Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
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GZ:
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Sitzungstermin: 24.10.2013
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Gallmeister
Betreff: Allgemeine Aussprache über den Haushaltsplan-Entwurf 2014/2015

Beratungsunterlagen sind der Entwurf des Doppelhaushaltsplans 2014/2015 sowie die weiteren dem Gemeinderat zu den Haushaltsplanberatungen vorliegenden Unterlagen <siehe Sitzung des Gemeinderats vom 26.09.2013, Niederschrift Nr. 157>.


Zum Entwurf des Haushaltsplans 2014/2015 werden folgende Anträge eingebracht:

Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNENNrn. 425 - 461
CDU-GemeinderatsfraktionNrn. 462 - 587
SPD-GemeinderatsfraktionNrn. 588 - 633
Gemeinderatsfraktion Freie WählerNrn. 634 - 695, 915
FDP-GemeinderatsfraktionNrn. 696 - 807
Fraktionsgemeinschaft SÖS und LINKENrn. 808 - 901, 916, 917
StR Dr. Schlierer (REP)Nrn. 902 - 914

Die Anträge stehen elektronisch zur Verfügung. Sie sind dem Protokoll daher nicht beigefügt.

OB Kuhn eröffnet die Sitzung und informiert, dass die Gemeinderatsfraktionen insgesamt 486 Anträge (171.600 Blätter) gestellt haben; zu den letzten Haushaltsplanberatungen 2012/2013 waren es 431 Anträge (145.530 Blätter).


Die Redebeiträge zur Allgemeinen Aussprache sind in redigiertem Wortlaut wiedergegeben.


StR Pätzold (90/GRÜNE):

"Schon wieder sind zwei Jahre vorbei und wir stehen wieder einmal vor Haushaltsberatungen. Lassen Sie mich zuerst einige Bemerkungen zum Rahmen machen, unter dem diese Beratungen stattfinden, bevor ich Ihnen unsere grünen Anträge vorstelle.

Auch dieser Haushalt wird wieder bestimmt von den drei zentralen und auch teuren Themen:
- Ausbau der Kitas
- Sanierung der Schulgebäude
- Ausbau der Ganztagsschulen

Diese drei Themen beanspruchen zusammen mehr als 250 Mio. € in den nächsten beiden Jahren. Im Kita-Ausbau wurde der Druck noch verstärkt - Sie wissen, die Bundesregierung hat bestellt, aber das Geld nicht hinterlegt. Und wir müssen in den kommenden Jahren sehr genau analysieren, wie sich die Nachfrage nach den Plätzen entwickelt und ob wir genügend Erzieherinnen und Erzieher finden.

Auch für diesen Haushalt wurden in den letzten beiden Jahren vom Gemeinderat schon teure Beschlüsse gefasst. Ich erinnere exemplarisch an die Schulentwicklung und die Änderungen in der Stuttgarter Schullandschaft. Ein Programm mit insgesamt rund 500 Mio. €, welches der Gemeinderat in den letzten zwei Jahren zusammen mit der Verwaltung angestoßen hat.

Wir begrüßen auch, dass weitere Themen, die der gesamte Gemeinderat in den letzten zwei Jahren diskutiert und teilweise beschlossen hat, sich nun im Haushaltsentwurf wiederfinden: Der Rückkauf der Wasserversorgung, die Sanierung des Hoppenlau-friedhofs, der Ausbau der Verkehrsleitzentrale (IVLZ), das Hotel Silber, die Sanierung der Schulaußenanlagen, eine bessere Kulturförderung, eine neue Tribüne für das Gazi-Stadion und der Neubau des Elly-Heuss-Knapp-Gymnasiums, um nur einige zu nennen. Hinzu kommen wichtige und überfällige Aufgaben, die von der Verwaltung endlich aufgenommen wurden. Beispielsweise 5 Mio. € für die Wohnbauförderung. Übrigens mehr als in den vergangenen Haushaltsentwürfen. Aber einigen reicht das noch immer nicht. Glücklicherweise ist die Stadt ja nicht die einzige, die Fördermittel gibt. Auch das Landeswohnraumförderprogramm wurde von der grün-roten Landesregierung aufgestockt, was zusätzliche Förderung bringt. Wenn wir diese Mittel von Stadt u n d Land jetzt in 500 Wohnungen umsetzen wollen, dann müssen wir uns schon sehr anstrengen.

Aber, liebe SPD, wenn Sie mehr Wohnungen, auch geförderte, wollen, dann lassen Sie uns doch über die Anzahl der möglichen Wohnungen im NeckarPark gerne noch einmal diskutieren, denn da sind mehr möglich als die bisher geplanten 450 Wohneinheiten. Und, vor allem, sie sind schneller zu erhalten als bei Stuttgart 21.

In diesem Haushaltsentwurf ist viel drin. Wir können uns einiges leisten, weil wir inmitten einer wirtschaftlich starken Region sind. Dies ist die Grundlage unseres guten Haushalts. Ohne die Einnahmen aus der Gewerbesteuer könnten wir uns hier nicht den Luxus leisten, über die weitere Verteilung von 30 Mio. € zu reden zuzüglich des vorliegenden Haushaltsentwurfs. Und inklusive der drei vorher genannten Schwerpunkte in dreistelliger Millionenhöhe.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von SÖS/Linke: Die Wirtschaft und die Stuttgarter Unternehmen sind keine Ressource, die man mal schnell ausnehmen kann. Diese Unternehmen stehen zuerst im Wettbewerb mit den Unternehmen in der Region, nicht mit denen anderer Großstädte. Untersuchungen zeigen, dass, wenn Firmen aus Stuttgart umziehen, sie nicht in andere Großstädte, sondern einfach kurz über die Gemarkungsgrenze umziehen, weil die Kosten hier zu hoch sind und die Gewerbeflächen knapp und wenig attraktiv. Und sind die Firmen weg, zahlen sie keine Steuern mehr an die Stadt. Deshalb sehen wir nicht die Möglichkeit einer Erhöhung der Gewerbesteuer. Bei der Gewerbesteuer haben wir einen Einbruch um 60 Mio. €, der uns in Zukunft zu schaffen machen wird, denn er ist bleibend; aufgrund steuerlicher Gestaltungsspielräume und nicht aus wirtschaftlichen Gründen.

Deshalb, liebe CDU, ist es im Hinblick auf die Grundsteuer nicht hilfreich, hier eine Debatte über eine Senkung aufzumachen. Wenn man erkennt, dass eine der beiden Hauptsteuerarten einbricht, sollte man nicht auch noch die andere kürzen, denn das bringt dann in der Summe nur noch weniger Einnahmen.

Und wenn Sie nach der Flexi-Quote auch noch die Flexi-Steuer wollen, sollten Sie zu deren sicher aufwendigen Berechnung auch noch vier neue Stellen in der Kämmerei beantragen. Zur Erinnerung: Die Grundsteuer wurde erhöht, um die Sanierungen in der Infrastruktur, insbesondere bei den Schulen durchzuführen. Dieses Schulhaussanierungsprogramm läuft immer noch, ebenso erfolgreich wie notwendig, und wir sehen deshalb im Augenblick keine Möglichkeit, die Grundsteuer zu senken, ohne die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Stadt zu beeinträchtigen.

Aber wenn Sie, liebe Kollegen von der CDU oder auch von der FDP und den Freien Wählern, der Meinung sind, man könnte die Grundsteuer senken, dann hätten Sie in Ihren Anträgen eine fiktive Senkung berücksichtigen und zeigen können, wie Sie mit rund 10 Mio. € bis 20 Mio. € weniger auskommen - pro Jahr wohlgemerkt. Angesichts der großen Blöcke im Haushaltsentwurf, angesichts der sich abzeichnenden Entwicklung bei der Gewerbesteuer schwindet der Gestaltungsraum. Wir haben uns daher mit der Zahl unserer Anträge ebenso wie mit dem Volumen zurückgehalten.

Lassen Sie mich nun zu den 37 Haushaltsanträgen der Grünen kommen, die Ihnen gerade ausgeteilt wurden.

Die Stadtgesellschaft lebt vom Miteinander, von der Vielfalt, von der Durchmischung. Ob Menschen sich im Ehrenamt oder einfach so im öffentlichen Raum treffen, jedes Mal wird die Stadtgesellschaft belebt. Wir wollen diese Lust auf Stadt unterstützen und weiter beleben. Orte der Begegnung sind dafür elementar. Notwendig hierfür ist ein attraktiver öffentlicher Raum, der auch Lust macht, sich hier aufzuhalten, der auch z. B durch Sitzgelegenheiten zum Verweilen und durch schöne Fußwege zum Schlendern einlädt oder auf dem Kinder und Jugendliche einfach einmal Bolzen oder Rennen können.

Wir wollen den Stadtgarten und den Diakonissenplatz als Orte gestalten, an denen man sich gerne aufhält, aber auch den zentralen Platz auf der Waldau, der als gemeinsamer Mittelpunkt aller Vereine und Institutionen oben in Degerloch eine Drehscheibe des Miteinanders werden soll.

Das Miteinander in unserer Stadt wird insbesondere in unseren Kinder-, Familien- und Stadtteilzentren gelebt, hier gerade auch für diejenigen in der Stadtgesellschaft, die benachteiligt sind. Das Generationenhaus Heslach summt vor Leben. Das sind Orte, wo sich Stuttgarterinnen und Stuttgarter nicht nur Rat und Hilfestellungen holen können, sondern wo sie auch die Möglichkeit haben, sich kennenzulernen. So kann Gemeinschaft entstehen.

Flüsse sind Lebensadern, die auch die Stadtgesellschaft auf besondere Art beleben, und Flüsse werten Städte auf. Ihre Ufer weisen in vielen Städten hohe Aufenthaltsqualität auf. Auch am Neckar brauchen wir endlich umgesetzte Maßnahmen, um die Leute wieder an den Fluss zu bringen, damit sie ihre Hand ins Wasser des Neckars halten können. Eigentlich ein einfaches, sinnliches Erlebnis. Stufen und Treppen, die zum Wasser führen, sind dabei das einfachste Mittel. Sie sollen ein Ort für Kommunikation und Begegnung werden.

Sport verbindet, ist gesund und integrativ. Deshalb begrüßen wir die vorgeschlagenen Maßnahmen in der grünen Liste. Am Neckar sehen wir eine gute Gelegenheit, mit mobilen Sportflächen am Rande des Wasens das Angebot an Sportflächen dort zu erweitern. Dabei können sich vereinsungebundener Sport und Vereinssport näherkommen und gleichzeitig können wir ungenutzte Flächen beleben. Wir sehen im NeckarPark weiterhin einen Schwerpunkt für den Sport, und den nicht nur beim VfB, sondern insbesondere für den Breitensport.

Stuttgarterinnen und Stuttgarter leben aber nicht auf einer Insel. Wir alle sind Teil dieser Welt - und als Teil dieser Welt auch verantwortlich für vieles, was auf dieser Welt, indirekt auch durch uns verursacht, geschieht. Die Fairtrade Messe im Rathaus zeigte deutlich, welches Engagement es in Stuttgart gibt und wie bewusst viele Bürgerinnen und Bürger mit den Problemen in dieser einen Welt umgehen. Es gibt jetzt eine Initiative, die ein Welthaus Stuttgart in Räumen im Alten Waisenhaus verwirklichen will. Dort soll ein Weltladen entstehen, in dem alle Bürgerinnen und Bürger, die in Stuttgart leben - egal welcher Nationalität, Religion oder Hautfarbe -, sich näherkommen können. Der Weltladen soll deshalb Räume für den Austausch untereinander und auch für ehrenamtliche Arbeit bieten. Ein Vorhaben, das wir gerne unterstützen und von dem wir überzeugt sind, dass es das Miteinander in dieser Stadt und in dieser Welt verbessert. Solche engagierten Projekte machen Lust auf diese Stadt, auf unser Stuttgart.

Stickige, tropische Nächte in der Stadt belasten den Kreislauf, zunehmend werden Maßnahmen für ein gutes Stadtklima wichtig für die Lebensqualität einer Stadt. Gerade hier können wir deutliche Verbesserungen bringen, wenn wir die Hinterhöfe, Fassaden und Flachdächer mit mehr Grün versehen und das Kleinklima verbessern. Außerdem schaffen wir aber auch mehr Platz für Kinder.

Diese Stadt wird bestimmt durch viel Grün, und das merkt man. Grün an den Hängen, in den Parks, die vielen Wälder, die Weinberge oder auch die vielen Bäume. All dies will gepflegt und gehegt sein. Dabei helfen viele mit. Kleine, aber wichtige Helfer sind dabei die Bienen. Ohne sie gäbe es weder Äpfel noch Wein. Ein guter Grund, Biene Maja, Willi und Co. zu pflegen und ihnen die notwendigen Blumen und damit Nahrung auch im Spätsommer sicherzustellen. Wir wollen aber auch nicht die Menschen vergessen, die dies tun. Ob beim Stadtgrün oder im Forst: Gute Pflege erfordert genügend Personal. Ohne Gärtner kein Garten.

Uns liegt die Stadtlandschaft, insbesondere die begrünte, am Herzen. Dazu gehören auch die Weinberge in Steillagen, einzigartige Biotope für Flora und Fauna und Wirtschaftsfaktor zugleich. Hier gehört endlich ein regelmäßiges städtisches Förderprogramm her, welches nicht nur ermöglicht, die Lagen zu erhalten, sondern auch Lagen wieder zurück zu erhalten. Wir sollten selbstbewusst genug sein, den Weinbau nicht nur zu verteidigen, sondern ihn auch dort, wo es möglich ist, auszubauen. Stuttgart und der Weinbau gehören zusammen. Es ist ein Alleinstellungsmerkmal, um das uns viele beneiden. Und die Trockenmauern sind wunderbare Biotope. Ein Spaziergang auf den Wegen und Wandeln auf der Wangener Höhe zeigen Ihnen, welch kulturelles Erbe, welch ökologischer Wert und welche Erholungsfunktion diese haben. Und dies gilt es weiterhin zu erhalten. Und nur wenn wir wissen, was es alles gibt, wie bei den Arten und Biotopen, wissen wir auch, was wir schützen müssen und vor allem, was wir verlieren könnten, wenn wir nichts tun.

Wir freuen uns, dass Tempo 40 auf Steigungsstrecken sich deutlich positiv auf Luftreinhaltung und Lärmbelastung und sogar den Verkehrsfluss auswirkt. An der Hohenheimer Straße hat sich die Lage beim Feinstaub und beim Lärm verbessert. Die Wohnqualität an dieser Straße hat sich verbessert. Diese Maßnahme für Klimaschutz und Lebensqualität muss nun an anderen Stellen auch umgesetzt werden, beginnend an jenen Strecken, an denen viele Menschen wohnen.

Das Parkraummanagement wird ausgeweitet. Der Erfolg im Westen gibt uns dabei Recht, denn jetzt gibt es tagsüber im Westen wieder Parkplätze - zur Freude der Geschäfte und Dienstleister. Ebenso gibt es wieder freie Straßenecken. Ein Zuwachs an Sicherheit für die Fußgänger, ob groß oder klein, jung oder alt. Ein Schritt auf dem Weg zu der von uns angestrebten Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer. Ebenso wie die Erhöhung der Parkgebühren um denselben Betrag, um den die VVS-Tickets steigen. Die Ausweitung des Parkraummanagements muss aber begleitet werden von zusätzlichen Quartiersgaragen. Diese sollen eigentlich über die Teilrücklage Parkraum finanziert werden. Dieser Topf ist aber mehr als leer. Deshalb schlagen wir vor, diesen wieder zu füllen, um damit dann ab sofort weitere Quartiersgaragen anzugehen.

Liebe CDU, liebe FDP, liebe Freie Wähler, Sie sehen, wir sind nicht gegen Parkplätze, wenn sie am richtigen Platz sind. Leider verstehen Sie beim Verkehr seit kurzem wieder nur noch Auto, Auto, Auto. Sogar das Jobticket halten Sie für schlecht - wobei selbst die IHK, eindeutig keine grüne Organisation, dieses Angebot des VVS lobt und bewirbt. Sie sind gegen Stau. Aber haben Sie mal überlegt, was es bedeutet, wenn mehr Leute per Bahn oder Rad in die Stadt fahren? Der Stau wird kürzer. Mit jedem Monats- oder Jahresticket, mit jedem Alltagsradler.

Und noch ein Wort zur Rathausgarage. Inzwischen eher ein Symbol der Verkehrsdiskussion, als ein städtisches Bauprojekt. Bei der Rathausgarage sehen wir dringenden Bedarf eines Neubaus. Dieser städtebauliche Unort in zentraler Lage muss geändert werden. Aber es geht hier nur noch um zwei Arten der Verkehrspolitik. Eine, welche die autogerechte Verkehrspolitik der 70er-Jahre wiederbeleben will. Und es gibt die andere mit zukunftsfähigen und modernen Ideen für Städtebau und Verkehr. Hier lohnt es sich, noch einmal nachzudenken.

Stuttgart ist Energielieferant. Unser Garten-, Friedhofs- und Forstamt stellt Heizmaterial aus den Grünschnittabfällen her. Eine Leistung, die bisher leider oft unterging oder gleich gar nicht bekannt war. Der Kompostbetrieb und die Holzhackschnitzelanlage liefern somit einen wichtigen Beitrag zur Wertschöpfung vor Ort, zur Energiewende und zum nachhaltigen Recycling, den es weiter auszubauen gilt. Absolut förderwürdig.

Weit wichtiger als die nachhaltige Erzeugung von Energie ist aber die Energieeinsparung. Eigentlich eine urschwäbische Disziplin. Die städtischen Liegenschaften werden bisher leider nur zur Hälfte vom Energiemanagement betreut. Ein Einsparpotential, das es zu heben gilt. Dass man mit Energieeinsparung übrigens nicht nur die Energiewende voranbringen kann, sondern gleichzeitig eine soziale Komponente dabei berücksichtigen kann, zeigt der Strom-Spar-Check. Eine gute Sache im doppelten Sinn.

Erst der Sozialetat ermöglicht manchen die Teilhabe an unserer Gesellschaft. Der Haushaltsentwurf enthält alleine im Sozialbereich über 400 Mio. €, nicht nur Pflichtaufgaben. Dennoch gibt es darüber hinaus aus unserer Sicht noch Angebote, die man unterstützen sollte, angefangen von den Kinder- und Familienzentren bis zum Familienrat, der hilft, sich selbst zu helfen und miteinander in der Familie mit Problemen zurechtzukommen. Ebenso gilt es im Bereich der frühen Hilfen bei den Kinderschutzzentren oder auch bei der Schwangerschaftskonfliktberatung unterstützend einzugreifen.

Bereits in den letzten Haushaltsberatungen haben wir in der Politik für Menschen mit Behinderungen wichtige Fortschritte auf dem allerdings noch langen und steinigen Weg zur inklusiven Stadt erzielt. Diesen Weg gilt es entschlossen weiterzugehen.

Die Hilfe zur Selbsthilfe bei der KISS ist ein wichtiger Baustein und eine Austauschplattform in Problemlagen. Beratungen bei Hilfen sind das A und O, ob beim Mädchengesundheitsladen oder auch bei der Suchthilfe. Hilfen bei Wohnungslosigkeit bewahren Klienten ebenso wie die Stadt vor teilweise immensen Folgekosten.

Die Schulen brauchen über die Sanierungen oder den Ausbau der Ganztagsschule hinaus unsere Unterstützung. Dazu gehört selbstverständlich die Erhöhung des Budgets bei den Lernmitteln, denn Lernmittel müssen nach der Landesverfassung frei sein. Alle müssen sich eine gut ausgestatte Schule leisten können. Gemeinschaftsschulen sind im Kommen. Auch in Stuttgart zeigen viele Schulen großes Interesse an der neuen Schulart. Der vom Gemeinderat beschlossene Unterstützungsfonds ist hierfür nicht hinreichend. Und wir wollen Schulsozialarbeit an jedem Gymnasium anbieten können, denn hier besteht nach dem Wegfall der Grundschulempfehlung mehr Bedarf.

Familien und Kinder sind der Kern dieser Stadtgesellschaft, der sie lebendig erhält und ihre Zukunft sichert. Sicher ist es teuer, wenn sich die Stadt Stuttgart ein Kinderkrankenhaus der Extraklasse leistet. Aber das muss es uns wert sein. Im Herzen der Region, in der Mitte, stellen wir mit unserem Olgäle Leistungen und Hilfen zur Verfügung, die an anderen Orten aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen wurden. Die Krankenhäuser sind unterfinanziert durch den Bund und die Krankenkassen. Aber sollen das die kleinen Patienten ausbaden? Sicher nicht! Deshalb sind wir der Auffassung, dass das Olgäle, gerade in dieser schwierigen Phase des Umbruchs und Umzugs, unsere Hilfe und die 5 Mio. € pro Jahr braucht. Wer, wenn nicht Stuttgart, könnte sich das leisten?

Stuttgarts vielfältige und bunte Kulturlandschaft macht Lust auf diese Stadt. Deshalb haben wir auch einen umfangreichen Antrag zur Kultur gestellt, in dem wir den Themen der Unterfinanzierung begegnen, aber auch neue kleine Bereiche fördern wollen. Kleine Institutionen wie z. B. die Rosenau, die tri-Bühne, das studio theater oder das Theater in der Badewanne tragen die Kultur in die Stadtteile und in die Breite der Gesellschaft. Die Kultur einer Stadt sollte der Stolz ihrer Bürgerschaft sein. Daher sind wir deutlich über den Verwaltungsvorschlag hinausgegangen.

Aus diesem kreativen Kessel heraus entwickeln sich auch manchmal Nischen, die einen wirtschaftlichen Faktor bekommen, der über die Kultur hinausgeht. So wie bei der FMX geschehen, der "Conference on Animation, Games and Transmedia". Eine weltweit bekannte und erfolgreiche Messe. Sie ist inzwischen nicht mehr das Anhängsel des Trickfilmfestivals, sondern zeigt beeindruckend, dass sich hier in Stuttgart ein kreatives Cluster im Bereich Film und Animation entwickelt hat. Deshalb gehört diese Messe erstens gefördert aus wirtschaftlichen Gründen, und zweitens zur Wirtschaftsförderung, denn dieser neue Wirtschaftszweig gehört gepflegt und beachtet. Es zeigt, wir Stuttgarter können mehr als Autos bauen. Ebenso gehört die Agentur für kreative Zwischennutzungen weiterentwickelt, um die Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg im Kreativbereich zu fördern.

Eine wichtige Aufgabe heute und in Zukunft wird es sein, unsere Infrastruktur zu erhalten und zu bewahren. Der Unterhalt wurde in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt und die Substanz vielerorts aufgezehrt. Dies haben uns die Schulen vor vier Jahren schmerzlich und deutlich durch herabfallende Decken gezeigt. Aber sie sind nicht die einzigen Sorgenkinder. Der Haushaltsentwurf geht darauf ja auch ein, so z. B. bei der Erhöhung der Mittel beim Straßenunterhalt. Der Gemeinderat muss sich aber schon fragen, ob er neue große zentrale Projekte macht, wenn rundherum die Infrastruktur immer schlechter und schlechter wird. Eigentlich müssten wir viele Millionen in den Erhalt der Straßen, Brücken, Tunnel, Signalanlagen, Stäffele, Gehwege etc. in der ganzen Stadt stecken. Aber eine Mehrheit hier vergräbt das Geld lieber in einen einzigen Tunnel, den Rosensteintunnel. Viel Geld für eine einzige Stelle, wo es doch an vielen zwackt. Wir schlagen angesichts des schlechten Zustands der Infrastruktur vor, dieses Projekt schleunigst zu beenden und das Geld in Maßnahmen zu stecken, die der gesamten Stadt und ihrer Infrastruktur zugutekommen. Mit den freiwerdenden städtischen Geldern könnten locker die Straßen saniert werden, und es würde genug für andere wichtige Maßnahmen im Infrastrukturbereich übrig bleiben. Wir haben um die 30 Maßnahmen gefunden, die sich stattdessen finanzieren ließen. Liebe CDU, SPD, FDP und FW, hängen Sie Ihre gesamte verkehrspolitische Hoffnung nicht immer in Tunnelprojekte. Sie werden enttäuscht werden. Glauben Sie uns. Schauen Sie die Stadt in der Gesamtheit an. Beenden Sie wenigstens den Rosensteintunnel und investieren Sie in die ganze Stadt. Sie ist es wert.

Auch die Personalausstattung der Stadtverwaltung ist in den letzten Jahren zu kurz gekommen. Wir haben Bereiche, die ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen können. So die Baustellenüberwachung oder auch das Immobilienmanagement, um nur zwei Bereiche zu nennen. Personalpflege und -erhalt sind wichtig und werden immer wichtiger. Nur wenn unser Personal leistungsfähig ist, kann es auch seine Aufgaben erledigen. Die bisher im Haushalt eingestellten Mittel sind nur der Grundstock für die Fortführung des vor zwei Jahren eingeführten Programms. Deshalb sind wir der Ansicht, dass man hier den bisherigen Betrag erhalten muss. Mit rund 55 € pro Beschäftigtem wäre man dabei, und das sollte uns unser eigenes Personal doch wert sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats, wir beginnen heute die Haushaltsberatungen. Ich freue mich, dass zumindest der Kern des Haushalts, die drei großen Posten Kitas, Schulsanierung und Ganztagsschule von uns allen gemeinsam befürwortet wird. Lassen Sie uns gemeinsam über den Haushalt diskutieren, um Posten und Themen ringen, um Finanzierungen handeln und uns auch heftig miteinander streiten. Aber unser gemeinsames Ziel sollte ein miteinander getragener Haushalt sein, in dem sich jeder wiederfindet. Wir werden unseren Teil dazu beitragen. Und wir freuen uns auf die Diskussionen mit Ihnen allen. Lassen Sie uns miteinander gemeinsam diese Stadt gestalten. Vielen Dank."

StR Kotz (CDU):

"Schaut man zu Beginn der Beratungen heute auf die Eckdaten des Haushaltsplans für 2014/2015, die dem Gemeinderat vor wenigen Wochen vorgelegt worden sind, ist zu konstatieren, dass die Zahlen ordentlich sind. Eine starke Wirtschaft in Stuttgart und hohe Anteile an Einkommens- und Umsatzsteuer verhelfen uns zu einer guten Einnahmesituation. Schaut man sich dagegen die mittelfristige Finanzplanung an, sind die Entwicklungen wesentlich kritischer zu beurteilen - es fällt die bis 2018 zunehmende Verschlechterung der Ergebnishaushalte auf, die sich ebenso auf die Finanzhaushalte auswirkt. Wir werden diese Entwicklung genau im Auge behalten müssen. Denn es geht darum, die Leistungsfähigkeit Stuttgarts auch langfristig sicherzustellen. Es gilt, in unserer Stadt in den kommenden Jahren die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen.

Es ist richtig, die Stadt selbst, wir als Gemeinderat, aber auch die Stadtverwaltung, können keine zusätzlichen Arbeitsplätze in Stuttgart schaffen - und wenn, dann nur solche, die der Stadt keine Steuern bringen, sondern eher öffentliche Mittel kosten. Aber wir müssen unseren Wirtschaftsstandort Stuttgart sichern und ausbauen. Die Region, Deutschland und auch die Welt schlafen in dieser Frage nicht. Die Wirtschaftsbeziehungen sind heute global, und die Wirtschaftskraft dieser Stadt ist kein gottgegebenes Geschenk - jeden Tag muss hart und vor allem gut gearbeitet werden, um sich wirtschaftlich zu behaupten. Also müssen wir schauen, dass wir nicht durch zu viele Restriktionen, zum Beispiel in unseren Bebauungsplänen, in Gestaltungsvorschriften oder auch, was den Verkehr angeht, Unternehmen von Stuttgart fernhalten oder diese gar zum Wegzug verleiten.

Und genauso wichtig ist es, für neue Mitbürgerinnen und Mitbürger, egal ob sie aus Kassel oder Kasachstan kommen, genügend attraktiven Wohnraum vorzuhalten. Und bei aller berechtigten Diskussion über geförderten Wohnraum, wir als CDU-Fraktion möchten auch diejenigen in Stuttgart herzlich begrüßen können, die aus eigener Leistungskraft heraus eine Wohnung finanzieren können. Auch diese Angebote müssen wir verstärkt in Stuttgart schaffen.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, lieber Herr Erster Bürgermeister, die CDU-Fraktion trägt, auch wenn sie gerade nicht die stärkste Fraktion im Haus ist, große Verantwortung für diese Stadt.

Ohnehin werden Sie, verehrte Damen und Herren, bei der Betrachtung unserer Haushaltsschwerpunkte und Finanzierungsvorschläge erkennen, dass die CDU ihrer Tradition der finanzpolitischen Vernunft verbunden bleibt. Die CDU arbeitet mit ihren Haushaltsanträgen und in den kommenden Beratungen am Haushalt der Stadt Stuttgart 2014/15 und nicht am Wahlkampf. Dieses tun wir aus Überzeugung, eine Ermahnung durch den Herrn Oberbürgermeister, die beiden Bereiche nicht zu verbinden, war zumindest im Fall meiner Fraktion unnötig.

'Knappe Mittel so effizient wie möglich einsetzen' ist die Devise. Sie setzt sich in unserem Entwurf konsequent durch - wir werden uns auch in den anstehenden Haushaltsberatungen daran halten. Wir haben Prioritäten für uns wichtige Vorhaben gesetzt und uns dabei immer am Effizienzprinzip orientiert. Ein Volkswirtschaftler würde vom Maximalprinzip sprechen: mit einem bestimmten Einsatz den größten möglichen Nutzen erzielen. Unwirtschaftlich, aber möglicherweise durchaus populär und im Übrigen auch wesentlich einfacher wäre es, alles Wünschenswerte, und davon gibt es sehr vieles, zu beantragen. Sich also überall hinstellen zu können, um zu sagen, dass man sich für eine entsprechende Maßnahme eingesetzt hat, und dabei weniger kommuniziert, dass man sich um die Finanzierbarkeit nicht so große Gedanken gemacht hat, mag mitunter opportun sein, seriös ist es jedenfalls nach unserer Überzeugung nicht. Abgesehen davon, dass es mit Wirtschaftlichkeit auch nichts zu tun hat. Richtig wirtschaften, also knappe Ressourcen nicht plündern, sie vielmehr so ertrags- im Sinne von nutzbringend wie möglich für die Stadt beziehungsweise ihre Bürgerinnen und Bürger einzusetzen und das auch noch in nachhaltiger Art und Weise, wer das hinbekommt, ist gerne an unserer Seite und kann mit uns Mehrheiten bilden.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal auf einen zentralen und neuen Ansatz, den wir in unserem Konzept zum Haushalt vorschlagen, eingehen: die sogenannte intelligente Grundsteuer. Sie begründet sich in dem Gedanken, den Menschen in unserer Stadt materiell etwas zurückzugeben, sofern es seitens der öffentlichen Hand, der Stadt, möglich ist. Und im Weiteren reagieren wir damit auf die berechtigte Kritik der Bürger, wir würden immer 'Schuldenhaushalte' beschließen und dann in der Jahresrechnung aber große Überschüsse erwirtschaften. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, liebe Stadtverwaltung, diese Kritik hat, wenn sie zu lange anhält, einen Vertrauensverlust der Bevölkerung in unsere Arbeit zum Ergebnis. Da müssen wir alle gemeinsam gegensteuern. Der Charme unseres neuen Ansatzes liegt darin, dass wir nicht plump eine Grundsteuersenkung fordern, sondern diese vielmehr am tatsächlichen Haushaltsergebnis festmachen und, was vielleicht sogar noch wichtiger ist, dass die Option, die Senkung auch durchzuführen, eine durchaus realistische ist, wenn man sich die Ergebnisse der letzten zehn Jahre anschaut, die nämlich eine Senkung jeweils im Folgejahr aufgrund gewaltiger Jahresüberschüsse erlaubt hätte. Ich würde Ihnen nicht mit voller Überzeugung dieses Modell heute und hier vorstellen und dafür werben, wenn nicht die beiden folgenden Punkte in Stuttgart so wären, wie sie sind: 1. Stuttgart ist nahezu schuldenfrei, und 2. In unseren Haushaltsplänen sind bereits so hohe Investitionen eingeplant, dass man ein Mehr an Invest gar nicht auf Baustelle bekäme. Weder in der Organisation und der Begleitung innerhalb der Stadtverwaltung noch in den ausführenden Unternehmen. Und somit ist es nur logisch und angebracht, dass wir maximal 50 Prozent des positiven Jahresüberschusses eines Jahres dazu verwenden, die 30-prozentige Grundsteuererhöhung, und nachdem der Kollege Pätzold vorher die Fraktionen so deutlich angesprochen hat, weiche ich hier von meinem Manuskript ab und sage, die 30-prozentige Grundsteuererhöhung, die die Grünen, die SPD und die Linken und SÖS im vorletzten Doppelhaushalt gemeinsam beschlossen haben, dass wir diese dann jeweils, wenn es die Ertragslage zulässt, auch entsprechend für ein Jahr wieder reduzieren, und dieses von Jahr zu Jahr anschauen. Und daraus ergibt sich auch die Logik, dass es selbstverständlich keinen Ansatz im Haushalt dafür gibt, weil im Haushalt gar keine Grundsteuersenkung geplant ist, sondern wir schauen uns das Jahresergebnis an, und wenn die Jahresergebnisse so erfreulich sind wie in den vergangenen Jahren - wir haben dem Antrag ja einen entsprechenden Chart beigefügt -, dann sind wir der Meinung, dass wir bei Überschüssen, die in der Vergangenheit bei 200 Mio. €, bei 150 Mio. € lagen, dann 28,7 Mio. € den Bürgern auch in einem Jahr zurückgeben können. Ich glaube, das ist aller Ehren wert und auch angebracht.

Lobend hervorheben möchte ich, dass die Verwaltung die bereits vom Gemeinderat beschlossenen und weiterzuführenden Maßnahmen mit deren finanziellen Vorbelastungen sowie vor allem die zahlreichen eigenen Schwerpunkte der Verwaltung in ihren Haushaltsansatz mit aufgenommen hat. Nichtsdestotrotz haben wir selbstverständlich unsere Schwerpunkte mit den von der Verwaltung gesetzten abgeglichen. Eine unterschiedliche Gewichtung gibt es danach beispielsweise im Bereich der Mobilität.

Auch auf die Gefahr hin, dass wir uns hier nicht opportun verhalten, was die Gunst der städtischen Bediensteten und unserer Mitarbeiter angeht, aber weil wir es dennoch für richtig halten und dazu stehen, lehnen wir das vom Oberbürgermeister ins Spiel gebrachte Jobticket mit einem Kostenaufwand von über 10 Mio. € als Maßnahme zur Attraktivitätssteigerung des ÖPNV ab. Und bevor irgend welche Märchen entstehen, wir haben es in der letzten Vollversammlung ja nochmals deutlich aus den Worten des Herrn Oberbürgermeisters schließen können, es handelt sich einzig und allein um eine Maßnahme der Verkehrssteuerung, wie wir Autofahrer in den ÖPNV umsetzen können. Es handelt sich nicht um eine Maßnahme von Mitarbeitererhalt und -gewinnung oder sonstigem. So habe ich ihn zumindest verstanden, und er nickt, damit sind wir uns einig. Und diese Ablehnung tun wir nicht, weil wir den öffentlichen Nahverkehr nicht wertschätzen. Ganz im Gegenteil. Doch die Bezuschussung des Jobtickets würde vor allem eines erreichen: einen riesigen Mitnahmeeffekt. Über 1,5 Mio. € jährlich auszugeben, um den städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die bereits heute ein Jobticket besitzen und den ÖPNV nutzen, dieses zu vergünstigen, ist eine völlig absurde Maßnahme, um den Verkehr in Stuttgart besser organisieren zu wollen. Vor allem dann, wenn wie von der Stadtverwaltung prognostiziert, lediglich weitere 500.000 € jährlich wirklich dazu verwendet werden, um Mitarbeiter für den Umstieg vom Auto in die Bahn zu gewinnen. Das ist zumindest der Vorlage nach die Summe, die man zum Umsteigen gewinnen könnte. Wenn es einmal ein Paradebeispiel für negativen Mitnahmeeffekt und damit für Verschwendung öffentlicher Mittel gibt, dann ist es dieses Konzept. Herr Oberbürgermeister, von Ihrem Leitspruch 'Mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben' sind Sie damit ungefähr so weit entfernt, wie wir hier gerade im Sitzungssaal von unserer Partnerstadt Mumbai in Indien. Und auch die von Ihnen gepriesene Vorbildfunktion in die Wirtschaft hinein zerplatzt aufgrund der genannten Zahlen wie eine Seifenblase. Kein Unternehmen würde in dieser Art und Weise uneffizient mit seinen Finanzmitteln umgehen. Und auch wenn wir der Presseberichterstattung glauben vom gestrigen Tag von Ihrer Veranstaltung, dann sehen wir ja, dass bei den Arbeitsplätzen im Inneren der City in den Unternehmen die Quote von Benutzern von Jobtickets heute schon im Bereich von 70, 80, 85 % liegt. Ich glaube nicht, dass diese Unternehmen einen so großen Mitnahmeeffekt bei den restlichen Mitarbeitern machen, nur um den Verkehr zu verändern.

Wir wollen das Geld - immerhin über 4 Mio. € im Doppelhaushalt - für andere, effizientere Maßnahmen im Verkehrsbereich verwenden. Darunter der Ausbau der Integrierten Verkehrsleitzentrale (IVLZ) und die Erweiterung des Parkleitsystems. Denn gerade unsere IVLZ kann noch wesentlich mehr als das, wofür sie heute genutzt wird. Hier sind wir übrigens wieder beim Prinzip der Nutzenmaximierung, meine sehr geehrten Damen und Herren. Schon unter dem Aspekt des Umweltschutzes, und deswegen sehe ich Sie da auch an unserer Seite, also um den Verkehr zur Reduktion des Feinstaubausstoßes zu verflüssigen, müssen wir das Potenzial der IVLZ deutlich besser ausschöpfen und die entsprechenden Mittel dafür einsetzen. Und mit der IVLZ steuern wir dann den gesamten motorisierten Individualverkehr besser und nicht nur geringe Zahlen, die abnehmen. Ich bin bei Ihnen, wir müssen weniger Stau haben, aber ich garantiere Ihnen, wir erreichen weniger Stau, wenn wir den momentan beherrschenden Verkehr intelligent steuern, als wenn wir ihn minimal reduzieren um einige städtische Mitarbeiter, die dann mit dem ÖPNV fahren.

Um beim Straßenverkehr zu bleiben: Wir können nicht davon ausgehen und können auch nicht verlangen, dass jeder, der in Stuttgart mit dem Auto unterwegs ist, einen Geländewagen fährt. Doch das ist in Anbetracht des miserablen Zustands unserer Straßen vielleicht anders bald gar nicht mehr möglich. Deshalb gilt es, die Straßen als öffentliche Güter, salopp gesagt, in Schuss zu halten. Für ihren Erhalt, besser gesagt, um sie allmählich wieder in einen guten Zustand versetzen zu können, wollen wir die Unterhaltungsmittel von derzeit 7 auf 10 Mio. € jährlich erhöhen. Davon profitieren im Übrigen die Radfahrer mehr als die Autofahrer, weil die meisten Federungen an Fahrrädern schlechter sind als die an den Autos. Insofern ist der Nutzen da durchaus auch da.

Weiter soll das zwingend notwendige Ziel des Vollanschlusses der Breitwiesenstraße an die Nord-Süd-Straße endlich umgesetzt werden, um die Menschen in Vaihingen und Möhringen vom Schleichverkehr zu entlasten und das größte Stuttgarter Gewerbegebiet mit seinen vielen Arbeitsplätzen in seiner Verkehrsanbindung deutlich zu verbessern.

Dass wir die Rathausgarage an der Eichstraße aus dem Haushalt streichen wollen, wird Sie wenig verwundern. Wir sehen zweifellos die Notwendigkeit, in dieser prominenten Lage, in unmittelbarer Nähe zum schönen alten Teil des Rathauses eine bauliche Aufwertung zu vollziehen, doch muss dabei dem Anspruch, dass das Rathaus auch ein Veranstaltungsort ist mit vielen Besuchern, Genüge getan werden. Eine Rathausgarage mit ausreichend vielen Stellplätzen ist dafür unverzichtbar. Deshalb braucht es neben den städtebaulichen Lösungen auch eine Lösung in Bezug auf die Stellplätze. Und wir sind der festen Überzeugung, es lohnt sich, hier noch einmal eine Suchschleife einzuziehen. Wir als CDU-Fraktion möchten, dass unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger aufgrund attraktiver Angebote sich entscheiden, welchen Verkehrsträger sie zu welcher Zeit für welche Situation ihres Lebens, ihres täglichen Bedarfs nutzen wollen. Wir wollen diese Entscheidung nicht hier durch den Gemeinderat fällen, indem wir Alternativen, nämlich den Abriss der Rathausgarage als Beispiel und die deutliche Reduzierung der Stellplätze, hier beschließen, sondern wir wollen Angebote machen in der Vielfalt. Aber das unterscheidet eben eine grüne Fraktion von einer schwarzen Fraktion, dass wir nicht im Sinne der Bürger entscheiden wollen, sondern dass wir Alternativen aufzeigen.

Lassen Sie mich zum wichtigsten und finanziell umfangreichsten Bereich des Haushalts kommen: Bildung und Betreuung. Wir folgen hier dem Verwaltungsvorschlag im Wesentlichen. Die herausragende Bedeutung dieses Themenkomplexes für unsere Stadtgesellschaft unterstreichen wir sichtbar mit dessen Platzierung durch die Anträge an vorderer Stelle. Ich will gar nicht auf die Einzelheiten eingehen, aber lassen Sie mich einige Stichworte nennen, wo wir über den Vorschlag der Verwaltung hinaus zusätzliche Maßnahmen und Investitionen für nötig halten: Schulsozialarbeit - ein für die CDU-Fraktion schon immer wichtiges Thema; wir finden es jetzt auch spannend, dass die grüne Fraktion hier gerade bei den Gymnasien kräftig nachlegen möchte. Ein Ergebnis dessen, dass heute sehr viele Schülerinnen und Schüler auf den Gymnasien sind, die dort völlig überfordert sind und damit eine verstärkte Betreuung brauchen. Ich glaube, das gehört zur Wahrheit an dieser Stelle auch einmal mit dazu. Wir wollen in die Schulsozialarbeit, in eine bessere IT-Ausstattung, in Erhalt und Ausbau von Schulaußenanlagen, in Sekretärinnen und auch in Schulhausmeister investieren, denn das alles gehört gemeinsam zu einem erfolgreichen Bildungsbetrieb in unseren modernen Schulen.

Ähnliches gilt für die Kinderbetreuung. Hier geht es um die Bereitstellung von entsprechenden Finanzmitteln: von Neubauten und Sanierungen über Qualitätsverbesserungen bis hin zu Maßnahmen zur Personalgewinnung. Ich bin froh, dass sich bereits jetzt - und das verbindet uns - ein allgemeiner Konsens und der Wille zur Inangriffnahme all dieser Maßnahmen abzeichnet. Neue Angebote von längeren Öffnungszeiten, gerade auch an Wochenenden für berufstätige Eltern, wollen wir als CDU verstärkt ausprobieren.

Unter unseren 126 Anträgen spielt auch das Ehrenamt eine herausragende Rolle - es ist in vielen thematischen Anträgen enthalten. Ich möchte ausdrücklich an dieser Stelle betonen, dass das Ehrenamt für uns einen überaus hohen Stellenwert besitzt. Es ist eine wichtige Stütze unserer Stadtgesellschaft. Und weil wir es nicht nur beim Lob belassen wollen und können, unterstützen wir es auch materiell. Wie gesagt, bürgerschaftliches Engagement ist in vielen Bereichen unentbehrlich, wozu etwa das Sozial- oder Gesundheitswesen gehört; als Beispiel greife ich exemplarisch den Sport und die Feuerwehr heraus.

So wollen wir die Planungsmittel für die Verlängerung der Fahrzeughalle der Freiwilligen Feuerwehr in Hedelfingen und die Mittel für den Anbau des Feuerwehrhauses der Freiwilligen Feuerwehr in Münster in den Haushalt einstellen. Für die ehrenamtlichen Funktionsträger unserer Freiwilligen Feuerwehren, die nicht in jedem Einsatz, aber ich glaube, man ist sich dessen sehr wenig bewusst, doch immer wieder ihr Leben und ihre eigene Gesundheit aufs Spiel setzen, wollen wir die Aufwandsentschädigung in Höhe von 2.000 € pro Abteilung um jeweils 1.000 € für jede der 25 Abteilungen jährlich erhöhen. Ich denke, das ist eine Honorierung des ehrenamtlichen Einsatzes bei unseren Freiwilligen Feuerwehren, die mehr als verdient ist.

Unsere Sportvereine nehmen eine wichtige Rolle in unseren Stadtteilen, Stadtbezirken und in der gesamten Stadtgesellschaft ein. Der Sport fördert unter anderem die Persönlichkeit, Teamfähigkeit, soziale Verantwortung sowie den Gemeinschaftssinn. Aspekte wie Gesundheitsförderung oder sinnvolle Freizeitbetätigung seien hier ebenso erwähnt. In Anerkennung ihrer Leistungen und um zukünftig handlungsfähig zu bleiben, beantragen wir, etwa für bauliche Vorhaben und weitere Förderung im Sportbereich nahezu 10 Mio. € in den städtischen Haushalt einzustellen.

Im Bereich Jugend, Soziales und Gesundheit ist ebenso wenig der Rotstift anzusetzen. Hier wäre zweifellos an der falschen Stelle gespart. Wir müssen uns die mittel- und langfristigen Erfolge ins Bewusstsein rufen, die die Arbeit und ihre finanzielle Unterstützung für das soziale Gefüge in unserer Stadt bewirkt. So bildet etwa die Jugendberufshilfe neben der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter die dritte Säule im Gesamtfördersystem u25. Ziel ist es hier, junge Menschen entweder in Ausbildung oder Arbeit zu bringen. Hierfür stellen wir über 1/4 Mio. € bereit. Und auch die nötigen Mittel für eine Ausbildungsplatzgarantie für Jugendliche in unserer Stadt bereitzustellen, die den direkten Weg in Ausbildung nicht finden, ist eine gute und effiziente Investition in die Zukunft. Sie finden etliche weitere Anträge in diesen Bereichen von uns vor.

Nun bin ich in meiner Fraktion sicher nicht derjenige, bei dem die Kultur an erster Stelle kommt, da haben wir kompetentere Mitglieder in der Fraktion. Dennoch trage ich unsere beantragten Maßnahmen aus voller Überzeugung mit. Denn Stuttgart ist Kulturstadt, ihr Renommee in der Spitze wie in der Breite und in den ganz unterschiedlichen Sparten ist absolut erhaltenswert und deshalb zu fördern. So erhöhen wir das Budget der "Rosenau" von 125.000 € auf 160.000 € im Jahr und das der Laienmusikverbände um 57.000 €, nur um einige Beispiele zu nennen. Das sind zwei sehr schöne Beispiele für schöne Dinge in der Kultur. Und 'wer in schönen Dingen einen schönen Sinn entdeckt, der hat Kultur', zitiere ich Oscar Wilde. Diesen Sinn sehe ich bei allen von uns beantragten Maßnahmen im Kulturbereich. Wir können stolz sein auf unser reichhaltiges Kulturangebot, es zeichnet unsere Stadt wirklich aus.

Lassen Sie mich ein paar Worte zu unserem Baurechtsamt sagen, wozu wir ebenfalls einen Antrag gestellt haben und zu dem wir einen Prozess angestoßen haben, den wir weiter forcieren. Auch hier geht es uns um Effizienzsteigerung und darum, gut voranzukommen. Um die dazu notwendigen Maßnahmen mit Nachdruck im Interesse der Kunden und der Mitarbeiter des Baurechtsamts umsetzen zu können, haben wir rund 3 Mio. € und zusätzlich zehn Personalstellen für die schnellere Bearbeitung von Bauanträgen beantragt. Ich wünsche den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unseres Baurechtsamtes an dieser Stelle für die kommenden Monate der Umorganisation viel Kraft und Erfolg und dass wir vor allem schnell gute und engagierte Bewerber für die zusätzlichen Stellen finden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe Ihnen die Haushaltsschwerpunkte der CDU-Fraktion unter Zuhilfenahme einiger weniger Anträge aus dem Gesamtpaket darzulegen versucht. Ich hoffe, es ist mir gelungen. Wichtig festzuhalten ist es mir, dass wir als CDU-Fraktion uns im Rahmen des genehmigungsfähigen Haushalts bewegen. Alles andere wäre mit dem uns selbst gestellten Anspruch, die Tradition der finanzpolitischen Vernunft hier im Rathaus fortzusetzen, nicht vereinbar. Wenn jemand an irgendeiner Stelle einen noch besseren Vorschlag für effizienteren Mitteleinsatz hat - wir sind schließlich auch nicht unfehlbar -, dann sind wir offen dafür. Wir werden jedenfalls für unseren Entwurf argumentativ in den nächsten Wochen weiter werben, um letztlich Mehrheiten zur Beschlussfassung zu erlangen. Ich freue mich auf die Beratungen mit Ihnen allen. Herzlichen Dank."

StRin Dr. Blind (SPD):

"In diesem Haushaltsentwurf ist alles Wichtige drin - das war die Botschaft bei der Einbringung des Haushalts durch Sie, Herr Oberbürgermeister, und Sie, Herr Erster Bürgermeister. Wir haben uns gefreut. Endlich entspanntere Haushaltsklausuren, dünnere Antragsstapel, kürzere Haushaltsreden. Wir Fraktionen brauchen nur noch ein paar Ergänzungen zu beantragen, ein paar zusätzliche Schwerpunkte zu setzen.

Dann haben wir Ihren Haushaltsentwurf einmal durchgeblättert, die berühmte grüne Liste. Und ja, es stimmt, wie im Anschluss an die letzten Haushaltsberatungen vereinbart, sind die großen Schwerpunkte des Gemeinderats in die grüne Liste aufgenommen worden: Ausbau von Ganztagsschulen, Erweiterungen und Neubau von Schulen, Kita-Ausbau samt Betriebskosten, auch das Parkraummanagement.

Doch beim genaueren Durchsehen der grünen Liste haben wir gemerkt, dass überhaupt nicht alles Wichtige in der grünen Liste enthalten ist. Und es gibt in der grünen Liste auch Seifenblasen, wunderschön anzuschauen, doch Seifenblasen platzen. Darauf werde ich später zurückkommen.


Meine Damen und Herren, die Schwerpunkte der SPD für den kommenden Doppelhaushalt sind
1. Gute Lebenschancen für Kinder und Jugendliche
2. Die Infrastruktur erhalten und
3. Lebensqualität in Stuttgart

Lassen Sie mich diese 3 Schwerpunkte der Reihe nach erläutern.

1. Schwerpunkt

Wir wollen gute Lebenschancen für alle Kinder und Jugendliche in unserer Stadt. Wir wollen ihnen Raum geben, fröhlich und lebendig, neugierig und wissbegierig zu sein und vielfältige, gute Erfahrungen mit sich und anderen zu machen.

In diesem Haushalt werden wir nochmals hohe Summen für den Ausbau und Betrieb von Kitas beschließen. Wenn dieses Ausbauprogramm umgesetzt ist, das meiste davon in den nächsten zwei Jahren, dann haben wir von den Räumen her den Betreuungsbedarf für alle Kleinkinder erfüllt. Wir sind stolz, dass wir dieses große Ziel in naher Zukunft erreichen werden, und wir danken allen Beteiligten in der Verwaltung, nicht zuletzt Ihnen, Herr Oberbürgermeister, dass Sie mit Nachdruck daran gearbeitet haben. Als gewaltige Aufgabe bleibt, nun auch die notwendigen Erzieherinnen und Erzieher zu finden.

Die SPD will auch die Qualität der Kinderbetreuung verbessern. Nötig sind längere und flexible Öffnungszeiten für die Kinder, deren Eltern schon früh am Morgen mit der Arbeit beginnen müssen, oder wie Verkäuferinnen auch am Abend arbeiten. Überall dort in der Stadt, wo Armut und Bildungsbenachteiligung besonders ausgeprägt sind, wollen wir die Kitas zu Kinder- und Familienzentren erweitern. Und wir brauchen noch mehr Sprachförderung in den Kitas, denn Sprache ist der Schlüssel für Kommunikation und Verständigung mit anderen, Sprache ist der Schlüssel für Bildung und Ausbildung.

Auch die Schulsozialarbeit wollen wir weiter ausbauen. An 40 reinen Grundschulen und 24 Gymnasien gibt es noch überhaupt keine Schulsozialarbeit, und an großen Schulen ist eine halbe Stelle Schulsozialarbeit zu wenig. Unter den Städten in Baden-Württem-berg befindet sich Stuttgart im hinteren Drittel! Das müssen und wollen wir ändern. Rektoren und Lehrer erinnern uns immer wieder daran, dass gerade in der Großstadt zunehmend mehr Kinder mit persönlichen und familiären Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

Und wir wollen auch das Projekt PRO Kids für Kinder aus suchtbelasteten Familien für weitere zwei Jahre sicherstellen. Es ist schrecklich für Kinder, miterleben zu müssen, wie der Vater oder die Mutter in ihrer Sucht gefangen sind, abgleiten, das Kind nicht mehr hilfreich begleiten können, vielleicht sogar gewalttätig werden. Diese Kinder dürfen wir nicht im Stich lassen. Gute Lebenschancen für Kinder und Jugendliche - das ist unser erster Schwerpunkt.




Ich komme zum 2. Schwerpunkt

Die Infrastruktur erhalten. Die Bürger merken, dass der Zustand unserer Gehwege und Straßen immer schlechter wird. Im laufenden DHH stehen 8 Mio. € pro Jahr für den Unterhalt von Gehwegen und Straßen zur Verfügung. Eine wissenschaftliche Untersuchung zeigt, dass mit diesem Mitteleinsatz bis in 12 Jahren die Hälfte der Straßen in schlechtem Zustand ist. Dann kann man nicht mehr reparieren, dann müssen die Straßen von Grund auf erneuert werden für teures Geld. Heute sind nur 10 % der Straßen in schlechtem Zustand. 8 Mio. € für Gehwege und Straßen, das ist also deutlich zu wenig. Erstaunlich, dass die Verwaltung in der grünen Liste nun noch weniger Mittel vorschlägt. Doch Gehwege und Straßen sind nur die Spitze des Eisbergs.

Im Jahr 2009 haben wir eine Haushaltskonsolidierung durchgeführt, durchführen müssen, und Budgets um 20 % gekürzt. Es gibt eine stillschweigende Vereinbarung, dass an diesen Kürzungen nicht gerüttelt wird. Wir sind durchaus bereit, uns daran zu halten. Aber die Frage ist: Hält sich die Infrastruktur unserer Stadt daran? Halten sich die
Brücken, die Geh- und Radwege von Stuttgart daran, dass sie um 20 % langsamer altern sollen? Ich fahre täglich unter einem Steg hindurch, der ziemlich rostig aussieht. Halten sich die Stützmauern, die sicherheitstechnischen Einrichtungen in unseren Straßentunneln daran, dass sie um 20 % weniger verschleißen sollen? Und die Lichtsignalanlagen und Verkehrsrechner? Weil das Geld so knapp geworden ist, mussten die Wartungsverträge der Verkehrsrechner gekündigt werden! Da kann man nur hoffen, dass die Verkehrsrechner auch ohne regelmäßige Wartung brav weiter rechnen.


Die 40 und 50 Jahre alten Dächer auf unseren Friedhöfen, die Wege und Mauern in unseren Parks, werden sie uns den Gefallen tun, mit 20 % weniger Unterhalt auszukommen? Zumal es ja auch noch eine Inflation gibt, die eigentlich berücksichtigt werden müsste.

Meine Damen und Herren, die Haushaltskonsolidierung war notwendig, und man kann durchaus einmal 2 oder 4 Jahre lang am laufenden Unterhalt sparen. Aber nicht auf Dauer, sonst wird es richtig teuer. Diese Lektion sollten wir alle aus den aktuellen Schulsanierungen gelernt haben.

Während den Haushaltsberatungen, also alle zwei Jahre wieder, wird der Gemeinderat vom Kämmerer, der Presse, der IHK und anderen Berufenen streng und lautstark ermahnt, nur ja keine Wahlgeschenke zu verteilen. Deshalb sage ich deutlich: Der Erhalt von so unspektakulären Dingen wie Stützmauern, Brücken, Stegen, sicherheitstechnischen Einrichtungen, Lichtsignalanlagen, Verkehrsrechnern, Friedhofsdächern, Wegen und Mauern in Parks eignet sich nicht als Wahlgeschenk. Millionenschwere Anträge zu diesem Thema bringen keine Wählerstimmen. Aber es ist eine Frage der Verantwortung, dass sich der Gemeinderat darum kümmert, und die SPD stellt sich dieser Verantwortung.



Im Haushaltsentwurf der Verwaltung beschränkt sich der Erhalt der Infrastruktur im Wesentlichen auf Schulen und Kitas. Wir wissen, dass auch der Oberbürgermeister und der Kämmerer sich an den äußerst engen finanziellen Rahmen halten müssen. Da ist vieles nicht möglich. Aber, Herr Oberbürgermeister, Sie sollten sich nicht in der Presse als Infrastruktur-Fan feiern lassen, wenn Sie einen beträchtlichen Teil der Infrastruktur gar nicht im Blick haben.

Nach dem eher trockenen Thema Infrastruktur komme ich nun zu unserem 3. Schwerpunkt: Lebensqualität in Stuttgart

Lebensqualität, da geht es um Wohnen, Landschaft erleben, Verkehr, Kultur, Klimaschutz und - für uns Sozialdemokraten ganz besonders wichtig - soziale Unterstützung für Menschen in schwierigen Lebenslagen. Wir wollen, dass es allen Menschen in unserer Stadt gut geht, auch den Menschen in problematischen Lebenssituationen. Wir schätzen die Arbeit der freien Träger im Sozialbereich. Aber Wertschätzung allein reicht nicht. Inflation und Tarifsteigerungen müssen bei den freien Trägern endlich genauso ernst genommen werden wie bei der Stadt. Menschen in schwierigen Lebenslagen, das sind Menschen, die von Wohnungslosigkeit betroffen sind, die geistig oder körperlich behindert sind, die von einer Suchtkrankheit gebeutelt werden. Wir denken an die Frauen und Kinder, die von Männern und Vätern gequält und bedroht werden. Wir denken an die Familien in Fürsorgeunterkünften. Die Reife einer Gesellschaft misst sich daran, wie sie mit den Schwächsten in ihrer Mitte umgeht, und auch das ist eine Frage des Geldes.

Wohnen in Stuttgart ist teuer geworden. Viele können sich Wohnen in Stuttgart kaum noch leisten. Deshalb setzen wir uns nachdrücklich für die Förderung von bezahlbarem Wohnraum ein. Dafür finden sich in der grünen Liste erheblich mehr Mittel als im laufenden Doppelhaushalt zur Verfügung stehen: Für den Neubau von Sozialwohnungen, für Nachsubventionierung von bestehenden Sozialwohnungen und für das Familienbauprogramm. Dafür haben Sie sich eingesetzt, Herr Oberbürgermeister, und ich sage ausdrücklich, dass wir als SPD das hoch anerkennen.

Leider muss ich jetzt aber Wasser in den Wein schütten. Laut grüner Liste sollen im Doppelhaushalt insgesamt 500 neue Sozialwohnungen mit je 10.000 € gefördert werden. Wir fragen uns, woher die Grundstücke für diese 200 Sozialwohnungen im nächsten Jahr und 300 Sozialwohnungen im übernächsten Jahr kommen sollen. Klar, wir haben das SIM, das Stuttgarter Innenentwicklungsmodell. SIM gilt aber nur, wenn Wohnungen mit neuem Baurecht gebaut werden, und beileibe nicht alle Wohnungen werden mit neuem Baurecht gebaut. Klar, es gibt städtische Grundstücke. Unserer Meinung nach müssen dort immer auch Sozialwohnungen gebaut werden, aber so viele städtische Grundstücke gibt es nicht. SIM und städtische Grundstücke zusammen genommen: Das ergibt so 100 Sozialwohnungen pro Jahr, nur 100.

Damit 200 oder 300 Sozialwohnungen pro Jahr gebaut werden, müssen Wohnungsbaugesellschaften und Investoren bereit sein, Sozialwohnungen zu bauen auch ohne SIM und auf ihren eigenen, nichtstädtischen Grundstücken.


Dazu muss man sie motivieren, man muss an Runden Tischen mit ihnen reden, ein Bündnis für Wohnen mit ihnen schließen. Denn im Augenblick stoßen sie ihre Sozialwohnungen doch eher ab, statt freiwillig neue zu bauen. Hamburg hat gezeigt, dass man eine Kehrtwende erreichen kann. Seit Beginn des Jahres mahnen wir ein solches Bündnis für Wohnen an, aber es ist nichts geschehen. Und natürlich braucht es auch finanzielle Anreize für sozialen Wohnungsbau. 10.000 € Förderung pro Wohnung, das ist nun wirklich kein finanzieller Anreiz. 500 Sozialwohnungen in den nächsten beiden Jahren - ein gutes Ziel, aber in Wirklichkeit nur eine Seifenblase, die platzen wird.

Zum Wohnen gehört das Wohnumfeld, gehören Bäume, Parks, Landschaft, Neckar, Stadt am Fluss. Stadt am Fluss - das ist so etwas wie Ihr Markenzeichen, Herr Oberbürgermeister, und dementsprechend stehen im Haushaltsentwurf Planungsmittel für den Landschaftspark Neckar. Die bereits fertig geplanten Projekte, die schon jetzt, in den nächsten beiden Jahren umgesetzt werden könnten, finden sich im Haushaltsentwurf nicht. Wir aber wollen, dass die Stadt nicht nur auf Plänen an den Fluss kommt, sondern tatsächlich. Deshalb müssen die zwei fertig geplanten Abschnitte des Uferparks Austraße jetzt umgesetzt werden. Für beide Projekte könnten sogar Co-Finanzie-rungsmittel der Region beantragt werden, mit guten Chancen! Herr Oberbürgermeister, ohne die reale Umsetzung von ersten Abschnitten des Uferparks sind Planungsmittel für weitere Abschnitte nur Stoff zum Träumen von der Stadt am Fluss, nur Seifenblasen.

Nichts beschäftigt die Menschen in der Stadt mehr als Verkehr; das haben wir auch heute schon gesehen. Wir wollen Gehwege und Straßen in einem ordentlichen Zustand und auch künftig funktionsfähige Verkehrsrechner, das habe ich schon gesagt. Es ist notwendig, dass der öffentliche Verkehr weiter gefördert wird, zum Beispiel durch weitere Busbeschleunigung über die Integrierte Verkehrsleitzentrale. Wenn Kinder und Jugendliche im Mittelpunkt unserer Politik stehen, dann gilt dies auch beim Verkehr. Wir wollen in Stuttgart einen kinderfreundlichen Verkehr. Für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ist es ausgesprochen wichtig, dass sie ihre eigenen Wege gehen dürfen, dass sie selbstständig zu Freunden gehen, in die Schule, auf den Sportplatz, zum Musikunterricht. Kinder müssen eigenständig ihre Umgebung und die Stadt entdecken, erkunden und erleben. Doch vor nichts haben Eltern so viel Angst wie davor, dass ihre Kinder im Straßenverkehr verunglücken könnten. Und wer wie ich 3 Kinder und 4 Enkelkinder beim Über-die-Straße-Gehen-Lernen begleitet hat, der weiß, dass die Sorge von Eltern berechtigt ist. Deshalb wollen wir das Programm 'Kinder kommen sicher über die Straße' aufstocken, die Hauptverkehrsstraßen müssen systematisch auf sichere Querungsmöglichkeiten untersucht werden, und wir wollen Tempo 30 vor Schulen erreichen.

Die SPD steht zum Radverkehr, und wir wollen auch wieder Mittel für Rad und Schule in den Haushalt einstellen, denn der Spaß von Jugendlichen am Radfahren muss gepusht und nicht gedämpft werden.

Zur Lebensqualität einer Stadt gehört die Kultur. Kultur, die unser Leben bereichert, die uns daran erinnert, wo wir herkommen. Nicht wenige Kulturschaffende in unserer Stadt beuten sich Woche für Woche selbst aus.


Wir wollen hier ein wenig Linderung verschaffen, vor allem für kleinere Kultureinrichtungen, wie z. B. das studio-theater oder das Handicaptions-Festival im Bohnenviertel.

Was den Klimaschutz betrifft, so sind in der grünen Liste hohe Summen für Maßnahmen zur Energieeinsparung vorgeschlagen. Das ist gut so und wir unterstützen das mit großer Überzeugung.

Meine Damen und Herren, in den nächsten Wochen werden wir gemeinsam darum ringen, was für Kinder und Jugendliche in unserer Stadt notwendig ist, wie viel Geld wir in den Erhalt unserer Infrastruktur stecken müssen, und wie ein guter Weg in die Zukunft für Stuttgart aussieht. Es wird für uns alle anstrengend werden, denn 40 Mio. € Gewerbesteuer sind weggebrochen, 40 Mio. € pro Jahr. Noch immer geht es uns besser als mancher anderen Stadt, aber von der Vorstellung der reichen Stadt Stuttgart, die sich fast alles leisten kann, müssen wir uns verabschieden.

Und deshalb sage ich am Schluss in Richtung Berlin, zu Beginn einer neuen Legislaturperiode auf Bundesebene: Die Kommunen müssen finanziell besser ausgestattet werden. Das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz ist fortzusetzen und muss auch den Erhalt von Verkehrsinfrastruktur umfassen. Die Kommunen müssen von wachsenden Sozialleistungen entlastet werden, und vor allem: Es muss aufhören, dass der Bund sich immer neue Pflichtaufgaben für die Kommunen ausdenkt, bei der Finanzierung die Kommunen aber allein lässt.

Ich danke sehr herzlich all denen, die wieder zum Gelingen des Bürgerhaushalts beigetragen haben, den Mitarbeitern der Kämmerei für die Durchführung, den Stuttgarterinnen und Stuttgartern für ihr hoch engagiertes Mitmachen und den Mitarbeitern der Ämter für Ihre anspruchsvollen Stellungnahmen. Wir freuen uns sehr über den hohen Stellenwert, den der Bürgerhaushalt inzwischen bekommen hat.

Und ich danke allen Beschäftigten der Verwaltung, der Eigenbetriebe und der Beteiligungsunternehmen für Ihre gute, engagierte Arbeit. Wir sind darauf angewiesen. Danke."

StR Zeeb (FW):

"Nachdem die Bundestagswahlen und die damit verbundene Suche nach Koalitionspartnern und Versprechungskampagnen der Parteien fast vorbei sind, können wir uns hier in Stuttgart wieder unserer geliebten Königsdisziplin, den Haushaltsberatungen, zuwenden. Viele sind ja schon ganz gespannt darauf und ganz verrückt danach, hier Stunden abzusitzen. Dafür wäre es natürlich sehr schön und auch wünschenswert, wenn im Sinne der Sachlichkeit der bevorstehende Kommunalwahlkampf erst im Januar 2014 nach der Dritten Lesung beginnen würde und nicht schon heute.




Die Freien Wähler werden sicher nicht die 'Gutmenschen' sein und überall und jedem alles vorschreiben und versprechen, auch nicht Berge von Alibianträgen schreiben, damit unser Stapel gleich hoch ist wie bei den anderen Fraktionen. Denn alles versprechen und wenig halten ist unserer Meinung nach kein guter politischer Stil. Wir werden uns auch beim Basar der Meistbietenden zurückhalten. Vor zwei Jahren hatten wir das abschreckende Beispiel beim Millionenpoker für die Schulsanierungen. Heute ist Tatsache, was wir immer wieder mahnend angekündigt haben: Wir können nur ca. 50 Mio. € pro Jahr verbauen und eben nicht mehr, auch wenn das verschiedene Fraktionen immer wieder gefordert haben.

Aber lassen Sie uns auch noch einmal kurz zurückblicken: Nachdem wir in 20 Jahren Konsolidierungspolitik einen Schuldenberg von fast 1 Mrd. € abgebaut haben, der jährliche Zinszahlungen von bis zu rund 40 Mio. € zur Folge hatte, haben wir hier den ersten Doppelhaushalt des neuen Oberbürgermeisters Fritz Kuhn vorliegen. Und es fallen zwei Dinge auf, die die Geschichte letzten Endes bewerten wird. Erstens: Der Haushalt basiert diesmal vielfach auf optimistischen Planungen und nicht mehr auf den übervorsichtigen Planungen der letzten Jahre. Das bedeutet, wenn es nicht optimal läuft, kann die Verschuldung steigen. Und zweitens: Die mittelfristige Finanzplanung nimmt in Kauf, dass wir in 5 Jahren bestenfalls, wenn nichts schief läuft, mit 400 Mio. € neu verschuldet sind. Das ist eine Umkehr bisheriger Haushaltspolitik in diesem Haus. Damit ist jetzt umzugehen, zustimmend oder ablehnend, das werden wir am 20. Dezember entscheiden.

Wir Freien Wähler werden Stuttgart nicht kaputtsparen, aber mit dem Blick auf die mittelfristige Finanzplanung an manchen Stellen zurückhaltender sein, an denen der Ergebnishaushalt ins Minus aufgebläht wird. Und das tun wir, das können Sie uns glauben, nicht zum Spaß, sondern aus Verantwortung für die kommende Generation.

Wir sind gerne bereit, dort angemessen zu investieren - wie es auch unser Oberbürgermeister vorgeschlagen hat -, wo diese Steuergelder auch Früchte tragen, und zwar langfristig und nachhaltig, z. B.
- bei Schul- und Kitabauten, also bei Bauprojekten für Erziehung, Bildung und Ausbildung
- bei Sportflächen, die der Allgemeinheit und der Integration dienen
- beim Grunderwerb für Wohnbau- und Gewerbeflächen
- und bei Personalengpässen städtischer Ämter im Bereich der Altenpflege, bei Erzieherinnen und Erziehern und natürlich bei Ämtern, die Stuttgart beim Wohnungsbau und der Schaffung von Arbeitsplätzen voranbringen und deshalb wichtige Standortfaktoren sein können.

Natürlich sind wir auch bereit, zu investieren bei strukturellen und baulichen Defiziten, die bisher aufgrund anderer Prioritäten einfach schlichtweg vernachlässigt wurden:
- das ist z. B. beim Straßenbau oder
- bei der Ertüchtigung vorhandener Gewerbegebiete und, sofern auf dieser Markung auch noch möglich, bei Neuausweisung, z. B. auch von dringend benötigten preiswerten Lagerplatzflächen. Ein Thema, das in den letzten Jahren ganz untergegangen ist.

Trotz allem muss der Haushalt selbst bei einer geringfügigen Neuverschuldung, das kann man jetzt definieren, wie man will, was man unter geringfügig versteht, ohne Einschränkungen genehmigungsfähig sein, und es darf zu keiner Belastung für spätere Generationen oder einen eventuell neu formierten Gemeinderat mit anderen Mehrheitsverhältnissen nach dem 25. Mai 2014 kommen.

Neuverschuldungen sind mit den Freien Wählern denkbar, aber nicht als Topzuschlag bei Luxusthemen. Deshalb haben wir auch größere Einsparungen vorgeschlagen als Deckungsvorschläge für unsere Anträge.

Lassen Sie mich noch eine kurze Bemerkung zum Thema Bürgerhaushalt anbringen: Nachdem hier im Haus das Hohelied für die Favoriten des Bürgerhaushaltes quer durch die anderen Fraktionen gesungen wurde, sind wir - die Freien Wähler - natürlich sehr gespannt, wie Sie, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen und auch die Bürgermeisterbank, mit diesem Wunschzettel umgehen. Besonders gespannt sind wir beim Platz 2, der Senkung der Grundsteuer, wie man damit umgeht, und wie man auf die Reaktion der Bürger sich einstellt, wenn ihre Wünsche, die von allen Parteien so hoch gelobt wurden, dann ignoriert werden.

Wir bedanken uns heute schon und jetzt bei der Stadtkämmerei für die Vorarbeit mit der grünen und roten Liste. Das ist jetzt wieder viel übersichtlicher als im Jahr 2011. Die Bedenken des Ersten Bürgermeisters von den letzten Sitzungen hier im Hause nehmen wir ernst, was die Zukunftsperspektiven betrifft. Das vorliegende Zahlenmaterial zeigt, dass wir maßvoll mit den Steuergeldern umgehen müssen. Nach fast zwanzigjähriger Zugehörigkeit von mir zu diesem Gemeinderat vertraue ich den Kollegen und Kolleginnen dieses Gremiums, die sich für das Wohl der Stadt engagieren und hoffentlich keine anderen Ambitionen in den Vordergrund stellen.

Einige grundsätzliche Standpunkte und Themen werde ich aber doch in gewohnter Kürze ansprechen, das ist so in etwa der Leitfaden durch die Anträge der Freien Wähler:

Themenkomplex Bildung und Ausbildung in Familie, Kita und Schulen und die dafür nötigen räumlichen Voraussetzungen

Der Haushalt ist in diesem Bereich geprägt von 'jetzt und alles', auch um den Rechtsanspruch zu erfüllen: Eine unglaubliche Ausgabensteigerung im Bereich Schule und Kita. Hier wird vom Kita-Ausbau über Ganztagsschulen, Schülerhäuser, Gemeinschaftsschulen kein Feld ausgelassen. Ob die Höhe der eingestellten Investitionsgelder für Kitas realistisch ist oder ob wir hier auf das gleiche Problem wie bei den Schulsanierungen stoßen, werden wir sehen. Brauchen wir auch hier einen externen Berater? Diese Frage sollte rechtzeitig diskutiert werden.

Hinzu kommen die laufenden Schulsanierungen, die auf den Schulentwicklungsplan unter jetzt veränderter Landesregierung stoßen und manche längst geplante Sanierung wieder in eine erneute mehrjährige Warteschleife schicken. Das müssen wir auch den 'wartenden Eltern' vermitteln. Gesellschaftlich erreichen wir hier Grenzen. Mit Blick auf den massiven Ausbau der Kinderbetreuung halten wir Freien Wähler fest, dass viele neue Studien zur Kleinstkindbetreuung zu dem zusammengefassten Ergebnis kamen oder kommen, dass insbesondere Kinder bis zum Alter von 18 Monaten eigentlich durch Fremdbetreuung keinen Schaden nehmen. Wir wollen auf diesem Feld kein ideologisch geprägtes Bildungskorsett. Wir wollen den Eltern auch Freiräume und Wahlmöglichkeiten anbieten: Wohin sie die Kinder bringen, wie lange sie dort bleiben sollen und welche Betreuung sie nach der persönlichen Familiensituation in Anspruch nehmen wollen, das soll ihre individuelle Sache sein. Wir wollen nicht alles vorbestimmen und vorgeben.

Der Themenkomplex Soziales, Jugend und Gesundheit ist unermesslich groß. Und zur Bewältigung der vielen anstehenden Themen aus diesem Referat stehen wir Freien Wähler im engen Kontakt mit unserer Bürgermeisterin und werden im Rahmen der Lesungen ihre priorisierten Haushaltsvorschläge auch unterstützen.

Jetzt ein Thema, das uns alle schon lange umtreibt: Bezahlbarer Wohnraum in Stuttgart.

Sehnsüchtig erwarten wir das angekündigte Wohnraumkonzept von OB Kuhn. Da dies, da gehe ich jetzt einmal vorsichtig davon aus, sicher auch Geld kosten wird, wäre es hilfreich gewesen, wenn wir diese schon lange avisierte Vorlage vor dem heutigen Tag hätten diskutieren können. Ein so wichtiges Thema, das für viele Stuttgarterinnen und Stuttgarter von großer Bedeutung ist, wäre wert gewesen, wie viele andere wichtige Themen, z. B. Schulsanierungen, vor den Haushaltsberatungen ausführlich diskutiert zu werden.

Deshalb werden die Freien Wähler im Rahmen der Haushaltsberatungen folgende Themen in diesem Bereich forcieren:
- Mehr Mittel für Grunderwerb von Wohnbaugrundstücken, denn ohne Grundstücke sind einfach nur schlecht Wohnungen herzustellen.
- Wir brauchen auch mehr Mittel für die Personalstellen, damit die Aufstellung von dem Wohnungsbau dienenden Bebauungsplänen rascher vorangeht, auch von Bebauungsplänen, die früher evtl. von Rot-Rot-Grün aus anderen Gründen abgelehnt wurden.
- Und dann haben wir noch eine Idee, die halten wir eigentlich für staatstragend, Herr Oberbürgermeister: Verbesserung im Genehmigungsverfahren, evtl. durch einen externen Wohnungsbaumanager, der mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet sein muss, evtl. nur dem Oberbürgermeister unterstellt. Das wäre, glaube ich, ein Schritt nach vorne. Wir haben so etwas in kleinerem Maße schon einmal gehabt, als wir für die Rathaussanierung eine derartige Person eingestellt hatten, die das mit Bravour geleistet hatte. Und vielleicht würde das einiges helfen, um zum bezahlbaren Wohnraum in Stuttgart vor allem schneller zu kommen.

Wir werden auch die längst fällige Grundsteuersenkung fordern, denn auch dadurch wird Wohnraum über geringere Nebenkosten bezahlbarer. Denn Sie wissen ja: Ein Drittel des Einkommens wird zurzeit für bezahlbaren Wohnraum aufgewendet, auch aufgrund der stark gestiegenen Energiekosten - und da zählt für uns eben jeder Euro, den man sparen könnte.




Zum Thema Infrastruktur und Verkehr

Nachdem glücklicherweise viele meiner Vorredner die Notwendigkeit erkannt haben, dass in den vergangenen Jahren der Straßen- und Wegebau und Bau von Treppenanlagen und unserer Stäffele vernachlässigt wurde, fühlen wir Freien Wähler uns in diesem Thema bestätigt, das wir gebetsmühlenhaft in jedem Haushalt angesprochen haben. Wenn wir jetzt nicht genügend Geld in die Hand nehmen, insbesondere für unser wichtiges Vorrangstraßennetz, dann wird es irreparabel und auch unbezahlbar und es wird zur Schande für die 'Noch'-Autostadt Stuttgart.

Beim Kreuzzug gegen das Auto in unserer Stadt spielen wir nicht mit. Wir sind für genügend Parkplätze in der City und für ein funktionierendes Verkehrssystem, denn mit Fahrradfahren oder flächendeckenden Tempo-30-Zonen lässt sich keine bedeutende europäische Wirtschaftsmetropole am Leben halten.

Dafür brauchen wir intelligente Verkehrsleitsysteme, die es teilweise schon gibt, die ausgebaut und richtig eingesetzt werden müssen, natürlich unter Einschluss des in Stuttgart schön und gut und großartig vorhandenen ÖPNV, der aber in manchen Spitzenzeiten schon an die Grenze der Auslastung gekommen ist.

Jetzt vielleicht ein harmonischeres Thema für Stuttgarter Verhältnisse: Sport und Bewegung

Unsere Stuttgarter Sportvereine leisten einen erheblichen Beitrag zum Wohlfühlfaktor der Stadt. Insbesondere die integrative Arbeit der Vereine mit ausländischen Kindern und Jugendlichen ist hoch einzuschätzen. Vieles wird nach wie vor von Ehrenamtlichen in deren Freizeit geleistet. Dies entlastet an vielen Stellen die Stadtkasse und weiter entfernt auch die Krankenkassen nach dem Motto 'Gesund durch Bewegung'. Deshalb unterstützen wir, wie in den vergangenen Jahren auch, insbesondere engagierte und innovative Vereinsarbeit dort, wo mutig auch neue Wege und Konzepte angegangen und umgesetzt werden. Unsere Anträge sind ein Bekenntnis zur Sportstadt Stuttgart. Mit diesen Ausgaben sind wir in den letzten Jahren nie schlecht gefahren.

Thema Personalentwicklung und Stadtverwaltung

In keinem früheren Haushalt waren die Forderungen nach Stellenzuwächsen größer als in diesem. Sowohl von den Personalräten als auch von den Ämtern - nur Mangel allenthalben, Überforderungen, Zitronengefühle, Zusammenbrüche einer geordneten Verwaltung. Das darf nicht sein. Um nicht missverstanden zu werden: Wir möchten nicht, dass unsere Mitarbeiter im Burn-out verglühen, weil diese mit immer mehr Aufgaben und Vorschriften zusätzlich belastet werden. Was wir stattdessen fordern, ist ein Maßhalten gemeinsam mit der Verwaltung. Dazu wünsche ich mir von der Verwaltung auch Angaben, wo wir sinnlos verwalten, wo der Verwaltungsaufwand den Verwaltungsnutzen übersteigt, damit dies geändert werden kann.




Dann können wir uns gerne über Personalstellen oder auch Höhergruppierungen unterhalten in Bereichen, wo wir in die Zukunft investieren müssen, wie schon vorher angesprochen:
- bei Kitas
- bei Pflegeberufen
- beim Streetworking
- und natürlich auch bei den wichtigen Ämtern Hochbauamt, Tiefbauamt, Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung und Baurechtsamt.

Wir wünschen uns von der Verwaltungsspitze klare Vorgaben und Anweisungen, sodass die Mitarbeiter mehr selbst entscheiden und Verantwortung übernehmen können, und zwar mit Rückendeckung der Vorgesetzten, damit Vorgänge auch mal abgeschlossen und Schreibtische leerer werden. Allein durch mehrmalige Ämterumläufe erledigt sich nämlich nichts!

Zum Themenkomplex Wirtschaft und Arbeitsplätze

Die Freien Wähler sehen sich von jeher als die Fürsprecher des wichtigen Mittelstandes, bestehend aus Industrie, Dienstleistern, Gewerbetreibenden, Handwerkern, Angestellten und Arbeitern. Das ist das Rückgrat, das auch in Krisenzeiten unsere Gesellschaft getragen hat und auch heute wieder tragen muss. Diesen Mittelstand müssen wir vor Bandscheibenschäden schützen, damit ein starkes Rückgrat auch in Zukunft die Gesellschaft tragen kann und wir Krisen wie in der Vergangenheit einigermaßen unbeschadet überstehen.

Wir sehen, dass dieses Thema auch im Rathaus angekommen ist, dass die Gewerbesteuereinnahmen durch verschiedene Maßnahmen und Entwicklungen von großen Firmen in Zukunft dramatisch weniger sein werden als zurzeit. Und wir entnehmen der Presse, dass Stuttgart eine Negativbilanz bei Firmenzuzügen gegenüber einer ansonsten prosperierenden Region hat, und jeder weiß bestimmt ein paar Firmennamen, die täglich mehr werden, die über die Gemarkung Stuttgarts in die Region abwandern. Das tut uns allen, und auch unserem Oberbürgermeister, weh. Diese Entwicklung wird sich sehr negativ auf die Handlungsfähigkeit der Stadtgesellschaft auswirken. Und da müssen wir gegensteuern!

Wir vermissen an dieser Stelle Konsequenzen, einen Plan, ein Konzept für die Gestaltung auch der gewerblichen Zukunft. Aus unserer Sicht muss die Stadt mehr Geld in die Hand nehmen, um freiwerdende Gewerbeflächen auf Vorrat zu kaufen, um Firmen mit Expansionswünschen entsprechende Grundstücke anbieten zu können. Und sie muss wieder eine Gewerbeflächenoffensive beginnen, um Gewerbegebiete modernisieren zu können. Weilimdorf wäre ein gutes Beispiel: 20.000 Arbeiter dort. Dort gibt es ein bestehendes, aber in die Jahre gekommenes Gewerbegebiet, das man modernisieren muss, bis hin zu nachgefragten Versorgungsangeboten für die dort Beschäftigten.

Es hilft dem Wirtschafts- und Gewerbesteuerstandort auch nicht, wenn, wie zum letzten Haushalt, dringende Infrastrukturmaßnahmen wie eine überlastete Nord-Süd-Straße mit einem verbesserten Anschluss der Industriegebiete in Vaihingen und Möhringen aus ideologischen Gründen verhindert werden, im Gegenteil, das schadet zukunftswirksam und langfristig allen Stuttgartern und stärkt doch eigentlich nur den Speckgürtel in der Region.

Und wir appellieren nicht zuletzt aus diesem Grund an den Gemeinderat, den Verlockungen einer Gewerbesteuererhöhung nicht zu erliegen. Bis jetzt habe ich das noch in keinem Antrag gesehen, Gott sei Dank, denn wir wollen doch auch nicht die kleinen Unternehmen weiter auspressen, weil es gerade so reinpassen würde. Es sind nämlich die Betriebe, in denen die Mitarbeiter zuletzt 'freigesetzt' werden und bei denen es noch Begriffe wie Fürsorgepflicht und Verantwortungsgefühl gibt. Ohne die Wirtschaftskraft dieser Unternehmen und auch die der dort arbeitenden Bürger gibt es keine Steuereinnahmen, ohne Steuern kein Geld für Bildung und Ausbildung, kein Geld für soziale Projekte, für tolle Kulturevents und neue Sportplätze.

Ich komme jetzt zum Themenkomplex Theaterszene und Kultureinrichtungen.

Selbstverständlich sehen auch die Freien Wähler es gerne, wie im ganzen Land die Qualität und Vielfalt unseres Kulturangebotes gelobt wird und wie viele andere Städte neidvoll auf diesen wesentlichen Standortfaktor blicken. Die Stuttgarter Kulturarbeit belegt nach der Berenbergstudie Platz 1 in Deutschland - das ist beachtenswert. Aber wir werden die vielen Wünsche der Kulturschaffenden eben nicht alle erfüllen können. Viele Forderungen sind zu hinterfragen, ob diese in der jetzigen Finanzsituation notwendig sind, um einen aktuellen Notstand zu beheben.

Wir müssen auch bei einigen Einrichtungen hinterfragen, ob die Eintrittspreise noch angemessen oder nicht zu nieder sind. Wie das sozialverträglich geht, zeigen andere europäische Großstädte. Kultur für alles und alle, für kleines Geld und zu jeder Zeit ist nicht finanzierbar. Die Vielzahl ist sehr groß, das wissen wir, denn auch immer bedeutender wird die Migrationskultur, die wir nicht vergessen dürfen. Und ebenso auch traditionelle Kulturen im Mundartbereich und die ganzen Veranstaltungen in den Stadtbezirken. Das müssen wir immer im Auge behalten. Das Kulturamt hat gut vorbereitet, hat Prioritäten vorgegeben, denen wir mit unseren Anträgen teilweise gerecht werden können, jedoch mit speziellen inhaltlichen Änderungen, wie wir sie für die einzelnen Einrichtungen für richtig ansehen.

Zusammenfassend ist unser Kultur-Kurs vielleicht so zu beschreiben:
- Erhalt der vielfältigen und teils preisgekrönten Kulturszene
- keine Streichungen, aber auch keine Luxuszuschläge
- Personal- und Gebäudenebenkosten werden wir jeweils prüfen.
- Eine Neubewertung mancher Eintrittspreise sollten wir vornehmen.
- Und eine wichtige Anmerkung: Die Ausweitung des Kulturangebots um pädagogische Inhalte stellen wir natürlich auch ein bisschen in die Mitverantwortung des Landes.
- Der Aufnahme neuer Kulturprojekte in die Dauerförderung stehen wir vor dem Hintergrund des erkennbaren Rückgangs der finanziellen Mittel einfach skeptisch gegenüber - wir widerstehen der Versuchung, mehr zu versprechen, als wir werden halten können. Und eine unangemessen ausgebaute Kulturförderung auf der Minusseite des Ergebnishaushalts lehnen wir ab. Wir wollen kein 'heute von wenigen genießen, morgen von vielen anderen bezahlen' fördern.


Noch ein kleiner Beitrag zum Thema Landwirtschaft und Landschaftspflege.

Die allgemein geschätzte hohe Lebensqualität Stuttgarts ist eng verknüpft mit dem für eine Großstadt großen und hohen Anteil an Wald- und Grünflächen sowie landwirtschaftlich genutzten Flächen. Die Pflege und Erhaltung dieser landwirtschaftlichen Flächen muss uns auch einige Euros wert sein. Bei der Bürgerversammlung in Obertürkheim sprach Oberbürgermeister Fritz Kuhn die Förderung der gegenseitigen Rücksichtnahme und die Sensibilisierung der Stadtbevölkerung für die Belange der Landwirtschaft an. Die geringen dafür notwendigen Mittel sollten wir im Haushalt nicht vergessen.

Fazit

Die Haupteinnahmequellen der Stadt werden rückläufig sein. Das steht fest:
- Die Anzahl der Stuttgarter Einwohner wird auch nicht mehr werden.
- Gewerbe- und Einkommensteuerzahlungen werden weniger werden.

Das müssen wir schließlich beachten bei unseren Stapeln von Anträgen und bei den anstehenden Haushaltsberatungen. Wir können es nicht allen und jedem recht machen, das sollte man sich immer wieder ins Gedächtnis rufen. Die Freien Wähler werden gewohnt sachlich, kritisch und unpolemisch die Haushaltsberatungen mitgestalten, und wir freuen uns auf viele Stunden des respektvollen Debattierens zum Wohle aller Stuttgarter Bürger. Und die ausgestreckte Hand einiger Vorredner werden wir Freien Wähler gerne ergreifen.

Ich danke an dieser Stelle schon jetzt dem Sitzungsdienst und denjenigen Mitarbeitern, die die Anträge ins System brachten und ausdruckten, vielleicht auch prospektiv schon den Herrschaften der Küche, die uns gewohnt gut versorgen werden. Ihnen danke ich für Ihr Silencium. Herzlichen Dank."

StR Klingler (FDP):

"Jetzt geht es also richtig los, und Sie werden sehen, dass die FDP nicht mit einem Tunnelblick agieren wird. Zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung, Bürgermeister, Bürgermeisterinnen und natürlich die Stadträte, Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, haben sich zahlreiche Gedanken gemacht, was in den nächsten beiden Jahren unserer Stadt guttun wird.

Zuerst möchte ich allen danken, die dazu beigetragen haben, dass wir auch in den Haushaltsberatungen 2014/2015 genügend Diskussionsthemen und verschiedene Anschauungen haben, um kurz vor Weihnachten am Ende einen vernünftigen Mix als Ergebnis zu bekommen. Die Ausgangslage für die nun anstehenden und sehr anstrengenden Beratungen zum städtischen Doppelhaushalt ist alles andere als einfach. Auf der einen Seite haben wir einen Haushaltsplan mit harten Zahlen und Fakten, auf der anderen Seite Wünsche und Projekte der Bürgerschaft. Nun gilt es für uns, abzuwägen zwischen Wünschenswertem und wirklich Realisierbarem. Und dem, was jede Fraktion gern im Haushalt als ihre Linie sehen möchte.



Es ist schön, dass die größte Fraktion sich dieses Mal das Ziel gesetzt hat, dass jede Fraktion sich am Ende wiederfinden soll. Dies schürt bei mir die berechtigte Hoffnung, dass auch meine Fraktion dieses Mal dem Haushalt zustimmen kann. Aber da gilt für mich wie so oft: An ihren Taten sollt ihr sie messen. Wir werden offen in die Beratung gehen, wissen uns und die Verantwortung für die Landeshauptstadt einzuschätzen, werden dann abwägen, wie viel liberale Essenz im Großen und Ganzen stecken soll. Und dann schau'n wir mal.

Leider hat die Verwaltungsspitze die Spielwiese des Gemeinderats von einem großen Feld zu einem Bolzplatz gestutzt. Aus Sicht des Finanzbürgermeisters äußerst legitim, doch gerade deswegen gibt es verschiedene Denkansätze. Und da, sehr geehrter Herr Föll, bietet der Blickwinkel von der harten Stadtratsbank oftmals eine andere Perspektive. Aber das brauche ich Ihnen ja nicht zu sagen, Sie kennen glücklicherweise beide Perspektiven und ich weiß, dass Sie dies auch stets im Auge haben werden.

Meine Damen und meine Herren, wir Liberalen haben im Vorfeld dieser Haushaltsberatungen einen anderen Weg eingeschlagen. Wir wollen nicht mehr zusehen, wie die Finanzsituation unserer Stadt schlechtgerechnet wird, denn nach intensivem Kassensturz sehen wir eine Finanzsituation, mit der man auch durchaus gestalten kann. Ich verstehe auch die Horrorszenarien, dass wir in die Situation geraten, dass der Haushalt nicht mehr genehmigungsfähig werden könnte, nicht. Es gibt im Haushalt zahlreiche Rücklagen, Wahlrückstellungen, die überdenkenswert sind und auch aufgelöst werden können. Wir haben Vorschläge in Höhe von 126,5 Mio. € gemacht, die man durchaus in den Investitionshaushalt aufnehmen kann.

Es macht aus unserer Sicht auch keinen Sinn, so zu agieren, wie es die Finanzplanung vorsieht, nämlich zum einen Kredite in Anspruch zu nehmen und zum anderen die Ergebnisrücklage permanent nach oben zu fahren. Die Erfahrungen der Vergangenheit untermauern auch nicht, dass die Planungen eintreffen werden. Sie haben auch nie die Einschüchterungen des Finanzbürgermeisters gerechtfertigt. Wir sind uns sicher, dass wir in der jetzigen Situation in einigen Bereichen investieren können, ja sogar müssen, um negative Folgen zu verhindern. Dies alles unter der Mäßigung, keine weiteren Schulden machen zu wollen. Denn jeder bezahlte Euro an Zinsen könnte anderweitig besser ausgegeben werden. Schließlich stehen wir mit unserem heutigen Handeln in der Schuld unserer Kinder und auch der zukünftigen Generationen.

Wichtig für die Arbeit der FDP-Fraktion ist, alle Interessen von Bürgerinnen und Bürgern und der Wirtschaft ernst zu nehmen, insbesondere die des Mittelstandes. Wir sind täglich von A wie Asemwald bis Z wie Zuffenhausen unterwegs und haben für alle Bereiche und alle Menschen in ganz Stuttgart etwas im Programm. Wir vergessen auch keinen der 23 Stadtbezirke und sind deshalb auch verwundert, dass die Innenstadtpartei der GRÜNEN wieder mal die Brötchentaste abschaffen will - ein stetiger Versuch seit Jahren, ein Standortnachteil für die Läden in den Stadtbezirken.





Aus zahlreichen Gesprächen über Zukunftsthemen Stuttgarts resultieren unsere 112 Anträge, bei denen die Menschen, die in unserer schönen Stadt leben und arbeiten, im Mittelpunkt unseres Handelns stehen. Deswegen haben wir das Projekt GMV gestartet. GMV steht für 'gesunder Menschenverstand', der leider in der Politik immer weniger eingesetzt wird. Um hier Plagiatsvorwürfen gleich entgegenzuwirken: Es war kürzlich bei einem Vortrag, als dies Pfarrer Heinz Gerstlauer so sagte, und da dachte ich, der Mann hat recht. Man übernimmt ja auch gerne gute Dinge.

Wir, die FDP, stehen für die Stärkung des Mittelstandes und bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen, denn der 'Mittelstand hält's Volk zusammen'. Mittelstand sind für uns die Familien, Geschäfte, Handwerker und Selbstständigen. Also Menschen und Unternehmen, die in unserer Stadt sesshaft sind, hier leben wollen und investieren wollen. Wir Liberalen treten stets für einen freien Geist und eine bürgerliche Politik in Stuttgart ein. Die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt stehen dabei traditionell im Zentrum dieser liberalen Politik. Nur gemeinsam können wir alle aktuellen und langfristigen Probleme angehen und nachhaltig lösen. Stuttgart ist so das geworden, was es ist, eine lebenswerte und eine liebenswerte Stadt, traditionell verwurzelt und weltoffen zugleich, wirtschaftlich und kulturell erfolgreich.

Die Wirtschaft gilt für uns dabei als zentraler Punkt, denn eine gesunde Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne eine gesunde Wirtschaft ist alles nichts. Deshalb brauchen wir auch eine Ausdehnung des Bereichs Wirtschaftsförderung. Wir wollen dort, wie schon bei den letzten Haushaltsberatungen, drei weitere Stellen schaffen, um näher bei den Unternehmen und Unternehmern dran zu sein. Denn es kehren momentan viel zu viele Firmen Stuttgart den Rücken, Arbeitsplätze wandern ab, sämtliche negativen Bedingungen kehren damit ein.

Wir wollen auch vor allem den inhabergeführten Einzelhandelsgeschäften bessere Rahmenbedingungen schaffen. Denn wer ist es denn vor Ort, wer macht auch vor Ort sehr viele soziale Aufgaben? Zu wem gehen denn die Sportvereine, die Schulen, die Kindertagesstätten, wenn es um Tombolas geht, wenn man Preise braucht, wenn man einen Trikotsatz braucht? Es sind die inhabergeführten Geschäfte. Dort treffen sie jemanden an, dort gehen sie in ein Geschäft und werden nicht vertröstet, man soll eine Zentrale in wer weiß wo anschreiben, sondern das ist etwas, wo die Leute wirklich sehr viel machen. Hier brauchen wir eine bessere Unterstützung. Und dafür werden wir uns permanent einsetzen.

Wir brauchen in diesem Punkt auch ein einfacheres Verfahren für Genehmigungen, beispielsweise für Straßennutzungen. Es kann doch auch nicht sein, dass jedes Jahr im Frühjahr jemand, der eine Außengastronomie betreibt, obwohl sich nichts ändert - gleicher Ort, gleiche Lage, gleicher Besitzer, man kennt jeden, alles das Gleiche - die Genehmigung neu beantragen muss. Es wäre für die Verwaltung viel einfacher, man macht das wie eine Steuer. Man schreibt einen Gebührenbescheid aus, einen Steuerbescheid, in dem Fall einen Gebührenbescheid im März, es wird abgebucht. Und dann ist es in Ordnung. Die Leute haben Planungssicherheit und bekommen nicht erst kurz vor der Saison ihre Genehmigung.




Wir brauchen auch ein Gewerbeflächenmanagement. Das merken wir immer mehr. Hier ist die Stadt gefordert. Man muss sich überlegen, inwiefern die Stadt dort als Makler eingreifen kann, um hier ein Angebot für die Firmen anzubieten.

Die Fraktion der FDP ist natürlich auch Kompromisse eingegangen dahingehend, dass wir auf das eine oder andere Projekt verzichten müssen, auch wenn dies schweren Herzens geschieht. Wenn Sie die von uns vorgelegten Anträge nun betrachten, werden Sie aber erkennen, dass von Groß bis Klein für jeden etwas dabei ist. 'Die in der großen Politik oft als klein empfundenen Dinge sind nämlich zusammengezählt die großen Sorgen der großen Mehrzahl der Menschen'. Diesem Aus- und Anspruch des ersten Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und wahrem Graswurzeldemokraten Reinhold Maier verpflichtet, sind die Liberalen im Rathaus bei ihren Beratungen für den Doppelhaushalt 2014/2015 gefolgt.

Wir verzichten dabei auf Allgemeinplätze. Wichtig ist uns bei unserer Haushaltspolitik, dass den Bürgerinnen und Bürgern keine zusätzlichen Steuer- und Gebührenerhöhungen entstehen. Der Standort Stuttgart darf nicht weiter belastet werden, sondern im Gegenteil, wir setzen uns für eine Stärkung des Wirtschafts-, Wohn- und Lebensstandorts Stuttgart ein. Deswegen erteilen wir dem Gedanken mancher hier im Raum, die Gewerbesteuer zu erhöhen, eine klare Absage.

Auch die Einführung der City-Maut würde den Einzelhandel sowie sämtliche Einrichtungen und Freiberufler in der Innenstadt weiter schwächen. Weitere Standortnachteile durch weiteres Erhöhen der Parkgebühren oder die voranschreitende Reduzierung der Parkplätze schwächen den Einkaufs- und Kulturstandort Stuttgart. Also Finger weg von solchen kontraproduktiven Maßnahmen.

Auch die nun nicht mehr gerechtfertigte Grundsteuererhöhung, gegen die wir immer waren, die wir vor zwei Jahren zurückdrehen wollten, muss nun endlich zurückgenommen werden. Wir stehen hier im Wort bei unseren Stuttgarterinnen und Stuttgartern. Die Erhöhung wurde 2009 mit der Haushaltskonsolidierung begründet. Der Blick in die Zahlen unseres Haushalts zeigt: eine Maßnahme, die so nicht mehr sein muss. Die Rücknahme auf das Niveau von vor vier Jahren bringt jeder Stuttgarterin und jedem Stuttgarter etwas. Alle haben dadurch mehr Geld zur Verfügung. Das ist Gerechtigkeit. Schade, dass wir vor kurzem im Verwaltungsausschuss diesbezüglich keine Mitstreiter gewinnen konnten, dass niemand an die Senkung dieser Steuer heran wollte. Ich bin nun nur gespannt, wie die Fraktionen, die den Bürgerhaushalt stets für sich reklamieren, jetzt den Menschen erklären, dass der Platz 2 des Bürgerhaushalts, nämlich die Grundsteuersenkung, von ihnen nicht angegangen werden soll.

Die CDU hat nun erfreulicherweise das Thema aufgegriffen. Ob die sogenannte 'intelligente Grundsteuer' aber wirklich ein intelligenter und vor allem umsetzbarer Weg ist, scheint äußerst unwahrscheinlich. Denn die Grundsteuer ist ein einfacher und effektiver Bereich, die wir nun senken, um bei Bedarf den Hebesatz noch einmal anzuschauen. Wir haben genau deswegen dort eine variable Größe, je nach Haushaltslage.


Aber bei der Mehrheit will man an diese Sache nicht heran. So ist es mit eingeführten Steuern. Steuern, die nach oben geschraubt werden, und als ich meine Haushaltsrede schrieb, musste ich dabei geschichtsmäßig an das Jahr 1902 denken, als unser Kaiser Wilhelm II. die Schaumweinsteuer eingeführt hat. Begründet wurde dies mit der Finanzierung des Kaiser-Wilhelm-Kanals und der kaiserlichen Kriegsflotte. Die kaiserliche Kriegsflotte ist Geschichte, die Schaumweinsteuer treibt immer noch durch die Fiskalwelt.

Meine Damen und meine Herren, großen Dank verdienen die Menschen, die sich ehrenamtlich für ihre Mitmenschen engagieren. Dies erfolgt in verschiedenen Bereichen Stuttgarts. Ohne dieses Engagement wäre unsere Stadt deutlich weniger lebenswert. Dieses verdient höchsten Respekt und Anerkennung. Wir dürfen nicht auf die Idee kommen, Aufgaben, die von Hauptamtlichen erfüllt werden müssen, auf Ehrenamtliche zu übertragen. Wir dürfen nicht befeuern, dass die Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen sich als Konkurrenz sehen und sich womöglich noch behindern oder die Hauptamtlichen aus Angst vor Kompetenzverlust gar mauern. Es muss ein Miteinander sein, in dem die Hauptamtlichen durch die Ehrenamtlichen sogar aufgewertet werden.

Auch deswegen haben wir viele Anträge im Bereich Sport gestellt. Viele Mitbürger leisten täglich im Bereich Sport im Ehrenamt hervorragende Arbeit. Deswegen meinen wir, dass wir für dieses Engagement beste Rahmenbedingungen schaffen sollten. Nachdem wohl fast alle in diesem Raum den Sanierungsstau bei Schulen erkannt haben, fordere ich Sie auf, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei den Sportanlagen nicht die Augen zu verschließen. Deswegen wollen wir zahlreiche Tennenplätze in Kunstrasenplätze umwandeln, um hier beste Rahmenbedingungen vor allem auch für unsere Kinder zu schaffen.

Wir setzen uns aber auch für bessere Bedingungen in anderen Ehrenämtern ein, beispielsweise beim StadtSeniorenRat oder der Katzenhilfe oder zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements. Wir wollen auch die Arbeit der Chöre, Musik- und Karnevalsvereine vorantreiben, die Mundarttheater verbessern sowie das Vorleseprojekt Leseohren unterstützen.

Bei allem unserem Denken im Gemeinderat ist soziale Gerechtigkeit ein sehr wichtiger Bestandteil unseres Handelns. Sozial heißt für uns, die Schwachen in einer Gesellschaft mitzutragen in dem Maße, dass sie ein Leben in Würde und in eigener Verantwortung gestalten können. Hilfe zur Selbsthilfe ist damit gefragt. Hilfe zum Leben und diese Unterstützung ist an sich die vornehmste Aufgabe einer Gesellschaft. Nur dann, wenn alle ein Auskommen haben, von dem sie auch wirklich leben können, wird eine Gesellschaft in Frieden leben und auch überleben können. Dies kommt der ganzen Gesellschaft zugute. Ausgrenzung oder gar Bevormundung von Mitbürgerinnen und Mitbürgern wird immer auf lange Sicht Unfrieden und damit Schwächung der Arbeits- und Wirtschaftskraft erzeugen. Es gilt also hier, vorrangig zu investieren in Unterstützungsmaßnahmen, die Schwächen ausgleichen helfen oder flankierend dort Kraft zu geben, wo sie warum auch immer fehlt. Niemand ist übrigens davor geschützt, in eine Situation zu kommen, in der er oder sie ohne Unterstützung anderer nicht weiterkommt.

Es ist also ein wohl investiertes Geld, das wir in solche Hilfsmaßnahmen geben. Und ein Schwerpunkt im Haushalt muss zum Erhalt des sozialen Friedens als Priorität solche Maßnahmen haben.

Unsere Sozialbürgermeisterin hat in diesem Bereich sehr gute Anträge bereits aufnehmen lassen. Einzelne Verbesserungen in diesem Bereich schaden natürlich nicht, wir wollen beispielsweise das Haus der Jugend in Botnang und Sillenbuch verbessern oder das Zentrum für interkulturelle Mädchen- und Frauenarbeit.

Unter dem Motto, den Wirtschafts- und Lebensstandort Stuttgart weiter voranzubringen, stehen unsere 112 Haushaltsanträge. Wir wollen nicht nur Geld ausgeben, sondern auch einsparen. Allein 67 Mio. € wollen wir dadurch gewinnen, dass wir Verwaltungsvorschläge streichen, so u. a. den Neubau der Rathausgarage. Wie wir nun durch zahlreiches Nachfragen letzte Woche erfahren haben, ist die Rathausgarage mit Abstand die Tiefgarage mit der höchsten Auslastungsquote in der Innenstadt. Diese liegt bei ca. 95 %. Für ein offenes Rathaus mit sehr vielen Veranstaltungen sowie die Veranstaltungen auf dem Marktplatz ist die Rathausgarage dort enorm wichtig. Und es sei noch einmal betont, schließlich ist und bleibt der Kofferraum der größte Einkaufskorb der Menschen. Oder warum werben große Einkaufszentren kurz vor den Toren Stuttgarts mit Hunderten von kostenlosen Parkplätzen? Die wissen doch auch, was sie tun.

Wir sind natürlich uns im Klaren darüber, dass wir bei der Rathausgarage sanieren müssen. Wir wollen eine Aufwertung des ganzen Komplexes dort. Wir sind aber der Meinung, anstatt 40 Mio. € zu investieren, sanieren wir mit 6 Mio. €. Dort haben wir eine zukunftsfähige Sache dann, und wir garantieren die Parkplätze. Wir wollen nicht sämtliche öffentlichen Parkplätze streichen, was bei dem angedachten Projekt ja ehrlicherweise so wäre.

Es wurden vorher zum Thema Jobticket die CDU, die FW, die FDP als die ewigen Autofahrerfraktionen bezeichnet. Es geht doch gar nicht darum, das eine gegen das andere auszuspielen, sondern es geht darum, Konzepte zu entwickeln, die sozial gerecht sind. Und nicht nur eine Zielgruppe hier zu bevorzugen. Oder wie wollen Sie erklären, dass Mitarbeiter der Stadt Stuttgart, die hier einen wunderbaren Job machen, die gutes Geld verdienen, wie die mehr Unterstützung bekommen und erheblich weniger bezahlen, als Leute fürs Scool-Abo oder fürs Seniorenticket. Das werden wir nicht mittragen. Das ist sozial ungerecht. Und da muss ich sagen, einfach die Sache noch mal überdenken, bitteschön.

Ein wichtiger Standortfaktor ist für uns die Sicherheit. Ein sicheres Stuttgart ist ein Standortfaktor, warum die Leute sich wohlfühlen. Dies wird auch täglich durch unser sehr gut funktionierendes Feuerwehrwesen garantiert. Deswegen haben wir Anträge zu den Feuerwachen 3 und 5 gestellt, die Feuerwehrhäuser in Hedelfingen und Münster müssen angegangen werden. Wir hoffen, dass sich dort Mehrheiten bieten.

Ein wichtiger Faktor ist für uns aber auch, dass in bestehenden Feuerwehrhäusern die Absauganlagen für die Dieselemissionen nachgerüstet werden.


Da haben wir schon einen Antrag gestellt, aber wir müssen jetzt schauen, wie es weitergeht, ob wir dort jetzt endlich eine Mehrheit hinbekommen werden.

Thema Straßen. Jedes Jahr im Frühjahr, wenn ich in irgendeinem der Bezirksbeiräte bin, wird überall, über alle Fraktionsgrenzen hinweg, gejammert, wie schlecht denn die Straßen in den Stadtbezirken sind. Es sind sich alle einig in den Bezirken, man muss da mehr tun, man muss alles besser machen. Deswegen sind wir der Meinung, wir müssen es jetzt angehen. Wir müssen auch nicht alibihalber irgendetwas machen, sondern wir müssen etwas machen, dass unsere Straßen nicht in ein paar Jahren in einem Zustand sind, dass wir viel, viel mehr Geld in die Hand nehmen müssen. Für eine Erhöhung, die beim letzten Haushalt mit der SPD um 3 Mio. € funktioniert hätte, gab es keine Mehrheit. Vielleicht schaffen wir es ja diesmal, den Betrag um 4 Mio. € auf 12 Mio. € zu erhöhen. Wenn man es sich richtig durchrechnet, bräuchten wir eigentlich 16 Mio. €, um zukunftsfähig zu sein. Vielleicht kann man sich dort irgendwo in der Mitte bei 12 Mio. € einigen.

Es gibt aber auch zahlreiche weiche Standortfaktoren der Stadt Stuttgart, vor allem aus dem Bereich Kunst und Kultur, die man auch als Personalmaßnahme sehen kann, die vielleicht Leute dazu bewegen, nach Stuttgart zu ziehen, in Stuttgart ihren Arbeitsplatz zu suchen, da wir dringend Fachkräfte benötigen. Deswegen wollen wir im Bereich Kunst und Kultur auch einiges voranbringen, sei es die Rosenau, die eine wichtige Arbeit für den Standort leistet, das Schriftstellerhaus sowie den Film- und Medienstandort generell stärken durch verschiedene flankierende Maßnahmen.

Aber auch eigentlich Geklärtes, jedoch nicht Aufgenommenes, wie z. B. die Unterstützung des Tierheims, haben wir lieber mal beantragt. Man hat zwar gelesen, dass es jetzt gerettet ist, wir haben es mit Verwunderung aber nirgends gesehen. Und nicht dass das Tierheim dann hinten runter fällt, weil kein Geld dafür da ist. Der Antrag ist deswegen von uns lieber mal gestellt worden.

Beim Ausbau der Kinderbetreuung, der Sanierung der Schulen wurden fraktionsübergreifend Fahrpläne erstellt. Dort ist ganz klar, dass wir natürlich auch dabei sind. Das ist auch ein ganz wichtiger Standortfaktor. Da muss ich einfach sagen, da gehe ich ins Detail jetzt nicht ein. Wir tragen die allgemeine Linie des Gremiums natürlich mit.

Meine Damen und Herren, vieles ist heute schon erläutert worden, und es ist schwierig, wenn man als fünfter Redner das Wort erteilt bekommt, die Zuhörer nicht mit längst Gesagtem zu behelligen. Deshalb komme ich nun zum letzten Teil meiner Rede. Unser Ziel ist es, mit Engagement die Erfolgsgeschichte Stuttgarts um weitere Kapitel zu bereichern und dafür Sorge zu tragen, dass die Landeshauptstadt auch in Zukunft erstklassig bei Lebens- und Wohnqualität sowie bei Bildungs- und Arbeitschancen bleibt. Wir gehen in die Haushaltsberatungen mit dem Ziel, gemeinsam mit den anderen Fraktionen einen Haushalt aufzustellen, dem wir dann auch zustimmen können. Ich bin mir auch bewusst, wer die Richtung vorgeben wird. Es muss jedoch auch Platz sein für unsere Themen. Und bei der Breite unserer Anträge bin ich zuversichtlich, dass wir unserer Position entsprechend Platz im neuen Haushalt finden werden. Das Neue kommt, das Gute bleibt, packen wir es an. Vielen Dank. Auf schöne, interessante Haushaltsberatungen."

StR Adler (SÖS und LINKE):

"Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, ich will versuchen, Sie nicht mit schon häufig Wiederholtem zu behelligen. Ich will, und das dauert immer etwas länger, einen kurzen Blick zurück nach vorn wagen, und meine Kollegin Küstler hat vor zwei Jahren an dieser Stelle ihre Haushaltsrede damit begonnen: 'Wir machen Kommunalpolitik in einer unruhigen Welt. Es brennt nicht nur weit weg, es brennt auch in Europa. Ungerechtigkeit und politische Unterdrückung erzeugen Widerstand.' Und wir stellen heute fest, zwei Jahre später, die Zeiten sind nicht ruhiger geworden. Ganz im Gegenteil. Nur was den Widerstand angeht, sage ich dazu: Und das ist auch gut so.

Vom seinerzeit formulierten Ziel, die Stadt für alle zu schaffen, sind wir fast so weit entfernt wie damals. In vielen Bereichen haben sich die Fehlentwicklungen sogar noch verschärft, wie z. B. im Gesundheitswesen. Da werde ich später noch mal darauf zurückkommen. Die Schere zwischen dem, was die große Mehrheit der Stuttgarter braucht, und was tatsächlich Realität wird, hat sich nicht verkleinert, sondern sie hat sich vergrößert. Statt einer Stadt für alle, die sozialen Ausgleich als Grundlage einer lebenswerten Gesellschaft bräuchte, erleben wir vor allem für die weniger begüterten Stuttgarter eine Stadt, in der sie z. B. keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden und aus ihren Vierteln verdrängt werden, um Platz zu machen für renditeträchtigere Projekte von Investoren.

Meine Damen und Herren, die Fraktionsgemeinschaft SÖS und LINKE legt keinen gesteigerten Wert auf gehobene Haushaltslyrik, denn die wird schon am Ende des Tages nur Schall und Rauch sein. Sie verbessert auch nichts für die Stuttgarterinnen und Stuttgarter. Und Rauch und Schall bekommen sie ja ohnehin schon mehr als genug und als ihnen zuträglich ist.

Was in Stuttgart gebraucht wird, sind Strategien und wirksame Konzepte, die sich tatsächlich orientieren daran, was die Lebensbedürfnisse der Menschen sind. Mit unseren Leitanträgen und Einzelanträgen leisten wir unseren Beitrag, die lebenswerte, soziale und ökologische Stadt Stuttgart für alle zu denken und dem Gemeinderat dafür konkrete Schritte zur Beschlussfassung vorzulegen. So sind wir z. B. in der Wohnungspolitik völlig einverstanden mit Ivo Gönner, dem Ulmer OB, die Kolleginnen und Kollegen in der SPD, die Stuttgart 21-Fans sind, wird es überraschen, aber der Herr Gönner sagte dieser Tage auf einer Konferenz: 'Die Städte müssen rigoros in die Grundstückspolitik eingreifen.'

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, genau daran kommt man nicht vorbei, wenn man ernsthaft etwas dagegen unternehmen will, dass sich immer mehr Bürgerinnen und Bürger das Wohnen in der Stadt kaum mehr leisten können, weil die Miete inzwischen oft 50 % und mehr des verfügbaren Haushaltseinkommens frisst und nach Neuvermietung Mieten um 50 % steigen. Und weil die Stadtentwicklungspolitik den Großinvestoren und der Bodenspekulation in der Vergangenheit keine Grenzen gesetzt, sondern eher Vorschub geleistet hat.




Der in der Stuttgarter Zeitung zitierten Kritik des Mietervereins, dass die vom Herrn Oberbürgermeister als Chefsache bisher vorgelegten Pläne mit 200 Sozialwohnungen in 2014 und 300 in 2015 blamabel seien, kann man nicht wirklich widersprechen, wenn über 3.300 dringend wohnungssuchend Vorgemerkte nicht versorgt werden können. Wir beantragen deshalb ein städtisches Wohnungsbauprogramm, mit dem 500 städtische Wohnungen pro Jahr geschaffen werden, plus ein Paket von Einzelmaßnahmen von der Leerstandsabgabe über Zweckentfremdungsverbote bis zu Mieterhöhungsgrenzen. Aber ich wiederhole: 'Die Städte müssen rigoros in die Grundstückspolitik eingreifen', wenn die falsche Richtung in der Stadtentwicklung und Wohnungspolitik geändert werden soll. Dann muss eben auch strukturell eingegriffen werden, um Grenzen setzen zu können auf einem Markt, der hier ganz klar beweist, dass er überhaupt nichts richtet. Zumindest für die Bedürfnisse der Masse der Stuttgarterinnen und Stuttgarter.

Und zum strukturellen Eingreifen wollen wir einen kommunalen Bodenfonds gründen zur strategischen Bodenbevorratung bei der Stadt; für den die Stadt geeignete Grundstücke kauft, grundsätzlich keine Grundstücke mehr verkauft, sondern nur noch in Erbbau vergibt, um Wohnraum mit Belegungsbindung zu schaffen. Und wir wollen auch, dass die SWSG, ein großer Akteur auf dem Stuttgarter Mietwohnungsmarkt, wieder zurück unter die direkte Kontrolle des Gemeinderats geholt wird in ein städtisches Amt für Wohnungswesen. Die SWSG ist zwar eine 100%ige städtische Tochter, in ihrer heutigen Rechtsform hindert sie dies aber nicht im Mindesten daran, sich ihrer Kernaufgabe zu entziehen, nämlich günstigen Wohnraum bereitzustellen, weil nämlich am Wohnungsmarkt heute höhere Renditen erzielbar sind. Deshalb muss die SWSG GmbH wieder zurück ins Amt.

Und zusätzlich schlagen wir vor, dass beim Oberbürgermeister für die Chefsache Wohnungsbau eine Stabsstelle eingerichtet wird, eine Stabsstelle zur wohnraumpolitischen Leitung und Koordination der Ämter inklusive der von uns geforderten Bodenpolitik, damit Wohnungspolitik in der Stadt endlich wieder das wird, was sie heute schon sein sollte: Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge.

Meine Damen und Herren, die Gesundheitsversorgung ist ein ebenso wichtiger Bestandteil öffentlicher Daseinsvorsorge. Die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, hat ja mit ihrer Definition, dass Gesundheit ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit ist, einen Maßstab geliefert. Gemessen mit diesem Maßstab haben wir in allzu vielen Bereichen unserer ja insgesamt reichen Gesellschaft einen eher ungesunden Zustand. Und das stimmt auch leider für die Kliniken. Wenn Krankenhäuser nämlich heute Schlagzeilen machen, dann nicht mehr wegen bahnbrechender Leistungen, sondern wegen Keimen oder Stationsschließungen. Das ist Ergebnis einer bewusst politisch betriebenen Ökonomisierung des Gesundheitswesens, das Marktmechanismen unterworfen wird, die Patienten zu Kunden macht, ökonomisches Kalkül in die Behandlung und die Arzt-Patienten-Beziehung implantiert.




In den Kliniken ist dafür die Unterfinanzierung einer der Hebel. Die Bundesländer, leider auch Baden-Württemberg, auch nach dem Regierungswechsel, kommen ihren gesetzlichen Verpflichtungen, die Krankenhausinvestitionen zu bezahlen, nicht oder nur ungenügend nach. Und 2004 wurde mit dem Fallpauschalensystem ein System zur Vergütung von Krankenhausleistungen eingeführt, das weder die tatsächlichen Kosten abdeckt noch den realen Personalbedarf abbildet. Mangels gesetzlicher Vorgaben zur Personalbedarfsermittlung wird dann viel zu wenig Personal eingesetzt, die Überlastung des Personals zum Dauerzustand. Unser Olgahospital ist ein Paradebeispiel für kinder- und jugendmedizinische Leistungen auf allerhöchstem Niveau, die mit den Fallpauschalen, den DRGs, nicht finanziert sind und jährlich Defizite in Millionenhöhe erzeugen und in der Konsequenz das Personal derart überlasten, dass massive Absetzbewegungen zu befürchten sind. Dass die Zitrone Personal ausgepresst sei, ist schon in den Haushaltsberatungen 2011 eingeräumt worden. Aber ohne Konsequenzen. Ohne spürbare Entlastungen für die Kolleginnen und Kollegen im Katharinenhospital, im Bürgerhospital, im Krankenhaus Bad Cannstatt und im Olgahospital.

Wir brauchen also dringend ein Instrumentarium, mit dem das notwendige Personal ermittelt wird. Solche Instrumente gibt es. Deshalb beantragen wir, dass sie künftig am Klinikum auch eingesetzt und weiterentwickelt werden und dass die bisher vom DRG-System verschont gebliebenen Psychiatrien auch weiterhin davon verschont bleiben. Dazu entnehmen Sie bitte Details unseren Anträgen.

Meine Damen und Herren, für uns steht eines überhaupt nicht zur Debatte, und das wäre, dass man als Ausweg aus der Finanzierungsmisere das Leistungsangebot des Olgäle einschränkt. Das ist nicht nur ethisch völlig unvertretbar, sondern würde auch eine rufschädigende Spirale nach unten für das komplette Klinikum einleiten, alles verschlechtern, aber überhaupt nichts verbessern. Wir beantragen deshalb für das Olgahospital einen Zuschuss von 5 Mio. € pro Jahr zum Ausgleich für die Nachteile.

Die Personalmisere in den Gesundheitsdiensten setzt sich fort in unserem Gesundheitsamt. Der Personalstand ist in über zehn Jahren von 300 auf etwa 160 geschrumpft worden. Allerdings nicht gesundgeschrumpft, sondern eher in sogenannten Haushaltskonsolidierungen amputiert, wie in so vielen Ämtern und Eigenbetrieben - für die steht das Gesundheitsamt hier stellvertretend. Dem amputierten Gesundheitsamt hat der Gesetzgeber aber in der Zwischenzeit, wie vielen anderen Ämtern auch, ständig neue Pflichtaufgaben zugewiesen, Pflichtaufgaben von der Trinkwasserverordnung bis zum Krebsregister.

Aber die Verwaltungsspitze, meine Damen und Herren, stellt sich bisher taub und blind und will die dafür notwendigen Stellen nicht schaffen. Sie meint offenbar ernsthaft, das zusätzlich noch draufpacken zu können. Aber das kann nicht funktionieren, weil bekanntlich ausgepresste Zitronen auch durch weiteres Pressen nicht mehr hergeben, sondern einfach kaputtgehen. SÖS und LINKE unterstützen deshalb die von den Personalräten als unverzichtbar begründeten Stellenanträge, weil wir für die Bürger dieser Stadt funktionierenden Service in funktionierenden Ämtern und städtischen Betrieben wollen.


Meine Damen und Herren, die Klimaveränderungen mit Extremwetterlagen gehen nahezu ungebremst weiter. Auch Stuttgart hat laut Klimaschutzbericht seine Klimaschutzziele bislang deutlich verfehlt mit absehbar hochproblematischen Folgen, wie z. B. der Hitze für die Stadtbevölkerung in den Kessellagen. Das weiß die Wissenschaft, das wissen auch die zuständigen Ämter. Mit ihren viel zu kleinen Personalressourcen und gemessen an den Folgen viel zu geringen Mitteln versuchen sie, dagegen Konzepte zu entwickeln, die aber auch wiederum nur zum Teil umgesetzt werden. Wie das Konzept Stadt mit Energieeffizienz (SEE). Wir sagen, die noch ausstehenden 24 Maßnahmen des SEE müssen jetzt dringend angeschoben, im Doppelhaushalt eingestellt und darüber hinaus finanziert werden. Stuttgart braucht jetzt zügig ausgearbeitete Anpassungsstrategien an die absehbaren Klimaänderungen, in einer lokalen Klimaschutzsatzung verabschiedet, die den Weg zu einer Energieversorgung ohne fossile Energieträger im Stadtgebiet verbindlich festlegt, denn die liegt im Stadtgebiet 7 Jahre nach dem ersten Klimabericht bei der UNO noch immer bei unter 1 %, was kein Ruhmesblatt ist. Auch das muss sich rasch ändern, die Zeit läuft uns hier davon in Richtung irreversibler Klimakipppunkte, auch wenn es viele immer noch nicht wahr haben wollen, weil das nicht jeden Tag ins Auge springt.

Eines der zentralen Projekte für diesen ökologischen Umbau sind die Stadtwerke mit 100 % Wasser, Strom und Gas in öffentlicher Hand. Aber statt einer Stadt für alle, die den richtigen Ansatz Stadtwerke mit 100 % Wasser, Gas und Strom in öffentlicher Hand konsequent verfolgt und mit Nachdruck umsetzt, werden hier unter Ausschluss der Öffentlichkeit fragwürdige Weichen gegen dieses Ziel gestellt. Von derselben Koalition, die nach wie vor faktenblind am Projekt Stuttgart 21 festhält. SÖS und LINKE wollen dagegen Stadtwerke mit Wasser, Strom und Gas zu 100 % in öffentlicher Hand. Und wir wollen diese Stadtwerke auch zu einem innovativen Energiedienstleister machen, der in Kooperation mit dem Energieberatungszentrum Stuttgart, dem Umweltamt, dem Stadtplanungsamt ein eigenes Geschäftsfeld für Energie- und Wärmecontracting entwickelt, mit dem z. B. die 7,5 Mio. m² geeigneter Dachflächen stärker für Energie- und Wärmegewinnung genutzt werden könnten. Das alles kann nur gelingen, wenn die Stadtwerke von den Stuttgarter/-innen als ihr Projekt, ihr Energieversorger angenommen werden. Deshalb soll auch ein Energiebeirat geschaffen werden mit Verbraucherschutzorganisationen, Mieterverein, Wissenschaft und Initiativen, die die weitere Ausgestaltung der Stadtwerke fachlich und aus Verbrauchersicht begleiten sollen.

Entscheidend ist auch, dass sie tatsächlich Stadtwerke für alle werden, die Menschen auch in schwierigen finanziellen Situationen mit Strom für ein gutes Leben versorgen. Wir wollen deshalb, dass für alle Stuttgarter Haushalte mit Bonuscard ein Sozialtarif für Strom und Gas eingeführt wird. Strom- und Gassperren bei Kunden der SWS-Vertriebsgesellschaft wollen wir grundsätzlich ausgeschlossen wissen.

Meine Damen und Herren, die Landeshauptstadt ist ja auch Feinstaub-Hauptstadt. Und der motorisierte Individualverkehr ist eine wesentliche Ursache dafür. Stuttgart ist auch Stauhauptstadt, unbestritten, und ironischerweise wird alles, was die Stuttgart 21-Befürworter unter Ihnen Baufortschritt nennen, das alles noch verschärfen - und das entlang der Hauptschlagader.

Herr Oberbürgermeister Kuhn hat mehrmals angekündigt, dass da Konzepte her müssen, dringend, weil diese Stuttgarter Spitzenposition bei Stau und Feinstaub nicht länger hinnehmbar ist. Da unterscheidet er sich positiv von seinem Vorgänger, aber auch hier stellen wir fest, von einer Stadt für alle sind wir meilenweit entfernt, denn Feinstaub und Belastungen durch Pkw- und Lkw-Verkehr sind auch ein soziales Thema. Die gesundheitlichen Folgeschäden sind nicht gleichmäßig verteilt. Um die am höchsten belasteten Strecken in der Stadt wohnen halt die Haushalte mit den eher kleinen Einkommen.

Wir sehen auch bei den bisher vorgelegten Vorstellungen des Oberbürgermeisters eine aufklaffende Schere, eine Schere im Kopf. Denn wer hier etwas substanziell ändern will, darf Veränderungen nicht nur in Trippelschritten angehen. Ausweitungen des Parkraummanagements sind gut, ein bezuschusstes Jobticket ist auch gut bei der Stadt als Beispielgeber für die Wirtschaft. Das reicht aber längst nicht aus. Wer deutlich umsteuern will, darf vor allem den innerstädtischen motorisierten Individualverkehr nicht so weiterlaufen oder von mir aus auch weiter stehen lassen wie bisher. Sondern er muss Maßnahmen ergreifen, um ihn unattraktiver zu machen.

Als Gegenstück dazu brauchen wir mehr attraktiven öffentlichen Transport. Zentrale Bedeutung hat dafür ein zuverlässig funktionierender und pünktlicher S-Bahn-Verkehr, den die Mehrheit hier im Rat aber mit dem starrsinnigen Festhalten an Stuttgart 21 aufs Spiel setzt. Und zwar nicht nur für die nächsten Bauzeitjahre, sondern dauerhaft. So kann das nichts werden mit dem von Ihnen und uns gewollten Umstieg, Herr Oberbürgermeister.

Die Zeit des billigen Öls ist unwiederbringlich vorbei. Bei der Scheinlösung Elektromobilität kommt der Strom auch nicht einfach klimaneutral und sauber aus der Steckdose. An der sozialökologischen Verkehrswende in Stuttgart führt also letztlich kein Weg vorbei. Die Weichen müssen konsequent gestellt werden auf Verkehrsvermeidung, auf eine Stadt der kurzen Wege, auf eine fußgängerfreundliche Stadtplanung, auf Entschleunigung durch flächendeckende Temporeduzierung, was im Übrigen ja auch die Straßenumgebung für die Menschen entlärmt, sicherer und sauberer macht. Und Herr Zeeb irrt, wenn er denkt, dass sich das eine Metropole nicht leisten kann, denn die BMW-Stadt München bringt heute immerhin schon auf 80 % ihres Straßennetzes Tempo 30 zustande.

Mobilität wird am Arbeitsmarkt gefordert und sie ist eine Voraussetzung für soziale Teilhabe. Sie muss deshalb in einer Stadt für alle auch zugänglich werden für alle, unabhängig von den persönlichen Voraussetzungen, also barrierefrei sein im umfassenden Sinn. Dafür wollen wir auch ein Sozialticket ohne Sperrzeiten. Wir wollen auch kostenlose Fahrt für alle Stuttgarter Schülergruppen. Das wären Schritte in die richtige Richtung. Und die Richtung heißt fahrscheinfreier Nahverkehr. Das ist unser Ziel, weil Mobilität eben Voraussetzung für soziale Teilhabe ist und damit Bestandteil der Daseinsvorsorge. Wir wollen, dass die Verwaltung dazu eine Machbarkeitsstudie ausarbeitet und ohne Denkverbote alle Finanzierungsmodelle überprüft, von der Nahverkehrsabgabe bis zur City-Maut.

Meine Damen und Herren, für uns sind die Fähigkeiten, die Kreativität, die in den Menschen steckt, der Schlüssel für die Zukunft dieser Stadt. Dafür sind trotz etlicher richtiger und schon erwähnter Weichenstellungen noch viele Voraussetzungen zu schaffen. Deswegen fordern wir heute und in unseren Haushaltsanträgen auch mehr Geld für Kultur und Bildung.

Fangen wir an mit den Kleinsten. 'Kindheit darf nicht ökonomischen und Leistungsinteressen unterworfen werden', betont der Entwicklungspsychologe Dr. Rolf Oerter. In der Diskussion um den Kita-Ausbau kommt uns aber die Frage, was Kinder und Jugendliche für ihre Persönlichkeitsentwicklung brauchen, immer wieder zu kurz. Das Vorschulalter voller unerschöpflicher Wissbegier und Neugier der Kinder ist die erste Lernzeit für das Weltverständnis und das Erlernen von sozialer Kompetenz. In den Einrichtungen muss also eine Atmosphäre herrschen, in der die Erzieherinnen diese Bildungs- und Betreuungsarbeit tatsächlich auch umsetzen können. Aber trotz ihrer gesellschaftlich so wichtigen Aufgabe ist der Beruf der Erzieherinnen nach wie vor dramatisch unterbewertet, was sich auch in der schlechten Bezahlung ausdrückt. Wir sagen, da muss dringend aufgewertet werden, auch in der Bezahlung, sonst können die Erzieherinnen gar nicht erst gewonnen werden. Qualifizierte Erzieherinnen gehören in S8, auch die Leitungstätigkeiten müssen dringend tariflich höher eingruppiert werden. Das ist Bestandteil unserer Anträge.

Zweitens: Für eine gute Betreuung müssen die räumlichen Bedingungen stimmen. Das aktiv lernende Kind braucht eine Umgebung, die Anregungen gibt und auch Rückzugsmöglichkeiten bietet. Das Raumangebot muss also an die pädagogischen Konzepte angepasst werden. Und um eine inklusive Bildung und Betreuung zu ermöglichen, muss die Barrierefreiheit gesichert werden. Die Schulhaussanierung hat aufgrund der jahrelangen Vernachlässigung der Pflege der Schulgebäude zwar Priorität, keine Frage, darüber darf aber nicht die Sanierung der Kitas vernachlässigt werden. Und Containerlösungen dürfen nicht Dauerzustand werden.

Drittens: Beim Ausbau der Grundschulen zu Ganztagsschulen mit der angewendeten Übergangslösung Schülerhäuser zeigt sich, dass nicht an allen Grundschulen auf Anhieb die Voraussetzungen da sind, um ein qualitativ gutes Ganztagsschulkonzept anzubieten. Wir sagen deshalb, dort, wo die erforderlichen Qualitätsstandards für die Einrichtung von Schülerhäusern und Ganztagsschulen noch nicht erfüllt sind, müssen die Horte erhalten bleiben, bis die Qualitätsstandards realisiert sind.

Und wir sagen viertens, frühe Bildung und Kinderbetreuung müssen kostenlos sein. Es ist gut, reicht aber nicht, wenn Kinder mit Bonuscard beitragsfrei die Kita besuchen können. Es gibt viel zu viele sogenannte Schwellenhaushalte, die mit ihrem Einkommen knapp über der Bonuscardberechtigung liegen, aber so nicht über die Runden kommen. Kinder müssen aber frühe Spracherziehung erhalten, das wurde auch schon gesagt. Dafür ist der Kita-Besuch für alle eine wichtige Unterstützung. Deshalb gehört es auch zum bildungspolitischen Auftrag, den Besuch der Kitas genauso kostenfrei zu machen wie den Schulbesuch.




Wir wollen auch die Schule für alle, die Selektion verhindert und die Chancen für Bildungsgerechtigkeit erhöht. Das bedeutet, Lernangebote für alle Schüler/-innen, unabhängig von ihrer individuellen Begabung oder ihrer sozialen Herkunft. Eingeschlossen sind darin auch Kinder und Jugendliche mit Behinderung. Eine Schule für alle heißt auch, eine Gemeinschaftsschule, die nicht nur Werkreal- bzw. Hauptschule und Realschule zusammenführt, sondern auch einen gymnasialen Abschluss anbietet. Das muss Ziel für die zukünftigen Gemeinschaftsschulen werden.

Grundschulkinder brauchen darüber hinaus kurze Wege zur Schule. Deshalb muss beim Ausbau der Grundschulen zu Ganztagsschulen in jedem Stadtteil abgesichert sein, dass die Kinder an den Ganztagsschulen ein umfassendes Angebot an Naturerlebnissen, Kultur und Sport haben können.

Und gesundes Essen, der Herr Oberbürgermeister hat das Thema auch schon öfter betont, und das Erlernen des Umgangs mit Lebensmitteln braucht Küchen in den Schulen, in denen Kinder selber kochen können. Als ersten Schritt dahin fordern wir, dass bei jedem Umbau einer Schule zur Ganztagsschule neben der Mensa eine Küche eingeplant wird. Dabei soll an allen Schulen für alle Kinder das Mittagessen abgesichert und kostenlos werden. Das ist unser Ziel. Wir wollen, dass die Verwaltung eine Planung dafür vorlegt, wie langfristig an Schulen ein kostenloses Mittagessen ermöglicht werden kann. Und auch hier sagen wir, als ersten Schritt dorthin wollen wir schon im Haushalt 2014/2015 die Mittel für ein kostenloses Mittagessen an Ganztagsschulen einschließlich Schülerhäusern für alle Kinder und Jugendlichen mit Bonuscard.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, wir haben uns gefragt, was ist denn wirklich in den letzten Jahren an demokratischem Fortschritt in Stuttgart passiert? Nach dem angeblichen Ende der Basta-Politik, der proklamierten Politik des Gehörtwerdens und auf Augenhöhe? Wir entdecken herzlich wenig. Und die Vorgänge vom vergangenen Dienstag am Rande der UTA-Sitzung, wo Film- und Tonaufnahmen von der Verwaltung eine indiskutable Vorstellung vom Informationsrecht der Öffentlichkeit zelebriert haben, bestärken uns darin. Wir haben den Eindruck, dass hier nicht mehr Demokratie gewagt, sondern Demokratie simuliert wird. Wir wollen aber mehr Transparenz und den Ausbau öffentlicher Kontrolle. Und wir wollen Beteiligungsrechte an der Kommunalpolitik verbessern. Wir beantragen deshalb u. a., dass die Verwaltung eine vorausschauende Liste aller wichtigen Vorhaben öffentlich zugänglich macht und dass öffentliche Sitzungen auch öffentlich zugänglich dokumentiert werden. Und wir meinen, dass der Gemeinderat sein Einverständnis erklären sollte, dass öffentliche Sitzungen in Form von Video- und Textprotokollen dokumentiert werden.

Und weil eine Kultur der Beteiligung auch nicht vom Himmel fällt, sondern eingeübt werden muss, braucht sie auch reale Entscheidungsmöglichkeiten - sonst endet sie nämlich nur frustrierend im Leeren. In diese Richtung muss der Bürgerhaushalt weiterentwickelt werden, die Stadtbezirksebene muss gestärkt werden, u. a. durch die Direktwahl von Bezirksbeiräten, durch Stadtteilzentren. Das haben wir bereits in den letzten beiden Haushaltsberatungen begründet und beantragt, und wir wiederholen es heute.

Wie es die Stadt mit Demokratie und Initiativenbeteiligung hält, ist auch angesprochen beim Thema Hotel Silber. Es waren die Initiativen zum Lern- und Gedenkort Hotel Silber, die den erforderlichen öffentlichen Druck erzeugt haben und Sensibilität im Umgang mit diesem wichtigen Stück der Stuttgarter Geschichte. Mit dem Ergebnis, dass durchgesetzt wurde, dass das Hotel Silber erhalten wird. Unglaublich viel Zeit und ehrenamtliches Engagement ist investiert worden, um das überzeugende Konzept eines Lern- und Gedenkorts zu entwickeln. Beim zweiten Runden Tisch des Landes zum Hotel Silber wurde das Konzept, das gemeinsam das Haus der Geschichte und die Initiative Lern- und Gedenkort vorgestellt haben, präsentiert und fand allgemeine Zustimmung. Aber was jetzt inzwischen daraus geworden ist und was daraus werden soll, entwertet das weitgehend wieder. Die reduzierte Fläche ohne den 2. Stock erlaubt es nicht, dieses Konzept zu realisieren. Die Ausstellungsfläche ist zu klein. Damit ist es auch nicht mehr möglich, die Arbeitsergebnisse von Schulklassen und Seminaren auszustellen und die Arbeit der zahlreichen kleineren Gedenkstätten im Land vorzustellen. Das halten wir bei den Möglichkeiten, die das Haus für die Konzeption bietet, für völlig unangemessen, ja schädlich für die Intention eines Lern- und Gedenkorts. Wir beantragen deshalb: 1. Auch das zweite Stockwerk für den Lern- und Gedenkort Hotel Silber wird zur Verfügung gestellt. 2. Die Verträge mit dem Mieter der oberen Räume werden so gefasst, dass eine Erweiterung der Fläche des Hotels Silber in der Zukunft nicht ausgeschlossen wird. 3. Der Herr Oberbürgermeister und die Stadtverwaltung sollen dieses Anliegen entschieden gegenüber dem Land vertreten. 4. Für die Veranstaltungstätigkeiten bis zur Eröffnung sollen 30.000 € für Lern- und Gedenkstättenarbeit im Hotel Silber und 50.000 € für die Fortsetzung des Zeitzeugenprojekts bereitgestellt werden. Denn auch das duldet keine Verzögerung. Auch hier läuft uns die Zeit davon.

Meine Damen und Herren, ich wollte das Thema Willkommenszentrum ursprünglich aussparen. Der Herr Oberbürgermeister hat heute früh aber in der Ältestenratssitzung Friedrich Hölderlin zitiert und damit für eine Willkommenskultur in unserer internationalen Stadt Stuttgart geworben. Das reizt mich jetzt natürlich, doch noch ein paar Sätze zu sagen. Ein Willkommenszentrum ist ein gutes Projekt, wenn es tatsächlich alle Zuwanderer nach Stuttgart willkommen heißt und auch Flüchtlinge unterstützt. Wenn es nicht nur zugeschnitten wird auf die 'nützlichen' Einwanderer, die Fachkräfte, die ins Land geholt werden sollen. Wir wollen, dass in Stuttgart und seinem künftigen Willkommenszentrum eben auch Flüchtlinge willkommen sind. Und wir haben eine ganze Reihe Anträge formuliert, die dazu beitragen würden, dass die Lebenslage von Flüchtlingen in Stuttgart sich tatsächlich verbessert und sie sagen können, in Stuttgart war und bin ich willkommen.

Meine Damen und Herren, und jetzt kommen wir zum Geld, die von der Verwaltung mit ihrem Haushaltsentwurf vorgezeichneten Spielräume sind ja denkbar gering. Teile des Gemeinderats haben auch schon angekündigt, dass sie sich diesem angeblichen Sachzwang unterwerfen wollen. Wir akzeptieren das nicht. Und ich sage Ihnen jetzt auch warum. Weil wir das, was eine soziale, ökologische Stadt ausmacht, tatsächlich auch finanzieren können, wenn wir unnötige Ausgaben vermeiden und Einnahmen generieren.



Dazu liegt Ihnen ein ausführlicher Antrag vor, in dem das detailliert nachgewiesen und vorgerechnet wird. Wenn wir als Gemeinderat darauf verzichten, weiter auf falsche Pferde zu setzen, auf die schon viel zu lange gesetzt wird, z. B. den genannten Rosensteintunnel, z. B. Stuttgart 21, z. B. die Steuergeldtransaktionen zugunsten der LBBW, dann können wir sogar Schulden tilgen und dem Doppelhaushalt 10 Mio. € Zinszahlungen an die Banken sparen. Wir beantragen deshalb, dass die im Haushalt eingestellten Mittel für den Ausbau von Straßen im Stadtgebiet, insbesondere die Heilbronner Straße und den Rosensteintunnel, gestrichen werden. Wir beantragen weiter die Rückabwicklung des Grundstücksgeschäfts mit der Deutschen Bahn. Wir schätzen das Volumen auf 500 Mio. €. Wir beantragen, dass die Rücklage Stuttgart 21 aufgelöst und in freie Liquidität überführt wird. Und wir wollen, dass sich die Landeshauptstadt aus dem Projekt zurückzieht und ab sofort keine Öffentlichkeitsarbeit für Stuttgart 21 finanziert.

Wir wollen weiter, dass gemäß dem EU-Restrukturierungsplan die komplette Beihilfe der Stadt von der LBBW in Höhe von 946 Mio. € zuzüglich Zinsen zurückerstattet wird. Bis 2018 wären alleine das jährlich zusätzlich 189 Mio. € in der Stadtkasse. Dafür muss allerdings auch der Oberbürgermeister Druck machen, auch beim LBBW-Miteigentümer Land.

Meine Damen und Herren, die Stadt Stuttgart kann mit diesen Maßnahmen alle großen Aufgaben, von Schulhaussanierung bis Kita-Ausbau, realisieren, die nötigen Schritte zur Verwirklichung einer sozialen und ökologischen Stadt für alle finanzieren und dabei schuldenfrei werden. Es braucht nur eine entsprechende Prioritätensetzung und den politischen Willen. Man muss bereit sein, Prioritäten zu setzen bei ökologischen und sozial sinnvollen Projekten und einfach Maßnahmen sein lassen, die der Stadt und den Stuttgartern schaden. Wir werben bei Ihnen um die Bereitschaft, das gemeinsam zu realisieren. Wer das allerdings ablehnt und an Tunneln und Bankenspritzen festhält, der hat auch eine Entscheidung getroffen. Ich danke Ihnen."

StR Dr. Schlierer (REP):

"Ich erspare mir und Ihnen eine weitere langatmige 'Tour de Raison' durch sämtliche Politikfelder wie mein Vorredner. Wir sind hier nämlich in einer Haushaltsdebatte und nicht in einer Grundsatzdiskussion über das allgemeine und spezielle im besonderen. Leitanträge gehören auf einen Programmparteitag, aber nicht in die kommunalen Haushaltsberatungen. Das gilt umso mehr, wenn es hier um bundespolitische Fragen geht, in denen wir bekanntermaßen keine Kompetenz haben. Ich werde meine Ausführungen wie folgt gliedern: Ich möchte einiges zur finanziellen Ausgangslage ausführen, dann über die Möglichkeiten, die wir haben sprechen, einige wenige Einzelforderungen ansprechen und dann zum Schluss auf die Perspektiven kommen.

Der Hintergrund, vor dem die anstehenden Beratungen für den Doppelhaushalt 2014/2015 eröffnet werden, erscheint ambivalent und auch ein wenig kurios, denn zum einen stellt sich die aktuelle kommunale Finanzlage im Hinblick auf die Einnahmenseite durchaus noch erfreulich dar, zum anderen aber, und das zeigt die Finanzplanung, lässt die Haushaltslage perspektivisch immer geringere Spielräume für Investitions- und Gestaltungsmöglichkeiten.

Der Deutsche Städtetag prognostizierte im Juni dieses Jahres für die kommenden Jahre einen Überschuss der kommunalen Kernhaushalte unter der Voraussetzung, dass Deutschlands Wirtschaft weiter auf Wachstumskurs bleibt und es keine neuen Rückschläge z. B. bei der Stabilisierung des Euro geben wird. Zugleich wiesen die Präsidenten des Städtetags darauf hin, dass die positiven Finanzierungssalden von den Kommunen mit immer geringer werdenden Investitionen erkauft werden mussten. Der Rückgang der kommunalen Investitionen führt nicht nur dazu, dass die kommunale Substanz und die Infrastruktur zu wenig erhalten werden können, sondern natürlich in der Folge auch zu einem massiven Investitionsstau.

Am deutlichsten wird dies bei der Verkehrsinfrastruktur sichtbar, die auch bei uns in den letzten Jahren nicht mehr ausreichend instandgesetzt werden konnte. Wir haben das Problem davor im Bereich der Schulhausbauten erlebt. Daran wird sich so schnell nichts ändern, weil auf die Kommunen und damit auch die Landeshauptstadt Stuttgart in den nächsten Jahren deutliche Mehrausgaben zukommen. Trotz der relativ entspannten Lage am Arbeitsmarkt werden nämlich die Sozialleistungen überproportional ansteigen. Die Kosten für die Hilfen zur Erziehung, die Jugendhilfe, die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung, die Hilfe zur Pflege und die Grundsicherung im Alter werden für erhebliche Mehrausgaben sorgen.

Obwohl mit der Föderalismusreform I durch die Neufassung der Artikel 84 und 85 des Grundgesetzes geregelt wurde, dass der Bund den Kommunen keine Aufgaben mehr übertragen darf, sondern nur noch die jeweiligen Länder, wird das Konnexitätsprinzip auch in Zukunft zu Problemen führen, weil die Länder im Hinblick auf die Umsetzung des Fiskalpaktes und die Schuldenbremse ebenfalls immer geringere Spielräume haben werden und damit den Gemeinden keinen entsprechenden Mehrbelastungsausgleich für neue oder veränderte Aufgaben zur Verfügung zu stellen können. Das, meine Damen und Herren, zeigt insgesamt, wenn man alle diese Faktoren zusammennimmt, dass wir in der Zukunft eigentlich eher begrenztere Möglichkeiten zu erwarten haben denn eine Befreiung aus diesem Prokrustesbett.

Man kann auch nicht mehr von einer fiskalischen Schutzfunktion des Konnexitätsprinzips sprechen, und ich wage zu bezweifeln, ob die Kommunen im Rahmen der anstehenden Föderalismusreform III dann tatsächlich bei den Kosten, etwa aus der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, wirksam entlasten werden.

Bei der Einbringung des Haushaltes wurde vom Ersten Bürgermeister bereits darauf hingewiesen, dass eine deutlich höhere Zuweisung an Flüchtlingen zur Unterbringung zu weiteren Haushaltsbelastungen führen wird, weil das Land auch hier keine vollständige Kostenerstattung vornimmt und damit die Stadt auf erheblichen zusätzlichen Aufwendungen hängenbleiben wird. Angesichts der aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes über die Einwanderung aus den osteuropäischen Ländern Bulgarien und Rumänien, aber auch der vom Bundesinnenministerium veröffentlichten Zahlen über den rasanten Anstieg der Asylbewerber wird deutlich, dass wir hier mit einem erheblichen zusätzlichen Finanzaufwand rechnen müssen. Der Deutsche Städtetag hat deshalb wiederholt vor einer Armutseinwanderung ausdrücklich gewarnt. Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn hat erst vor kurzem darauf hingewiesen, dass der Zustrom von Leistungsempfängern aus Rumänien und Bulgarien zunehmend das deutsche Sozialversicherungssystem gefährdet. Im Ergebnis wird daher die Finanzlage auch bei unterstellter weiterhin guter Konjunktur in der Zukunft eher schlechter als besser. Da nicht damit zu rechnen ist, dass das Gewerbesteueraufkommen in den nächsten Jahren besser werden wird, wird bei steigenden Ausgaben, vielleicht bei gleichbleibenden Einnahmen, der Spielraum immer geringer werden. Und diesen Trend werden wir durch Sparmaßnahmen evtl. abmildern, aber niemals ausgleichen können. Eine andere Beurteilung lässt sich auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass wir im vorliegenden Haushalt immerhin noch Investitionen von 539 Mio. € haben. Denn bei genauem Hinsehen werden die erheblichen Aufwendungen für die Kindertageseinrichtungen zu erheblichen Folgekosten in den kommenden Jahren führen. Diese zusätzlich dann langfristig entstehenden Personalkosten stellen eine dauerhafte Belastung dar, die den Kommunen durch eine gesetzgeberische Maßnahme des Bundes aufgebürdet wurde, aber sie davon nicht entlastet werden. D. h. selbst bei weiterhin sprudelnden Einnahmen, wie es so schön in den Medien hieß, werden die Schulden der Stadt infolge mittel- und langfristig gebundener Mittel eher steigen, aber nicht geringer werden.

Wir haben im Haushalt eine Reihe von Vorbelastungen. Ich will nur zu einem Punkt kurz kommen, weil es von meinen Vorrednern zum Teil angesprochen wurde. Stuttgart ist einer der größten kommunalen Krankenhausträger in der Bundesrepublik Deutschland. Das Klinikum Stuttgart ist ein wichtiger Standortfaktor für die Landeshauptstadt. Wir haben hier eine Sondersituation, weil Stuttgart als Landeshauptstadt kein Universitätsklinikum hat - ursprünglich war das einmal angedacht, ist dann aber von der Landesregierung anders entschieden worden. Wir brauchen dieses Klinikum der Maximalversorgung mit einem entsprechenden Angebot, und wir brauchen deswegen auch die Sicherstellung dieser Einrichtung. Deshalb ist im Hinblick auf die Kostenentwicklung und auf die Konkurrenzsituation das finanzielle Engagement der Stadt erforderlich. Diese von uns vorgesehenen Belastungen im Haushalt, also der Investitionszuschuss und die Kapitaleinlagen sind daher richtig und erforderlich. Im Übrigen darf ich bei der Gelegenheit nochmals erinnern: Da ist nicht der Bund dran schuld, sondern das Land. Es ist die Landesregierung, die hier gefordert ist und nicht die Bundesregierung.

Wir haben in der Tat das Problem, dass die Optimierungspotenziale im Bereich des Klinikums in erheblichem Umfang ausgeschöpft sind und dass hier die Spielräume immer geringer werden. Gleichwohl ist das letzten Endes eine Frage, die ich nicht mit einem Leitantrag im Gemeinderat lösen kann, sondern hier sind Entscheidungen des Bundestages erforderlich, die Rechtsgrundlage ist das Sozialgesetzbuch V, und hier müssen die entsprechenden Veränderungen stattfinden, damit nicht im Rahmen der Kostenbremse über DRGs o. ä. die Leistungs- und Existenzfähigkeit der Krankenhäuser in Frage gestellt wird.




Ich komme zu den Möglichkeiten: Alles dies vorausgeschickt befinden wir uns heute nicht in einer Situation, in der die Haushaltslage große Sprünge zulässt. Für hochfliegende Visionen, die einen Politikwechsel oder Umsteuerungen im großen Stil zum Inhalt haben, fehlt eigentlich jede Grundlage. Und deswegen muss man sich auch bei manchen Vorschlägen, die heute auf dem Tisch liegen, fragen, ob sie tatsächlich das ausreichende Fundament haben. Es ist zwar verständlich, dass im Vorfeld eines heraufdräuenden Wahltermins die Versuchung groß ist, mit Ausgabenfeuerwerken und Versprechungen für jeden für eine gute Ausgangslage beim anstehenden Wahlkampf zu sorgen; gleichwohl gebietet jedoch die finanzpolitische Redlichkeit, sich heute darauf zu beschränken, die begrenzten Spielräume zu nutzen und sich auf das Notwendige und Machbare zu konzentrieren. Dazu gehört es, einen klaren Schwerpunkt auf die Entlastung der Bürger von steigenden Kosten in den Bereichen vorzusehen, in denen es noch diese Spielräume gibt, beispielsweise beim Wohnen; und es gibt natürlich auch Spielräume im Bereich des Erhalts der Verkehrsinfrastruktur und andere Punkte.

Das hohe Niveau der Immobilien- und Mietpreise in unserer Stadt hat vielfältige Ursachen, von denen leider nur die wenigsten von der Kommunalpolitik beeinflussbar sind. Wie die Bundesbank in ihrem vor wenigen Tagen veröffentlichten Warnruf vor überzogenen Immobilienpreisen in deutschen Metropolen festgestellt hat, spielen dabei die von der Europäischen Zentralbank künstlich nach unten manipulierten niedrigen Zinsen und das verstärkte Interesse in- und ausländischer Investoren angesichts der anhaltenden Eurokrise eine entscheidende Rolle.

Ein weiterer Faktor, der die Mieten nach oben treibt, ergibt sich aus den Auswirkungen der undurchdachten und durch massive klientelpolitische Subventionen fehlgeleiteten Energiewende, verbunden mit der zunehmenden Belastung von Hauseigentümern durch gesetzlich erzwungene Sanierungen, energetische Sanierungen. Zweistellige Milliardenbeträge werden hier, auf ganz Deutschland gerechnet, Privathaushalten und Unternehmen Jahr für Jahr entzogen. Geld, meine Damen und Herren, das dann andernorts für Investitionen und Konsum fehlt. Dem können wir nur bedingt entgegentreten. Was wir aber tun können, um im Rahmen des stadtpolitisch Möglichen die Bürger zu unterstützen, ist eine maßvolle Wiederabsenkung des Hebesatzes der Grundsteuer von 520 auf 500 vH, die in den Haushaltsjahren 2014 und 2015 mit 5,76 bzw. 5,77 Mio. € zu Buche schlagen würde. Dadurch leisten wir einen Beitrag zur sozial wünschenswerten Entlastung sowohl von Mietern als auch von Bewohnern selbstgenutzten Wohneigentums.

Ein Bereich, der schon von einigen meiner Vorredner angesprochen wurde und in dem Investitionen unabdingbar sind, um weitere Verluste an Vermögenssubstanz und die damit verbundenen enormen Folgekosten zu vermeiden, sind unsere Straßen und Verkehrswege. Die im Haushaltsentwurf vorgesehene Anhebung der Mittel für die Straßenerhaltung reicht allerdings bei weitem nicht aus. Deshalb werde ich beantragen, entsprechend dem im Bericht zur Straßenerhaltung 2013 von der Fachverwaltung angemeldeten Bedarf, zusätzlich 2 Mio. € jährlich für die Erhaltung von Straßen, Treppen und Gehwegen vorzusehen.



Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe konkreter Einzelmaßnahmen, auf die ich jetzt nicht weiter eingehen möchte. Das ist in den Anträgen, die Sie lesen können, ja dokumentiert. Letzten Endes ist die vorgeschlagene Erhöhung eigentlich auch nur ein Mindestbetrag. Besonders nach dem letzten harten Winter hat der miserable Zustand der Stuttgarter Straßen zu beträchtlichen Substanzverlusten geführt, die übrigens auch Schäden an Fahrzeugen infolge defekter Straßenoberflächen hervorgerufen haben. Ich bin erst in den letzten Tagen von einer Mandantin angerufen worden, die sich bei mir erkundigt hat, was sie denn gegen die Stadt unternehmen könne, nachdem sie jetzt ein defektes Fahrzeug nach Durchqueren eines enormen Schlaglochs habe. Das sind keine Einzelmeldungen, wie ich weiß, und es zeigt, dass wir hier tatsächlich einen Zustand erreicht haben, der so nicht weiter tragbar ist.

Zur zumindest teilweisen Gegenfinanzierung schlage ich vor eine Umschichtung von Mitteln aus dem Bereich des Radwegebaus. Das ist eher der Bereich des Wünschenswerten, der aber nicht mit der Dringlichkeit zu versehen und mit der Priorität zu bearbeiten ist, wie der Bereich des Straßenerhalts. Die Erhaltung des Straßennetzes hat Vorrang, und wünschenswerte, aber nicht unbedingt erforderliche Ausgaben müssen demgegenüber zeitlich zurückgestellt werden.

Ich komme zu den Perspektiven. Eine grundsätzliche Kritik könnte man an den erheblichen Vorbelastungen der kommunalen Haushalte durch bundespolitische Entscheidungen üben. Darüber ist heute auch schon gesprochen worden. Wenn uns Verpflichtungen auferlegt werden, Pflichtaufgaben zugewiesen werden, ohne dass die angemessene Mitfinanzierung sichergestellt ist, ist das hochproblematisch. Wir haben jetzt mit der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren eine Situation, die wir im Bereich der erforderlichen Bauten jetzt stemmen können. Wir werden aber, wie ich vorhin schon ausgeführt habe, im Bereich der Personalkosten hier weitere zusätzliche und langfristige Belastungen haben.

Anders als oft dargestellt, sind wir damit in einer Situation, die keine reelle zukünftige Finanzierung eigentlich darstellt, sondern letzten Endes uns zwingt, immer wieder mit Programmen einige notdürftige oder auch mehr oder minder zur Streckung gewisser Aufgaben vorzunehmende Maßnahmen zu ergreifen, ohne dass man eigentlich eine echte Lösung herbeiführen würde. Und das - wie gesagt - verbunden mit beträchtlichen und dauerhaften Verpflichtungen.

Wir haben zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir dem keine entsprechende Verbesserung auf der Einnahmenseite gegenüberstellen können und wir haben noch dazu das Problem, dass im Bereich des Gewerbesteueraufkommens das Abwandern von Unternehmen in die benachbarten Kreise nicht gerade angetan ist, hier rosige Zeiten zu prognostizieren. Hier, Herr Oberbürgermeister, reicht es natürlich nicht aus, den Missstand zu beklagen. Vielmehr bedarf es einer klaren Strategie und eines sich daraus ergebenden Maßnahmenkataloges, um die Attraktivität des Standortes Stuttgart selbst zu steigern und zu verhindern, dass wir wie in den vergangenen vier Jahren einen Überhang an abgehenden Unternehmen haben.


Es waren ja 115 Unternehmen mehr, die die Stadt verlassen haben, als zugezogen sind. Hier erwarte ich mir einige Antworten von der Bürgermeisterbank, die bislang fehlen.

Vieles ist wünschenswert, aber leider nicht machbar. Wir werden dazu in den Beratungen, da bin ich mal gespannt, einiges erleben. Ich bin mir noch nicht so ganz sicher, ob wir nicht hier auch wieder eine Situation erleben werden, in der irgendwann die Reißleine gezogen werden muss, weil der Haushalt dann irgendwann eine Situation erreicht im Beratungsstand, der keine Genehmigungsfähigkeit mehr ermöglicht. Ich hoffe, dass wir trotzdem vielleicht einige grundsätzliche Verbesserungen noch vornehmen können.

Alles in allem befinden wir uns eigentlich in keiner schlechten Ausgangslage, aber auch nicht gerade vor rosigen Zeiten. Vorausschauende Haushaltspolitik muss darauf abgestellt sein, Risiken und langfristige Mittelbindungen durch Folgekosten so weit wie möglich zu vermeiden. Große Spielräume gibt es nicht mehr. Es wird daher in den kommenden Wochen mehr um Details, um Einzelabwägungen und um punktuelle Umschichtungen gehen. Viele Wünsche der Bürgerschaft, die sich im Bürgerhaushalt abbilden, werden unerfüllt bleiben. Ich will es mal so zusammenfassen: Es geht heute und in den kommenden Wochen und Monaten um Fakten und nicht um Wünsche, um Realitätsbewusstsein statt Visionen und letzten Endes um Zurückhaltung statt Spendierhosen.

Lassen Sie mich schließen mit einem ausdrücklichen Dank an die Geschäftsstelle des Gemeinderates. Ich war schon einigermaßen erschlagen, als ich vorhin vom Herrn Oberbürgermeister gehört habe, dass hier 171.000 Seiten Papier produziert worden sind. Ich hoffe, dass alle Kolleginnen und Kollegen auch alle Anträge intensiv lesen, damit sich das gelohnt hat. Vielen Dank."

OB Kuhn dankt für die gehaltenen Reden und schließt die Sitzung.

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