Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
368/2016
GZ:
OB
Sitzungstermin: 20.10.2016
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh de
Betreff: 2. Fortschreibung des Nahverkehrsplans (NVP) der Landeshauptstadt Stuttgart

Vorgang: Ausschuss für Umwelt und Technik vom 05.07.2016, öffentlich, Nr. 321

Ergebnis: Einbringung

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 04.10.2016, öffentlich, Nr. 456

Ergebnis: Vertagung auf die UTA-Sitzung am 18.10.2016

Verwaltungsausschuss vom 05.10.2016, öffentlich, Nr. 392
Gemeinderat vom 06.10.2016, öffentlich, Nr. 194

jeweiliges Ergebnis: Zurückstellung

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 18.10.2016, öffentlich, Nr. 483

Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung bei 2 Stimmenthaltungen, wobei der Ziffer 4 des Antrags Nr. 291/2016 "Die Linie U19 soll nicht nur befristet bis Mitte April 2017 verkehren, sondern Teil des regulären Bahnnetzes werden. Auf Seite 48 wird der zweite Absatz gestrichen" einmütig zugestimmt wird

Verwaltungsausschuss vom 19.10.2016, öffentlich, Nr. 436

Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung in der Fassung des UTA vom 18.10.2016 bei 2 Stimmenthaltungen

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 27.06.2016, GRDrs 368/2016, mit folgendem

Beschlussantrag:

Der 2. Fortschreibung des Nahverkehrsplans (Stand Juli 2016) der Landeshauptstadt Stuttgart wird zugestimmt.


Eingangs weist OB Kuhn darauf hin, dass der Nahverkehrsentwicklungsplan (NVEP) in einigen Monaten vorgelegt werde.


StR Sauer (CDU) schickt voraus, dass der aktuelle Nahverkehrsplan (NVP) nur noch bis Ende 2018 gelte, da dann auch die Betrauung der SSB mit der Einbringung der Verkehrsleistungen durch Busse und Bahnen in Stuttgart ende. Für die erneute Übertragung dieser Aufgabe an die SSB, die nach EU-Recht als Direktvergabe geplant sei, werde mit der GRDrs 720/2016 (siehe NNr. 209) das Verfahren auf der Grundlage des NVP gestartet. Er werde mit der Vorabbekanntmachung der geplanten Direktvergabe mit einer klaren und eindeutigen Definition des gewünschten ÖPNV-Angebots im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Deshalb konzentriere sich die nunmehr zweite Fortschreibung auf die Anforderungen an das Angebot, ausgehend vom Status Quo, und enthalte darüber hinaus nur die politisch beschlossenen und im Wirtschaftsplan der SSB finanziell abgesicherten Verbesserungen, z. B. die Verlängerung der U 12 bis Remseck und der U 6 bis zur Messe und zum Flughafen bis 2020.

Die längerfristigeren Maßnahmen würden zunächst im Aufsichtsrat der SSB diskutiert und dann im NVEP aufgelistet und in den Gremien, unter anderem den Bezirksbeiräten, beraten. In den letzten knapp zwei Jahren sei einiges in den NVP aufgenommen worden, z. B. die Expressbuslinien, der Linientausch zwischen U 1 und U 14, die Verlängerung der U 12 nach Dürrlewang und, als Ergebnis der Aufsichtsratsklausur der SSB Anfang Juni 2016, die Taktverdichtung der U 13 zwischen Giebel und Hedelfingen in der Hauptverkehrszeit am Nachmittag, der regelmäßige Betrieb der U 19 zwischen Neugereut und Neckarpark von Montag bis Freitag, die aus Sicht seiner Fraktion bis zum Mercedes-Museum verlängert werden müsse, und die neue U 16 zwischen Fellbach und Giebel ab dem Fahrplanwechsel 2018.

Bei dieser Klausur habe sich der Aufsichtsrat einstimmig darauf festgelegt, nur diese genannten neuen Maßnahmen in den NVP aufzunehmen. Die Forderungen von SPD und SÖS-LINKE-PluS nach zusätzlichen Angebotsverbesserungen sollten dagegen im Zusammenhang mit dem NVEP diskutiert und priorisiert werden. Dies gelte auch für die Vorschläge aus den Bezirksbeiräten wie etwa die Verlängerung der Buslinie 65 zum Flughafen oder der Buslinie 64 über die Waldebene Ost bis zum Buchwald in Stuttgart-Ost. Diese Maßnahmen müssten in den Wirtschaftsplan der SSB aufgenommen und von dieser finanziert werden.

StR Stopper (90/GRÜNE) bekräftigt die Aussage seines Vorredners, dass es hier nicht - wie z. B. bei der letzten Fortschreibung - um die Verabschiedung des größtmöglichen Wurfes für den Nahverkehr in Stuttgart gehe, sondern um eine möglichst rechtssichere Direktvergabe an die SSB. Grundlage dafür sei ein NVP, der nicht Wünsche oder langfristige Ziele versammle, sondern das aktuelle Angebot beschreibe und sich auf das politisch beschlossene und im Wirtschaftsplan finanzierte beschränke. Aus diesem Grund habe der Gemeinderat beschlossen, in einem ergänzenden NVEP die strategische Weiterentwicklung des ÖPNV in Stuttgart zu formulieren, in den seine Fraktion ihre Ziele für eine nachhaltige Mobilität einbringen wolle. Dieser NVEP stelle eine ambitionierte Fortentwicklung des Nahverkehrs in Stuttgart dar und solle im nächsten Jahr beschlossen werden.

In Bezug auf weitere, zum Teil von anderen Fraktionen beantragte Maßnahmen sehe er wenig Dissens. So wolle man z. B. den 10 Minuten-Takt der Busse in den Abendstunden weiter verfolgen, unabhängig davon, ob dies im NVP stehe oder nicht. Seine Fraktion bekenne sich klar zu einer ambitionierten Weiterentwicklung des ÖPNV in Stuttgart, doch liege die Priorität des aktuellen NVP auf einer rechtssicheren Direktvergabe.

Drei verschiedene Entwürfe des NVP habe die Verwaltung im letzten Jahr vorgelegt, erklärt StR Körner (SPD). Im ersten sei kein Handlungsbedarf festgestellt und dies mit der Verbindung zur Direktvergabe sowie der gesicherten Finanzierung von Ausbaumaßnahmen begründet worden. Im zweiten Entwurf habe man Verbesserungen für die U 19 beschlossen, die gemäß dem Antrag 291/2016 seiner Fraktion auch weiterhin fahren werde. Auch bei der U 16 gebe es ab 2018/19 eine Verbesserung, nicht aber beim Bus. Dabei habe OB Kuhn sehr viel Wert auf den Aktionsplan "Nachhaltig mobil" gelegt, der Teil des Verkehrsentwicklungskonzepts sei, in dem unter anderem stehe, dass die Kapazität der Stadtbahnen und Buslinien mit längeren Bussen und Zügen und einem dichteren Fahrplantakt erhöht werden solle. Und auch im Luftreinhaltekonzept heiße es unter der Überschrift ÖPNV "Vorrangig ist ein Ausbau des Verkehrssystems Bus insbesondere im Innenstadtbereich". Dass im NVP hier kein Handlungsbedarf gesehen werde, sei ein Widerspruch.

Er bittet, Ziffer 1 des Antrags 291/2016 zur Abstimmung zu stellen, dass zumindest die Innenstadtbusse morgens und abends öfter fahren sollten. Eine gleiche Taktung wie bei den Stadtbahnen würde 500.000 € pro Jahr zusätzlich kosten.

Grundsätzlich merkt er zur politischen Kultur im Rathaus an, man habe die Bürgerschaft in einer Bürgerbeteiligung um Verbesserungsvorschläge zum NVP gebeten, die man dann mit dem Verweis auf die Direktvergabe und die Finanzierung als nicht machbar abgelehnt habe. Immerhin habe die Verwaltung in einer umfangreichen Gemeinderatsdrucksache zu den einzelnen Vorschlägen Stellung genommen. Das sei ihr in Bezug auf den Antrag seiner Fraktion innerhalb eines halben Jahres nicht möglich gewesen. Am Tiefpunkt sei man dann bei der Beratung im UTA am 04.10.2016 angelangt, in der ein CDU-Antrag mit Unterstützung der GRÜNEN eine Mehrheit gefunden habe, über einen Änderungsantrag zu einer Beschlussvorlage der Verwaltung überhaupt nicht mehr abstimmen zu lassen. So etwas dürfe aus Sicht seiner Fraktion nicht vorkommen. Die Rechtslage sei dann sehr schnell geklärt worden und BM Pätzold und EBM Föll hätten sich entschuldigt. Und schließlich wendet er sich an StR Sauer mit dem Hinweis, dass der Gemeinderat die Beteiligungsunternehmen kontrolliere und nicht umgekehrt. Und im Aufsichtsrat der SSB sei völlig klar gewesen, dass der Gemeinderat festlege, wie das verbindliche Nahverkehrsangebot in Stuttgart, das für die Direktvergabe an die SSB vorgesehen sei, aussehen solle.

Für die Zukunft fordert er, die Bürgerbeteiligung zu verbessern und die repräsentative Demokratie deutlich zu stärken. Dafür müsse sich der Gemeinderat selbst ernst nehmen und auch strittige Diskussionen zu wichtigen politischen Fragen der Stadt öffentlich führen.

Den Aussagen seines Vorredners zur politischen Kultur schließt sich StR Ozasek (SÖS-LINKE-PluS) an. Darüber hinaus äußert er Kritik an der vorliegenden Fassung des NVP. Dieser definiere das ÖPNV-Grundangebot in Stuttgart weit über die normale Planlaufzeit von 5 Jahren hinaus, da er zugleich Grundlage für den öffentlichen Dienstleistungsauftrag sei, mit dem die Stadt die SSB auf 22 Jahre mit dem Bus- und Stadtbahnangebot betrauen wolle. Deshalb müsse zwingend diskutiert werden, was man hier als Grundangebot verstehe bzw. welchen Mobilitätsmix man künftig haben wolle.

Aus Sicht seiner Fraktionsgemeinschaft sei klar, dass Stuttgart als Oberzentrum einer vernetzten Stadtregion mit 2,7 Mio. Einwohnern ein Basisangebot an Nachtbussen an allen Wochentagen vorhalten müsse. Der ÖPNV müsse als Metropole und Kulturhauptstadt auch Beschäftigten in der Nachtschicht, im Service und in der Kulturbranche sowie Nachtschwärmern ein verlässliches Angebot vorhalten, das laut Personenbeförderungsgesetz zudem barriere- und assistenzfrei nutzbar sein müsse. Dem werde dieser NVP nicht gerecht. Das Grundangebot müsse mit einer klaren Zielsetzung bezüglich der Form der Mobilität verbunden sein. Zu einer multimodalen Mobilitätskultur gehörten die systematische Verlagerung vom Automobil in den Umweltverbund, intermodale Mobilitätsknoten, eine Tarifintegration von Taxis in den ÖPNV sowie die konsequente Bevorrechtigung von Bus und Bahn im Straßennetz. Diese Diskussion sei angesichts der lufthygienischen Situation und des anhaltenden Verkehrschaos in Stuttgart unverzichtbar.

Große Enttäuschung in der Bürgerschaft, bei den Bezirksbeiräten und Fachverbänden habe hervorgerufen, dass das ÖPNV-Grundangebot im Beratungsverlauf, der erhebliche fachliche Mängel gehabt habe, nicht ergebnisoffen definiert werden sollte. Anträge der Ratsfraktionen seien nicht sachgerecht geprüft worden, eine Wirkungsabschätzung sei nicht erarbeitet und entscheidungsrelevante Zahlen - insbesondere eine Grobschätzung zur Kosten-Nutzen-Relation - seien nicht beigebracht worden. Aufwendungen für Infrastruktur und Personal sowie ein mögliches Mengenwachstum bei Tickets und Nutzern seien nicht aufbereitet worden.

Die Fraktionen von CDU und GRÜNEN hätten von Beginn an zusätzliche Mittel für eine weitere Ausdifferenzierung des ÖPNV-Grundangebots abgelehnt. Sie sähen im ÖPNV im Gegensatz zu seiner Fraktionsgemeinschaft keine wesentliche Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge, weshalb ihrer Ansicht nach die notwendige Finanzierung bzw. Eigenkapitalunterlegung für die SSB nicht zwingend aus dem Stadthaushalt erfolgen müsse. An dieser Stelle merkt er kritisch an, dass die Landesregierung nach Aussage von Finanzministerin Sitzmann keine zusätzlichen Mittel für den ÖPNV in Baden-Württemberg bereitstellen werde. Er schlussfolgere daraus, dass keine Sonderprogramme für Stadtbahnbeschaffungen, Gelenkbusse oder neue Schieneninfrastruktur aufgelegt werden. Stattdessen gebe es nun aber ein Sonderprogramm von 60 Mio. € für den Straßenbau. Dies sei eine gigantische Fehlsteuerung des Landes zugunsten der Automobilindustrie.

Aus den genannten Gründen müsste seine Fraktionsgemeinschaft die Vorlage eigentlich ablehnen. Um den Weg des geordneten Verfahrens zur Direktvergabe an die SSB, der sie ausdrücklich zustimme, nicht zu blockieren, werde sie sich aber lediglich der Stimme enthalten. Dabei unterstreicht er, dass seine Fraktionsgemeinschaft die Zwangsliberalisierung der Nahverkehrsleistungen nach EU-Recht für falsch erachte. Nahverkehr sei eine zwingende Aufgabe kommunaler Daseinsvorsorge.

Zum NVP gebe es aus Sicht seiner Fraktion zwei Betrachtungsweisen, erklärt StR Zeeb (FW). Die politische nehme in den Blick, was an Ausbau und Verbesserung des ÖPNV in den nächsten Jahren notwendig werde. Viele gute Anregungen hierzu müssten aber nicht im NVP, sondern im NVEP dokumentiert werden. Über weitere Entwicklungen und Fortschritte des ÖPNV werde man im Rahmen des NVEP diskutieren. Dann müssten die möglichen Verbesserungen finanziell unterlegt sein und auch im Aufsichtsrat diskutiert und mit der Belegschaft abgestimmt werden. Deshalb könne seine Fraktion dem Antrag 291/2016 nicht zustimmen. Juristisch betrachtet lege man mit dem NVP, der eine Leistungsbeschreibung des aktuellen und demnächst verfügbaren Nahverkehrsangebots darstelle, eine der wesentlichen Grundlagen dafür, dass Stuttgart auch nach 2019 die SSB mit der Dienstleistung ÖPNV betrauen bzw. beauftragen dürfe.

Der Rat sei sich doch einig in seinem Bestreben, diese Dienstleistung auch in Zukunft von der SSB zu beziehen. Der NVP, der alle Dienstleistungen der SSB nach aktuellem Stand plus die finanzierten Erweiterungen abbilde, mache auch deutlich, wie groß die Herausforderungen für einen funktionierenden ÖPNV seien. Mit diesem Leistungs- und Anforderungskatalog wolle man Mitbewerbungen etwas schwieriger machen, was rechtlich ja möglich sei. Und seiner Fraktionsgemeinschaft sei ein rechtssicheres Verfahren besonders wichtig. Nicht zuletzt sichere man mit der Zustimmung zum NVP das Stuttgarter Unternehmen SSB und die dazugehörigen Arbeitsplätze.

StR Prof. Dr. Maier (AfD) begrüßt im Namen seiner Fraktion, dass zum einen mit dem NVP eine langfristige Orientierung für den Betrieb und den Ausbau des ÖPNV in Stuttgart gegeben sei und zum anderen bei der Direktvergabe die Konformität mit EU-Recht hergestellt werde, auch wenn eine Restunsicherheit hinsichtlich der Auswirkungen der transatlantischen Freihandelsabkommen bleibe.

Positiv bewerte seine Fraktion, dass alle relevanten Stakeholder einbezogen worden seien, so dass man ein komplettes Meinungsbild habe. Allerdings hätte er begrüßt, wenn die Bewertungskriterien für Verkehrsleistungen nicht vom VVS, sondern von einer externen Institution erstellt worden wären.

Es verstehe sich von selbst, dass Stuttgart als Landeshauptstadt und Großstadt ein Verkehrsangebot vorhalten müsse, mit dem nicht schon am frühen Abend ganze Stadtteile vom ÖPNV abgehängt würden. Das sei ja auch nicht der Fall. Grundsätzlich führten die Verkehrszeiten und die Taktung zu einer viel intensiveren Nutzung der Fahrzeuge als früher, was wiederum mit entsprechenden Kosten verbunden sei. Durch den höheren Verschleiß müssten viel früher neue Züge beschafft werden.

Preisanhebungen bewirkten keinen Rückgang der Nutzung des ÖPNV, der ja immer stärker in Anspruch genommen werde. Dies belegten auch Studien aus vergleichbaren Städten. Ausschlaggebend für die Nutzung des ÖPNV seien vielmehr die Vollständigkeit des Fahrplanangebots, die Pünktlichkeit, die Zuverlässigkeit und bis zu einem gewissen Grad auch der Komfort der Züge. Wünschenswert wäre in Stuttgart allerdings, dass die Zahlungsverfahren künftig noch etwas vereinfacht und vor allem beschleunigt würden.

Natürlich könne man vieles noch verbessern, um die Attraktivität des ÖPNV zu steigern, so StR Dr. Oechsner (FDP), doch habe dies mit dem aktuellen NVP nichts zu tun. Die Diskussion über den künftigen ÖPNV und die Kosten seiner Ausgestaltung müsse im Zusammenhang mit dem NVEP vertieft werden. Der nun vorliegende NVP sei im Beratungsverlauf intensiv unter die Lupe genommen worden. Die darin enthaltene Beschreibung des Status Quo und der komplett finanzierten Maßnahmen der nächsten 4 bis 5 Jahre ermögliche die Direktvergabe an die SSB.

Nach Ansicht von StR Dr. Schertlen (STd) sind sowohl der NVP als auch der NVEP und, damit verbunden, die Direktvergabe nicht zukunftstauglich gefasst. Man habe den Blick nur in den Rückspiegel statt nach vorne gerichtet. Wenn die ganzjährige Bedienung der U 19 derzeit noch am Fahrermangel scheitere, zeige dies doch, dass man endlich das Thema "Autonomes Fahren" insbesondere auf Schienen auf den Weg bringen müsse. Damit könne man eine dichtere Taktung und einen finanzierbaren 24-Stunden-Betrieb erreichen. Er stellt die Frage, wie man damit umgehen wolle, wenn ein aktuell noch gar nicht agierender Anbieter mit autonomen Fahrzeugen parallel eine Mobilitätsdienstleistung anbiete. Dies sei angesichts der im Raum stehenden Laufzeit sogar ziemlich wahrscheinlich. Mobilität der Zukunft finde bereits in Singapur oder Sion/Sitten in der Schweiz statt. Dort seien Prototypen autonomer Taxis bzw. Busse unterwegs, in Mailand gebe es autonome Bahnen, während dies in der Technologieregion und Mobilitätsstadt Stuttgart noch nicht einmal auf dem Denkschirm, geschweige denn in der Erprobung sei.

Er halte es gegenüber der Bevölkerung für schwer vermittelbar, wenn die EU-Vorgabe zur Ausschreibung von Verkehrsleistungen durch die Stadt umgangen werde. Das bedeute, dass Fahrgäste möglicherweise mehr bezahlten als bei einem anderen Anbieter, der gar nicht zum Zuge kommen könne. Ein häufiges Argument, nicht den ÖPNV zu benutzen, seien die - im Bundesvergleich bezogen auf die Entfernung - hohen Kosten für eine Fahrt oder auch die Monatskarte. Hier sollte man durchaus auch die Angebote Dritter anschauen. Er stellt klar, dass er sich damit nicht gegen das Personal der SSB wende, da die Stadt dessen Übernahme an einen möglichen neuen Anbieter ebenso festschreiben könnte wie es das Land bei der Vergabe des Schienenverkehrs getan habe.

OB Kuhn bestätigt gegenüber StR Körner den Verfahrensfehler in der UTA-Sitzung vom 04.10.2016, für den sich die Verwaltung bereits entschuldigt habe. Man könne aber nicht den anderen Fraktionen vorwerfen, dass sie dem Verwaltungsvorschlag gefolgt seien.

Die Bürgerbeteiligung sei nicht umsonst gewesen, denn man werde die dort eingebrachten Vorschläge in die Diskussion des NVEP einbeziehen. Darüber habe er sich nochmals mit BM Thürnau verständigt.

Als Aufsichtsratsvorsitzender der SSB weise er die von StR Ozasek in Bezug auf den Stuttgarter ÖPNV formulierte "Verelendungstheorie" zurück. Bei der Stadtbahn würden mehrere Linien verstärkt bzw. neu geschaffen oder besser getaktet. Die U 12 fahre inzwischen bis Dürrlewang und ab September 2017 bis Remseck. Er erwähnt die U 16 und die nun nicht nur temporär, sondern dauerhaft fahrende U 19. Doch kaum schaffe man eine neue Linie, beginne sofort die Diskussion um deren Verlängerung. Diesen Wunsch teile er, er würde es begrüßen, wenn die Linie bis zum Daimler-Museum und ans Werktor ginge, da dann sehr viele Menschen dieses Verkehrsmittel nutzen könnten. Er erinnert an die Klausurtagung in Degerloch, bei der ein beispiellos umfangreicher Ausbauplan vereinbart worden sei.

Damit der NVP aber rechtssicher sei und die Direktvergabe nicht gefährde, müssten die Projekte klar beschrieben und finanziert sein. Deshalb seien nur die genannten Projekte enthalten. Selbstverständlich könne man auch in kurzen Fristen zusätzliche Vertaktungen bei den Bussen vornehmen. Die SSB könne auf Vorschlag der Geschäftsführung, wenn sie es finanzieren könne, im Aufsichtsrat beschließen lassen, die Taktung der Busse in der Früh und am Abend zu verbessern. Und wenn sie es nicht finanzieren könne, werde sie die Stadt um einen zusätzlichen Investitionszuschuss bitten. So sei das Verfahren: Die SSB berichte im Aufsichtsrat über ihre Planungen und deren Finanzierung. Könnten sie nicht aus vorhandenen Mitteln finanziert werden, melde die SSB Bedarf eines höheren Zuschusses oder einer anderen Finanzierungsquelle an. Er sagt zu, bei der Aufsichtsratssitzung der SSB im Dezember das Thema Busverbesserungen aufzugreifen und zu einem Ergebnis zu führen.

Grundsätzlich drehe sich der Streit um die Frage, ob diese Projekte im NVP stehen müssten. Er sei aber nicht bereit, die Direktvergabe mit noch nicht ausformulierten und ausfinanzierten Projekten zu gefährden.

Die Kritik von StR Ozasek, dass das Sonderprogramm in Höhe von 60 Mio. € nur für den Straßenbau vorgesehen sei, weist OB Kuhn als falsche Darstellung zurück. Die 60 Mio. € Investitionsmittel des Landes seien für alle Investitionsprojekte in diesem Bereich, also sowohl für Straßenbau als auch für Fahrzeugbeschaffung und Schieneninvestitionen.

Zur politischen Kultur äußert sich auch StR Stopper. Selbstverständlich sei der NVP eine politische Entscheidung. Entscheide man aber, darin alles Mögliche aufzunehmen, riskiere man die Direktvergabe. Er wirft SPD und SÖS-LINKE-PluS vor, sich auf die verantwortungsbewusste Mehrheit zu verlassen, die die rechtssichere Direktvergabe nicht gefährden wolle, und in deren Windschatten auf der "Welle der großen ÖPNV-Fortschrittsmenschen" zu surfen. Er stellt klar, dass nicht nur SPD und SÖS-LINKE-PluS den ÖPNV voranbringen wollten, seine Fraktion formuliere diese Ziele aus den genannten Gründen jedoch im NVEP. An StR Ozasek wendet er sich noch mit dem Hinweis, dass z. B. für das Jobticket und das Sozialticket ein zweistelliger Millionenbetrag in die letzten beiden Doppelhaushalte eingestellt worden sei.

StR Körner betont nochmals, das Vorgehen im UTA am 04.10.2016 in Bezug auf den CDU-Antrag habe jeglichen Grundregeln einer demokratischen politischen Kultur widersprochen.

Zum 60 Mio. € Sonderprogramm des Landes erklärt er, wenn das Land aus der allgemeinen Finanzausgleichsmasse 300 oder gar 600 Mio. € herausnehme, werde es auch für die Stadt "unterm Strich sehr ungemütlich". Das sei natürlich nicht die von der Landesregierung propagierte ÖPNV-Offensive.

Das Argument, es gefährde die Direktvergabe, wenn man den Takt der Innenstadt-Buslinien morgens und abends verkürze, treffe in keinster Weise zu. Denn dabei handle es sich nur um einen zusätzlichen, relativ bescheidenen Vorschlag.

Und zur Finanzierung merkt er an, er könne nicht nachvollziehen, dass die mit 2 Mio. € jährlich veranschlagte U 16, die erst im - noch gar nicht beschlossenen - Wirtschaftsplan 2018/19 der SSB auftauchen könne, die Direktvergabe nicht gefährde, wohl aber die bessere Taktung der Innenstadt-Busse für 500.000 €. Die Finanzierung sei genauso sichergestellt wie die der U 16 oder der U 19. An dieser Stelle weist er auf den Unterschied zwischen dem NVP und dem NVEP hin. Alles, was im NVP stehe, sei verbindlich und müsse er-bracht werden. Dies gelt für die im NVEP aufgelisteten Projekte nicht.

StR Ozasek erklärt, aus Sicht seiner Fraktionsgemeinschaft sei der NVEP ein Speicher von Ideen, die finanziell nicht unterlegt seien. Sie könnten durchaus nochmals diskutiert werden, würden aber nicht in absehbarer Zeit umgesetzt.

Den von OB Kuhn geäußerten Vorwurf, er rede den Nahverkehrsbetrieb schlecht, weist der Stadtrat deutlich zurück. Mit Blick auf die Aufsichtsratssitzung der SSB in Degerloch unterstreicht er, dass es in mehreren Fragen keinen Konsens gegeben habe. Und was das 60 Mio. € Sonderprogramm Straße anbelange, zitiere er hier lediglich die Zeitungen. Er werde diese Informationen auf der Website des Ministeriums gerne nochmals prüfen.

Es treffe zu, dass die Stadt eine hohe Mitfinanzierung - ca. 10 Mio. € - bei den Tarifen leiste. Gleichzeitig nehme sie aber ca. 7,5 Mio. € Straßenbenutzungsgebühr ein. In den letzten zwei Jahren habe die SSB mehr Geld in die SVV einbezahlt, als sie entnommen habe. Das bedeute, dass sich die Stadt aktuell einen Nahverkehr zum Nulltarif leiste.

Hierzu merkt EBM Föll an, StR Ozasek sei bekannt, dass die Jahresergebnisse 2014 und 2015 auf Sondereffekten basiert hätten: Grundstücksveräußerungen und verschiedene Rückstellungsauflösungen bei der Umstellung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz. 2016 werde die SSB einen Verlust von rund 20 Mio. € machen, und der Wirtschaftsplan für 2017 ff beinhalte einen Verlust von ca. 25 Mio. €.

Dieser Verlust, so erläutert er gegenüber StR Körner, müsse aus den Erträgen der SVV finanziert werden. Deren Finanzkraft sei nicht beliebig, und es sei aufgrund der aktuellen Niedrigzinsphase sogar außerordentlich schwierig, die Erträge zu erwirtschaften, ohne in die Substanz eingreifen zu müssen. Er weist die Argumentation zurück, dass man, wenn für die U 19 2 Mio. € vorhanden seien, auch noch 500.000 € für die Innenstadt-Buslinien habe. Niemand habe gesagt, dass durch diesen einen Beschluss die Direktvergabe nicht mehr rechtssicher sei. Doch hätten die Anträge deutlich mehr finanzwirksame Punkte umfasst, die rechtlich problematisch würden, weil der NVP verbindliche Vergabegrundlage für die Direktvergabe sei. Wenn er einen Auftrag erteile, müsse die Finanzierung sichergestellt sein. Dann könne er nicht auf irgendwelche Quellen in der Zukunft spekulieren, und deshalb halte er die Vorgehensweise, wie sie in der Vorberatung vereinbart worden sei, für richtig.


Zum Abschluss der Debatte sagt OB Kuhn zu, das Thema Innenstadtbusse in der Aufsichtsratssitzung zu erörtern und zeitnah umzusetzen.




Nach Rücksprache mit StR Ozasek lässt OB Kuhn zunächst über Antrag 293/2016 im gesamten, dann über Ziffer 1 des Antrags 291/2016 und schließlich über die GRDrs 368/2016 abstimmen. Er stellt fest:

Der Gemeinderat lehnt Antrag 293/2016 bei 7 Ja-Stimmen und 9 Enthaltungen mehrheitlich ab.

Ziffer 1 des Antrags 291/2016 wird bei 16 Ja-Stimmen mehrheitlich abgelehnt.

Die GRDrs 368/2016 beschließt der Gemeinderat bei 7 Enthaltungen einstimmig in der Fassung der Vorberatung im UTA.

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