in Form eines Bürgerrats zulässig. Für die Entscheidung über die Durchführung der vorliegend beabsichtigten Maßnahme gem. § 2 Abs. 1 DBG ist zudem die Zuständigkeit des Gemeinderats gegeben. Gem. § 24 Abs. 1 Satz 2 GemO ist der Gemeinderat zuständig, soweit nicht eine Zuständigkeit des Oberbürgermeisters gegeben ist. Es liegt hier weder eine Pflichtaufgabe nach Weisung noch ein Geschäft der laufenden Verwaltung vor. So betrifft die Aufgabenstellung des beabsichtigen Bürgerrats insb. freiwillige Aufgaben. Schließlich ist auch keine Übertragung der Aufgabe auf den Oberbürgermeister erfolgt, so dass der Gemeinderat vorliegend für die erstmalige Anwendung des Bürgerbeteiligungsinstruments „Bürgerrat“ zuständig ist.
In Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohner*innen müssen mindestens 1,5 Prozent der Einwohner*innen den Antrag unterstützen, jedoch maximal 2.500. Unterschriftsberechtigt ist, wer zum Zeitpunkt der Unterzeichnung mindestens 16 Jahre alt ist und seit mindestens drei Monaten in der Gemeinde wohnt. Für die Landeshauptstadt Stuttgart ergibt sich hieraus eine notwendige Anzahl von 2.500 Unterschriften.
Nach Überprüfung aller geleisteten Unterschriften seitens des Statistischen Amtes war zunächst festzuhalten, dass das notwendige Quorum von 2.500 Unterschriften der antragsberechtigten Einwohner*innen
nicht
erfüllt war. Von 2.527 insgesamt eingereichten Unterschriften waren lediglich 2.190 gültig. 337 Unterschriften (15,4 %) waren ungültig.
Nachdem folgerichtig dann eine entsprechende Feststellung der Unzulässigkeit des Einwohnerantrags beabsichtigt war (vgl. GRDRs. 678/2021; vorgesehen für die Tagesordnung des Gemeinderats am 28.07.2021) wurde der Einwohnerantrag von den Vertrauenspersonen mit Schreiben vom 27.07.2021 zunächst zurückgezogen, um weitere Unterschriften zu sammeln und den Antrag dann erneut einzureichen. Dies ist rechtlich zulässig.
Der Einwohnerantrag wurde sodann mit den bisherigen und weiteren gesammelten Unterschriften am 04.10.2021 erneut bei der LHS eingereicht.
Die neuerliche Prüfung des Statistischen Amtes ergab nunmehr folgendes Bild:
Von 3.046 insgesamt eingereichten Unterschriften waren 426 Unterschriften (13,99 %) ungültig. Das notwendige Quorum von 2.500 Unterschriften der antragsberechtigten Einwohner*innen ist mit 2620 gültigen Unterschriften damit erfüllt.
Dementsprechend ist, nachdem wie oben ausgeführt auch die anderen Voraussetzungen vorliegen, nun die Zulässigkeit des Einwohnerantrags festzustellen.
Zu 2.
Eine positive Zulässigkeitsentscheidung löst die Pflicht des Gemeinderats zur Behandlung der betreffenden Angelegenheit des Einwohnerantrags aus, die innerhalb von drei Monaten nach der Einreichung des Antrags (hier aufgrund der erneuten Einreichung am 04.10.2021 bis spätestens 04.01.2022) stattfinden muss (§ 20b Abs. 3 Satz 2 Hs. 1 GemO). Im Rahmen der Sitzung des Gemeinderats, in der die Behandlung der Angelegenheit erfolgt, sind die Vertrauenspersonen vorher anzuhören; den Vertrauenspersonen ist dabei vor der eigentlichen Beratung die Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
Die Verwaltung schlägt hierfür den Gemeinderat am 16.12.2021 vor. Konkret soll dies in Form der Anhörung als Tagesordnungspunkt (TOP) 1 und der Diskussion des Gegenstandes des Einwohnerantrags als TOP 2 erfolgen. In dieser Sitzung soll zudem über die in Folge des gemeinderätlichen Antrags 227/2021 erarbeitete Grundsatzvorlage zur Einrichtung eines Bürgerrats Klima (GRDrs 1246/2021) im Rahmen des TOP 3 beraten und beschlossen werden.
Es kommt in Betracht, die Behandlung von TOP 2 und TOP 3 in Form einer gemeinsamen Debatte nach der in TOP 1 erfolgten Anhörung durchzuführen.
Zu 3.
Der Oberbürgermeister hat die Feststellung formal bekannt zu geben und die Vertrauenspersonen entsprechend zur Anhörung einzuladen. Diese wurden bereits im Vorfeld entsprechend informiert, damit diese sich den Termin am 16.12.2021 einrichten können.
Finanzielle Auswirkungen
keine
Beteiligte Stellen
Die Referate S/OB und AKR haben mitgezeichnet.
Vorliegende Anträge/Anfragen
keine
Erledigte Anträge/Anfragen
keine
Dr. Frank Nopper
Anlagen
Anlage 1 - Blanko-Musterunterschriftenliste des Einwohnerantrags
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