Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 26.10.2017
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:BM Dr. Mayer
Protokollführung: Frau Westhaus-Gloël
Betreff: Haushalt öffentlich verhandeln - Geschäftsordnung
anpassen
- Antrag Nr. 285/2017 (SÖS-LINKE-PluS) vom 06.10.2017

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) erläutert, der Fraktionsgemeinschaft gehe es darum, dass öffentliche Entscheidungen und ihr Zustandekommen nachvollziehbarer werden. Die Novellierung der Gemeindeordnung unter der Grün-Roten Landesregierung in der letzten Legislaturperiode ziele in dieselbe Richtung. Der Gemeinderat solle nun den Fortschritt in Richtung mehr Transparenz auch in der eigenen Geschäftsordnung nachvollziehen.

BM Dr. Mayer führt aus, der Ursprung dieses Antrags liege in dem Anliegen der Fraktionsgemeinschaft, die Haushaltsplanberatungen öffentlich durchzuführen. Die Verwaltung habe die Beibehaltung der Nichtöffentlichkeit empfohlen, weil sie der Auffassung sei, dass dafür gute Gründe sprechen. Zum einen biete die Nichtöffentlichkeit der Haushaltsberatungen einen gewissen Schutzraum für die Willensbildung in der 1. und 2. Lesung. Sie eröffne die Gelegenheit, Fragen zu stellen, Dinge noch einmal zu diskutieren, sich selber Zeit zu lassen für eine inhaltliche Positionierung in der 3. Lesung. Zum anderen sprächen auch rechtliche Gründe gegen öffentliche Sitzungen in der
1. und 2. Lesung, weil es aus Sicht der Verwaltung im Vorfeld nicht zulässig gewesen sei, durch einen Einzelbeschluss von der in der Geschäftsordnung festgelegten
Nichtöffentlichkeit der Vorberatung abzuweichen. Das habe die Fraktionsgemeinschaft von der Rechtsaufsichtsbehörde überprüfen lassen. Das Regierungspräsidium habe die rechtliche Auffassung der Stadt Stuttgart hier bestätigt.


Jetzt liege ein Antrag vor, die Geschäftsordnung dahingehend zu ändern, dass die Vorberatung grundsätzlich, also losgelöst von den Haushaltsberatungen, öffentlich stattzufinden hat. Dies sei ein bedeutsamer Eingriff in das Stadtrecht, dessen Folgen die Verwaltung auch noch nicht abschließend und in Gänze überblicke. Klar sei aber schon jetzt, dass die im Antrag gewählte und vorgeschlagene Formulierung zu problematischen Ergebnissen führen könne, z. B. im Bereich der beratenden Ausschüsse, wenn zukünftig ein Unterausschuss Konzessionsvergabe, in dem wesentliche vertrauliche Dinge erörtert werden sollen, öffentlich zu tagen hätte. Dasselbe gelte für den Reform- und Strukturausschuss oder den Personalbeirat.

Im Grundsatz gehe es der Verwaltung aber darum zu sagen, dass man bei einer Novellierung des Stadtrechts nicht an einem einzelnen Paragraphen herumfeilen sollte, sondern dass man sich das Stadtrecht gesamthaft anschaut. Genau das sei ja bereits im Reform- und Strukturausschuss angekündigt worden und mit einer Zeitschiene dargelegt worden. Die Verwaltung beabsichtige, die Geschäftsordnung des Gemeinderats zu novellieren, ebenso die Geschäftsordnung des Bezirksbeirats. Darüber hinaus solle die Fraktionsfinanzierungssatzung überarbeitet werden, ebenso die Hauptsatzung der Stadt Stuttgart, dies alles nicht aufgrund eines Einzelfalls, sondern weil sich im Kommunalrecht und in der Gemeindeordnung sehr viele Änderungen ergeben haben, die die Stadt umzusetzen habe. Beispielsweise seien in der Hauptsatzung rechtliche Querverweise nicht mehr aktuell. Eine gesamthafte Novellierung mache also Sinn. Schon heute könne er aber versichern, dass die zukünftige Regelung bezüglich der Vorberatung mehr Öffentlichkeit vorsehen und zulassen werde. Die Aufgabe werde mit Sorgfalt und Augenmaß angegangen.

StR Körner (SPD) betont, die Gemeindeordnung sei in der Tat reformiert worden, unter anderem mit dem Anspruch, mehr Öffentlichkeit zu wagen und die Fraktionen in den Gemeinderäten zu stärken. Deswegen würden ja auch die Geschäftsordnung und die Hauptsatzung überarbeitet. Seine Fraktion begrüße das und werde auch eigene Vorschläge einbringen. Er könne sich vorstellen, dass dann auch der Vorschlag von SÖS-LINKE-PluS aufgerufen werde, sodass man in Ruhe über diesen Fragen diskutieren könne.

StRin Deparnay-Grunenberg (90/GRÜNE) bemerkt, das politische Geschäft diene auch der Meinungsbildung, und die verschiedenen Gruppierungen und Parteien ständen mit ihren Visionen von der Zukunft der Stadt in einer gewissen Konkurrenz. Keiner habe eine absolute Mehrheit, und die Demokratie lebe von der Kompromissbildung, von den Bemühungen, gemeinsame Wege zu finden. In dieser Beziehung gebe es bei den Antragstellern noch Nachholbedarf. Sie versuchten nicht, einen Weg zu finden, der z. B. auch rechtlich funktioniere, und es sei ihnen egal, ob in den Ausschüssen vermittelt worden sei, dass man vielleicht gemeinsam Wege finden könne. Die Themen, die die Fraktionsgemeinschaft einbringe, seien oft auch interessant, aber die Art und Weise, wie sie vorgehe, führe nicht zum Ergebnis.

StR Zeeb (FW) führt aus, aus seiner Sicht habe man bisher im Stuttgarter Rathaus eine gute Haushaltsplanberatungs-Kultur gepflegt. Alle Fraktionen hätten ihre - oftmals unterschiedlich interpretierbaren - Anträge immer offen und sachlich diskutieren können. Kritische Nachfragen, und manchmal ein bisschen ungeschicktere, unwissende Nachfragen, die dann aber weitergeholfen hätten, habe man an die Verwaltung stellen können. Aus dem Vorgehen hätten sich oftmals gute Kompromisse ergeben. Politische Fensterreden seien bisher nicht nötig gewesen, was sich positiv auf den Zeitrahmen der Haushaltsplanberatungen ausgewirkt habe. Eine gewisse Öffentlichkeit sei auch in den nichtöffentlichen Sitzungen schon dadurch hergestellt worden, dass manche die Zwischenergebnisse am selben Tag noch an die Presse gegeben hätten.

StR Klingler (AfD) betont, es komme immer auch darauf an, ob die Öffentlichkeit auch abgerufen werde. Der Blick auf die Tribüne zeige auch am heutigen Tag, dass das Interesse bei diesen Anträgen sehr überschaubar sei. Abzuwarten sei, wie viele Teilnehmer im Streaming bei der Aussprache zum Haushaltsplanentwurf dabei gewesen seien. Seine Fraktion sei der Meinung, dass sich alles auch rechnen müsse. Die Stadtverwaltung sei in der Herstellung von Öffentlichkeit auf einem sehr guten Weg. Durch die Nichtöffentlichkeit in der 1. und 2. Lesung könne man in einer anderen Sprache für seinen Antrag werben als in der Öffentlichkeit.

Auch StR Dr. Schertlen (STd) hält es für nicht schlecht, wenn Dinge auch einmal
nichtöffentlich diskutiert werden. Beim "Smalltalk im kleineren Kreis" in der 1. und 2. Lesung könne sondiert werden. In der 3. Lesung werde alles noch einmal öffentlich aufgerufen und man könne öffentlich debattieren. Er halte das bisher eingeschlagene Verfahren für einen Weg zum Haushalt, der seine Berechtigung habe.


StR Rockenbauch (SÖS und LINKE) kann nicht nachvollziehen, dass die Öffentlichkeit einer Sitzung dazu beiträgt, dass weniger Fragen zum Verständnis gestellt werden. Wenn es um Bestrebungen gehe, mehr Demokratie zu ermöglichen, würden immer wieder organisatorische Probleme als Gegenargument gebracht. Im Kern sei doch aber klar, in welche Richtung es gehen müsse. Die von BM Dr. Mayer angeführte öffentliche Sitzung eines Unterausschusses Konzessionsvergabe mit sensiblen Informationen könne so gar nicht stattfinden, weil die Gemeindeordnung diese Dinge regle. Die Geschäftsordnung des Gemeinderats müsse sich im Rahmen der Gemeindeordnung und der dort festgelegten Grundsätze für Öffentlichkeit und Nichtöffentlichkeit bewegen. Diese Angst sei also unbegründet. Die Fraktionsgemeinschaft habe vor allem die beschließenden Ausschüsse im Blick. Sie bestehe auf einer Abstimmung über den Antrag, damit es möglich werde, die 1. und 2. Lesung öffentlich zu machen.


OB Kuhn stellt abschließend fest:

Der Gemeinderat lehnt den Antrag bei 7 Ja-Stimmen und 1 Enthaltung mit großer Mehrheit ab.

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