Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
270/2019 und Ergänzung
GZ:
OBM
Sitzungstermin: 09.05.2019
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Herr Häbe
Betreff: Ergänzung der 3. Fortschreibung des Luftreinhalte-
plans Stuttgart - Anhörung

Vorgang: Ausschuss für Umwelt und Technik vom 09.04.2019, öffentlich, Nr. 185
Ergebnis: Einbringung

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 07.05.2019, öffentlich, Nr. 216
Ergebnis: Vorberatung mit Änderungen


Beratungsunterlagen sind die Vorlagen des Herrn Oberbürgermeisters vom 03.04.2019, GRDrs 270/2019, sowie vom 08.05.2019, GRDrs 270/2019 Ergänzung mit folgendem

Beschlussantrag:

Aufgrund der Vorberatung im Ausschuss für Umwelt und Technik am 07. Mai 2019 und der dort beschlossenen Änderungen wird der Beschlussantrag der GRDrs. 270/2019 in Beschlussantrag Nr. 4 angepasst und um Beschlussantrag Nr. 5 ergänzt. Der Beschlussantrag lautet wie folgt:

Die Verwaltung wird beauftragt, zur Ergänzung der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart im Rahmen des öffentlichen Anhörungsverfahrens folgende Stellungnahme abzugeben:

1. Vom Entwurf der Ergänzung der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart wird Kenntnis genommen.

2. Die Maßnahme M13 "Sonderfahrstreifen für den Busverkehr am Neckartor" wird abgelehnt.

3. Der Maßnahme M13a "Streckenbezogenes Verkehrsverbot im Bereich Am Neckartor an Tagen mit hoher Luftschadstoffbelastung (Feinstaubalarm)" wird abgelehnt.

4. Die Landeshauptstadt Stuttgart regt an, dass das Land Baden-Württemberg weitere alternative Maßnahmen, jenseits von Verkehrsverboten, zur Verbesserung der Luftschadstoffsituation insbesondere am Neckartor prüft.

5. Der Gemeinderat stellt fest, dass sich die rechtliche Situation in Bezug auf die Schadstoffbelastung durch die neuen gesetzlichen Regelungen der Bundesregierung geändert hat. Unterhalb von 50 µg/m³ NO2 Jahresmittelwert sind Fahrverbote zwischenzeitlich nicht mehr verhältnismäßig. Stuttgart erreicht noch nicht überall diesen Wert und trotzdem ist diese Änderung eine entscheidende Veränderung der Rechtslage.

Die Beratungsunterlage GRDrs 270/2019 Ergänzung ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


Einführend erinnert OB Kuhn an die intensive Beratung in der Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Technik (UTA) am 07.05.2019.

StR Kotz (CDU) äußert sich positiv zur Vorlagenergänzung. Besonders begrüßt er die in der Beschlussantragsziffer 4 enthaltene Anregung, dass das Land Baden-Württemberg weitere alternative Maßnahmen jenseits von Verkehrsverboten zur Verbesserung der Luftschadstoffsituation, insbesondere am Neckartor, prüfen soll. Dem Beschlussantrag werde zugestimmt.

Mit den im UTA besprochenen Änderungen, so StR Peterhoff (90/GRÜNE), gebe die Ratsmehrheit kein gutes Bild ab. Die SPD- und die CDU-Gemeinderatsfraktion setzten sich damit nicht für saubere Luft ein. Besonders kritisch äußert er sich zur Beschlussantragsziffer 4, indem er anmerkt, man würde zwar alternative Maßnahmen fordern, jedoch selbst keine Vorschläge unterbreiten.

Von StR Körner (SPD) wird an die im Herbst 2018 durch den Gemeinderat befürworteten umfangreichen Maßnahmen und zum Teil auf den Weg gebrachten Maßnahmen im Zusammenhang mit der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans erinnert. Heute gehe es um die Umsetzung eines Vergleichs, den die Landesregierung fälschlicherweise vor Gericht eingegangen sei. Damit sei das Land verpflichtet, im Winterhalbjahr mindestens eine verkehrsbeschränkende Maßnahme einzuführen, um am Neckartor das Verkehrsaufkommen um 20 % zu reduzieren. Dies solle nicht zu einer Feinstaub-, sondern zu einer Stickoxidreduzierung führen, wobei Stickoxid lediglich im Sommer ein Problem darstelle. Andererseits sei es natürlich schon problematisch, wenn am Neckartor 20 % weniger, aber in der Tal-/Wagenburgstraße 20 % mehr Kraftfahrzeuge unterwegs seien.

Für StR Ozasek (SÖS-LINKE-PluS) stellt der Beschlussantrag der Vorlagenergänzung mitnichten das Signal dar, welches der Gemeinderat heute aussenden sollte. Die Fraktionen, die diesen Beschlussantrag unterstützten, negierten das individuelle Recht der Bürgerschaft auf Gesundheit. Die zustimmenden Fraktionen würden sich aus der Verantwortung ziehen, indem sie auf Lösungsvorschläge verzichteten, damit Fahrverbote in Stuttgart abgewendet würden. Diese würden allerdings die Verantwortung dafür tragen müssen, wenn alsbald Euro 5-Fahrverbote angeordnet würden und womöglich zudem durch weitere Gerichtsurteile Euro 6-Fahrverbote erfolgten, um dem Grundrecht der Bürgerschaft auf körperliche Unversehrtheit Nachdruck zu verleihen. Auch seitens der Verwaltung erfolgten keine Vorschläge, um den rechtswidrigen Zustand in der Stadt zu beseitigen. Nicht einmal die Feststellung des von der Stadt beauftragten Juristen, Prof. Dr. Uechtritz, dass die Ergänzung zur 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans das Urteil aus Leipzig missachte, wolle man in die städtische Stellungnahme aufnehmen. Weiter erinnert er an die von seiner Fraktionsgemeinschaft in der Vergangenheit angeregten Maßnahmen: Tempo 30 auf dem Vorrangstraßennetz, ein SUV-Verbot, ein durchgängiges Busspursystem auf dem City-Ring und auf der B 14, bauliche Trennung der Hauptradrouten vom Autoverkehr und Beendigung der straßenbegleitenden Parkierung. Nur wenige Wochen nachdem der Gemeinderat den Zielbeschluss gefasst habe, Stuttgart zu einer Fahrradstadt zu entwickeln, falle eine Ratsmehrheit hinter diese Positionserklärung wieder zurück.

In der Folge begrüßen StR Zeeb (FW) und StR Conz (FDP) die Vorlagenergänzung.

Für StR Klingler (BZS23) wird eine Komplettbewertung der Elektromobilität gefordert. Es reiche nicht aus, die Schadstoffausstöße eines Kraftfahrzeugs im Betrieb zu messen, sondern betrachtet gehörten die Auswirkungen auf die Umwelt von der Produktion von Elektrofahrzeugen bis zu deren Verschrottung. Seine Gruppierung wünsche sich, ähnlich wie in München, kommunale Messstellen und eine Neudefinition der Umweltzone. Er lehnt den Beschlussantrag ab.

Danach erinnert StR Dr. Schertlen (SchUB) an den von ihm mitunterzeichneten Antrag Nr. 407/2018 vom 11.12.2018 "Neuartiges Verfahren zur Verbesserung der Luftqualität - Vorstellung des Verfahrens im UTA". Diesem Antrag sei allerdings bedauerlicherweise nicht gefolgt worden.

Als falsch und politisch begründet bezeichnet StR Brett (AfD) die von der Europäischen Union festgelegten Grenzwerte.

In der Folge betont OB Kuhn, dass die Verwaltung in den vergangenen Jahren stets Vorschläge zur Reduzierung von Feinstaub und Stickoxid unterbreitet hat. Die beste Antwort zur Bekämpfung von Feinstaub und Stickoxid sei eine Verstetigung des Verkehrs und ein Umstieg auf den ÖPNV. Eine große Illusion sei es zu glauben, dass durch zusätzlichen Stau die Luftqualität verbessert werden könne. Dies sei auch der Grund, weshalb viele Investitionen zur Optimierung der Verkehrsleitzentrale erfolgten.

Für den Umstieg auf den ÖPNV seien tarifliche Verbesserungen umgesetzt worden, und auch in Sachen ÖPNV-Ausbau sei schon einiges erreicht worden. Ebenfalls müsse eine massive Veränderung der Motorentechnik, u. a. durch entsprechende Nachrüstungen, erfolgen. Dies liege in der Verantwortung des Bundes. Es sollte davon abgesehen werden, lediglich einzelne Aspekte anzusprechen, sondern es gehöre darauf geachtet, wie einzelne Aspekte zusammenhingen. So müsse, wenn auf Gesundheitsschutz geachtet werde, darauf geschaut werden, ob eine Maßnahme tatsächlich zu einer Reduzierung von Stickoxidemissionen beitrage.

Nach Auffassung von StR Kotz wird mit der anstehenden Beschlussfassung durch den Gemeinderat festgestellt, dass die von der Messstelle am Neckartor gelieferten Werte - und dies sei von einem Vertreter des Landes bestätigt worden - nicht mehr als repräsentativ angesehen werden könnten. Sinngemäß äußert sich StR Conz.

Durch eine Änderung der entsprechenden Verordnung seitens der Bundesregierung, wonach Fahrverbote erst ab 50 µg angemessen sein sollen, ergibt sich für StR Kotz eine veränderte Rechtslage. Angesichts seiner Einschätzung, dass die Werte der Messstelle am Neckartor nicht mehr als repräsentativ angesehen werden können und angesichts dieser veränderten Verordnung würden sich geringere Messwerte ergeben.

Laut StR Peterhoff wird seitens des Bundes nun erklärt, dass Fahrverbote dann unverhältnismäßig seien, wenn die Werte unter 50 µg liegen. Ein Urteil in der Stadt Reutlingen zu einem Bereich, in dem sich die Werte unter 50 µg befinden, zeige, dass die Position des Bundes nicht rechtssicher sei. Es sei nicht bekannt, ob vor diesem Hintergrund Fahrverbote verhindert werden könnten. Daraus folgert er, dass man sich in Stuttgart Gedanken darüber machen muss, mit welchen Maßnahmen die Werte weiter abgesenkt werden können. Diese Debatte werde von der Ratsmehrheit negiert. Mit Nachdruck stellt StR Ozasek im selben Zusammenhang fest, die Rechts- und Sachlage habe sich nicht verändert. Europäisches Recht gelte, und die Bürgerinnen und Bürger hätten einen Rechtsanspruch nach dem Grundgesetz auf körperliche Unversehrtheit.

Die Ablehnung der vom Land vorgesehenen weiteren Busspur verteidigt StR Kotz. Diese werde für den Stuttgarter Verkehr, nicht zuletzt auch für den ÖPNV, negative Auswirkungen haben. Die CDU-Gemeinderatsfraktion wäre gerne dem Vorschlag, den er in die Frage gekleidet habe, ob es nicht sinnvoller sei, die Messstelle zu verschieben und den Verkehr von der Messstelle durch eine Busspur wegzunehmen, gerne gefolgt. Ein entsprechender Antrag seiner Fraktion sei jedoch von der SPD-Gemeinderatsfraktion nicht unterstützt worden. Mit der Busspur, so StR Peterhoff, habe das Land einen Vorschlag unterbreitet, wie dem gerichtlichen Vergleich Genüge getan werden könne. Die Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN gehe davon aus, dass diese 300 m lange Busspur durchaus funktionieren könne. Diejenigen, die diese Busspur ablehnten, würden sich de facto für streckenbezogene Fahrverbote aussprechen.

StR Körner geht davon aus, dass die vom Land vorgeschlagene zusätzliche Busspur kontraproduktiv ist und zu noch schlechteren Luftwerten führt. Die SSB und der vom Land beauftragte Gutachter belegten, dass, bedingt durch diese Maßnahme, künftig sämtliche innerstädtischen Buslinien in den Spitzenzeiten noch deutlich länger in Staus stehen müssten. Vor diesem Hintergrund müsse die Landeshauptstadt gegenüber dem Land erklären, dass der vom Land eingegangene Vergleich der Landeshauptstadt Stuttgart schade. Im Namen der SPD-Gemeinderatsfraktion lehnt er die Busspur sowie streckenbezogene Fahrverbote zur Umsetzung dieses Vergleichs ab. Entsprechend äußert sich StR Conz. Für eine sofortige Rückabwicklung der bereits vorhandenen Busspur plädiert StR Klingler.

Der Vorsitzende spricht davon, dass im Normalfall Busspuren einem guten Zweck dienen. Bei der geplanten zusätzlichen Busspur habe aber die SSB glaubhaft dargestellt, dass die Grundüberlegung für Busspuren, nämlich den Busverkehr zu beschleunigen, mit dieser angedachten Busspur nicht erreicht werde.

Zum Abschluss der Beratung stellt OB Kuhn fest:

Der Gemeinderat beschließt einstimmig wie beantragt den Beschlussantrag der GRDrs 270/2019 Ergänzung.
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