Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
187/2014
GZ:
OB
Sitzungstermin: 27.03.2014
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: Standorte für Flüchtlingsunterkünfte in
Systembauweise
Ergebnisse der Prüfaufträge für Alternativstandorte in Feuerbach

Vorgang: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen u. Ausschuss für Umwelt und Technik gemeinsam vom 18.03.2014, öffentlich, Nr. 94

Ergebnis: jeweils einstimmige Verweisung der Vorlage ohne Aussprache in die nachfolgenden Gremien

Sozial- und Gesundheitsausschuss vom 24.03.2014, öffentlich, Nr. 20

Ergebnis: Kenntnisnahme

Verwaltungsausschuss vom 26.03.2014, öffentlich, Nr. 72

Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung (16 Ja- und 1 Nein-Stimme)


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 10.03.2014, GRDrs 187/2014, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Dem Standort im Gebiet Schelmenäcker-Süd zur Errichtung einer Flüchtlings- unterkunft in Systembauweise zur Schaffung von 78 Unterkunftsplätzen entsprechend der Variante 1 B (nördliches Baufeld) wird zugestimmt.

Die Nutzung ist wie bei den anderen Standorten auf einen Zeitraum von 5 Jahren befristet.

2. Vom Sachstand der Flüchtlingsunterbringung in Stuttgart und der Umsetzung der am 19. Dezember 2013 beschlossenen Standorte wird Kenntnis genommen.


Der zu diesem Tagesordnungspunkt gestellte Dringlichkeitsantrag Nr. 109/2014 der FDP-Gemeinderatsfraktion vom 27.03.2014 liegt dem Gemeinderat als Tischvorlage vor und ist dieser Niederschrift beigefügt.


Zunächst begründet StR Klingler (FDP) den Dringlichkeitsantrag seiner Fraktion. Diesen bittet EBM Föll abzulehnen, da die Verwaltung bereits am Vortag im VA in ihrer Stellungnahme zum Schreiben der Freiburger Kanzlei dargelegt habe, dass die Standorte genehmigungsfähig und die Einwendungen der Kanzlei unbeachtlich seien. Und da immer wieder auf das Wohnheim auf dem Fahrion-Areal hingewiesen werde, wiederhole er nochmals, dass dieses Arbeiterwohnheim in den 50er-Jahren genehmigt worden sei und Bestandsschutz genieße. Eine Nutzungsänderung für eine Flüchtlingsunterkunft würde aber nicht mehr genehmigt werden können, weil die Lärmimmissionen für eine dauerhafte Wohnnutzung zu hoch seien. Dies sei keine Ermessensfrage, sondern rechtlich zwingend geboten. Das Regierungspräsi- dium sei in diesem Verfahrensstand nicht beteiligt und werde sich deshalb auch nicht äußern. Eine rechtliche Stellungnahme des RP zu diesem Zeitpunkt wäre sogar "rechtlich höchst fragwürdig". Wenn nach dem Grundsatzbeschluss im Gemeinderat der Bauantrag gestellt werde und es dann Einwendungen gebe, werde das Baurechtsamt das Genehmigungsverfahren an das RP abgeben, das dann über den Bauantrag entscheide. Dies entspreche dem üblichen Verfahren. Im Übrigen weist er noch auf den Zeitdruck hin, unter dem man stehe. Es gehe um Unterkunfts- plätze, die noch 2014 belegt werden müssten, und durch die Prüfung und Erörterung der Alternativstandorte in Feuerbach habe man bereits drei Monate verloren. Die Stadt habe nicht nur eine humanitäre, sondern auch eine gesetzliche Aufgabe zu erfüllen, und es sei Konsens gewesen, dass man Notunterkünfte mit schwierigen Zuständen für die betroffenen Flüchtlinge vermeiden wolle. Deshalb müsse man nun entscheiden.


OB Kuhn lässt über den Antrag abstimmen und stellt fest:

Der Antrag wird bei 7 Ja-Stimmen mit großer Mehrheit abgelehnt.


Anschließend nehmen die Vertreter der Fraktionen zur Vorlage Stellung.

Seine Fraktion, so StR Winter (90/GRÜNE), halte es prinzipiell für zumutbar, dass Flüchtlingsunterkünfte auch in der Nähe von Wohngebieten erstellt werden könnten, und hätte deshalb auch den von der Verwaltung zunächst vorgeschlagenen Standorten Hattenbühl oder Burgherrenstraße in Feuerbach zustimmen können. Doch müsse man die Sorgen und Ängste der Bürgerinnen und Bürger sehr ernst nehmen. Deshalb habe seine Fraktion in einer Veranstaltung vor Ort informiert. Er freue sich außerordentlich, dass sich nun in Feuerbach ein Freundeskreis gebildet habe, in dem sich auch Anwohner engagieren wollten. Seine Fraktion werde die Arbeit im Stadtbezirk weiter begleiten und stimme dem Standort Schelmenäcker- Süd zu.

StR Hill (CDU) dankt zunächst EBM Föll für die Erläuterungen zum rechtlichen Umgang mit den Einwendungen der Freiburger Kanzlei. Wenn die Stadt die Bauanträge gestellt habe, könnten die Anwohner und auch die Kanzlei Rechtsmittel einlegen. Seine Fraktion stehe nach wie vor hinter dem Stuttgarter Weg, der eine sehr dezentrale und kleinteilige Unterbringung der Flüchtlinge vorsehe. Dies sei problematisch angesichts der 1.300 zusätzlich benötigten Plätze. Dennoch sehe er die flächendeckende Unterbringung der Flüchtlinge über die ganze Stadt hinweg durchaus gewährleistet. Bei der Grundsatzdiskussion im Dezember 2013 sei sich der Gemeinderat aus seiner Sicht einig gewesen, dass die von der Verwaltung vorgeschlagenen sechs Stadtteile gesetzt seien, man aber vom Bezirksbeirat vorgeschlagene Alternativstandorte prüfen und gegebenenfalls übernehmen wolle. Dies sei in Möhringen und auch in Feuerbach so geschehen.

Seine Fraktion habe Verständnis dafür, dass Anwohner sich um die Auswirkungen einer Einrichtung dieser Größe in ihrer Nachbarschaft sorgten, doch sei in den vorliegenden Fällen so gut wie keine zusätzliche Verkehrsbelastung zu erwarten. Und die Menschen, die dort einzögen, lebten genauso wie andere auch, manche seien etwas lauter, manche weniger laut. Mit Sicherheit würden hier keine bedenklichen Situationen entstehen. Im Wissen um die jahrelangen Erfahrungen mit Flüchtlingseinrichtungen in Stuttgart, wonach sich die anfängliche Aufregung in Wohlgefallen aufgelöst habe, wenn eine Betreuung vorhanden gewesen sei und sich Freundeskreise gebildet hätten, stimme seine Fraktion der Vorlage gerne zu.

Die Zustimmung ihrer Fraktion erklärt auch StRin Dr. Hackl (SPD). Nach umfassen- den Diskussionen sehe auch ihre Fraktion den Standort Schelmenäcker-Süd als Alternative an und freue sich, dass viele Menschen in Feuerbach bereit seien, die Willkommenskultur auch zu leben. Sie sei überzeugt davon, dass es auch hier ein gutes Miteinander geben werde. Die sehr verantwortungsvolle Flüchtlingspolitik, die man in den letzten drei Jahrzehnten in Stuttgart betrieben habe, solle weitergeführt werden. Gleichwohl sei es jedem Bürger unbenommen, rechtliche Schritte einzuleiten.

StR Zeeb (FW) dankt der Verwaltung für die sachliche und ergebnisoffene Prüfung der von den Bezirksbeiräten vorgeschlagenen Alternativstandorte. Seine Fraktion akzeptiere die Stellungnahme der Verwaltung zum Fahrion-Areal und bitte darum, im weiteren Verfahren bezüglich Schelmenäcker-Süd ihre Anregungen zur Topografie zu beachten und das Gebäude so weit wie möglich nach Osten zu verschieben. Nicht nachvollziehbar seien für seine Fraktion die Bedenken des Amts für Umweltschutz gegenüber der vom Bezirksbeirat wiederholt geforderten Erschließung vom Erich-Hermann-Weg aus. Da jedoch Feuerwehr und AWS der anderen Erschließung zugestimmt hätten, schließe sich seine Fraktion hier ebenfalls an und stimme der Vorlage zu.

Auf die vielen Ortstermine seiner Fraktion, aus denen sich die Alternativvorschläge für Möhringen und Feuerbach ergeben hätten, weist StR Klingler hin. Nach wie vor sehe seine Fraktion das auch vom Bezirksbeirat mehrheitlich befürwortete Fahrion-Areal als hervorragenden Standort an und könne die geäußerte Kritik nicht nachvollziehen. Explizit betont er, nicht infrage zu stellen, dass man Flüchtlinge und Asylbewerber aufnehmen wolle. Doch halte seine Fraktion eine Erschließung des Standorts Schelmenäcker-Süd insbesondere bezüglich der Feuerwehr-Zufahrt für äußerst schwierig und auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis sei ungünstig. Der mehrfach erwähnte Zeitdruck sei für seine Fraktion kein Argument, da es von sechs Standorten ja nur um einen ginge, der nochmals überdacht werden solle. Und im Übrigen könnten statt der dort vorgesehenen 78 Plätze im Fahrion-Wohnheim erheblich mehr geschaffen werden. Einen weiteren Alternativvorschlag habe er mit dem Walz-Gelände in Weilimdorf ebenfalls schon wiederholt gebracht. Nun werde der Gemeinderat eine - nach Meinung seiner Fraktion - falsche Entscheidung treffen und damit den normalen Verwaltungsablauf in Gang setzen. Er rechne mit Einsprüchen, sodass letztendlich die Gerichte entscheiden müssten. Seine Fraktion werde die Vorlage weiterhin ablehnen.

Zustimmung signalisiert StR Rockenbauch (SÖS und LINKE) im Namen seiner Fraktionsgemeinschaft. Man müsse Menschen, die sich seiner Ansicht nach in einer unvorstellbaren existenziellen Not befänden, eine freundliche und menschenwürdige Aufnahme mitten in der Gesellschaft gewähren. Da für seine Fraktionsgemeinschaft das Wohl der Schwachen im Vordergrund stehe, sollte angesichts einer solchen Notlage auch in einem Rechtsstaat zugunsten der Flüchtlinge einmal auf das Durchsetzen eigener Rechte verzichtet werden. Seine Fraktion schließe sich den Ergebnissen aus den vor Ort durchgeführten Überprüfungsrunden in den Bezirksbeiräten an und vertraue deren Kompetenz. Da das Leid in der Welt nicht kleiner werde, müsse man sich für die angekündigten nächsten Runden bereits jetzt überlegen, wie man frühzeitig und mit dem Wissen der Menschen vor Ort zu noch besseren Lösungen - z. B. zentraler gelegen, mehr Nahversorgung, besserer Anschluss an den ÖPNV - kommen könnte. In Anbetracht der für 2016 angekündigten Gesetzesänderung müssten Gemeinderat und Verwaltung schon jetzt beginnen, im Dialog mit den Bürgern neue Standorte zu finden.

StR Dr. Schlierer (REP) kritisiert die "pseudomoralisierende Diskussion über Not und Leid". Es gehe nicht nur um Menschen mit schwerem Schicksal, sondern auch um Asylmissbrauch, was man daran sehen könne, dass aktuell deutlich mehr Asylbewerber aus Serbien, einem Land, das Mitglied der EU werden wolle, kämen als aus Syrien. Dies sollte man bei der Wahl der Standorte durchaus berücksichti- gen. Den Umgang mit den juristischen Einwänden zum Standort Schelmenäcker- Süd halte er nicht für angemessen und er gehe davon aus, dass diese Überlegungen noch gerichtlich überprüft würden.

Der Standort Schelmenäcker sei schon einmal geprüft worden. Das Amt für Liegenschaften und Wohnen habe in einer Vorlage ausgeführt, dass das Gelände schwierig zu erschließen und im östlichen Bereich aufgrund der Hanglage schwierig zu bebauen sei. Weiter werde zu bedenken gegeben, dass es sich um einen "bedeutsamen Grünkorridor und um eine Frischluftschneise" handle. Er sieht eine ungleiche Bewertung von Grünflächen, wenn es um deren Bebauung gehe. Beim Gebiet Langenäcker seien viel strengere Maßstäbe angelegt worden, was den Erhalt der Natur anbelange. Er halte das Fahrion-Areal, über das nicht ausreichend informiert werde, für eine echte Alternative - auch unter Berücksichtigung der juristischen Überlegungen. Da er den Standort Schelmenäcker-Süd ablehnen werde, bitte er um getrennte Abstimmung der Ziffern 1 und 2.


OB Kuhn stellt abschließend fest:

Der Gemeinderat beschließt Ziffer 1 des Beschlussantrags mit 51 Ja- und 7 Nein-Stimmen mehrheitlich. Ziffer 2 wird vom Gemeinderat einstimmig beschlossen.

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03_Prüfergebnisse Feuerbach.pdf