Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Wirtschaft/Finanzen und Beteiligungen
Referat Städtebau und Umwelt

Gz: WFB, StU 6322-02
GRDrs 165/2010
Stuttgart,
04/23/2010



Städtische Vorgaben im Energiebereich
Anpassung an die Energieeinsparverordnung 2009




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Umwelt und Technik
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen
Gemeinderat
Vorberatung
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
30.04.2010
30.04.2010
20.05.2010



Beschlußantrag:

1. Bei städtischen Neubauten werden die Anforderungen an den energetischen Standard in Wohngebäuden auf KfW Effizienzhaus 70 und in den übrigen Gebäuden (Nichtwohngebäude) auf eine 30 %-ige Unterschreitung der Energieeinsparverordnung 2009 festgelegt. Bezogen auf den baulichen Wärmeschutz (thermische Hülle) sind die Vorgaben der Energieeinsparverordnung um 20 % zu unterschreiten. Für An- und Erweiterungsbauten ohne eigene Heizzentrale gelten mindestens die Anforderungen des baulichen Wärmeschutzes von 20 %.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, beim Verkauf von städtischen Grundstücken und beim Abschluss von städtebaulichen Verträgen bzw. vergleichbaren Verträgen mit dem Ziel zu verhandeln, die obigen Anforderungen im Vertrag zu verankern.


Begründung:


Die Stadt Stuttgart stellt beim Verkauf von städtischen Grundstücken, in städtebaulichen Verträgen und bei städtischen Neubauten oder Sanierungen seit 1998 erhöhte Anforderungen an den energetischen Standard der Gebäude. Im Laufe der Jahre wurden diese Anforderungen immer wieder aktualisiert. Zuletzt hat die Verwaltung ihre Vorgaben mit der GRDrs 86/2008 an die Energieeinsparverordnung (EnEV) 2007 und mit der GRDrs 308/2009 an geänderte Förderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) angepasst.


Am 1. Oktober 2009 ist die jüngste Novellierung der Energieeinsparverordnung in Kraft getreten. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit einer erneuten Anpassung der städtischen Vorgaben. Aus diesem Grunde hat die Stadt beim Fraunhofer-Institut für Bauphysik ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Auswirkungen der neuen EnEV darstellen und wirtschaftlich vertretbare Anforderungen empfehlen soll.


EnEV 2009 – Veränderungen

Im Nichtwohnungsbau ist die Berechnungsmethodik bis auf kleinere Anpassungen gegenüber der EnEV 2007 gleich geblieben, allerdings haben sich die Anforderungen verändert. Künftig werden im Nichtwohnungsbau nur noch Anforderungen an den Jahres-Primärenergiebedarf Qp und an die mittleren U-Werte getrennt nach opaken (geschlossenen) und transparenten (Fenster) Bauteilen gestellt. Die bisherigen Vorgaben zum Transmissionswärmeverlust H’T sind weggefallen.

Im Wohnungsbau ist künftig neben dem bisherigen Verfahren auch das Berechnungsverfahren des Nichtwohnungsbaus zulässig. Außerdem wurden die Anforderungen der EnEV erhöht. Weiterhin gibt es zwei wesentliche Kennwerte: Zum einen den Jahres-Primärenergiebedarf Qp und zum anderen den Transmissionswärmeverlust H’T.


Inhalt der aktuellen KfW Programme

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) fördert energieoptimierte Wohngebäude im Programm „Energieeffizient Bauen“ mit zinsgünstigen Krediten. Maßgeblich sind die von der Energieeinsparverordnung (EnEV) gesetzlich vorgeschriebenen Werte für Energiebedarf und Wärmeverlust eines Neubaus

KfW-Effizienzhäuser 85 dürfen den Jahres-Primärenergiebedarf (Qp) von 85 % und den Transmissionswärmeverlust (H’T) von 100 % der errechneten Werte für das Referenzgebäude nach EnEV 2009 nicht überschreiten.

KfW-Effizienzhäuser 70 dürfen den Jahres-Primärenergiebedarf (Qp) von 70 % und den Transmissionswärmeverlust (H’T) von 85 % der errechneten Werte für das Referenzgebäude nach EnEV 2009 nicht überschreiten.

Wohngebäude im Sinne der EnEV sind auch Wohn-, Alten- und Pflegeheime sowie ähnliche Einrichtungen.


Untersuchung des Fraunhofer Instituts

Um sowohl für den Wohnungsbau als auch für Nichtwohngebäude eine Aussage zur Wirtschaftlichkeit einer erhöhten Anforderung zu erhalten, hat das Fraunhofer Institut für Bauphysik, wie schon bei der Untersuchung für die letzte Anpassung (GRDrs 85/2008) sechs Gebäude exemplarisch betrachtet: Im Nichtwohnungsbau eine Kindertagesstätte, eine Schule, eine Schulerweiterung und ein Industriegebäude. Im Wohnungsbau eine Doppelhaushälfte und ein Mehrfamilienhaus.

Im Rahmen der Untersuchung konnten keine allgemeingültigen Anforderungen an Erweiterungsbauten herausgearbeitet werden. Für Erweiterungsbauten führen die erforderlichen variablen Auslegungsvorschriften der EnEV zu vielfältigen Auslegungsformen des Referenzgebäudes, sodass bis heute keines der am Markt verfügbaren Nachweisprogramme diese Vorgaben realisieren kann. An- und Erweiterungsbauten sind im Einzelfall zu betrachten, auch im Hinblick auf die Vorgaben des Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetzes (EEWärmeG) 2009.

Die Untersuchungen des Fraunhofer Instituts haben folgendes gezeigt:
- Der bisherige Stadtratsbeschluss („KfW-Effizienzhaus 70-Niveau“ für den Wohnungsbau und „40% unter EnEV 2007 Niveau“ für den Nicht-Wohnungsbau) führt zu einer mittleren Unterschreitung der Anforderungen der EnEV 2009 von etwa 10% im Wohnungsbau und 20% im Nicht-Wohnungsbau.
- Das bisherige Anforderungsniveau liegt unter der neuen Anforderung „KfW-Effizienzhaus 85“. Es entspricht einem in den Förderprogrammen nicht enthaltenen Niveau „KfW-Effizienzhaus 80“.
- Ein niedriger Primärenergiebedarf führt nicht automatisch zu kleinen Wärmeverbräuchen. Besonders Holzpelletfeuerungen mit einem sehr niedrigen Primärenergiefaktor lassen hohen Wärmeverbrauch zu.
- Anlagensysteme auf Basis von erneuerbaren Energien erlauben eine wirtschaftlich vertretbare Unterschreitung um mehr als 40%.
- Eine Erhöhung der städtischen Anforderungen auf ein Niveau „30% unter EnEV 2009“ lässt sich als Mischwert (mit hochwertiger Baukonstruktion und ergänzenden anlagentechnischen Maßnahmen) bei allen untersuchten Gebäuden und mit allen untersuchten Anlagetechniken wirtschaftlich vertretbar realisieren. Unter ungünstigen Randbedingungen (Gasbrennwertkessel) sind Anlagensysteme auf Basis von erneuerbaren Energien ( z. B. Photovoltaik) notwendig.
- Die Mehrkosten für diese energieeffizienteren Gebäude bewegen sich nach Aussage des Fraunhofer Instituts gegenüber dem bisherigen Niveau zwischen 20 und 40 €/m² und erwirtschaften sich ohne Berücksichtigung von Fördermitteln in 18 bis 25 Jahren. Unter Berücksichtigung von zinsverbilligten Darlehen, Fördermitteln und Energiepreissteigerungen von 5 % reduzieren sich die Kapitalrückflusszeiten auf 15 bis 20 Jahre.

Aufgrund der analysierten Gebäude und Energieniveaus empfiehlt das Fraunhofer-Institut für Bauphysik folgende Anforderung: KfW-Effizienzhaus 70 für Wohngebäude und bei Nichtwohngebäuden mindestens 30 % ige Unterschreitung der Anforderungen der EnEV 2009.


Dadurch wird sichergestellt, dass die Bauherren von Wohngebäuden die Fördermittel der KfW-Bank in der Finanzierung nutzen können. Im Mittel wird hierdurch eine 30 %ige Unterschreitung der Anforderungen der Energieeinsparverordnung 2009 erreicht.

Familienprogramm / Sonderprogramm Preiswertes Wohneigentum

Auch die Stadt fördert einen höheren Energiestandard durch Zuschüsse in der Neuauflage des Familienbauprogramms sowie beim Sonderprogramm Preiswertes Wohneigentum (GRDrs 458/2007). Dabei hat sich die Stadtverwaltung bisher immer an den Programmen der KfW orientiert. Dies soll auch für die Zukunft beibehalten werden. Einige Bauträger bauen bereits heute standardmäßig KfW-Effizienzhäuser 70 oder 85.

Der neue Energiestandard gilt auch für alle städtischen Grundstücke des Programms „Preiswertes Wohneigentum“, über die die Stadt nach der Beschlussfassung des Gemeinderates mit Investoren Verhandlungen aufnimmt. Im Familienbauprogramm werden die Förderrichtlinien dem neuen Energiestandard angepasst. Zuschläge soll es künftig nur noch geben, wenn mindestens der neue Energiestandard (KfW-Effizienzhaus 70 / Bezug EnEV 2009) oder besser gebaut wird. Eine entsprechende Vorlage wird dem Gemeinderat in den nächsten Wochen vorgelegt werden. In Fällen, in denen bereits Verhandlungen laufen, sind noch die Regelungen aus der GRDrs 308/2009 (KfW-Effizienzhaus 70 im Wohnungsbau / Bezug EnEV 2007) zu Grunde zu legen.

Fazit

Durch den Beschluss, die städtischen Anforderungen an KfW-Effizienzhaus 70 im Wohnungsbau und „EnEV 2009 - 30 %“ im Nichtwohnungsbau zu erhöhen, stellt Stuttgart weiterhin eine wirtschaftlich vertretbare Anforderung beim baulichen Wärmeschutz und leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz. Im Hinblick auf steigende Energiepreise und knapper werdende Ressourcen ist diese erhöhte Anforderung sinnvoll. Sie ist zu gegebener Zeit zu überprüfen.

Eine ausschließliche Betrachtung unter den Aspekten der EnEV führt jedoch nicht zwingend alleine zu geringeren Endenergieverbräuchen. Differenzierte Betrachtungen auch im Hinblick auf Betrieb, Behaglichkeit, Nutzerfreundlichkeit, Lebensdauer im Sinne einer gesamtheitlichen Betrachtung sind hier unbedingt mit zu bedenken und werden im Rahmen des Energiemanagements umgesetzt. Die Ausführung von Anlagesystemen auf Basis von erneuerbaren Energien bei städtischen Bauvorhaben ist standortbezogen im Einzelfall zu betrachten.

Um dieser Vorgabe beim Verkauf von städtischen Grundstücken und beim Abschluss von städtebaulichen Verträgen Nachdruck zu verleihen, wird wie bisher in die Verträge aufgenommen, dass bei einer Abweichung von den Anforderungen ein einmaliger Ausgleichsbetrag zu zahlen ist. Dieser Betrag liegt bei 5 € für jede kWh/a Mehrverbrauch des Gebäudes an Primärenergie entsprechend der Berechnung nach EnEV 2009. Eine Ausgleichszahlung kam in den vergangenen Jahren noch nicht zur Anwendung, da die Vertragspartner der Stadt die vereinbarten Werte eingehalten haben.

Der Auftrag nach Ziffer 2 des Beschlussantrags an die Verwaltung beim Verkauf städtischer Baugrundstücke die Verpflichtung zur 30 %-igen Unterschreitung der Energiesparverordnung 2009 möglichst im Kaufvertrag zu verankern, bezieht sich zwar grundsätzlich auf alle gewerblichen Baumaßnahmen. Sofern aufgrund der Art der Bebauung oder der künftigen Nutzung eines Gewerbebauplatzes jedoch unverhältnismäßig hohe Aufwendungen entstehen würden oder die Anwendung der Verordnung aus sonstigen Gründen nicht praktikabel ist, kann nach Rücksprache mit dem Amt für Umweltschutz auf eine entsprechende Vertragsbindung verzichtet werden.

Gleiches gilt bei:

1. Gewerbebauten mit einer BGF von weniger als 2.000 m², sofern es sich dabei nicht um reine Büronutzung handelt
2. Handwerksbetrieben
3. Produktionsstätten und Lagerhallen



Grundsatz

Der Beschluss bindet die Verwaltung bei städtischen Neubauten grundsätzlich. Sollten jedoch im Ausnahmefall besondere Gründe wie beispielsweise eine herausragende architektonische Gestaltung Abweichungen notwendig machen, so sind diese gegenüber dem Gemeinderat frühzeitig zu begründen. Diese Regelung ist in den vergangenen Jahren nie zum Tragen gekommen, da das jeweilige Anforderungsniveau eingehalten wurde.


Künftige Anpassungen

Die nächste Novellierung der Energieeinsparverordnung ist für 2012 vorgesehen. Dann sollen die Anforderungen nochmals um 30 % verschärft werden. Die Verwaltung wird sich rechtzeitig mit den Änderungen auseinandersetzen und eine Entscheidung des Gemeinderats vorbereiten.


Finanzielle Auswirkungen

Aus einer Verschärfung der energetischen Anforderungen kann sich auf Basis des Gutachtens eine Erhöhung der künftigen Baukosten um ca. 1-3 % ergeben. Gleichzeitig werden aber Einsparungen bei den Energiekosten erzielt. Die neuen energetischen Anforderungen werden bei allen städtischen Vorhaben umgesetzt, für die derzeit noch kein Vorprojektbeschluss gefasst ist.


Beteiligte Stellen

Referat T
Referat WFB
OB/82


Vorliegende Anträge/Anfragen

262/2007

Erledigte Anträge/Anfragen

262/2007




Michael FöllMatthias Hahn
Erster BürgermeisterBürgermeister


Anlagen

Anhang: Bericht IBP




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Anlage 1 zur GRDrs 165 Bericht IBP.pdf