Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
283/2021
GZ:
SI
Sitzungstermin: 20.05.2021
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Faßnacht fr
Betreff: Interimsweiser Ausbau der Internetversorgung in den Flüchtlingsunterkünften der Landeshauptstadt Stuttgart

Vorgang: Sozial- und Gesundheitsausschuss vom 17.05.2021, öffentlich, Nr. 60
Ergebnis: ohne Vorberatung Verweisung in den Gemeinderat


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Soziales und gesellschaftliche Integration vom 14.05.2021, GRDrs 283/2021, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Das Sozialamt unterstützt das ehrenamtliche Engagement und die Träger der Flüchtlingshilfe bei der Entwicklung von standortbezogenen Interimslösungen zum Ausbau von Internetzugängen in den Flüchtlingsunterkünften und stellt hierfür einen Betrag von 50.000 EUR zur Verfügung.

2. Der Aufwand wird im Teilergebnishaushalt THH 500 - Sozialamt, Schlüsselprodukt 1.31.40.01.10.00-500 Flüchtlingsunterkünfte, Kontengruppe 420 - Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen gedeckt.


StRin Rühle (90/GRÜNE) begrüßt die Vorlage ausdrücklich. Ihre Fraktion habe dazu bereits mehrere Anträge gestellt, denn das Internet und der Zugang zum Internet seien ein wichtiger Punkt der Daseinsvorsorge und betreffen die Chancengerechtigkeit und die Teilhabe. Es gehe dabei nicht nur um Corona und Homeschooling, sondern um Behördenkommunikation, Teilhabe an Bildung, Wohnungssuche, Bewerbungen usw. Die Vorlage sei ein erster pragmatischer Schritt, der kurzfristig umgesetzt werden könne und mit dem die Ehrenamtlichen vor Ort mit Geld unterstützt werden können für eine bessere Internetversorgung. Es sei ein erster, kurzfristiger Schritt, der natürlich nicht das langfristige Konzept der Stadt für WLAN in den Flüchtlingsgemeinschaftsunterkünften ersetze.

Auch StR Mörseburg (CDU) ist erfreut über die Vorlage, sieht jedoch die Dringlichkeit der Ausstattung im Hinblick auf das Homeschooling für die Schülerinnen und Schüler in den Flüchtlingsunterkünften viel höher. Man sei daher froh über diesen pragmatischen Vorschlag der Verwaltung, dennoch frage er sich, warum es einen Brandbrief der Träger der Flüchtlingsunterkünfte braucht, damit etwas passiert und weshalb nicht die Anträge und die Diskussion mit dem Gemeinderat im Sommer letzten Jahres ausgereicht haben. Die entsprechende Gesetzesänderung liege bereits vier Jahre zurück und könne dafür nicht der Grund sein.

StR Pantisano (FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) stellt ebenfalls die Frage, "warum manche Dinge in unserer Stadt so lange dauern, warum manche Dinge so kompliziert sind, warum manche Dinge so bürokratisiert sind und warum es eigentlich für so eine Selbstverständlichkeit von WLAN in Unterkünften von Geflüchteten einen Antrag benötigt und von Trägern einen Brief, im Gemeinderat eine Vorlage, wochenlange und monatelange Diskussionen bis sowas zu einer Umsetzung führt". Aus seiner Sicht muss man sich grundsätzlich Gedanken machen, wie bei so einfachen Dingen der einfache Weg gegangen werden kann. Auch frage er sich, ob es daran liegen könnte, dass so viele Juristinnen und Juristen auf der Bürgermeisterbank sitzen.

Mit Blick auf die Beratung im Sozial- und Gesundheitsausschuss und die Beantwortung der dort gestellten Fragen merkt er an, da ein Projekt mit maximal 5.000 Euro gefördert werden kann, wäre der Betrag von 50.000 Euro bei Anträgen von zehn Unterkünften ausgeschöpft. Um in der Umsetzung tatsächlich Pragmatismus zu beweisen, lautet seine Bitte, "überall dort, wo es Anträge gibt, dies auch umzusetzen und zu finanzieren und nicht zu blockieren, weil wir da jetzt 50.000 Euro drinstehen haben".

OB Dr. Nopper merkt an, in vielen "Mittelstädten" bewege man sich in der Regel nicht ganz so juristisch vorsichtig wie in einer Großstadt wie Stuttgart. Da sei der Pragmatismus vielleicht größer auf die Gefahr hin, dass evtl. ein Rechtsverstoß eintritt. Der Grund, warum das länger gebraucht habe, sei, "weil man mit hoher juristischer Vorsicht herangegangen ist".

StRin Meergans (SPD) unterstreicht, man lerne gerne von Backnang. Sie fragt, wie gut dies dort funktioniert und erinnert OB Dr. Nopper an eine Aussage aus dem Wahlkampf, wo er zugesagt habe, auch in Stuttgart für eine Versorgung der Geflüchteten mit WLAN zu sorgen. Sie bittet darum, "dass Sie das vielleicht auch mal zur Chefsache machen und darauf hinwirken, dass wir da sehr schnell eine Lösung hinkriegen." Die Pandemie und die sich tagtäglich verschärfende Bildungsungerechtigkeit gebiete eine gewisse Eile. Die Sozialverwaltung habe nach ihrer Kenntnis erst am 17.02.2021 - fast ein Jahr nach Beginn der Pandemie und den Schulschließungen - bei den Unterkünften nachgefragt, wie die Situation ist.

Man werde der Vorlage trotzdem zustimmen, weil es eine Verbesserung des Status Quo sei und weil man sich freue, nach Jahren des Kampfes mit der Verwaltung - auch von ehrenamtlicher Seite - so etwas genehmigt zu bekommen, und endlich eine unterstützende Haltung seitens der Verwaltung zum Tragen komme. Zu hoffen sei, dass es schnell gelingt, die Verfahren zu vereinfachen. Sie problematisiert zudem, dass nur im Ausnahmefall die Internetanschlusskosten übernommen werden sollen und kündigt an, sich gegebenenfalls diesbezüglich noch mit einem Antrag einzubringen.

StR Dr. Oechsner (FDP) teilt die Kritik, wonach diese Vorlage viel zu spät kommt, wenngleich es eine gute Vorlage sei, der man zustimmen werde. Dennoch mahnt er an, es liege bildungspolitisch ein leichtes Versagen vor. Denn gleichzeitig mache man sich Gedanken über Tablets für die Schülerinnen und Schüler, die zuhause wohnen und keine eigenen Geräte, Internetzugang und WLAN haben. Bildung sei nun einmal der Schlüssel zur Integration. Daher sei die heutige Vorlage zu spät und zu wenig. Der Gemeinderat habe mit verschiedenen Anträgen bereits Mitte letzten Jahres reagiert.

StRin von Stein (FW) erklärt Zustimmung zur Vorlage. Man halte es für folgerichtig, dass die Unterkünfte mit Internetzugang und WLAN ausgestattet werden, insbesondere um den Kindern dort das Lernen insbesondere im Homeschooling zu ermöglichen. Für sie erklärt sich die Tatsache, dass alles sehr lang gedauert hat, an den Auflagen, Vorgaben und Prozessen, die einzuhalten seien. Aus ihrer Sicht muss darüber nachgedacht werden, wieviel Risiko sind wir bereit zu übernehmen zugunsten einer schnelleren Lösung?

Was die Prozesse und Vorgaben angeht, stimmt StR Goller (AfD) seiner Vorrednerin zu. Seine Fraktion werde der Vorlage zustimmen, wenngleich sie sicherlich viel zu spät komme "und der Weg vielleicht nicht der optimale ist". Wenn die Priorität des Bildungssystems in der Diskussion betont werde, so sei darauf hinzuweisen, dass dieses Versagen nur ein Bruchteil des Gesamten ausmache. Denn immer noch könnten Schülerinnen und Schüler am Unterricht nicht teilnehmen, weil ihre Internetverbindung zu schlecht ist. Auch gebe es Lehrerinnen und Lehrer, die aus demselben Grund den Online-Unterricht nicht ausreichend bieten können. Und man habe in Stuttgart jede Art öffentlicher Einrichtungen und Heime, die auch nicht mit aktuellem WLAN ausgestattet sind. Er könne daher nicht nachvollziehen, wenn so getan werde, als ob dies das dringendste Problem der letzten Monate gewesen wäre.

StRin Schumann (PULS) sieht "das Ganze als ein Notpflaster, das viel zu spät kommt". Ihre Fraktionsgemeinschaft habe einen der ersten Anträge zu diesem Thema in der Pandemiezeit gestellt. Es gehe um Kinder und Jugendliche, aber es gehe auch um die Daseinsvorsorge. Internet und der Zugang zu diesem seien notwendig für Kommunikation und Kontakthalten. Menschen, die geflüchtet sind, hätten umso mehr nötig, Kontakt zu halten zu den Menschen aus ihrer Heimat. Nicht erst Corona hätte daher "uns allen deutlich machen müssen, dass wir hier schneller und dringender agieren müssen. Da hätten wir schon, wie Herr Mörseburg sagte, vor vier Jahren reagieren müssen!" Der Vorlage stimme man natürlich zu und hoffe, dass die Ausstattung früh umgesetzt werden kann und eine gute Lösung für alle Unterkünfte bereitsteht.

BMin Dr. Sußmann (Referat SI) freut sich über so viel Zustimmung zur Vorlage. Sie räumt ein, es habe sehr lange gedauert, was auch sie gerade in der jetzigen Zeit für unbefriedigend halte, und es zudem nur eine Interimslösung sei. Die Sozialverwaltung halte nach wie vor an der flächendeckenden Umsetzung und an der Notwendigkeit einer umfassenden WLAN-Versorgung in den städtischen Flüchtlingsunterkünften fest. Leider habe man feststellen müssen, dass dies nicht so schnell geht, wie man es sich gewünscht hat. Die Verwaltung - Liegenschaftsamt, Haupt- und Personalamt und Sozialamt - klären gemeinsam die Fragen, die in ihrem Bereich auffallen. Der Unterschied zu einer mittleren Kleinstadt sei, dass Stuttgart nun einmal eine Großstadt ist, sodass man sehr schnell in den Bereich einer europaweiten Ausschreibung komme. Darüber könne man sich nicht hinwegsetzen. Die Bedenken, die vom Rechtsamt, vom Haupt- und Personalamt oder von der IuK geäußert werden, könne man nicht einfach ignorieren, denn dies würde ggfs. Schadenersatzansprüche oder auch sonstige Folgen nach sich ziehen. Als Behörde sei man an Recht und Gesetz gebunden. Sie könne daher nur versichern, dass man als Verwaltung die Umsetzung nicht verzögere, sondern alles daransetze, das so schnell wie möglich sicherzustellen.

StR Kotz (CDU) zeigt weiterhin Unverständnis dafür, warum das WLAN so lange braucht. StRin Meergans widerspricht BMin Dr. Sußmann dahingehend, dass die Störer-Haftung bereits früher schon mehrfach im Rat diskutiert worden sei. Zudem sei das Thema immer wieder im Rahmen des Flüchtlingsberichts aufgekommen. Ihr ist wichtig, dass die Verwaltung eine flächendeckende Lösung nicht nur nicht verzögert, sondern vielmehr versucht, die Umsetzung zu beschleunigen. StR Pantisano bekennt sich als ein großer Freund von "Mittelstädten". Angesichts der riesigen Stadtverwaltung der Großstadt Stuttgart vertritt er die Ansicht, "wir müssen uns als Ziel setzen, als große Stadt voranzugehen und zu zeigen, wie es schneller geht. Und uns nicht aufhalten an Paragrafen. Die Kleinen können dann schauen, wie wir es machen." Darüber hinaus sei ihm massiv aufgefallen, dass, nachdem Herr Dr. Mayer Verwaltungsbürgermeister wurde, "Anfragen und Fragen von uns als Stadträt*innen beantwortet wurden mit langen Salven an Paragrafen". Man habe sich gefragt, ob es Fraktionsmitarbeiter*innen braucht, die anwaltsjuristische Studien haben, um die Antworten zu verstehen. Er finde, man müsse trennen "zwischen der Ebene juristischer Paragrafenreiterei oder politischem Pragmatismus. So einen Mittelweg müssen wir finden in vielen Bereichen, bei vielen Themen."

EBM Dr. Mayer hält diesen Vorwurf für absurd. Er sei der Erste, der immer fragt, ob in der Beantwortung die Aufzählung von Paragrafen nicht gestrichen werden kann und ob man es nicht einfacher und unkomplizierter machen kann. Die Tatsache, dass StR Pantisano und die FrAKTION öfter Schreiben bekommen habe, in denen Paragrafen genannt wurden, hänge damit zusammen, dass er regelmäßig Verwaltungsentscheidungen angegriffen habe, auch im Zusammenhang mit dem Gemeinderat. "Sie haben da vor dem Regierungspräsidium nie Recht bekommen. Aber wenn Sie rechtlich Dinge angreifen, dann bekommen Sie eben auch rechtliche Stellungnahmen zurück!"

Abschließend bittet OB Dr. Nopper um Abstimmung über die GRDrs 283/2021 und stellt fest:

Der Gemeinderat beschließt einstimmig wie beantragt.
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