Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
74/2024
GZ:
WFB
Sitzungstermin: 01.02.2024
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Dr. Mayer
Berichterstattung:BM Fuhrmann
Protokollführung: Frau Faßnacht th
Betreff: Stadion Neckarpark GmbH & Co. KG
ergänzender Baukostenzuschuss für das
Projekt Arena 24

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 31.01.2024, nicht öffentlich, Nr. 25
Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen vom 29.01.2024, GRDrs 74/2024, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Aufgrund der aktuellen Dringlichkeit wird einem weiteren Baukostenzuschuss von bis zu 20 Mio. EUR an die Stadion KG zugestimmt.

2. Nach Klärung der endgültigen Kosten werden die Projektpartner LHS, Stadion KG und VfB Stuttgart beauftragt, über eine angemessene Aufteilung der Nachtragskosten aus den Umplanungen (anteilig in den o. g. 20 Mio. EUR enthalten) zu verhandeln.

3. Der Baukostenzuschuss führt zu einer überplanmäßigen Auszahlung im Haushaltsjahr 2024 im Teilfinanzhaushalt 200 - Stadtkämmerei, Projekt 7.203051 - Unternehmen in Privatrechtsform, Beteiligungen, Ausz.Gr. 781 Investitionszuweisungen und Investitionszuschüsse an Dritte. Da diese unabweisbar ist, ist sie trotz vorläufiger Haushaltsführung zulässig. Der Mittelbereitstellung im Haushaltsjahr 2024 wird im Vorgriff auf den Doppelhaushaltsplan 2024/2025 zugestimmt. Zur Finanzierung stehen Finanzierungsmittel über eine voraussichtliche Verbesserung der Liquidität im aufzustellenden Jahresabschluss 2023 zur Verfügung.


Noch immer sitze der Schock über diese Nachricht - trotz einer intensiven, nicht öffentlich geführten Debatte, schickt StR Pitschel (90/GRÜNE) voraus. Seine Fraktion wollte diese Europameisterschaft (EM) und stehe nach wie vor dazu. Die gute Nachricht sei, dass es immer noch möglich erscheine, die Baumaßnahme im Stadion rechtzeitig zu Ende zu bringen. Dafür bezahle man allerdings einen sehr hohen, man könne auch sagen, einen zu hohen Preis. Besonders zu kritisieren sei zudem das Vorgehen: Denn erst im Oktober habe der Gemeinderat aufgrund der unvorhergesehenen Bestandssituation einen zusätzlichen Zuschuss von 22,5 Mio. EUR beschlossen. Es fehlten immer noch die Antworten darauf, dass jetzt, so kurz danach, nahezu dieselbe Summe nötig sein soll. Heute habe man nur zwei Möglichkeiten: Zustimmung oder Ablehnung. Lehne man ab, so würde die Fußball-EM 2024 in Stuttgart ohne Haupttribüne auf einer Baustelle stattfinden oder die Spiele, die nach Stuttgart vergeben wurden, finden woanders statt. Beide Szenarien seien keine akzeptablen Optionen. Deswegen stimme seiner Fraktion dieser Vorlage heute zu. Man setze dieser Zustimmung eine Aufarbeitung der Vorgänge voraus.

StR Kotz (CDU) vertritt die Ansicht, wenn man ein bestehendes Gebäude anfasst - insbesondere dann, wenn es ein so spezielles Gebäude ist wie ein Stadion - so sei dies immer mit einem gewissen Risiko verbunden, was die Bauqualität, was die Dauer einer Baustelle und letztlich auch was die Kosten angeht. So waren diese Dinge Thema bei vielen Bauprojekten in Stuttgart, wie z. B. beim StadtPalais, Theaterhaus und den Wagenhallen. Dennoch wäre es aus seiner Sicht falsch, aus Angst vor solchen Entwicklungen derartige Projekte nicht mehr anzupacken und stattdessen Abriss und Neubau vorzuziehen. Man hätte es sich anders gewünscht, doch stehe auch seine Fraktion weiterhin dazu. So sei man einerseits froh über die Chance, mit einem guten Generalunternehmer das Projekt rechtzeitig zur EURO 2024 stemmen zu können, andererseits hätte man sich eine solche Beschlussfassung natürlich nicht gewünscht und die Erkenntnis wäre schon im Oktober oder November letzten Jahres so gewesen, dass man bei den Haushaltsplanberatungen hätte reagieren können. Er teilt das Fazit seines Vorredners und weist darauf hin, dass die investierten Mittel nicht verlorengehen, sondern den Wert des Stadions erhöhen. Man freue sich jetzt schon auf die Spiele im frisch sanierten Stadion mit toller Stimmung in der gesamten Stadt.

Noch immer fassungslos ob der Entwicklung bei diesem Projekt zeigt sich StR Perc (SPD). Man frage sich, wie es sein kann, dass Pläne und Umsetzung so auseinanderklaffen und es so lange dauern konnte, bis man das bemerkt hat. Fassungslos sei man auch angesichts der Summe, die da aufgerufen wird, ob der geringen Zeitspanne zwischen dem zuvor gewährten Baukostenzuschuss und jetzt, und auch im Hinblick auf das Vorgehen und die Informationsqualität. Die Entwicklungen können aus seiner Sicht nicht erst in den letzten Tagen aufgetaucht sein, sondern müssten der Richtung nach zumindest im Dezember bekannt gewesen sein. In der Sitzung des Aufsichtsrates Ende Dezember sei es dennoch nicht thematisiert worden. Nun finde man sich in einer Situation wieder, in der man mit dem Rücken zur Wand stehe, weswegen es schier unmöglich sei, in Verhandlungen zu gehen. Natürlich stehe auch seine Fraktion dazu, Austragungsort von Spielen der Fußball-EM zu sein. Weil es blamabel wäre, mit einer Baustelle dazustehen, sei man gezwungen, dieser Vorlage zuzustimmen. Dies tue man notgedrungen und schweren Herzens, sehe jedoch einen dringenden Bedarf, diesen Vorgang aufzuarbeiten - auch im Aufsichtsrat. Dennoch hoffe man und freue sich darauf, in einem komplett sanierten schönen Stadion eine tolle Europameisterschaft in Stuttgart zu erleben.

StR Pantisano (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) kritisiert zunächst die schlechte Verständlichkeit der Vorlage, die es schwergemacht habe, die Quintessenz zu verstehen. Der Sanierung des Stadions habe die FrAKTION zugestimmt, weil man dies als notwendig und richtig erachtet habe. Das gesamte Vorgehen jedoch - von der Beschlussfassung zur EURO 2024 bis zum heutigen Tag - sei geprägt von absoluter Intransparenz und Unehrlichkeit. Der Gemeinderat habe den Doppelhaushalt für 2024 und 2025 am 15.12.2023 beschlossen. 70 % der 20 Mio. EUR, die jetzt zur Verfügung gestellt werden müssen, seien laut Vorlage bereits verbaut. Somit sei nicht davon auszugehen, dass diese Arbeiten ausgeführt wurden, ohne dass es eine Absprache gegeben hat mit der Geschäftsleitung, dem Auftraggeber oder dem Bauherrn. An BM Fuhrmann gerichtet fragt er: "Seit wann wissen Sie eigentlich, dass da nochmal 20 Mio. EUR dazukommen?" Leider sei auch davon auszugehen, dass es wahrscheinlich nicht die letzten 20 Mio. EUR sein werden, weil - wie meist bei Großprojekten - mit Nachforderungen zu rechnen sei. Aus seiner Sicht besonders ärgerlich sei, dass diese neuerlichen 20 Mio. EUR nicht wegen der Stadionsanierung notwendig sind, sondern wegen der Europameisterschaft und des daraus resultierenden Termindrucks.

Der Stadtrat erinnert an die Beschlussvorlage, aufgrund welcher der Gemeinderat 2017 entschieden habe, dass Stuttgart sich als Austragungsort für die Fußball-EM 2024 bewirbt. Darin hieß es, es kämen keine weiteren Kosten wie die der Host-City auf die Landeshauptstadt Stuttgart zu. Der Vorsitzende damals sei laut Protokoll von Kosten im siebenstelligen Bereich ausgegangen, inzwischen liege man im neunstelligen Bereich. Daher müsse im Rahmen der Aufarbeitung nicht nur die Rolle und Aufgabe des Aufsichtsrates geklärt werden, sondern auch das Vorgehen der Verwaltung bei solchen Projekten. Aus den genannten Gründen lehne man die Vorlage ab und lege Wert darauf, dass so etwas nicht wieder vorkommt in der Stadt.

StRin Hübsch (PULS) unterstreicht mit Blick auf den Eingangssatz von StR Kotz, "schlecht im Bauen und wenig Erfahrung haben wir in Stuttgart nicht". Man frage sich daher, wie es sein kann, binnen 48 Stunden nach Erreichen einer solchen Hiobsbotschaft einen Beschluss über diese Mittel fassen zu müssen. "Das ist eine Frechheit und eigentlich ein Skandal!" Man frage sich, woher kommt diese zeitlich kritische Situation? Warum wurde der Aufsichtsrat nicht Mitte/Ende Dezember informiert? Warum wurde der Gemeinderat nicht schon vorher einbezogen? Man sehe die gesetzliche Informationspflicht hier verletzt und fordere eine Aufklärung. Sie selbst sehe die Alternativlosigkeit, den Beschluss zu fassen, auch. Innerhalb ihrer Fraktionsgemeinschaft gebe es jedoch auch andere Sichtweisen, sodass man uneinheitlich abstimmen werde. Dennoch fordere man wie auch die Vorredner Aufklärung, damit solche Beschlüsse nicht mehr gefasst werden müssen.

Sein Entsetzen resultierte vor allem daraus, was alles in der Zeitung zu lesen war über die Inhalte einer nicht öffentlichen Vorlage, schickt StR Dr. Oechsner (FDP) voraus. Bezogen auf den Inhalt habe er sich kundig gemacht und könne nun sagen: "Zum Glück hat der Bauunternehmer schon Bauleistungen erbracht, sonst wären wir jetzt wo ganz anders!" Die Abrechnung der konkreten Leistungen lag jedoch erst zum Ende Dezember vor. Natürlich sei der Vorgang ärgerlich. Jedoch sei unter Fachleuten bekannt, dass in den 1970er-Jahren nicht immer die beste Bausubstanz verbaut wurden und das Regelwerk beim Bauen ein anderes war wie heute. Daher müsse man sich klarmachen, dass die Kosten für eine Stadionsanierung ohnehin auf die Stadt zugekommen wären. Es handle sich also um so genannte "Sowieso-Kosten", "denn wenn wir gewusst hätten, dass das so auf uns zukommt, dann hätten wir es auch positiv beschieden". Auch wenn es auf den einen oder anderen so wirken könnte, glaube er nicht, dass die Stadion KG etwas gewusst und das verschwiegen hat. Er selbst sehe - ohne ein großer Fußballfan zu sein - die absolute Notwendigkeit, ein vernünftiges Stadion zur Fußball-WM zu haben. Die FDP-Gemeinderatsfraktion stimme der Vorlage daher zu.

StRin von Stein (FW) stimmt den Ausführungen ihres Vorredners uneingeschränkt zu. Sie halte es für unmöglich, mit einer maroden oder einer nicht nutzbaren Haupttribüne eine EM austragen zu wollen. Daher müsse diese in Ordnung gebracht werden und bleibe dann für lange Zeit im Stadion und somit auch für die Stadt Stuttgart erhalten. Auch ihre Fraktion werde dieser Vorlage trotz alledem zustimmen. Weiter merkt sie an, dass man vom Thema der hohen Baukosten auch bei vielen anderen Maßnahmen verfolgt werde, siehe das Neue Gymnasium Leibnitz, und die Projekte dennoch verwirklichen müsse.

Zustimmung zur Vorlage erklärt auch StR Ebel (AfD). Zwar sehe man vielleicht eine Alternative, doch wäre die Alternative eine weltweite Blamage, würde man in einem halbfertigen Stadion auf Sendung gehen. Nicht nur vor Gericht und auf hoher See, sondern auch beim Bauen sei man in Gottes Hand, so der Stadtrat. Mit Blick auf die anstehenden Verhandlungen zur Beschlussantragsziffer 2 merkt er an, er beneide den Verhandlungsführer seitens der Stadt nicht. Weiter weist er darauf hin, dass die Auflistung der prognostizierten Mehrkosten auf Seite 3 der Vorlage fehlerhaft ist.

Er könne den Ärger bezüglich dieser Vorlage zu 100 % nachvollziehen, weil er ihn teile, betont BM Fuhrmann. Man war natürlich nicht erfreut, von diesen zusätzlichen Mehrkosten erfahren zu haben. Nachdem in manchen Wortbeiträgen Begriffe gefallen seien wie Unehrlichkeit und Intransparenz, versichert er: "Ich habe letzte Woche von diesen Mehrkosten erfahren. Wir sind immer davon ausgegangen, dass die Mehrkosten, die wir schon im Rahmen der Haushaltsberatungen diskutiert haben, ausreichend sind. Wir haben aber die Abrechnung erst letzte Woche tatsächlich final bekommen und letzte Woche sind die Gespräche auch mit dem GU eskaliert und es drohte letztendlich ein Baustopp, sodass wir zum Handeln gezwungen waren, um dringend jetzt weiterzukommen. Sonst wäre nämlich die Situation eingetreten, dass wir tatsächlich bis zur Europameisterschaft ein nicht fertiges Stadion gehabt hätten. Und ja, es ist richtig, wir stehen mit dem Rücken zur Wand. Das ist kein schönes Gefühl, auch für diejenigen in der Stadiongesellschaft, die die Verhandlungen führen. Das kann ich Ihnen zu 100 % versichern. Aber auch die haben einen hervorragenden Job gemacht, sehen aber auch keine anderen Möglichkeiten jetzt, als auf Forderungen einzugehen.

Wir werden die auch nochmal aufarbeiten, das haben wir in der Vorlage dargestellt. Um jetzt einen Schritt weiterzukommen und keinen Baustopp zu haben, sind wir aber gezwungen, jetzt ein Stückweit auf den GU einzugehen. Das werden wir aufarbeiten, da gebe ich Ihnen zu 100 % recht, das müssen wir dezidiert aufarbeiten und werden das in der Stadion KG aufarbeiten. Wir werden es aber auch hier im Rat sicherlich Ihnen nochmals transparent darstellen. Bloß jetzt sind wir aktuell in einer Situation, dass wir handeln müssen. Der Vertrag, die Vereinbarung mit dem GU muss jetzt geschlossen werden, insbesondere was auch zukünftige Forderungen anbelangt. Da wollen wir natürlich auch sicher sein, dass da nichts mehr kommt. Und dieser Vertrag muss abgeschlossen werden und dann können die Bauarbeiten weitergeführt werden. Aber was ich Ihnen hundertprozentig zusichern werde: Wir werden diesen ganzen Themenkomplex natürlich nochmal dezidiert aufarbeiten und darstellen.

StR Pantisano äußert weiterhin Zweifel, dass der Stadion KG und bei den Architekten niemand bereits vor der letzten Woche erkannt haben soll, dass diese Kosten auftauchen. Auch stelle sich die Frage, ob eine Verantwortung besteht bei einer Baufirma, die einfach weiterbaut anstelle den Bauherren gleich darüber zu informieren. Nachdem BM Fuhrmann seit einer Woche Kenntnis davon hat, frage er sich, warum die Verwaltung es nicht hinbekommen hat, zumindest die Aufsichtsräte früher zu informieren. Auch den Vorwurf der Intransparenz halte er aufrecht, weil die ganzen Zahlen nicht wie notwendig öffentlich gemacht wurden. Den Vergleich mit Schulsanierungen und dass die Sanierung ohnehin gemacht worden wäre, weist er zurück, weil im Unterschied dazu in der Vorlage über den Beschluss zur Fußball-EM 2024 ausgesagt wurde, es kämen dadurch keine weiteren Kosten auf die Stadt zu.


Mit Verweis auf die zugesagte Aufarbeitung in den zuständigen Gremien stellt EBM Dr. Mayer abschließend fest:

Der Gemeinderat beschließt bei 8 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen mehrheitlich wie beantragt.

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