Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
147/2021
GZ:
SWU
Sitzungstermin: 20.05.2021
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Faßnacht
Betreff: Satzung zur Änderung der Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum in der Landeshauptstadt Stuttgart nach der Novelle des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes Baden-Württemberg
- Vertagung -

Vorgang: Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik vom 04.05.2021, öffentl., Nr. 130
Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung
Gemeinderat vom 06.05.2021, öffentlich, Nr. 111
Ergebnis: Zurückstellung
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen vom 07.05.2021, öffentlich, Nr. 74
Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung mit 9 Ja-Stimmen, 1 Gegenstimme und 4 Enthaltungen


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Städtebau, Wohnen und Umwelt vom 20.04.2021, GRDrs 147/2021, mit folgendem

Beschlussantrag:

Die Satzung zur Änderung der Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum in der Landeshauptstadt Stuttgart (Zweckentfremdungsverbotssatzung - ZwEVS) vom 21.12.2020 wird gemäß Anlage 1 erlassen.


Vor Eintritt in die Beratung bittet BM Pätzold eine Korrektur in Anlage 1 zur GRDrs 147/2021 (Satzungstext), § 1 Ziff. 5 vorzunehmen. Deren Überschrift lautet nunmehr:
§ 1 Ziff. 5 Änderung von § 12 (Ordnungswidrigkeiten).

StRin Fischer (90/GRÜNE) erinnert an die knappe Entscheidung im Jahr 2016, die Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung zu beschließen. Von Anfang an sei dabei klar gewesen, dass es keine Satzung "mit Biss" ist, weil die Vermittler von Ferienwohnungen den Städten nicht auskunftspflichtig waren. Damit war keine richtige Handhabe gegeben. Man freue sich deswegen über die neue gesetzliche Grundlage der grün-schwarzen Landesregierung, um gegen Zweckentfremdung vorgehen zu können. Die Strafandrohung sei wichtig, wenngleich man daraufsetze, dass jeder Vermieter sich gesetzeskonform verhalten will und die Strafe vermeiden möchte. Auch sei glaubhaft versichert worden, dass die Anmeldepflicht, die für Anbieter solcher Wohnungen gilt, mit einer Registrierungsnummer versehen ist, die auch in den Portalen sichtbar sein muss. Damit gestalte sich die Überwachung für das Baurechtsamt einfach. Ihre Fraktion stimme der Vorlage zu.

StR Mörseburg (CDU) weist darauf hin, dass die Nutzung von Wohnraum als Hotelbetrieb, vermarktet auf AirBnB oder ähnlichen Webseiten, schon vor der Zweckentfremdung rechtswidrig, da baurechtswidrig war, und klar abzulehnen sei. Jedoch sei nicht jede Untervermietung von Wohnraum etwas Schlechtes, beispielsweise, wenn die Wohnung während des Urlaubs jemand anderem zur Verfügung gestellt wird - auch nicht, wenn dies über ein einschlägiges Portal erfolgt. Er denke dabei vor allem auch an DHBW-Studenten, die häufig an einem Ort eingesetzt sind und am anderen Ort studieren und folglich abwechselnd die Wohnungen nutzen. Auch diese Gruppe solel von der neuen Registrierungspflicht umfasst werden, weil es darin heiße: "Jeder Wohnraum, der an wechselnde Nutzer zum Zwecke des nicht auf Dauer angelegten Gebrauchs angeboten wird oder sogar nur beworben wird." Es werden somit "von dieser bürokratischen Zwangsmaßnahme" alle betroffen sein, die nicht gegen das Zweckentfremdungsverbot verstoßen. Diejenigen, die davor schon gegen das Recht verstoßen haben, werden es weiterhin tun und sich nicht registrieren, so seine These. Seines Erachtens werde damit mehr Schaden als Nutzen entstehen, weshalb er darum bitte, hier nachzuarbeiten.

Die CDU-Gemeinderatsfraktion könne in dem Ziel durchaus mitgehen, die illegalen Beherbergungsbetriebe zu treffen, aber nicht damit, alle anderen mit in die Registrierungspflicht zu nehmen. Die Registrierungspflicht solle auf diejenigen begrenzt werden, die Fremdenbeherbergung machen.

Für die FrAKTION begrüßt StR Rockenbauch die erfolgte Novellierung der Zweckentfremdung. Das Thema des Wohnens könne sicherlich nicht allein über dieses Instrument gelöst werden, doch müsse die Kommune die wenigen Schalter, die sie bei diesem Thema hat, drücken, um überhaupt einen Effekt zu haben angesichts des völlig überhitzten Wohnungsmarkts. Man freue sich daher, überhaupt eine Handhabe für die Feststellung der Zweckentfremdung zu haben und eine solche am Ende zu ahnden. Zum Wortbeitrag seines Vorredners merkt er an, es handle sich um eine Registrierungspflicht für Eigentümer, weshalb jemand, der temporär zwischenvermietet, keinesfalls von dieser Novelle des Zweckentfremdungsverbots betroffen sei.

Er wirbt dafür, dem Änderungsantrag Nr. 172/2021 der FrAKTION in den Ziffern 1 und 2 zuzustimmen, den er zusammenfassend vorstellt.

Für StR Conzelmann (SPD) besteht Einigkeit im Rat, dass die bisherige Zweckentfremdungssatzung "ein relativ zahnloser Tiger war". Dies habe nicht daran gelegen, dass die Landeshauptstadt Stuttgart bei der Abfassung der alten Satzung gravierende Fehler begangen hätte, sondern an der Landesgesetzgebung, die keine bessere Möglichkeit geschaffen hatte. Nun seien diese besseren Möglichkeiten da und man sei der Verwaltung grundsätzlich dankbar für die GRDrs 147/2021, die darauf reagiere und in der aufzeigt werde, was man besser machen kann. Um jedoch tatsächlich alle Möglichkeiten ausschöpfen zu können, die die jetzige Landesverordnung zulässt, unterstütze man den von StR Rockenbauch vorgetragenen Änderungsantrag der FrAKTION.

StR Neumann (FDP) tritt dem Eindruck entgegen, man würde dem zahnlosen Tiger mit dieser Änderungssatzung Zähne verleihen. Seine Fraktion glaube nach wie vor nicht, dass mit dieser Satzungsänderung ein wirklich guter Effekt geschaffen wird, um in Stuttgart zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Darum gehe es im Motiv dieser Satzungsänderung. Dieses Motiv sei edel und gut, aber der Weg dorthin sei schlecht gemacht. So werden die Leerstände, die vor 2016 entstanden sind, überhaupt nicht berücksichtigt. Stattdessen gehe man mit dem Rasenmäher über Leerstände, die danach entstanden sind. Jedoch werde jeder, der eine Wohnung leer stehen lässt, sehr gute Gründe haben, das zu tun. Er teilt die Meinung von StR Mörseburg, wonach Wohnen auf Zeit nicht immer nur mit Zweckentfremdungssachverhalten verbunden ist, sondern es gebe tatsächlich auch Bedarfe für Wohnen auf Zeit in Stuttgart, beispielsweise "Projekt-Wohnungen".

Gleichzeitig baue man mit dem Vollzug dieser Satzung ein unglaubliches Bürokratie-Monster auf. Er wundere sich sehr darüber, dass es hier möglich sein soll, geschwind ein Portal aufzubauen für die Registrierung und dazu noch Personal einzustellen, um diese Fälle zu monitoren, obwohl es gleichzeitig seit Jahren nicht gelinge, einen digitalen Bauantrag zu stellen und die entsprechenden Ämter mit Personal zu versorgen, um endlich Geschwindigkeit aufzunehmen in der Genehmigung von Bauanträgen. Hier könne es tatsächlich gelingen, Wohnraum zu schaffen, indem die Bearbeitung schneller wird, man Personal aufbaut und Technik aufbaut. Er sehe hier völlig die Verhältnismäßigkeit verloren, wo man Ressourcen sinnvoll einsetzt, um Wohnraum zu schaffen. Seine Fraktion werde der Vorlage nicht zustimmen.

Für die Freien Wähler erklärt StR Schrade (FW), das Zweckentfremdungsverbot bleibe für sie ein Eingriff in die Rechte von Immobilieneigentümern. Es schüre ein negatives Klima in der Stadt und trage mit dazu bei, Bauwillige und Investoren zu verprellen, die man dringend brauche, um beim Wohnungsbau voranzukommen. Man zweifle darüber hinaus sehr daran, dass das Zweckentfremdungsverbot einen nennenswerten Beitrag dazu leistet, Wohnraum bereitzustellen. Er belegt dies an zwei Beispielen. Aus Sicht der Freien Wähler "kann und darf es nicht sein, dass das Versagen an anderer Stelle, nämlich bei der zurückhaltenden Bereitstellung von Bauflächen, bei der oft langen Bearbeitungszeit von Bebauungsplänen und Bauanträgen, bei überzogenem Mieterschutz und dergleichen mehr, auf dem Rücken der Immobilieneigentümer ausgetragen wird". Man wolle insbesondere private Immobilieneigentümern nicht unter Generalverdacht stellen. Deshalb lehne man diese Vorlage und in der Folge auch den Änderungsantrag der FrAKTION ab.

StR Köhler (AfD) hält es für durchaus richtig, zu versuchen, das Wohnen und die Wohnungen ihrem eigentlichen Zweck zuzuführen. Ein Zweckentfremdungsverbot erfülle auch eine gewisse Schutzfunktion. Man werde der Vorlage dennoch nicht zustimmen, weil sie viele Prozesse und Vorgänge außer Acht lasse, die Wohncharakter haben, und damit solche Vermietungen treffen, die keinem touristischen Zweck dienen. Hinzu kommen der bürokratische Aufwand und "die generelle Gängelung von Eigentümern mit den entsprechenden Effekten".

StR Puttenat (PULS) teilt mit, die Fraktionsgemeinschaft halte die Vorlage für sinnvoll, um mehr Handhabe zu bekommen, gegen das tatsächlich bestehende Problem anzugehen. Man werde daher sehr genau beobachten, ob die Satzung greift und den gewünschten Effekt hat. Auch dem Änderungsantrag der FrAKTION stimme man zu.

BM Pätzold stellt an StR Mörseburg gewandt klar, man gehe davon aus, dass mit der einmaligen Registrierungspflicht keine große Aufwendung von den Eigentümern gefordert ist. Auch habe man darauf verzichtet, dass jede Vermietung anzeigepflichtig ist und werde sehr genau beobachten, inwiefern dies Auswirkungen hat. Man glaube, mit dieser Umsetzung einen sehr pragmatischen Weg beschrieben zu haben, der die Möglichkeit gibt, solchen Dingen, die in den Bereich Airbnb etc. fallen, einen Riegel vorzuschieben.

Nach seiner Lesart des § 10 a seien nicht allein Eigentümer betroffen, so StR Mörseburg, denn die Formulierung sei allgemein gehalten, sodass durchaus auch Mieter, die untervermieten, betroffen sind. Dies sei durchaus konsequent. "Wäre es nicht möglich, dass wir vielleicht nochmal um eine Runde vertagen können, damit wir schauen, dass wir eben diese Leute nicht treffen, die zwar auf kurze Dauer vermieten, wie z. B. der DHBW-Student, den ich angesprochen habe, und dafür in den Text des § 10 a hineinschreiben: 'Zum Zwecke der Fremdenbeherbergung', wie wir es bei § 3 auch geschrieben haben? Dadurch könnten wir diese Leute rauslassen und dann können wir als CDU sagen, 'wir sind zwar keine Freunde dieser Zweckentfremdungssatzung, aber wir haben natürlich durchaus ein Interesse daran, dass das Recht, das wir haben, auch umgesetzt wird!' Das wäre für uns ein guter Kompromiss, das man sagt, die Regeln, die bestehen, die muss man auch umsetzen und da muss man einen Weg finden, die durchzusetzen, man aber nicht jeden pauschal trifft, der eben vermietet auf kurze Dauer, auch wenn es nach § 3 völlig legitime Vermietungsformen sind."



Der Vorsitzende stellt die von StR Mörseburg (CDU) geäußerte Bitte nach Vertagung in den Raum. Dagegen erheben sich keine Einwendungen. BM Pätzold weist darauf hin, dass die Satzung erst Gültigkeit erhält mit Beschluss der Satzung.

OB Dr. Nopper stellt somit die Vertagung der Entscheidung über die GRDrs 147/2021 in die Sitzung des Gemeinderats am 17.06.2021 fest.

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