Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 24.01.2019
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:EBM Föll
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme für die EnBW-Areale Hackstraße und Gaisburg
- Anträge Nrn. 417/2018 und 299/2018 vom 20.12.2018
und 01.10.2018 (SÖS-LINKE-PluS)

OB Kuhn weist zunächst auf die Anträge Nr. 299/2018 und Nr. 417/2018 der Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS hin. Diese sind dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) begründet die Anträge. In der Hoffnung auf eine möglichst breite Mehrheit schlägt er vor, nur über Ziffer 3 des Antrags Nr. 299/2018 abzustimmen.

EBM Föll empfiehlt dem Gemeinderat - auch in Vertretung von BM Pätzold -, den modifizierten Antrag abzulehnen. Für die Verwaltung sei oberstes Ziel, so schnell wie möglich eine qualitätvolle Bebauung eines urbanen Wohnquartiers in der Hackstraße mit einem möglichst hohen Anteil an gefördertem Wohnungsbau zu realisieren. Der Gemeinderat habe die Verwaltung am 18.12.2018 im UTA beauftragt, einen Entwurf für die Auslobung eines gemeinsamen Planungswettbewerbs vorzubereiten, der die Zielsetzungen des Aufstellungsbeschlusses Ende 2017 und die Satzung über das besondere Vorkaufsrecht beinhalte. Die Ergebnisse dieser Gespräche sollte man abwarten, da auf diese Weise schneller gebaut werden könne als mit einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme. Insofern halte die Verwaltung zum aktuellen Zeitpunkt, an dem die Möglichkeit eines gemeinsamen Vorgehens mit der EnBW noch bestehe, die vorbereitenden Untersuchungen für eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme für entbehrlich.

Die Vertreter der Fraktionen danken für die Ausführungen.
StR Kotz (CDU) sieht keine großen Diskrepanzen zwischen den Plänen der EnBW und denen der Stadt. Unterschiedliche Akzente würden vielleicht beim Thema Infrastruktur - Smart City der EnBW - und dem von der Stadt verstärkt gewünschten geförderten Wohnraum gesetzt. Doch halte seine Fraktion diese Unterschiede in keinster Weise für unüberbrückbar. Da das Gelände noch genutzt werde, befinde man sich ganz am Anfang von Gesprächen mit der EnBW und habe BM Pätzold damit beauftragt, die Ziele der Stadt darzustellen, damit man sie mit denen der EnBW vergleichen und entsprechend verhandeln könne. Gegenüber StR Rockenbauch macht er deutlich, dass es den Mieterinnen und Mietern egal sei, ob sie in einer städtischen oder privaten Liegenschaft wohnten. Klar sei jedoch, dass man in einem Miteinander mit dem Grundstücksbesitzer schneller Wohnraum schaffen könne, als mit langwierigen Rechtsstreitigkeiten. Deshalb werde seine Fraktion auch den abgeschwächten Antrag ablehnen.

Die Ablehnung des Antrags signalisiert auch StR Winter (90/GRÜNE) im Namen seiner Fraktion, die die sinnvollen Gespräche mit der EnBW ebenfalls fortsetzen wolle. 40 % SIM seien keine unrealistische Größe mehr, Verkauf in den nächsten 20 Jahren nur an öffentliche Träger und ein gemeinsamer zweistufiger Wettbewerb seien in den Gesprächen konkretisiert worden. Eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme sei ein wichtiges Instrument, aber nur bei sehr unterschiedlichen Zielsetzungen. Insofern bitte er die Fraktionsgemeinschaft, den Antrag zurückzuziehen.

Seine Fraktion, so StR Körner (SPD), sähe es sehr gerne, wenn die beiden Grundstücke der Stadt gehörten. Das würde jedoch nicht bedeuten, dass in Zukunft kein privates Eigentum mehr auf diesen Flächen möglich sei. Doch könne die Stadt als Eigentümerin die Entwicklung des Areals über die Belegungsbindungszeit hinaus viel besser steuern. Seine Fraktion befürworte die Gespräche mit der EnBW, sehe aber keinen Widerspruch, was die vorbereitenden Untersuchungen anbelange. Deshalb stimme seine Fraktion dem von StR Rockenbauch geänderten Beschlussantrag zu. Vorstellbar sei für seine Fraktion aber auch, dass das Land zumindest das Grundstück am Stöckach erwerbe, um es dann in einer bestimmten Form an die Landeshauptstadt zu veräußern. Was die Fernwärme anbelange, so sei hier die Rechtsposition der Stadt schwach, weshalb die energetische Versorgung des Quartiers gemeinsam mit der EnBW erfolgen sollte.

StR Rockenbauch betont die Bedeutung dieser "letzten großen Wohnentwicklungsfläche" für eine Innenentwicklung, die zeitnah zur Verfügung stehe. Zudem befinde sie sich in einem vielfältigen Quartier, das noch bezahlbar sei, in dem die Verdrängung aber bereits begonnen habe. Deshalb sei entsprechend sensibles Vorgehen wichtig. Und dies bezweifle er angesichts des neuen Geschäftsfeldes "Quartiersentwicklung" der EnBW. Mit der vorbereitenden Untersuchung wolle man die Entwicklung am Neckar beschleunigen. Bei keinem anderen städtebaulichen Verfahren liege so früh konkret vor, um was es in Zukunft gehen müsse. Und auch der Bezirksbeirat Ost habe sich dafür ausgesprochen, dass das Gebiet in städtischem Eigentum entwickelt werde.

In Anbetracht der in ihren Augen positiv verlaufenden Verhandlungen mit der EnBW und dem angekündigten städtebaulichen Wettbewerb erklärt StRin von Stein (FW), ihre Fraktion werde den Antrag ablehnen. Firmen müssten - auch wenn sie in kommunaler oder Landeshand seien - Gewinn machen dürfen, um Risiken abpuffern zu können.

StR Dr. Oechsner (FDP) weist darauf hin, dass die meisten Wohnungen in Stuttgart von privaten Eigentümern zu Preisen vermietet würden, die nicht viel höher als die der SWSG lägen. Er könne nicht verstehen, dass man ohne Not in laufende Gespräche mit der EnBW eingreifen wolle, und werde den Antrag deshalb ebenfalls ablehnen.

Seiner Gruppierung sei es letzten Endes egal, wer baue, wichtig sei, dass gebaut werde, unterstreicht StR Klingler (BZS23). Denn man brauche dringend Wohnungen für Mitarbeiter der Stuttgarter Firmen. Man müsse gemeinsam nach Lösungen suchen, und deshalb lehne seine Gruppierung den Antrag ab.

Aufgrund der Erfahrungen mit der EnBW hielte StR Dr. Schertlen (STd) es für durchaus sinnvoll, ein wenig Druck aufzubauen, weshalb er der Ziffer 3 des Antrags zustimmen werde. Man dürfe nicht vergessen, dass es sich hier um IBA-Flächen handle. Insofern sei es wünschenswert, dass die Stadt die Hoheit über das Gebiet habe.

StR Brett (AfD) schließt sich den Äußerungen von StR Klingler an. Im Hinblick auf den sozialen Wohnungsbau sollte man erstens die Grundsteuer senken, zweitens freien Raum zur Verfügung stellen und drittens die Landesbauordnung nicht noch verschärfen.

Die Ablehnung des Antrags signalisiert auch StR Schupeck (LKR). Die EnBW habe ein hervorragendes Konzept mit Smart City vorgelegt, sie habe eine SIM-Quote von 30 % angeboten und sei kompromissbereit, sodass die Stadt hier auch noch gestaltend eingreifen könne.

An dieser Stelle weist OB Kuhn zunächst auf die seit Langem mit der EnBW geführten Gespräche hin, mit dem Ziel, die strittigen Themen - Wasserpreis, Hochdruck, Hochspannung, Fernwärme, Bauen - in einem Kompromisspaket zu lösen. Die Stadt habe versucht, die Fläche am Stöckach zu kaufen, doch wolle die Eigentümerin nicht verkaufen, sondern das Gebiet selbst entwickeln. Er sei überzeugt, dass eine Verhandlungslösung - jenseits des Verkaufs an die Stadt - der schnellere Weg sei, um zu Wohnungen zu kommen. In Bezug auf die SIM-Quote erkenne er Spielraum bei der EnBW. Er glaube nicht, dass die vorbereitende Untersuchung positiven Verhandlungsdruck aufbaue, sondern dass sie eher die Stimmung am Verhandlungstisch verschlechtern werde, da sie ja auch in den Versuch eines Enteignungsverfahrens münden könnte.

Gegenüber StR Körner unterstreicht er, dass die EnBW als AG betriebswirtschaftlich handeln müsse. Und er könne nicht direkt oder indirekt die Aufsichtsräte beeinflussen. Ihm gehe es letztlich um eine Abwägung, mit welchem Verfahren man die 600 Wohnungen schneller bauen könne. Seiner Ansicht nach seien hier die laufenden Gespräche mit der EnBW das klügere und bessere Verfahren.

Auch StR Winter spricht sich nochmals gegen die vorbereitenden Untersuchungen aus, da durch die Verhandlungen voraussichtlich mindestens 240 geförderte Wohnungen schnell geschaffen werden könnten.

StR Körner stellt klar, seine Fraktion habe nichts dagegen, wenn die EnBW mit ihrer Energie Gewinne erwirtschafte und diese dann wieder investiere. Doch hier gehe es um einen klassischen Spekulationsgewinn von immenser Höhe. Durch solche Gewinne stiegen die Wohnkosten. Er bezeichnet es als einen Offenbarungseid der Politik, wenn die Landesregierung einen Bodenfonds eingerichtet habe, um Kommunen beim Kauf von Grundstücken zu unterstützen, und man das in Stuttgart dann nicht durchsetzen könne.

StR Rockenbauch erinnert daran, dass die Idee der Quartiersentwicklung auf diesem Areal schon über zehn Jahre alt sei. Passiert sei nichts, was auch daran liege, dass zunächst eine Lösung für die Stadtwerke gefunden werden müsse. Deshalb müsse man nicht nur über den Stöckach, sondern auch über das Gebiet an der B 10 und am Neckar sprechen. Eine schnelle Entwicklung gelinge nur, wenn beide Flächen koordiniert würden. Schon während der vorbereitenden Untersuchungen könnten Bürgerbeteiligung und städtebauliche Wettbewerbe durchgeführt werden. Die Stadt müsse gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung unter Klima- und sozialen Gesichtspunkten definieren. Mit Blick auf das neue Geschäftsfeld der EnBW betont er, er habe nichts gegen Gewinne bei der EnBW, doch sollte sie diese mit ihrem Energiegeschäft bzw. ihrem Netz machen. Als AG müsse die EnBW den Bodenpreis in die Berechnung der Mieten einbeziehen - mit der Folge, dass keine bezahlbaren Wohnungen entstünden. Die Stadt könne die Mieten subventionieren, die EnBW dürfe dies nicht.

An dieser Stelle beantragt StR Dr. Fiechtner (BZS23) Ende der Debatte und Abstimmung. Dieser Geschäftsordnungsantrag wird bei 4 Ja-Stimmen mehrheitlich abgelehnt.

StR Kotz erklärt gegenüber StR Körner, ein Verkauf der Grundstücke stehe gegenwärtig doch gar nicht zur Debatte. Die EnBW wolle das Gebiet - möglichst mit der Stadt gemeinsam - entwickeln. Es gebe klare Zusagen der EnBW, der öffentlichen Hand bei einem Verkauf der Grundstücke das Vorkaufsrecht einzuräumen. Somit entstehe auch kein Spekulationsgewinn. Und der Bodenfonds sollte nicht dafür verwendet werden, etwas zu machen, was die EnBW ohnehin auch machen wolle, nämlich Wohnungen bauen. Schließlich erinnert er an die Wohnungen der LBBW, die verkauft werden mussten, als sie nicht mehr im Bereich Wohnen aktiv sein durfte. Die aktuelle Diskussion um Vonovia zeige die Auswirkungen. An StR Rockenbauch wendet er sich mit dem Hinweis, es schade doch nicht, wenn die EnBW als Grundstückseigentümerin an den Gesprächen mit den Bürgerinnen und Bürgern über die Ziele teilnehme.

EBM Föll führt aus, die Stadt habe jahrelang mit der EnBW verhandelt. Im Herbst 2017 habe die EnBW das Grundstück zum Höchstgebot ausgeschrieben, worauf die Stadt mit der Satzung über das besondere Vorkaufsrecht reagiert habe. Damit sei ein Verkauf auf dem freien Markt seitens der EnBW unterblieben. Sollte die EnBW nun verkaufen wollen, werde die Verwaltung den Gemeinderat mit der Entscheidung über ein preisregulierendes Vorkaufsrecht betrauen. Über Monate hinweg hätten OB Kuhn, BM Pätzold und er selbst Gespräche mit der EnBW geführt, ihr eine gemeinsame Planungs- und Entwicklungsgesellschaft vorgeschlagen und ihr über den aktuellen Verkehrswert hinaus auch Teile eines möglichen zukünftigen Planungsgewinns zugestanden. Doch wolle die EnBW nun das Gebiet selbst entwickeln und auch die dort entstehenden Wohnungen im Bestand halten. Wenn man nun, da man die Chance habe, eine gemeinsame Entwicklung unter akzeptablen Rahmenbedingungen einzuleiten, mit vorbereitenden Untersuchungen beginne, verspiele man diese Chance vorsätzlich. Sollten die Gespräche mit der EnBW scheitern oder die Ergebnisse dem Gemeinderat nicht akzeptabel erscheinen, könne man diese Frage zu gegebener Zeit erneut prüfen.

Gegenüber StR Körner legt er dar, die Spekulationsgewinne würden von der Stadt über SIM sowie einen darüber hinausgehenden städtebaulichen Vertrag weitestgehend abgeschöpft. Nicht nachvollziehen könne er die Strategie, bei der Fernwärme mit der EnBW zu kooperieren und damit ein Bürgerbegehren zu übergehen.

Die Stadt benötige die EnBW in verschiedenen Partnerschaften mit den Stadtwerken, gibt StR Klingler zu bedenken. Deshalb sollte man die Chance, das Projekt auf diesem Areal gemeinsam zu entwickeln, auch wahrnehmen. Grundsätzlich müsse der Eigentümer das Recht haben, eine gewisse Richtung vorzugeben, während die Politik die Rahmenbedingungen schaffen müsse.

Abschließend stellt OB Kuhn fest:

Der Gemeinderat lehnt Ziffer 3 des Antrags Nr. 299/2018 mit 17 Ja- und 38 Nein-Stimmen mehrheitlich ab.
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