Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
113/2023
GZ:
0101-86.01
Sitzungstermin: 02.03.2023
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:
Protokollführung: Frau Faßnacht fr
Betreff: Solidaritätspartnerschaft mit der Stadt Chmelnyzkyj (Ukraine)

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 01.03.2023, öffentlich, Nr. 72
Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung (1 Nein-Stimme)


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 24.02.2023, GRDrs 113/2023, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Der Gemeinderat stimmt einer Solidaritätspartnerschaft zwischen Chmelnyzkyj, Ukraine, und der Landeshauptstadt Stuttgart zu.

2. Diese Partnerschaft mit Chmelnyzkyj wird als gemeinsame „Vierer-Solidaritäts-partnerschaft“ Chmelnyzkyj - Dresden - Straßburg - Stuttgart (Straßburg als französische Partnerstadt beider deutscher Städte) geplant und etabliert.

3. Die Verwaltung wird beauftragt, gemeinsam mit Chmelnyzkyj, Dresden und Straßburg, eine entsprechende Vereinbarung vorzubereiten und deren Unterzeichnung mit dem Stadtoberhäuptern im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung in die Wege zu leiten.

Die ins Deutsche übersetzte Video-Botschaft des Oberbürgermeisters der Stadt Chmelnyzkyi, Herrn Dr. Oleksandr Symtschyschyn, ist dem Protokoll als Dateianhang beigefügt.


OB Dr. Nopper begrüßt zu diesem Tagesordnungspunkt ganz besonders herzlich den stellvertretenden Bürgermeister der Stadt Chmelnyzkyi, Herrn Mykola Vavryshchuk und die Leiterin der dortigen Wirtschaftsabteilung, Frau Nataliya Sakharova. Der Gemeinderat schließt sich dem herzlichen Empfang durch langanhaltenden Beifall an. Gegen den Vorschlag des Vorsitzenden zum Ablauf dieses Tagesordnungspunktes erheben sich keine Einwendungen.

Die Begrüßung und Einführung in den Tagesordnungspunkt durch OB Dr. Nopper ist wiedergegeben im leicht überarbeiteten Wortlaut.

OB Dr. Nopper:
"Verehrter Herr Kollege Mykola Vavryshchuk und verehrte Kollegin Nataliya Sakharova aus Chmelnyzkyi, geschätzte Damen und Herren Stadträte, meine sehr geehrten Damen und Herren,

unsere Herzen sind seit dem ersten Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine blau-gelb gefärbt. Wir stehen in unverbrüchlicher Freundschaft und in ungebrochener Solidarität an der Seite der Ukraine, an der Seite der Menschen in der Ukraine, an der Seite der Menschen, die aus der Ukraine flüchten mussten und flüchten müssen.

Anlässlich des Jahrestags des Kriegsbeginns wollen wir heute mit der Begründung der trinationalen Vierer-Solidaritätsstädtepartnerschaft ein klares Zeichen für diese ungebrochene Solidarität setzen. Alle vier Städte teilen unsere freiheitlichen europäischen Werte und sind damit eine Quadriga für Frieden und Freiheit. Auf dem Fundament der Zusammenarbeit der Städte wollen wir in eine gemeinsame Zukunft der Völker Europas. Die ukrainischen Nationalfarben Blau-Gelb sind das Symbol für Solidarität. Sie sind das Symbol des Widerstandes gegen diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, sie sind das Symbol für Frieden und Freiheit und sie sind das Symbol der freien Welt.

Die Auswirkungen des Krieges stellen uns alle vor große Herausforderungen - die Menschen vor Ort in der Ukraine noch viel stärker als uns hier in Stuttgart. Über 8.500 Menschen aus der Ukraine sind zu uns nach Stuttgart geflüchtet. Die Hilfsbereitschaft der Stuttgarterinnen und Stuttgarter war und ist groß. Deswegen konnten auch viele Menschen aus der Ukraine in privaten Unterkünften untergebracht werden. Unsere Solidaritätspartnerstadt Chmelnyzkyi hat rund 300.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Seit Kriegsbeginn hat sie rund 230.000 ukrainische Landsleute, die vor dem Krieg geflüchtet sind, aufgenommen. Sie kamen, sie blieben zum Teil, sie gingen zum Teil weiter oder wieder zurück. Gegenwärtig leben und 25.000 Geflüchtete in Chmelnyzkyi. Die Stadt steht immer wieder unter Raketenbeschuss, was enorme Zerstörungen auslöst und auch Menschenopfer kostet.

Gemeinsam mit Dresden und Straßburg wollen wir unsere ukrainischen Freundinnen und Freunde mit vereinten Kräften engagiert unterstützen. Stuttgart hat sich bereiterklärt, die Solidaritätspartnerschaft zu koordinieren und wir wollen ganz konkret dazu beitragen, die Not zu lindern. Heute Abend startet ein Hilfstransport in Zusammenarbeit mit dem Gustav-Adolf-Werk über Ungarn nach Chmelnyzkyi mit 45 Klein-Generatoren und mit vielen Lebensmittelvorräten an Bord. Es ist der vierte Hilfstransport der Landeshauptstadt Stuttgart in Zusammenarbeit mit dem Gustav-Adolf-Werk. Zwei gingen in den vergangenen Monaten über unsere tschechische Partnerstadt Brünn nach Charkiw, einer ging über unsere polnische Partnerstadt Lodz an ein Haus für geflüchtete ukrainische Waisenkinder.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der große ukrainische Dichter Pawlo Tschubynskyi hat ein Gedicht verfasst, das zur ukrainischen Nationalhymne weiterentwickelt wurde und das mit den Worten beginnt: 'Noch ist die Ukraine nicht gestorben.' Ja, liebe Freundinnen und Freunde, wenn wir alle zusammenstehen, stirbt die Ukraine nicht, sterben Frieden und Freiheit nicht. Deswegen geht von dieser Solidaritätsstädtepartnerschaft der vier ein Zeichen der Hoffnung und der Ermutigung aus, verbunden mit dem eindrucksvollen Ruf nach Versöhnung, nach Freundschaft, nach Frieden, in Freiheit!" (Beifall).

Anschließend wird die vor Beginn der Sitzung aufgezeichnete Videobotschaft des Oberbürgermeisters von Chmelnyzkyi, Herrn Dr. Oleksandr Symtschyschyn, abgespielt. Der ins Deutsche übersetzte Wortlaut dieser Rede ist der Niederschrift als Dateianhang beigefügt. Auf diese Rede folgt großer, langanhaltender Beifall.

OB Dr. Nopper übergibt das Wort anschließend an den stellvertretenden Bürgermeister der Stadt Chmelnyzkyi, Herrn Mykola Vavryshchuk. Seine von einer Dolmetscherin übersetzten Ausführungen sind nachstehend wiedergegeben im leicht überarbeiteten Wortlaut:

Herr BM Vavryshchuk:
"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Abgeordnete des Stuttgarter Rates, sehr geehrte Stuttgarter Bürger,
es ist in der Tat eine sehr große Ehre für mich, heute vor Ihnen zu sprechen. Das ist bereits der zweite Tag für mich und meine Kollegin in Ihrer wunderschönen Stadt. Ich bin begeistert von Ihrer Stadt und von der Unterstützung, die wir hier spüren. Heute und gestern haben wir Gelegenheit gehabt, Infrastruktur in Stuttgart zu besichtigen, städtische Einrichtungen. Wir haben eine Gelegenheit gehabt, durch die gemütlichen Straßen hier in Stuttgart spazieren zu gehen und wir haben ein Support-Zentrum in der Nähe vom Stuttgarter Bahnhof besichtigt. Als jemand, der selber in der Stadtverwaltung arbeitet, weiß ich das sehr zu schätzen und ich möchte mich bedanken für diese Gelegenheit, die Sie uns eingeräumt haben und für Ihre organisatorischen Bemühungen. Es ist mir bewusst, dass es nur einer der Schritte ist, die Sie tun, um die Ukraine zu unterstützen. Es ist mir durchaus bewusst, wie viele organisatorische und finanzielle Mittel eingesetzt wurden für diese Unterstützung.

Wir schätzen auch sehr die Hilfe, die Sie in die Ukraine schicken. Ich weiß es, und soeben wurde es auch erwähnt, dass wieder ein LKW heute beladen wird, der nach Chmelnyzkyi gefahren wird. Da sind Generatoren, mit denen unsere Kindergärten und Schulen versorgt werden, da sind Lebensmittel, die unseren vielen Flüchtlingen zugutekommen werden. Ich bedanke mich bei Ihnen für diese Arbeit und für diese Initiative.

Ich möchte jetzt auf ein paar Tatsachen eingehen, mit denen ich Ihnen vor Augen führen möchte, dass die Ukraine sich nicht ergeben wird: In dem einen Jahr des Krieges haben wir in unserer friedlichen Stadt mehr als 300 Mal Luftalarm gehabt. Die Gesamtdauer dieser Luftalarme belief sich auf fast fünfzehn volle Tage. Die Anzahl der Fälle, als wir mit Raketen beschossen wurden, beläuft sich bereits im zweistelligen Bereich. Wir haben jetzt März, der Winter liegt hinter uns. Unser Feind hat gehofft, dass die Kräfte uns verlassen werden. Manchmal haben wir keine Wärme gehabt, kein Licht, manchmal auch kein Internet oder keine mobile Verbindung. Überall haben die Generatoren gebrummt. Aber wir haben es überstanden.

Tausende von Bürger von Chmelnyzkyi und Hunderttausende ukrainische Bürger sind jetzt an der Front und verteidigen unsere Heimat. Leider haben wir auch viele Verluste. Wir verlieren Soldaten, die für die Unabhängigkeit der Ukraine kämpfen. Und jedes ukrainische Kind weiß, wer der Feind ist und wie es ist, Krieg zu erleben. Bei jedem Luftalarm müssen unsere Kinder, Zweijährige, Dreijährige, Vierjährige in den Keller gehen. Was sie mitnehmen, wenn sie in den Keller gehen, ist die Tasche, die mit besonderen Sachen gepackt ist und sie tragen auch ein Zeichen mit ihrem Namen und mit der Telefonnummer der Eltern. Manchmal müssen sie im Keller zwei Stunden, drei Stunden, vier Stunden lang ausharren. Ich glaube, jeder von Ihnen, der selber Kinder hat, kann nachvollziehen, wie es ist. Aber wir halten stand, wir kämpfen weiter.

Ich bin heute hier, um Ihnen zu sagen, dass unsere künftige Städtepartnerschaft, diese Vierer-Partnerschaft, ein mächtiges Signal der Unterstützung der Stadt Chmelnyzkyi sein wird. Für uns als eine sehr engagierte Gemeinde ist sehr wichtig, dass diese Partnerschaft nicht nur auf dem Papier steht. Für uns ist es sehr wichtig, dass wir tatsächlich zusammenarbeiten und Erfahrungen austauschen. Wir brauchen europäische Erfahrungen, aber ich bin mir auch sicher, dass wir auch über Erfahrungen verfügen, die wir gerne mit Ihnen teilen können. Chmelnyzkyi ist der Ort, in dem Freundschaft großgeschrieben wird und wir, die Vertreter von vier Städten, haben bereits zahlreiche Ideen, wie wir uns weiterentwickeln können. Wir haben im Vorfeld im Rahmen unserer Arbeitsgruppen bereits Gebiete festgelegt, die Schwerpunkte bilden werden. Ich bin überzeugt, dass die künftige Städtepartnerschaft für alle Teilnehmer interessant sein wird.

Und zu guter Letzt möchte ich mich bei Ihnen bedanken im Namen der Bürger von Chmelnyzkyi und im Namen aller Ukrainer. Ukrainer sind Europäer. Und wir kämpfen heute tatsächlich für unsere bewusste europäische Wahl. Wir kämpfen heute für unsere Freiheit und für das Recht, auf dem eigenen Boden zu leben. Das gibt uns Kraft und die Sicherheit, dass wir siegen werden. Wir werden unbedingt siegen. Weil auf uns von oben und von unten geschaut wird. Von oben sind das unsere Soldaten, die mit ihrem Leben bezahlt haben für die Freiheit der Ukraine. Und von unten schauen auf uns unsere Kinder, die in einem unabhängigen europäischen Land leben wollen. Danke an Deutschland, ein Hoch auf die Ukraine!"
(Lang anhaltender Beifall)

Mit Dank für die eindrucksvollen Worte übergibt OB Dr. Nopper das Wort an die Vertreterinnen und Vertreter des Gemeinderates.

StR Winter (90/GRÜNE) wendet sich zunächst an die Gäste aus der neuen Partnerstadt und heißt sie herzlich willkommen im Kreis des Stuttgarter Gemeinderates. Er erinnert in seinem Wortbeitrag an den 24.02.2022, der sich vor wenigen Tagen zum ersten Mal gejährt hat. An diesem Tag habe die russische Föderation eine groß angelegte Invasion in der gesamten Ukraine gestartet und habe damit einen furchtbaren Krieg ausgelöst, der zu einer massiven Zerstörung der zivilen und kritischen Infrastruktur und zu großem menschlichen Leid geführt habe. Die eben gehörten Berichte hätten dies sehr eindrücklich beschrieben. "Unsere Herzen sind ganz bei Ihnen!" Der Stadtrat schildert seine persönlichen Erinnerungen an diesen Tag und an die Tage und Wochen danach. Stuttgart habe sich klar positioniert und voller Hilfsbereitschaft angeboten, Geflüchtete aus der Ukraine und aus anderen Gebieten der Welt aufzunehmen. Seit nunmehr über einem Jahr sei die Ukraine diesem großen Angriffskrieg ausgesetzt und Bilder riesigen menschlichen Leids erreichen Stuttgart täglich.

"Die Ukraine kämpft für unseren gemeinsamen Werte, für Freiheit und Selbstbestimmung. Sie kämpfen auch für uns, für diese europäischen Werte im Kanon der Freiheit und der Selbstbestimmung! Von unserer Seite vielen, vielen Dank, dass Sie das auch für uns tun!" (Beifall) "Es ist daher für uns mehr als selbstverständlich, dass Deutschland die Ukraine dabei auf vielen Ebenen unterstützt - auch auf militärischer Ebene. Und es ist auch selbstverständlich, dass wir in Stuttgart zu unserer humanitären Verpflichtung der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine, aber auch aus vielen anderen Krisenherden dieser Welt, stehen und diese wahrnehmen, und weiterhin zu dieser Verpflichtung stehen. Wir möchten Sie, die politischen Vertreter*innen unserer neuen Partnerstadt, aber auch die Bürgerinnen und Bürger der Stadt bei den vielfältigen Herausforderungen, die dieser Krieg unter Verletzung aller Regeln des Völkerrechts Ihnen gebracht hat, wir wollen Sie unterstützen! Der Krieg hat aber auch eine beispiellose Welle der Solidarität mit dem ukrainischen Volk bei der Zivilgesellschaft unserer Stadt Stuttgart ausgelöst. Ich bin deswegen froh, dass auch im Sinne der Zivilgesellschaft unserer Stadt heute von hier ein Zeichen der Freundschaft und der Ermutigung und der Solidarität ausgeht. Das ist gut so! Wir haben diese Bemühungen der Verwaltung als grüne Fraktion immer unterstützt und werden unseren Teil dazu beitragen - und darauf kommt es jetzt an - diese Freundschaft zwischen den Städten mit Leben zu erfüllen!" (Beifall)

Auch die CDU-Fraktion freue sich sehr über den Besuch der Freunde aus der Ukraine, versichert StR Kotz (CDU). Man blicke zurück auf ein Jahr, in dem sich Vieles für so Viele - vor allem für die Menschen in der Ukraine - verändert hat. Keiner habe sich vorstellen können, dass ein Land aus dem Kreis der Staatengemeinschaft sein Nachbarland, ein freies und demokratisches Land überfällt und mit einem brutalen Angriffskrieg überzieht. Das Leben, das Überleben aktuell der Ukraine lasse sich aus der Ferne nur erahnen, sodass es vermessen wäre zu behaupten, man könne auch nur annähernd einschätzen, was die ukrainische Bevölkerung seit einem Jahr erleiden muss. "Es können gar nicht genügend laute Stimme Richtung Moskau rufen: 'Dieser Krieg muss aufhören! Der Kriegsverbrecher Putin muss seine Soldaten zurück nach Russland befehlen!' Diese Botschaft muss auch heute laut und kraftvoll hier aus dem Ratssaal des Stuttgarter Rathauses nach Moskau schallen!" (Beifall) "Und die Ukraine muss wieder mit ihrem ganzen Staatsgebiet ein freies und demokratisches Land werden mit berechtigter Hoffnung auf eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Mit großer Anerkennung stellen wir fest, wie unsere Partner in der EU und in der NATO gemeinsam Ihr Land bei dem Kampf gegen Putin-Russland unterstützen."

Die Anerkennung richte sich auch an die Grünen, die in dieser Frage erkannt habe, dass Ideologie und Realität meist nicht zusammenpassen, und sich dieses Mal glücklicherweise richtig - nämlich für Waffenlieferungen an die Ukraine - entschieden haben. Leider erlebe man aber auch hier, dass die Farbe Rot in der Ampel für Stillstand und Abwarten stehe. Zum Glück drängen die anderen Regierungsparteien den Kanzler und seine Partei, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Realität und dem daraus absolut notwendigen Handeln möglichst kurz zu halten. Auch sei es vor dem Hintergrund einer Kriegsrealität und weiterer Kriegsgefahr in Europa umso befremdlicher, dass die Linkspartei auch aktuell noch die Auflösung der NATO fordert. "Wir stellen ganz klar fest: Dass wir hier und heute in einem vereinigten Deutschland in Frieden und Freiheit leben können, verdanken wir zu allererst auch unseren Verbündeten in der NATO. Es wäre heute und hier der richtige Moment und Ort, dass sich die Vertreterinnen und Vertreter der Linkspartei in diesem Haus klar von der Haltung ihrer Bundespartei distanzieren!

Liebe Gäste aus der Ukraine, die CDU-Fraktion hier im Stuttgarter Rathaus hat vorgeschlagen, Ihr Land, Ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger, mit 1,5 Millionen Euro aus der städtischen Schatulle zu unterstützen und damit dringend benötigte Geräte wie Stromerzeuger, Heizgeräte und vieles mehr, in ihr Land zu senden. Der Gemeinderat hat unseren Vorschlag mit großer Mehrheit angenommen und unsere Stadtverwaltung ist jetzt in der praktischen Umsetzung dieser Hilfe. Wir freuen uns sehr, dass wir Ihr mutiges Volk auch so direkt unterstützen können und vor allem freuen wir uns auf die beginnende Partnerschaft mit Ihrer Heimatstadt und haben die Hoffnung, Sie dort bald nach Einkehr von Frieden besuchen zu können." (Beifall)

Mit Blick auf die vorausgegangene Rede vertritt StRin Meergans (SPD) die Auffassung, dieser Tagesordnungspunkt heute sei nicht der richtige Anlass, um bundespolitischen Wahlkampf zu betreiben. Darüber hinaus sei es inkonsistent, zum einen die NATO hoch zu loben, andererseits "sich aber blindlings in einen Krieg verstricken zu wollen, ohne sich mit den Verbündeten abzusprechen und entsprechend vernünftig zu agieren auch in der Fragestellung der Waffen".

"Den wahren Freund erkennt man in der Not", so laute eine Redewendung, die auf einen römischen Dichter zurückgeht, so StRin Meergans weiter. Heute gehe man gerade umgekehrt vor: Ein Krieg und das damit einhergehende Leid, dass die russische Föderation über die Ukraine bringt, bringe heute vier Städte dazu, sich gemeinsam auf den Weg einer neuen Freundschaft zu begeben. Am 24.02.2022 sei man in einer anderen Welt aufgewacht - denn es war wieder Krieg in Europa, was nach einer langen Zeit des Friedens für die allermeisten kaum noch vorstellbar gewesen sei. Die Aggression, mit der der Putin's Russland mit seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine vorgeht, erschrecke immer wieder und mache immer wieder aufs Neue betroffen. Die russischen Angriffe beschränken sich nicht ausschließlich auf militärische Ziele, sondern immer wieder sei insbesondere die Bevölkerung und die zivile Infrastruktur Ziel dieser Angriffe. Die eindrücklichen Schilderungen aus dem Mund der Vertreter der Stadt Chmelynzkiy und insbesondere die Situation der Kinder dort machen betroffen und sprechen für sich. Zur Wahrheit gehöre aber auch, "dass wir im Westen, dass wir auch in Deutschland viel zu lange weggeschaut haben, während die russische Aggression sich nach und nach aufgebaut hat und wir seit Jahren völkerrechtswidrige Handlungen, insbesondere die Anektion der Gebiete in der Ostukraine beobachten konnten. Wir haben eben nicht genügend getan, wie sich heute herausstellt."

Bisher waren den Kommunen vor allem aufgrund der gesetzlichen Vorgaben ein Stückweit die Hände gebunden, Direkthilfe zu leisten. Mit dieser Solidaritätspartnerschaft gebe es jetzt die Option, ganz andere Möglichkeiten der direkten Hilfeleistung ins Auge zu fassen. Ihrer Fraktion sei es ein großes Anliegen, damit nun sehr schnell zu beginnen. Somit begrüße man ausdrücklich, dass schon heute Abend ein Hilfstransport starten kann. Was man außerdem tun könne, sei, diejenigen Menschen, die aus der Ukraine, aber auch aus der ganzen Welt, nach Stuttgart flüchten, gut aufzunehmen. Trotz aller Kritik, die auch ihre Fraktion in den letzten Monaten geäußert habe an dem Vorgehen hier in Stuttgart, finde man, dass diese Herausforderungen im Großen und Ganzen gut gemeistert wurden. Dass dies auch in Zukunft weiterhin gut gemeistert wird, davon sei man fest überzeugt und werde alles Menschenmögliche dazu beitragen, damit dies gelingt.

"Liebe Delegation aus Chmelnyzkij, seien Sie uns an diesem besonderen Tag ganz herzlich willkommen hier in Stuttgart. Wir freuen uns sehr, mit Ihrer Stadt heute eine Partnerschaft zu begründen. Gemeinsam mit Dresden und Straßburg stehen wir solidarisch an Ihrer Seite und möchten Sie unterstützen. Jetzt gerade in dieser schwierigen Situation beim Wiederaufbau, aber auch sehr lange darüber hinaus, denn wir hoffen, dass wir diesen Krieg möglichst bald hinter uns lassen können, aber dass die Partnerschaft unserer Städte noch ganz lange überdauern wird und die freundschaftliche Beziehung, die heute ihren Anfang findet, uns noch lange verbindet!"

Im Namen der gesamten Fraktionsgemeinschaft heißt StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) "die lieben Freundinnen und Freunde aus der Ukraine herzlich willkommen in Stuttgart, Ihrer neuen Partnerstadt! Seit Beginn dieses völkerrechtswidrigen Krieges kommen die Bilder der Gräueltaten dieser Kriegsverbrechen bei uns hier an, und ich muss sagen, hier im sicheren und warmen Stuttgart ist es kaum zu ertragen, aber wie muss es den Menschen gehen in Ihrem Land, die so etwas fast täglich ertragen müssen und auch der Zivilbevölkerung, den Kindern dort. Das können wir wahrscheinlich gar nicht nachspüren. Und deshalb, seien Sie sicher, heute ist ein Tag der Solidarität und der Freundschaft zwischen Städten und nicht Zeit für parteipolitische Scharmützel." In dieser Krise sei es die allererste Pflicht zu helfen.

Er versichert für die FrAKTION grenzenlose Solidarität, wenn es darum gehe, Menschen, die in diesem Krieg leiden und vor diesem Krieg flüchten, in Stuttgart willkommen zu heißen, sie aufzunehmen und ihnen alles Menschenwürdige zu bieten, damit sie hier eine Perspektive haben. Weil dies aber nicht ausreiche, freue man sich, heute die Möglichkeit zu haben, mit dieser Freundschaft zwischen vier Städten aus drei Nationen nicht nur Solidarität zu leben, sondern Hilfe und Freundschaft nach Chmelnyzkij zu tragen und die Menschen konkret zu unterstützen. Dies sei notwendig und gleichzeitig eine Chance, denn "Kommunen sind die Keimzellen der europäischen Demokratie, der europäischen Freiheit. Deswegen ist so eine Partnerschaft und Freundschaft zwischen Städten wichtig. Auch wenn wir heute im Krieg helfen wollen und solidarisch sein wollen, müssen wir ja den Frieden vorbereiten. Und das geht nur mit Freundschaft, Solidarität und einer unbändigen Lust nach Frieden. Wir müssen diesen Krieg auch aus unseren Köpfen und Herzen wieder herausbekommen. Das gelingt nur gemeinsam, wenn wir uns helfen, uns unterstützen. Und das hoffen wir, gemeinsam mit dieser Partnerschaft machen zu können - hier in Stuttgart für alle Geflüchteten, aber auch in Zukunft mit dieser Partnerschaft bei Ihnen in Ihrer Stadt. Wir hoffen, dass diese Verbindung auch nach dem Krieg, der möglichst schnell beendet gehört, weitergeht. Schön, dass Sie heute da sind!"

Auch StR Dr. Oechsner (FDP) richtet vielen Dank an die Delegation aus Chmelnyzkij. Er habe zuvor nicht gewusst, wo die gleichnamige Oblast liegt und darin die Stadt Chmelnyzkij. Deswegen habe er den Weg nachvollzogen und sei dabei auf das Wahrzeichen einer der ersten und ältesten Partnerstädte Stuttgarts, St. Louis, gestoßen, "das Tor zum Westen. Dieses Tor zum Westen symbolisiert den Aufbruch Hunderttausender europäischer Aussiedler in ein selbstbestimmtes freiheitliches demokratisches Leben ohne die Gängelung anderer - ohne die Gängelung der Obrigkeit, ohne die Gängelung anderer Völker. Der Weg - der Beginn der Freiheit." So stelle er sich vor, dass diese Solidarpartnerschaft der vier Städte dazu beitragen soll, muss und wird, der Ukraine ihr angestammtes Recht auf Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung wiederzugeben. "Wir sind bereit, unseren Teil dafür zu tun. Wir sind froh, dass wir in diesem Konsens das heute angehen. Wir unterstützen das mit ganzem Herzen und wünschen Ihnen viel Glück und Erfolg und eine kurze Zeit bis zum Frieden und Ihrer Freiheit. Vielen Dank!"

StRin Hübsch (PULS) wendet sich mit folgenden Worten "an die lieben Gäste unserer Bald-Solidaritätspartnerstadt Chmelnyzkij", an OB Dr. Nopper und an alle Anwesenden: "Das ukrainische Chmelnyzkij ist nicht einfach nur eine weitere Partnerstadt für Stuttgart. Diese Solidaritätspartnerschaft zwischen Stuttgart, Dresden und dem ebenso französischen wie europäischen Straßburg ist auch ein Symbol. Es ist ein Symbol dafür, wie sehr Wladimir Putin sich verrechnet hat. Er hat nicht mit der großen Solidarität des Westens gerechnet und auch nicht mit der Ausdauer, mit der wir gemeinsam unsere Werte, Demokratie und unsere Freunde in der Ukraine verteidigen. Und auch dafür steht diese Städtepartnerschaft: Wir helfen einander über europäische Grenzen hinweg und, das ist zu hoffen, auch über das Ende dieses unsäglichen Angriffskrieges hinaus." Die Fraktionsgemeinschaft PULS begrüße daher sehr, dass die Landeshauptstadt Stuttgart ihrer besonderen Verantwortung als eine der reichsten Kommunen Deutschlands gerecht wird und in dieser Kooperation eine federführende Rolle einnimmt. Gleichwohl wünsche man sich aber auch, als Stadt das vielfältige Potenzial zu nutzen, um die Ukraine wirtschaftlich, infrastrukturell und auf humanitärer Ebene zu unterstützen und dort einzubringen, wo es am dringendsten benötigt wird - etwa in einer Stadt des Ostens, die noch deutlicher von den Verheerungen des russischen Angriffskrieges gezeichnet wurde und auch dies nach über einem Jahr nach Beginn des Krieges noch tagtäglich wird.

"Aber, und das ist uns sehr wichtig, das soll uns in dieser tollen Solidaritätspartnerschaft mit Chmelnyzkij nicht im Geringsten schmälern! Und uns ist der Umstand bewusst, dass es sehr wohl hohe rechtliche Hürden gibt bezüglich den Partnerstädte. Und deswegen bedanken wir uns auch ganz herzlich bei der Servicestelle der Kommunen in der Einen Welt, dass diese Kooperation jetzt so möglich ist. Und uns ist noch etwas Anderes wichtig: Diese Solidaritätspartnerschaft ist, wie ich es eingangs gesagt habe, ein Symbol. Aber sie darf keine Symbolpolitik sein. Deshalb wünschen wir uns dringend im weiteren Verlauf der Kooperation eine laufende Berichterstattung. Wir wollen auf dem Laufenden gehalten werden, Inputs dazu bekommen und über die konkrete Ausgestaltung mitbestimmen. Wir haben glücklicherweise das Potenzial, auf vielfältige Art und Weise zu helfen. Und nach diesem Solidaritätsversprechen stehen wir in der Pflicht, weiterhin auf unsere Worte Taten folgen zu lassen." (Beifall)

Selbstverständlich werde man den Gemeinderat auf dem Laufenden halten, sagt OB Dr. Nopper zu.

StRin von Stein (FW) geht in ihrem Wortbeitrag ein auf "ein Jahr Krieg in der Ukraine, ein Jahr Krieg auf europäischem Boden. Ein Jahr Zerstörung, Tod und unermessliches Leid - das ist alles grausame Realität, die uns Freie Wähler erschüttert, schockiert und betroffen macht. Umso mehr beeindrucken uns die Widerstandskraft der ukrainischen Bevölkerung und der starke Wille der Ukraine, die russische Armee hinter die Grenzen des Landes zurückzudrängen und die uneingeschränkte Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine wiederherzustellen.

Der Krieg und seine schlimmen Folgen haben eine internationale Welle der Solidarität und der Unterstützung ausgelöst. Westliche Länder liefern Kriegsgerät und Hilfsgüter an die Ukraine und nehmen geflüchtete Menschen auf. Schon kurz nach Kriegsbeginn gab es hier im Rat einen interfraktionellen Antrag in dem sich nahezu der gesamte Gemeinderat mit der Ukraine und der ukrainischen Bevölkerung solidarisiert hat. Diesen Antrag haben wir Freie Wähler gerne und aus Überzeugung mitgetragen. Uns war klar, dass wir in dieser Ausnahmesituation helfen müssen. Damals wie heute gilt es für uns als Stadt, insbesondere Schutzsuchende aufzunehmen, die vor dem Krieg und der Zerstörung aus der Ukraine geflohen sind. Obwohl dies eine Herausforderung darstellt, gelingt es uns bisher gut. Allen, die sich im Bereich der Flüchtlingsunterbringung und der Integration haupt- oder ehrenamtlich engagieren, möchten wir deshalb an dieser Stelle herzlich danken!

Die Vierer-Solidaritätsgemeinschaft Chmelnyzkyi, Dresden, Straßburg und Stuttgart, die wir heute beschließen werden, hat Pionier-Charakter. Wir halten diese besondere Form der Partnerschaft vor allem deshalb für richtig und wichtig, um der Ukraine auch auf kommunaler Ebene den Rücken zu stärken. Es ist daher gut, dass wir länderübergreifend und im Schulterschluss mit unserer Partnerstadt Straßburg sowie mit der sächsischen Landeshauptstadt Dresden Möglichkeiten der Zusammenarbeit und der Vernetzung suchen und schaffen. Damit können wir den Zusammenhalt in Europa stärken und das europäische Zusammenwachsen unterstützen.

Wie die Seite 2 der Beschlussvorlage zeigt, hat unsere Abteilung Außenbeziehungen mit der Landeshauptstadt Chmelnyzkij eine ukrainische Stadt gefunden, die den europäischen Gedanken lebt und sich durch ein starkes europäisches und internationales Engagement auszeichnet. Damit sehen wir eine sehr gute Grundlage für die Partnerschaft, die hoffentlich mit Leben gefüllt werden kann und die Chance für persönliche Begegnungen bieten wird. Für die kreative Idee zur Gründung dieser noch einmaligen Solidaritätspartnerschaft und für deren Vorbereitung, Koordination und Betreuung danken wir Herrn Dr. Stephan und der Abteilung Außenbeziehungen. Es bleibt sehr wichtig, für Frieden und Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einzustehen. Wir Freie Wähler treten dafür ein, dass diese elementaren Werte unseres Zusammenlebens erhalten bleiben und hoffen, dass der sinnlose Krieg in der Ukraine bald ein Ende findet."

StR Köhler (AfD) schickt voraus, es sei vollkommen klar, dass die russischen Truppen die Ukraine verlassen müssen, und zwar so schnell wie möglich. Auch lebe er lieber "unter einer Hegemonialmacht USA als unter russischer Knute oder chinesischer oder was auch immer". Zur Wahrheit gehöre auch dazu, "dass wir von der AfD hier in Stuttgart jedem Hotel, jedem Bett für jede einzelne Ukrainerin und jedem einzelnen Ukrainer zugestimmt haben - weil wir wissen, dass dieses Land Hilfe benötigt, weil wir wissen, dass die Menschen in diesem Land unter dem Krieg unsäglich leiden, wie wir ihn in Europa nicht mehr erwartet hätten.

Doch kam dieser Krieg mit einem gewissen Vorlauf, mit einer langen Ansage. Es ist jedoch ein bisschen seltsam oder vielleicht nicht ohne Ironie, dass auch hier im Rat Fraktionen sitzen, hier im Raum, bei denen ich zumindest was parteipolitische Ausrichtung angeht, nicht immer den Eindruck habe, dass sie an einem möglichst schnellen Ende des Krieges interessiert sind. Es gibt da den Eindruck einer gewissen Scheinheiligkeit bei dieser Solidarpartnerschaft. Da wird eine Humanität vorgegaukelt, die auf reiner Symbolpolitik beruht." Der Stadtrat zitiert in diesem Zusammenhang eine Aussage von Vizekanzler Robert Habeck vom 23.02.2023, wonach er glaube, dass Russland nur auf dem Schlachtfeld in die Knie gezwungen werden könne. Wer Friedenslösungen auf dem Schlachtfeld sucht, mache sich unglaubwürdig. Dies gebe dieser ganzen Solidaritätsgeschichte einen schalen Beigeschmack. Aus diesem Grund werde seine Fraktion dieser Solidaritätspartnerschaft nicht zustimmen.


OB Dr. Nopper lässt anschließend über die GRDrs 113/2023 abstimmen und stellt fest:

Der Gemeinderat beschließt mit großer Mehrheit bei 1 Nein-Stimme und
2 Enthaltungen
wie beantragt.

Er bedankt sich herzlich für dieses eindrucksvolle Votum und übergibt das Wort abschließend an BM Mykola Vavryshschuk:

"Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
ich bedanke mich aufrichtig für Ihre Unterstützung! Unsere Herzen hätten im letzten Jahr sich verhärten können. Aber die warmen Worte, die ich heute hier gehört habe, sind tief in mein Herz eingedrungen.
Ich habe hier ein sehr symbolisches Geschenk für die Stadt Stuttgart und für Sie. Ich werde an den Herrn Oberbürgermeister eine ukrainische Flagge überreichen. Diese ukrainische Flagge trägt die Unterschriften von unseren Soldaten, die unser Land verteidigen und die die gesamte Welt verteidigen."

(Auf die Überreichung der Flagge erfolgt großer, langanhaltender Beifall.)

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