Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OB
GRDrs 318/2021
Stuttgart,
06/10/2021



COVID-19 in Stuttgart: Infektionsrisiken besser erkennen, Sicherheit erhöhen, Öffnungen smart gestalten



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
16.06.2021
17.06.2021



Beschlußantrag:

1. Der Durchführung des Projekts „COVID-19 in Stuttgart: Infektionsrisiken besser erkennen, Sicherheit erhöhen, Öffnungen smart gestalten“ im Einvernehmen mit dem Land Baden-Württemberg als Teil eines Projekts des Städtetags in Kooperation mit Herrn Professor Dr. Thorsten Lehr wird grundsätzlich zugestimmt.

2. Die Kosten für das Projekt einschließlich externer Begleitung betragen entsprechend vorläufiger Kalkulation des Gesundheitsamts ca. 495.500 EUR. Mittel stehen hierfür im THH 530 Gesundheitsamt nicht zur Verfügung. Externe Fördermittel sind nicht zu erwarten. Die Gesamtkosten sind daher überplanmäßig zu decken. In Abhängigkeit einer möglichen Aktivierungsfähigkeit der erforderlichen Hard- und Software und der konkreten Ausschreibungsergebnisse sind hierzu - gegebenenfalls über eine weitere Beschlussvorlage - noch die erforderlichen Mittelbewilligungen im Ergebnis- und Finanzhaushalt 2021 herbei zu führen.



Begründung:


Im Einvernehmen mit dem Land Baden-Württemberg sollen als Teil eines Projekts des Städtetags und in Kooperation mit Herrn Professor Dr. Thorsten Lehr (Universität des Saarlands) unterschiedliche kulturelle Veranstaltungen mit einem Schwerpunkt im popkulturellen Bereich und Jugendbereich durchgeführt werden, die über die aktuell laut Corona-Verordnung geltenden Regelungen hinausgehen. Der Ansatz der Landeshauptstadt besteht darin, hieraus übertragbare Erkenntnisse abzuleiten, so dass solche Veranstaltungen auch bei höheren Inzidenzen sicher realisierbar sind.

Weitere grundlegende Ziele des Projekts sind:

1. Besser verstehen
… unter welchen Bedingungen und in welchen Bereichen (k)ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht. Dies dient der differenzierteren Ausgestaltung der Corona bedingten Maßnahmen.

2. Sicherheit erhöhen
… durch die gezielte Verhinderung von Situationen, die mit einem erhöhten Infektionsrisiko einhergehen. Dadurch werden das Infektionsrisiko gesenkt sowie Quarantänemaßnahmen vermieden.

3. Ermöglichen
… eines smarten Öffnungskonzepts mit hoher Nachhaltigkeit und Übertragbarkeit auch auf andere Kommunen. Hierdurch werden Kultur und öffentliches Leben gefördert.


Methoden

Entsprechend der nachfolgend dargestellten Maßnahmen wird bei den Veranstaltungen im Rahmen des hier vorgestellten Projekts nach Möglichkeit alles vermieden, was zu einer potenziellen Ansteckung führen könnte.

Innenraum Distanztracking: Dieses ermöglicht eine genaue und zuverlässige Ermittlung von engen Kontaktpersonen und die fortlaufende Verbesserung des Hygienekonzepts. Hierzu erhält der Besucher beim Betreten der Location einen Sender (Schlüsselanhängerformat), der vom RTLS (Real-Time Location System, engl. für Echtzeit-Lokationssystem) erfasst wird und so zu jedem Zeitpunkt die genaue Position des Besuchers innerhalb der Location erkennt. Durch die Kommunikation der Sender untereinander kann ermittelt werden, welche Sender sich für wie lange in unmittelbarer Nähe zueinander befunden haben. Durch die Verwendung von Ultrabreitband-Technologie kann die Distanz bis auf 10 cm genau hochpräzise ermittelt werden. Im Falle eines Infektionsereignisses können so gezielt automatisiert und unter Wahrung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen die Personen ermittelt werden, die ein erhöhtes Risiko aufweisen, sich infiziert zu haben. Das entlastet die Gesundheitsämter bei der Kontaktpersonennachverfolgung und ist ressourcenschonend in Hinblick auf Test- und Laborkapazitäten. Durch das RTLS Format ist es auch möglich, „Hot Spots“ zu identifizieren. Das sind Orte in den Gebäuden, an denen es vermehrt zu kritischen Kontakten kommt. Der Betreiber kann dadurch das Hygienekonzept fortlaufend überprüfen bzw. dies auch bei Bedarf bereits während der Veranstaltung verbessern, wodurch der Schutz der Besucher*innen sich deutlich erhöht.

Warnung bei Risikokontakten: Wird ein festgelegter Mindestabstand unterschritten, werden die betroffenen Personen über den oben genannten Sender im Schlüsselanhängerformat gewarnt (z.B. durch Vibration und / oder Signalton). Potenziell gefährliche Begegnungen werden somit sofort erkannt und können dadurch von jedem Einzelnen umgehend vermieden werden.

Kontaktpersonennachverfolgung: Durch IT-gestützte Prozesse zur Kontaktpersonen-Nachverfolgung wird die verschlüsselte Kontaktdatenübermittlung mittels App (voraussichtlich Luca App, aber auch andere Apps möglich) gewährleistet. Dadurch werden die Gesundheitsämter maßgeblich entlastet.

Ergänzt werden die Maßnahmen durch eine Teststrategie und Hygienemaßnahmen: Voraussetzung für den Zutritt ist der Nachweis eines negativen Testergebnisses, der Nachweis eines vollständigen Impfschutzes oder ein Genesenen-Nachweis gemäß § 2 SchAusnahmV. Des Weiteren werden die AHA-L-Maßnahmen verpflichtend umgesetzt.


Wissenschaftliche Begleitung des Projekts
Es erfolgt die fortlaufende wissenschaftliche Evaluation der Maßnahmen hinsichtlich Praktikabilität, Verbraucherakzeptanz und Infektionsschutz durch Herrn Professor Dr. Thorsten Lehr (Universität des Saarlands), so dass bereits von Beginn des Projekts an ein Erkenntnisgewinn besteht. Wie bei solchen Projekten üblich, wird ein auflagenfreies Ethikvotum eingeholt. Zudem werden alle datenschutzrelevanten Aspekte geprüft und von den Teilnehmenden ggf. entsprechende Einwilligungserklärungen eingeholt.


Interessenbekundung / Auswahl
Da die Teilnahme an einem solchen Vorhaben infolge der zeitweiligen Öffnung einen relevanten wirtschaftlichen Vorteil für einen Teil der teilnehmenden Unternehmen darstellen kann, werden die Teilnehmenden nach Rücksprache mit dem Rechtsamt der Landeshauptstadt durch eine Interessensbekundung gewonnen. Dabei sollen nach einer kurzen Frist alle eingehenden Bewerbungen geprüft und nach den in der Interessensbekundung genannten Kriterien und Bewerbungskonditionen bewertet werden. Bei gleicher Bewertung ist ein Losverfahren zulässig.

Die Kriterien werden von der Gesundheitsverwaltung gemeinsam mit Herrn Professor Lehr und in enger Abstimmung mit dem Rechtsamt aufgestellt.

Das Kulturamt wird die Künstlerauswahl sowie die Programmgestaltung beratend begleiten.

Das Projekt wird durchgeführt, wenn dafür Interessenten aus der Stuttgarter Club- und Kulturbereich bereitstehen und zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe die personellen Kapazitäten bei der wissenschaftlichen Begleitung durch die Universität des Saarlandes vorhanden sind.


Projektbeginn und Projektdauer
Das Land Baden-Württemberg hat zugestimmt, dass das Projekt unabhängig von den aktuellen Regelungen der CoronaVO durchgeführt werden kann. Mit Zustimmung des Gemeinderats kann das Projekt jederzeit gestartet werden.

Das Projekt ist auf eine Gesamtdauer von 9 Monaten angelegt. Es sind 2 Monate zur Vorbereitung eingeplant. In dieser Zeit muss das technische System auf die entsprechende räumliche Gegebenheit geplant und angepasst werden und weitere Vorarbeiten (z.B. Ethikantrag, Datenschutzkonzept, Kontakt-App-Anpassung, etc.) durchgeführt werden. Die eigentliche Projektdurchführung ist auf 3 Monate angelegt. In diesem Zeitraum sind aufgrund des technischen Setups zeitnahe Ergebnisse über kritische Hot-Spot Zonen und Anpassungen des Hygienekonzepts möglich. Vier Monate sind zum Abschluss und Nachbereitung des Projektes eingeplant, inklusive Berichtserstellung und detaillierter wissenschaftlicher Auswertung.


Abgrenzung zu anderen Projektvorhaben
Mit einer Ausschreibung eröffnete die Landesregierung im Mai die Möglichkeit, weitere Modellvorhaben für alle Lebensbereiche, die noch nicht oder noch nicht sofort durch das stufenweise Öffnungskonzept der CoronaVO abgedeckt sind, zuzulassen. Ein von der Landeshauptstadt Stuttgart gestellter Antrag konnte aufgrund der gegebenen Rahmenbedingungen leider nicht berücksichtigt werden, obgleich das Konzept dem Grunde nach für gut befunden wurde.

Im weiteren Austausch mit dem Städtetag und dem Land konnte eine Zustimmung zur Durchführung des Projekts außerhalb der genannten Ausschreibung eingeholt werden, da das Vorhaben der Landeshauptstadt insbesondere durch die technischen Anwendungen eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auch bei höheren Inzidenzraten ermöglicht und dadurch einen sehr wichtigen Beitrag leistet.

Des Weiteren kann das Projekt hinsichtlich der folgenden Aspekte von anderen Projektvorhaben abgegrenzt werden:


Finanzielle Auswirkungen

Die Kosten sind im Einzelnen:

PositionEinzelpreisAnzahlSumme
Externe Begleitung - Personalkostenersatz (entsprechend E14, Stufe 3, 9 Monate)
97.500 €
97.500 €
Schnelltest App
25.000 €
1
25.000 €
Schnittstelle Tracker/App
10.000 €
1
10.000 €
Tracker (inkl Kabel)
110 €
2000
220.000 €
Anchor
100 €
200
20.000 €
Softwarelizenz (1 Jahr, 20% der Gerätekosten)
48.000 €
POE Hubs
200 €
25
5.000 €
Kabel
5.000 €
2
10.000 €
Ladegeräte (USB Hubs)
100 €
100
10.000 €
IT – Infrastruktur und Installation
50.000 €
Summe
495.500 €

Die vorläufige Kostenkalkulation ist von Herrn Professor Lehr aktuell erstellt worden.

Die Veröffentlichung zur Projektteilnahme einschließlich der Bewerbungskonditionen erfolgt gemeinsam mit dem Rechtsamt.

Die Beschaffung und Vergabe von Hard- und Software sowie der Dienstleistung wird aufgrund der Kostenschätzung im Rahmen eines EU-Verfahrens über das Dienstleistungszentrum des Haupt- und Personalamtes abgewickelt. Dieses erfolgt erst nach durchgeführtem Interessensbekundungsverfahren.

Für die Erfüllung der Aufgaben des Gesundheitsamts fallen keine zusätzlichen Kosten an.

Mittel für das Projekt stehen im Teilhaushalt des Gesundheitsamts nicht zur Verfügung.

Die Projektkalkulation konnte von Referat WFB nicht im Vorfeld geprüft werden. Daher werden die erforderlichen Mittelbewilligungen im Ergebnis- und Finanzhaushalt 2021 erst nach Vorliegen der konkreten Ausschreibungsergebnisse, der Prüfung einer möglichen Aktivierungsfähigkeit der erforderlichen Hard- und Software sowie der endgültigen Abstimmung des Projektumfangs (z.B. Anzahl Veranstaltungen) herbeigeführt.

In Abstimmung zwischen den Referaten AKR, SI und WFB wird dabei abgestimmt, ob Deckungsbeiträge aus dem Kulturbereich möglich sind, z.B. der im Rahmen der GRDrs 1091/2020 für den "Wiedereinstieg" in Kulturveranstaltungen vom Gemeinderat gewünschten Mittelverwendung der Restmittel aus dem Nothilfe-Förderfonds Kultur 2020 (aktuell ca. 920.000 EUR).




Projektdurchführung
Das Projekt soll in Kooperation mit der Universität des Saarlandes (Herr Prof. Dr. Thorsten Lehr) durchgeführt werden. Die Zusammenarbeit mit der Universität des Saarlandes begründet sich darin, dass es nach aktuellem Kenntnisstand der Gesundheitsverwaltung keine weitere Arbeitsgruppe gibt, die sich mit einer solchen Konzeption in dieser Form beschäftigt. Aufgrund der Neuartigkeit und der Komplexität des Vorhabens bedarf es einem umfassenden Hintergrundwissen und der Erfahrung von ähnlichen Projekten für die Konzeption und die Durchführung des Projekts. Dieses Wissen ist bei der Arbeitsgruppe der Universität des Saarlandes in ausreichender und hervorragenden Art und Weise vorhanden. Herr Prof. Dr. Lehr besitzt zudem sowohl national als auch international eine überaus große Reputation und hat durch seine Arbeit in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, dass er ein überaus zuverlässiger und kompetenter Wissenschaftler und Kooperationspartner ist.

Tätigkeitsbereiche der externen Begleitung durch die Universität des Saarlandes sind die vorwiegend konzeptionelle Planung und Durchführung der Studie. Dies umfasst insbesondere:

Von der Landeshauptstadt Stuttgart werden die Vergabe, die Suche nach geeigneten Institutionen, die Abstimmung mit dem Land, die Übernahme der Projektkosten und bezogen auf die Umsetzung des Projekts die Beratung der einzelnen Institutionen hinsichtlich des Hygienekonzepts übernommen.

Die Durchführung von Veranstaltungen im Modellprojekt kann zusätzlich begleitet werden durch diverse Nothilfe-Maßnahmen von Bund (neben dem Programm "Neustart Kultur" ist hierbei besonders der Anfang Juni 2021 ins Leben gerufene "Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen" in einer Gesamthöhe von 2,5 Mrd. Euro zu erwähnen), Land ("Kunst trotz Abstand") und Landeshauptstadt Stuttgart, die insbesondere auch für die Zeit des Wiedereinstiegs des kulturellen Lebens und des Hochfahrens des Kulturbetriebes zur Verfügung stehen. Hierzu findet eine enge Abstimmung mit dem Kulturamt statt.




Dr. Frank Nopper

Anlagen

Anlage 1: Praktische Umsetzung

Praktische Umsetzung

… aus Sicht der teilnehmenden Institution nach erfolgreicher Teilnahme an der Interessensbekundung
… aus Sicht der Besucher/-innen bzw. Kund/-innen:


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