Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
228/2013
GZ:
OB 7853-10
Sitzungstermin: 16.05.2013
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh fr
Betreff: Landesbank Baden-Württemberg
Hauptversammlung

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 15.05.2013, öffentlich, Nr. 115

Ergebnis: Ziffer 1 bei 1 Enthaltung einmütige Zustimmung
Ziffer 2 bei 1 Gegenstimme mehrheitlich Zustimmung
Ziffer 3 bei 1 Enthaltung einmütige Zustimmung

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 29.04.2013, GRDrs 228/2013, mit folgendem

Beschlussantrag:

Der/die stimmberechtigte Vertreter/Vertreterin der Landeshauptstadt Stuttgart wird beauftragt, in der Hauptversammlung der Landesbank Baden-Württemberg den nachstehenden Beschlussanträgen zuzustimmen:

1. Von der folgenden Verwendung des Jahresüberschusses der LBBW (Bank) im Geschäftsjahr 2012 wird Kenntnis genommen: Ergebnis vor Hybridbedienung 586.211.925,23 EUR
laufende Hybridbedienung 253.834.964,66 EUR
nachzuholende Hybridbedienung
früherer Geschäftsjahre 332.376.960,57 EUR
Jahresüberschuss 0,00 EUR
Bilanzgewinn 0,00 EUR 2. a) Die Mitglieder des Aufsichtsrats werden für das Geschäftsjahr 2012 entlastet.

b) Die Mitglieder des Vorstands werden für das Geschäftsjahr 2012 unter Kenntnisnahme der Bestätigung der Aufsichtsbehörde nach § 18 Abs. 3 LBWG entlastet.

3. Zum Abschlussprüfer für den Jahres- und Konzernabschluss der Landesbank Baden-Württemberg zum 31.12.2013, zum Prüfer für die prüferische Durchsicht des Halbjahresfinanzberichts zum 30.06.2013 sowie als Prüfer nach § 36 des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) wird die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bestellt.


Ein Exemplar des Geschäftsberichts 2012 der Landesbank Baden-Württemberg befindet sich bei den Akten der Hauptaktei.


Als Vertreter der Stadt im Aufsichtsrat der LBBW stellt OB Kuhn kurz das Jahresergebnis im Sinne der Vorlage dar. Dabei erwähnt er insbesondere die Steigerung des Jahresergebnisses gegenüber dem Vorjahr vor Steuern und Hybridbedienung trotz schlechter Rahmenbedingungen. Mit dem Jahresergebnis habe die LBBW die Rekonstruktionsliste der EU von 2009 in nahezu allen Punkten übererfüllt. Die Risikostruktur bei der LBBW sei verbessert worden. Ausdrücklich betont er, dass eine Namensänderung nicht zur Diskussion stehe. Die Stadt nehme aus der laufenden Verzinsung der stillen Einlagen - erstmals seit 2008 - 28,3 Mio. € ein und erhalte eine Zinsnachzahlung von 48,3 Mio. €, insgesamt also 76,6 Mio. €. Das tatsächliche Plus für den städtischen Haushalt belaufe sich allerdings nur auf 16,6 Mio. €, da man beim beschlossenen Haushalt bereits mit 60 Mio. € gerechnet habe.

StRin Münch (90/GRÜNE) sieht die Gewinnausschüttung in Höhe von 76,6 Mio. € als Konsequenz des EU-Umstrukturierungsverfahrens. Die Stadt sei gegenüber der LBBW eine enorme Verpflichtung eingegangen und ihre Fraktion werde sich dieser Verantwortung auch in Zukunft stellen. Die über vierprozentige Verzinsung der städtischen Einlagen sehe sie als "durchaus respektables Ergebnis" an, auch wenn die Stadt dafür ziemlich viel leisten müsse und jahrelang keine Zinsen erhalten habe.

Das städtische Engagement in der Bank dürfe nicht nur als wirtschaftliches Engagement und Finanzanlage gesehen werden. Vielmehr müsse die Stadt nach Abschluss des EU-Verfahrens die ihr mögliche maximale Transparenz und Kontrolle in der Bank ausüben können. Ihre Fraktion setze sich für die Kapitalbindung und/oder eine Haftungsbeschränkung in Bezug auf das Institut ein. Nicht zuletzt aus diesem Grund halte sie den Rückzahlungsanspruch der 950 Mio. € städtischer Gelder aus dem Jahr 2009 aufrecht. Aktuell befinde sich die Bank auf einem guten Weg. Die Umsteuerung auf den Schwerpunkt Unternehmensgeschäft trage erste Früchte. Insofern könne man mit dem Ergebnis zufrieden sein.

Im Namen seiner Fraktion stimmt StR Kotz (CDU) der Vorlage zu und begrüßt es, dass sie die Forderungen seiner Fraktion in den Beschlüssen 2012 widerspiegle. Zwar zeichne sich noch nicht ab, dass keine weitere Wandlung nötig sein werde. Doch scheine die Rückzahlung von 1 Mrd. € noch bestehender stiller Einlagen an die Eigentümer zeitnah - wahrscheinlich 2014 - realisiert werden zu können. Der breite Mehrheitsbeschluss des Gemeinderats 2012 sei ein klares Zeichen an Vorstand, Geschäftsführung und Mitarbeiter der LBBW sowie die beiden anderen großen Miteigentümer gewesen. Deshalb danke seine Fraktion dem Vorstand und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der LBBW für die gute Arbeit in einem schwierigen Umfeld. Man habe neben der Funktion einer Sparkasse, die über die BW-Bank erfüllt werde, als Zentrum der Metropolregion die Verantwortung, ein lokales Geldinstitut zu unterstützen, das die Industrie, den Mittelstand und die Wirtschaft in der Region Stuttgart erfolgreich werden lasse. Seine Fraktion freue sich über die 76,6 Mio. € Einnahmen, lege aber auch großen Wert darauf, dass der Einfluss des Gemeinderats auf die Gremien der LBBW in Zukunft wieder stärker werde.

StR Kanzleiter (SPD) signalisiert ebenfalls Zustimmung zur Vorlage. Seine Fraktion fühle sich in ihrer Entscheidung bestätigt, der Umwandlung der stillen Einlagen zuzustimmen, zumal das Kernkapital der Bank mit 15 % nun über dem gesetzlich und von der EU Vorgeschriebenen liege. Und dies angesichts eines - durch die Finanzkrise und Konjunkturprobleme - schwierigen Umfelds. Deshalb danke auch seine Fraktion dem Management und vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der LBBW für ihre Leistung, gerade auch vor dem Hintergrund, dass 2.500 Beschäftigte abgebaut werden mussten.

Das Kreditersatzgeschäft habe man, als eigentlich auslösendes Problem, mittlerweile auf ein Viertel seines ursprünglichen Umfangs zurückgeführt. Dies müsse in den nächsten Jahren auch für die restlichen 22 Mrd. € gelten. Ziel müsse eine Bank sein, die dem öffentlich rechtlichen Auftrag entspreche. Wünschenswert wäre ein Verzicht auf den Wechsel in eine privatrechtliche Rechtsform. Dieser Auftrag bestehe nach wie vor. Doch man müsse damit rechnen, dass die Bank in eine europäische Aktiengesellschaft umgewandelt werde. In diesem Zusammenhang habe seine Fraktion den Antrag gestellt zu prüfen, inwieweit die Stadt von der kommunalrechtlichen Seite her in der Lage sei, sich an einem privaten Institut mit so hohen Risiken zu beteiligen. Oder ob es nicht möglich sei, dieses herauszulösen und das Risiko - ähnlich wie bei der Frankfurter Sparkasse in einem Konzernverbund mit der Landesbank - insgesamt zu begrenzen. Die Stadt müsse sich auf kommunale Aufgaben konzentrieren und die Sparkassenfunktion wahrnehmen. Seine Fraktion begrüße es außerordentlich, dass das Filialnetz in Stuttgart nicht eingeschränkt werden solle. Das eigentliche Ziel der kommunalpolitischen Aufstellung sei das Privatkundengeschäft und das Geschäft mit dem Mittelstand, und dies erwarte seine Fraktion von der Landesbank.

StR Zeeb (FW) äußert seinen Stolz auf die Landesbank, die die Auflagen aus Brüssel zum großen Teil erfülle. Durch die Umsetzung der Restrukturierungsmaßnahmen habe man auch ein Stück Glaubwürdigkeit in die Bank und ihr Geschäft zurückgewonnen. Nachdem die Risikoaktiva von 96 auf 22 Mrd. € zurückgefahren worden seien, sollte man sich aber überlegen, ob eine weitere Reduzierung, wie von vielen gewünscht, wirtschaftlich und politisch sinnvoll wäre. Der ruhige und sozialverträgliche Personalabbau von 2.400 Stellen sei auch ein Verdienst des Tarifpartners ver.di gewesen, der in diesem Fall Flexibilität bewiesen habe. Die Zinsnachzahlung von 76,6 Mio. € sei ein erster Lichtblick und werde sich in Zukunft hoffentlich stabilisieren.

Wie sein Vorredner signalisiert auch StR Klingler (FDP) Zustimmung zur Vorlage. Nach langem Ringen habe sich seine Fraktion 2012 für die Wandlung und damit für den Bankenstandort Stuttgart und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entschieden. Die vorliegenden Zahlen sähen auf den ersten Blick zwar ganz gut aus, doch stehe die Bank vor einem komplizierten Jahr und in einem Wettbewerb, bei dem sie vieles nicht selbst beeinflussen könne. Wichtig sei, dass Geschäftsfelder, die in dieser Bank nichts zu suchen hätten, nicht mehr existierten oder peu à peu abgebaut worden seien, vor allem das im Umfang deutlich reduzierte Kreditersatzgeschäft, das allerdings auch so noch ein Risiko darstelle. Mit der Änderung der Rechtsform in eine europäische SE befinde man sich auf dem richtigen Weg.

Das niedrige Zinsniveau führe zwar zu geringeren Einnahmen, reduziere jedoch zugleich die Kosten der Geldbeschaffung. So erhielten die mittelständischen Unternehmen von der BW-Bank günstiges Geld für Investitionen, was Arbeitsplätze sichere. Die Restrukturierung sei abgeschlossen, und seine Fraktion hoffe, dass die Bank den eingeschlagenen Weg so fortsetze.

StR Rockenbauch (SÖS und LINKE) erklärt, die Bank habe 2009 aufgrund von "moralisch verwerflichen Geschäften, darunter Kreditersatzgeschäften" kurz vor dem Bankrott gestanden, sodass sich der Gemeinderat mehrheitlich dafür entschieden habe, sie mit fast 1 Mrd. € Steuergeld zu retten. Dieses Geld habe ursprünglich zurückgezahlt werden sollen, doch mittlerweile sei - mit Ausnahme bei der Gemeinderatsfraktion 90/GRÜNE - nur noch von Anteilen dieser Milliarden die Rede. Die Restrukturierungsfortschritte änderten nichts an der Haltung seiner Fraktion, dass die Wandlung der stillen Einlagen ein Fehler gewesen sei. Dadurch seien 41 Mio. €, die man gut für Schulen und Kitas hätte brauchen können, verloren gegangen. Von einer überplanmäßigen Vergütung des städtischen Engagements 2012 könne keine Rede sein, da 48 Mio. € Rückzahlungen auf die letzten Jahre seien. Die Haushaltspläne 2009 bis 2011 hätten jeweils 60 Mio. € vorgesehen, die aber nicht erfüllt worden seien. Mit einmalig 48 Mio. € im Jahr 2012 liege man demnach nicht über dem Plan. Vergleiche man die 28 Mio. €, die die BW-Bank für 2012 ausschütte, mit den 60 Mio. €, bleibe die Bank weit unter den Erwartungen.

Die Grundsatzkritik seiner Fraktionsgemeinschaft habe nicht nur wirtschaftliche und finanzielle Gründe, sondern sie stelle infrage, dass es sich beim städtischen Engagement um eine kommunale Aufgabe handle, da diese nur in der Sparkassenfunktion liege. Weder Kontrolle noch Transparenz seien gewährleistet. Er erinnert an dieser Stelle an den Verkauf der LBBW-Wohnungen, bei dem die Landeshauptstadt trotz ihres 19 %igen Anteils keinen Einfluss habe geltend machen können. Hieran werde auch eine Änderung der Rechtsform nichts ändern. Seine Fraktionsgemeinschaft halte es generell nicht für zulässig, dass sich eine Kommune an einer europäischen Aktiengesellschaft weiter beteilige, wenn nicht die Landesregierung hierfür ein spezielles Gesetz verabschiede. Seine Fraktionsgemeinschaft werde gegen die Ziffer 2 des Beschlussantrags stimmen.

Die Diskussion, ob sich die Kommune mit Blick auf die kommunale Daseinsvorsorge an einem der vielen am Bankenplatz Stuttgart vorhandenen Bankunternehmen beteiligen müsse, hält StR Dr. Schlierer (REP) für irrelevant, da sich dies historisch so ergeben habe. Die nun vorgelegte Jahresrechnung für 2012 könne man durchaus akzeptieren, doch dürfe man auch nicht vergessen, dass die Umwandlung der stillen Einlagen in Kernkapital zu einem Zinsverlust von 118,46 Mio. € in den Jahren 2009 bis 2011 geführt habe. Es sei erfreulich, dass die Stadt als Nachzahlung für diesen Zeitraum 48,3 Mio. € erhalte, doch habe man im gleichen Zeitraum 41,4 Mio. € verloren. Trotz der im Moment positiven Entwicklung werde man angesichts zunehmender rechtlicher Einflüsse und der ohnehin nur geringen Beteiligung das eigene Bankengagement kritisch prüfen müssen. Eine realistische Perspektive biete sich, wenn die Stadt ihr Engagement auf einen Kernbereich im Sinne dessen, was das Sparkassengesetz vorsehe, reduziere. Er kündigt an, den Ziffern 1 und 3 des Beschlussantrags zuzustimmen und sich bei Ziffer 2 zu enthalten.

OB Kuhn merkt abschließend an, die Rekonstruktion als Ganzes sei noch nicht abgeschlossen, sondern lediglich die einzelnen Ziele, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht werden müssten, seien erfüllt bzw. übererfüllt. Angesichts der höchst kritischen Lage der LBBW im Jahr 2009 sollte man 2013 nicht erwarten, dass alles schon wieder stabil sei. Doch befinde man sich auf einem guten Weg.

Dass der kommunale Einfluss im Aufsichtsorgan gestärkt werden solle, könne er zwar verstehen, doch behandle die EU das Thema unter Compliance-Gesichtspunkten. Die EU gehe - im Übrigen auch bei anderen Banken - davon aus, dass Politik keine gute Aufsicht sei, da sie nicht verhindert habe, dass die Landesbanken in die Krise gerutscht seien. Dies gelte für die EU unabhängig von der Rechtsform, egal ob AG, Europäische AG oder öffentlich rechtlicher Status. Er sagt zu, den Gemeinderat und die Fraktionsvorsitzenden über den Fortgang der Gespräche zu informieren.


Er stellt fest:

Der Gemeinderat beschließt die Ziffern 1 und 3 des Beschlussantrags einstimmig wie beantragt. Ziffer 2 beschließt er bei 5 Gegenstimmen und 1 Enthaltung mehrheitlich wie beantragt.

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