Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OBM
GRDrs 270/2019
Stuttgart,
04/03/2019



Ergänzung der
3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart - Anhörung




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Umwelt und Technik
Ausschuss für Umwelt und Technik
Gemeinderat
Einbringung
Beratung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
09.04.2019
07.05.2019
09.05.2019



Beschlußantrag:

Die Verwaltung wird beauftragt, zur Ergänzung der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart im Rahmen des öffentlichen Anhörungsverfahrens folgende Stellungnahme abzugeben:




Begründung:

Zu 1.: Kenntnisnahme Ergänzungsentwurf der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans

Seit dem 1. Januar 2019 gilt in der gesamten Umweltzone Stuttgart ein ganzjähriges Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren der Abgasnorm Euro 4/IV und schlechter. Dies ist eine der Maßnahmen aus der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans (LRP) vom November 2018. Für Einwohner der Stadt Stuttgart gab es eine Übergangsfrist bis zum 1. April 2019.

Zur Erfüllung des vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart im April 2016 geschlossenen Vergleichs (VG Stuttgart, Vergleich vom 26.04.2016 - 13 K 875/15) muss an Tagen mit hoher Luftschadstoffbelastung (Feinstaubalarm) eine rechtmäßige verkehrsbeschränkende Maßnahme zur Reduktion des Kfz-Verkehrs am Neckartor um 20 % gegenüber vergleichbaren Tagen ergriffen werden.

Das Land hat zur Vergleichserfüllung daher im Vollstreckungsverfahren vor dem VG Stuttgart im Dezember 2018 die Erklärung abgegeben, dass die Maßnahme „Sonderfahrstreifen für den Busverkehr am Neckartor“ in die Ergänzung zur 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart aufgenommen wird. Für den Fall, dass sich bis zum 01.09.2019 herausstellen sollte, dass der „Sonderfahrstreifen für den Busverkehr am Neckartor“ nicht ergriffen werden kann, wird zur Erfüllung des Vergleichs stattdessen das streckenbezogene Verkehrsverbot im Bereich am Neckartor an Tagen mit hoher Luftschadstoffbelastung (Feinstaubalarm) mit Gültigkeit ab 15.10.2019 ebenfalls in die Ergänzung der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart aufgenommen. Das VG Stuttgart hat daraufhin das Vollstreckungsverfahren mit Beschluss vom 21. Dezember 2018, Az. 13 K 9926/18, eingestellt.

Gegenwärtig gilt die 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart vom November 2018. Der Entwurf der Ergänzung dieser 3. Fortschreibung ist Gegenstand dieser Vorlage. Zum Hintergrund der 3. Fortschreibung und einhergehend der vorliegenden Ergänzung dieser Fortschreibung verweist die Verwaltung auf die GRDrs. 758/2018.

Zu 2.: Maßnahme M13 „Sonderfahrstreifen für den Busverkehr am Neckartor

Bereits in der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans vom November 2018 wurde eine stadtauswärtige Busspur am Neckartor behandelt. Gemäß GRDrs 758/2018 hat die Landeshauptstadt Stuttgart diese Maßnahme abgelehnt. Die in der Drucksache dargelegten Argumente haben weiterhin Bestand. Die nun vorgesehene Maßnahme M13 ist kein Vorschlag der Landeshauptstadt Stuttgart. Die Verwaltung der Landeshauptstadt hat lediglich im Zuge der Planungen seitens des Landes auf Basis kooperativer behördlicher Zusammenarbeit erforderliche Daten zur Verfügung gestellt und sich an Gesprächen beteiligt.

Grundsätzlich hat die LHS wie auch die SSB erhebliche Bedenken sowie schwerwiegende und begründete Einwände gegen die geplante Maßnahme, die sich in drei Punkten knapp zusammenfassen lassen: Zweifel an einer substantiellen positiven Wirkung auf die Luftschadstoffsituation; negative Auswirkungen auf die Abwicklung des motorisierten Individualverkehrs mit erheblichen und großflächigen Staubildungen; negative Auswirkungen auf den Busverkehr der X1-Linie wie auch weiterer Innenstadt-Buslinien. Die Maßnahme wird daher abgelehnt.

a) Anmerkungen zum seitens des Landes erstellten Gutachten

Mit der beauftragten gutachterlichen Untersuchung, die dem Entwurf der Ergänzung der 3. Fortschreibung beiliegt, wurden detaillierte Modellrechnungen zur Wirkungsabschätzung durchgeführt.

Modellrechnungen sind im Bereich der Verkehrsplanung und Verkehrstechnik eine anerkannte Methode zur Wirkungsabschätzung und gehen als Grundlage in die Emissions- und Immissionsermittlung ein. Die Ergebnisse sind immer mit Blick auf die Exaktheit und Vollständigkeit der Daten und Grundannahmen zu werten. In sämtlichen Fachämtern der LHS sowie bei SSB und VVS gibt es im vorliegenden Fall deutlich abweichende Einschätzungen bezüglich bestimmter Prämissen des Gutachtens:

- In allen dargelegten Varianten (1a-d) des vorliegenden Gutachtens zeigt sich, dass von erheblichen Verkehrsstörungen auszugehen ist, insofern nicht die vorgegebenen Annahmen bezüglich einer massiven Verkehrsreduktion eintreten.

- Da sich mit den Verkehrszahlen des Bestands keine leistungsfähige Verkehrsabwicklung darstellen lässt, wird eine Verkehrsreduktion infolge Verlagerungen auf andere Streckenabschnitte angenommen. Die sich aus dieser modelltechnischen Iteration ergebenden Verkehrsreduktionen am Neckartor (5% im Querschnitt, 9,5% richtungsbezogen) lassen bei allen Varianten keine störungsfreie Abwicklung des Verkehrs zu. Zudem leitet sich diese Reduktion aus „einem“ Iterationsschritt ab, so dass vermutlich kein Modellgleichgewicht gebildet wurde, wie dies üblicherweise der Fall ist.

- Weitergehend wird eine Reduktion der Verkehrsmenge am Neckartor um 10% am Straßenzug angesetzt. In Kapitel 5.1 des Gutachtens ist bereits explizit ausgeführt, dass derartige Verkehrsreduktionen als Ergebnis eines „mittel- bis langfristigen Prozesses“ zu sehen sind. Die Argumente, die für eine mögliche Abnahme angeführt werden, sind aus Sicht der LHS schlichte Annahmen bzw. Mutmaßungen, die gutachterlich / fachlich nicht belegt sind. Soweit von Seiten des Landes mit Angebotsverbesserungen und der Tarifreform im ÖPNV argumentiert wird, decken sich diese Argumente nicht mit der Expertise und den praktischen Erfahrungen von SSB und VVS. Entgegen der Annahmen im Gutachten benötigt eine Tarifreform und eine ÖPNV-Angebotsverbesserung eine gewisse Zeit, um sich nachhaltig positiv auszuwirken. Diese Bewertung deckt sich letztlich auch mit der Einschätzung der Gutachter, die eine kurzfristige Verhaltensänderung für unwahrscheinlich halten.


- Hinzu kommt, dass die Annahme einer 10%-igen Reduzierung am Neckartor aufgrund von Rückverlagerungen auf die B14 eine gesamtstädtische Reduzierung der Fahrten im MIV um 15-20 % erforderlich macht (vgl. Kap. 3.4.3 des Gutachtens). Diese Annahme ist für die Verkehrsexperten der LHS nicht nachvollziehbar, legt man bisherige Erfahrungen zugrunde. Eine Verkehrsreduzierung an der Gemarkungsrenze um lediglich 10% (90.000 Fahrzeuge pro Tag) würde der Verkehrsreduzierung einem ruhigen Tag in den Sommerferien gleichen, die Reduzierung um 20% an der Gemarkungsgrenze entspricht keiner Erfahrung bzw. nicht den Prognosen der LHS.

- In der Mikrosimulation wurde keine Bus-Priorisierung bzw. Bus-Schleuse an der Kreuzung Heilmannstraße berücksichtigt. Somit sind Leistungseinschränkungen, die sich in der Nachmittagsspitze auswirken werden, nicht untersucht.

- Die Wirkungen der Maßnahme M13 wurden nur in dem direkt betroffenen Streckenzug untersucht. Die Wirkungen auf Streckenzügen, die weitergehend von der Maßnahme betroffen sein werden (z.B. City-Ring, Wagenburgstraße) wurden in der Mikrosimulation nicht abgebildet.

- Letztlich wurden in der Mikrosimulation für das Kfz-Aufkommen gemittelte Verkehrsmengen angesetzt, so dass die verkehrlichen Wirkungen der Spitzenstunde nicht abgebildet werden. Eine Simulation unter Verwendung der höchstbelasteten Spitzenstunden wäre aus Sicht der LHS dringend notwendig gewesen.

- Im Gutachten selbst ist folgerichtig in Kap. 3.2 ausgeführt: „Vor einer Realisierung der Busspur ist aus gutachterlicher Sicht eine Erhebung aktueller Verkehrszahlen und eine erneute Prüfung der Situation bzw. Verifizierung der Aussagen des Gutachtens notwendig.“

- Im Gutachten findet sich weiter eine Immissionsmodellierung (ab. S.35), die allerdings nicht auf einer der untersuchten Varianten der Verkehrsmodellierung aufbaut, sondern vielmehr zwei eigene theoretische Fälle berechnet. Es erschließt sich der LHS dabei nicht, wodurch im Zusammenhang mit der Einrichtung der Busspur kurzfristig eine Reduktion des stadtauswärtsfahrenden Verkehrs um 25 % bewirkt werden sollte.

Neben methodischen Unsicherheiten liegt der LHS keine nachvollziehbare und stichhaltige Begründung vor, dass die für eine störungsfreie Abwicklung erforderliche stadtweite Reduktion des MIV um 15 – 20% eintritt. Vielmehr ist weiterhin davon auszugehen, dass mit der Umsetzung eines stadtauswärtigen Busfahrstreifens, der Kfz-Verkehr nicht mehr abgewickelt werden kann, was zu erheblichen Verkehrsstörungen im Bereich des City-Rings zu Lasten des allgemeinen Verkehrsgeschehens und insbesondere des Linienverkehrs führt. Weitergehende Folgewirkungen wie Störungen der Logistik von S21-Projekten oder der Einsätze der DRK-Rettungswache an der Neckarstraße können bisher nicht sachgemäß ausgeschlossen werden.

Zusammengefasst bedeutet dies: Aus Sicht der LHS legt das Gutachten in seiner vorliegenden Form weder durch die Verkehrsmodellierung noch durch die Immissionsmodellierung eine plausible Prognose vor, welche die Einrichtung der Busspur als eine geeignete Maßnahme erscheinen lässt, welche die einen ins Gewicht fallenden Beitrag zur Reduktion der NO2-Belastung am Neckartor leistet und die zu erwartenden verkehrlichen Auswirkungen in angemessener Weise berücksichtigt.

b) Anmerkungen zur geplanten Umsetzung des Sonderfahrstreifens

Stadtauswärtig ist infolge der laufenden S21-Projekte ein Bussonderfahrstreifen erst nach der Kreuzung Neckarstraße möglich. Dies entspricht der Variante 1d) des Gutachtens. Auch wenn diese Variante nicht weiter ausgeführt wurde, zeigen die Betrachtungen der vorhergehenden Varianten, dass mit der Maßnahme folgende Effekte verbunden sein werden: Ab der Kreuzung Neckarstraße („ADAC-Kreuzung“) wird stadtauswärts die Leistungsfähigkeit erheblich reduziert, da der rechte Fahrstreifen dem Busverkehr und Elektrofahrzeugen vorbehalten sein wird. Dies entspricht einer Pförtnerung des Kfz-Verkehrs, die nach Einschätzung der LHS zu massiven Rückstausituationen im Cityring führen wird.

Die LHS weist zudem darauf hin, dass die Betriebsstabilität der Schnellbuslinie X1 sowie des Innenstadtbusnetzes dringend aufrecht zu erhalten ist. Dazu wäre die Einrichtung einer Busschleuse an der Lichtsignalanlage Heilmannstraße unabdingbar.

Die Einrichtung der Busspur ohne eine hierfür geeignete Lichtsignalregelung wird erhebliche Probleme nach sich ziehen, da die Fahrbahnlänge zwischen der Lichtsignalanlage Heilmannstraße und der Übergangsstelle zur bereits existierenden Busspur (die im Richtungswechselbetrieb betrieben wird: i. d. R. 6 bis 12 Uhr stadteinwärts, 12 bis 20 Uhr stadtauswärts) nur 117 Meter beträgt. Im fließenden Verkehr mit einem 18 Meter langen Gelenkbus von ganz rechts nach ganz links zu wechseln ist kaum möglich. Ohne notwendige Busschleuse muss der Bus im fließenden Verkehrs abbremsen (ggf. bis zum Stillstand) und erst nach dem motorisierten Individualverkehr nach links auf die bestehende Busspur wechseln. Dies wird empfindliche Zeitverluste bei der Buslinie zur Folge haben und wird aus Sicht der Verkehrssicherheit sehr kritisch gesehen. Erschwert wird dies noch zusätzlich durch Überlegungen des Landes, die Busspur auch für E-Fahrzeuge freizugeben, so dass ein Abbremsen des Busses ggf. nachfolgende E-Fahrzeuge ebenfalls abbremsen und zu Überholmanövern animieren würde.

Die Schnellbuslinie X1 ist als Maßnahme M3 Teil der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans. Ihre Wirkung beruht auf einer schnellen und pünktlichen Verbindung zwischen der Innenstadt und Bad Cannstatt. Behinderungen sind daher so gut wie möglich zu vermeiden.

c) Anmerkungen zur geplanten Freigabe des Sonderfahrstreifens für Elektrofahrzeuge

Die geplante Öffnung der Busspur für Elektrofahrzeuge wurde als neues Element aufgenommen und war der LHS bisher unbekannt.

§ 3 Absatz 4 Nr. 2 Elektromobilitätsgesetz (EmoG) ermöglicht es zwar Kommunen öffentliche Straßen oder Wege zum Teil oder vollständig auch für Elektrofahrzeuge freizugeben, die ansonsten einem besonderen Zweck oder nur bestimmten Fahrzeugarten vorbehalten sind, die Möglichkeit der Freigabe von Busspuren für E-Fahrzeuge wird jedoch nur von wenigen Kommunen genutzt. In der Landeshauptstadt Stuttgart erfolgt die Freigabe von Busspuren auf Grundlage des EmoG bisher nicht, da sie aus Sicht der LHS stets zu Lasten der Geschwindigkeit und Attraktivität des ÖPNV gehen.

Auf die argumentativ gleich gelagerte Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände zum Elektromobilitätsgesetz vom 15.08.2014 wird verwiesen. Diese sieht die Freigabe von Busspuren ebenfalls als keinen geeigneten Ansatz zur Förderung der E-Mobilität in den Städten an, da sie die Bemühungen, den öffentlichen Nahverkehr zu beschleunigen, konterkarieren.

Hinzu kommt, dass die Freigabe für weitere Fahrzeuge (in diesem Falle E-Fahrzeuge) auch Fahrer nicht bevorrechtigter Fahrzeuge – sei es aus Unkenntnis oder bewusst – zu einer Nutzung der Sonderstreifen verleiten könnte, ohne dass sich dies im fließenden Verkehr durch Kontrollen wirksam verhindern ließe. Im Fall der geplanten Busspur am Neckartor wird die Freigabe für E-Fahrzeuge dabei als besonders kritisch erachtet. Hintergrund ist die erforderliche Anpassung der Lichtsignalanlagen bzw. die Einführung einer Busschleuse am Knotenpunkt Cannstatter Straße / Heilmannstraße. Nur Linienbusse der SSB verfügen über die erforderlichen technischen Einrichtungen, um die Vorrangschaltungen für Lichtsignalanlagen zu bedienen.

Bei einer Busspur ohne Busschleuse fahren auf der Busspur die Busse der Schnellbuslinie X1 und ggf. Elektrofahrzeuge, auf der mittleren und linken Stadtauswärtsfahrspur der übrige motorisierte Verkehr. Sie erhalten alle gemeinsam über eine Vollscheibe dasselbe Signal rot /gelb /grün. Mit einer Busschleuse wird diese mit gesonderten ÖV-Signalen signalisiert, die jedoch nicht für Elektrofahrzeuge gelten. IV-Verkehr und Schnellbusse werden bei in stadtauswärtiger Richtung freigegebener Busspur in der Cannstatter Straße getrennt signalisiert. Elektrofahrzeuge würden entweder auf ihr rechtlich richtiges IV-Signal (Vollscheibe) achten und damit bei Rot den Schnellbus blockieren oder widerrechtlich auf das freigegebene ÖV-Signal und gleichzeitigem Rot für den IV in die Kreuzung einfahren. Elektrofahrzeuge auf der Busspur mit Busschleuse ist so technisch und rechtlich nicht umsetzbar. Die Mitbenutzung der Busspur mit Busschleuse würde eine bauliche Trennung der Busspur durch eine Verkehrsinsel zur Aufnahme gesonderter Lichtsignale für den IV sowie entsprechende Sichtblenden und Standardsignale für Elektrofahrzeuge und Busse erfordern, was aufgrund beschränkter Breiten zwischen Bebauung und Schlossgarten nicht möglich ist.

Die Freigabe der geplanten Busspur am Neckartor für E-Fahrzeuge, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Lasten der Geschwindigkeit und Attraktivität des ÖPNV gehen würde und die zusätzlich auch nicht im Gutachtens des Landes berücksichtigt wurde, wird auch aus verkehrssicherheitlichen Gründen daher abgelehnt.

d) Fazit

Aus den vorstehend aufgeführten Gründen lehnt die Landeshauptstadt Stuttgart die Maßnahme M13 „Sonderfahrstreifen für den Busverkehr am Neckartor“ im Rahmen der Ergänzung der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans ab und wird diese auch verkehrsrechtlich nicht umsetzen.

Sollte die Maßnahme trotz dieser ablehnenden Stellungnahme der LHS letztlich Bestandteil der Ergänzung der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans, so wäre der tatsächliche Umfang der Verkehrsverlagerungen und der Reduktion der Luftschadstoffbelastungen zu evaluieren.

Dazu wäre eine enge fachliche Abstimmung mit den Fachämtern der Landeshauptstadt Stuttgart sowie der SSB erforderlich. Angesichts der aufgezeigten Zeitplanung wäre darauf zu achten, dass für eine Evaluation eine Vorher-Erhebung erforderlich ist. Ferienzeiten oder ähnliche untypische Zustände wären hierbei auszuschließen.

Zu 3: Maßnahme M13a „Streckenbezogenes Verkehrsverbot im Bereich Am Neckartor an Tagen mit hoher Luftschadstoffbelastung (Feinstaubalarm)“

Die Maßnahme M13a wurde bereits in der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart vom November 2018 in Kap. 4.2, S. 35 erwähnt, aber nicht weiter ausgeführt.

Grundlage der Bewertung ist die „Ergänzung zum Gesamtwirkungsgutachten zur immissionsseitigen Wirkungsermittlung – Weitere Berechnungen, Verkehrs­beschränkungen Varianten 1–4“ (Juli 2018).

Diese ergänzenden Berechnungen zeigen Verkehrsverlager­ungen auf unmittelbaren Alternativ­routen wie der Neckarstraße, Talstraße, Wagenburg­straße, Schwarenbergstraße, Heilbronner Straße und Heilmann-/Wolframstraße auf. Großräumige Verlagerungen sind gemäß Gutachten nicht zu erwarten. Die Maßnahme soll nur an Tagen mit Feinstaubalarm gelten.

In dem vorgelegten Gutachten werden Verkehrsverlagerungen für diese Maßnahme indiziert. Es ist dabei anzumerken, dass die Ergebnisse makroskopischer Verkehrsmodelle bei kleinteiligen Eingriffen mit Unschärfen behaftet sind. In welchem Maß tatsächlich Verlagerungen in den Streckenzügen und mit welchen Folgewirkungen - insbesondere mit Blick auf einen störungsfreien ÖPNV - auftreten, sollte daher einer Evaluation unterzogen werden. Bei unverhältnismäßigen verkehrlichen Wirkungen wäre die Maßnahme rückgängig zu machen.

Wie bereits genannt soll die Maßnahme nur an Tagen mit Feinstaub­alarm gelten. Eine solche temporäre Begrenzung an Tagen mit hoher Schadstoffbelastung (Feinstaub­alarm) ist – wollte man dieser Maßnahme überhaupt nähertreten – aus Sicht der LHS nicht sinnvoll. Der Feinstaubalarm und die Kriterien zur Auslösung dieses Instruments basieren auf der erhöhten Konzentration von Feinstaub (PM10) in den Wintermonaten.
Eine erhöhte Konzen­tration von Stickstoffdioxiden (NO2) tritt aber insbesondere in den Sommer­monaten auf. Stickoxide, worunter üblicherweise Stickstoffmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO2) zusammengefasst werden, werden in Verkehrsnähe über das Jahr hinweg annähernd konstant emittiert. Im Sommer kommt es trotz der besseren Durchmischung aufgrund größerer Mischungsschichthöhen durch das in größerer Menge vorhandene Ozon (O3) hingegen zu höheren Konzentrationen (Photochemisches Gleichgewicht). Grundsätzlich besteht im Hinblick auf NO2 das Erfordernis einer Reduktion des jahresmittleren Konzentrationsniveaus.

Die mit den Strecken im Bereich Neckartor verbundene Beschilderung müsste zudem mit einer sogenannte Klappfunktion installiert werden, sodass an besagten Tagen mit voraussichtlich erhöhter Schadstoffbelastung die Schilder umgeklappt werden müssen. Durch den fehlenden meteorologischen Zusammenhang zum Feinstaubalarm sowie den personellen Aufwand zum Auf- und Zuklappen der Schilder wird eine temporäre Begrenzung auf den Feinstaubalarm nicht als sinnvoll erachtet.

Aus den vorstehend aufgeführten Gründen lehnt die Landeshauptstadt Stuttgart die Maßnahme M13a „Streckenbezogenes Verkehrsverbot im Bereich Am Neckartor an Tagen mit hoher Luftschadstoffbelastung (Feinstaubalarm)“ im Rahmen der Ergänzung der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans ab.

Sollte die Maßnahme trotz dieser ablehnenden Stellungnahme der LHS letztlich Bestandteil der Ergän­zung der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans werden, so weist die LHS nachdrücklich auf die Notwendigkeit und Bedeutung eines umfassenden Moni­torings hin. In welchem Maß die Verkehrsverlagerungen zu einer Verkehrs­zunahme in den Streckenzügen führen und evtl. Störungen des ÖPNV bewirken, muss aus Sicht der LHS einer Evaluation unterzogen werden. Die Kriterien für eine solche Evaluation sind mit den Fachämtern der LHS abzustimmen.

Änderungsbedarf bestünde im Falle einer Umsetzung zudem bei der vorgesehenen Klapp­beschilderung mit Zeichen 251 StVO (Verbot für Kraftwagen und sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge) in Kombination mit Zusatzzeichen „nur für Diesel bis einschließlich Euro 5 / V“ und Zusatzzeichen „Zufahrt zu Gebäude Nr.18 bis 20 frei“. Das Zusatzzeichen muss das Gebäude Am Neckartor 22 inkludieren, da sonst eine Anfahrt zum Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt nicht möglich ist.

Zu 4. Prüfung weiterer alternativer Maßnahmen

Auch die Landeshauptstadt Stuttgart ist in höchstem Maße daran interessiert, Verkehrsverbote für Diesel-Euro-5-Fahrzeuge zu vermeiden, insbesondere solche mit flächenhafter Ausprägung. Hierzu hat die LHS mit vielen weiteren Partnern in den vergangenen Jahren bereits sehr umfangreiche Anstrengungen unternommen.

Eingedenk der Tatsache, dass die LHS die vom Land vorgeschlagene Maßnahme M13a ablehnt (siehe oben zu 4.), sich aber gleichwohl der Erfordernis weiterer wirksamer Maßnahmen zur Verbesserung der Luftschadstoffsituation bewusst ist, wird Folgendes vorgeschlagen: Die Landeshauptstadt Stuttgart regt an, dass das Land Baden-Württemberg weitere alternative Maßnahmen zur Verbesserung der Luftschadstoffsituation insbesondere am Neckartor prüft, darunter beispielsweise Überlegungen, streckenbezogene Verkehrsverbote im Bereich Am Neckartor temporär in den Sommermonaten umzusetzen. Ein Hintergrund einer temporären Variante ist, dass hohe Stickstoffdioxidwerte vornehmlich, wenn auch nicht ausschließlich, in den Sommermonaten auftreten.

Für den Fall, dass das Land solchen Überlegungen nähertritt, weist die LHS nachdrücklich auf die Notwendigkeit und Bedeutung eines umfassenden Moni­torings hin. In welchem Maß entstehende Verkehrsverlagerungen zu einer Verkehrs­zunahme in den Streckenzügen führen und evtl. Störungen des ÖPNV bewirken, muss aus Sicht der LHS einer Evaluation unterzogen werden. Die Kriterien für eine solche Evaluation sind mit den Fachämtern der LHS abzustimmen.

Weitere Anmerkungen zur Ergänzung der 3. Fortschreibung des LRP

a) Die auf Seite 6 in der fett gedruckten Maßnahmenbeschreibung gewählte Formulierung „[…] die Benutzung des Rechtsabbiegerfahrstreifens werden für Elektrofahrzeuge […] freigegeben“ ist irreführend, da Kraftfahrzeuge grundsätzlich den Rechtsabbiegestreifen nutzen dürften. In diesem Sinn ist auch im ersten Absatz in Kap. 2.1.1. die Formulierung „Für den restlichen Individualverkehr verbleiben […]“ mithin nicht zutreffend.

b) Die Fahrstreifenbreiten im Streckenzug am Neckartor sind beengt. Voraussichtlich müssten stadteinwärts und stadtauswärts die jeweils linken Fahrstreifen mit einer Breitenbeschränkung Z 264 - 2,2m versehen werden. Sollten weitere Fahrstreifen mit einer Breitenbeschränkung auszuweisen sein, wäre dies mit Blick auf die Verkehrssicherheit bzw. Verlagerungen auf Alternativrouten kaum möglich. Für eine Beurteilung der technischen Machbarkeit und die verkehrssicherheitlichen Auswirkungen wären noch Detailprüfungen vorzunehmen.

c) Es wird darauf hingewiesen, dass die Wolframstraße ab September 2019 am Budapester Platz für die kommenden zwei bis drei Jahre eine Großbaustelle des Projekts Stuttgart 21 erhält. Als Folge werden die derzeit vorhandenen zwei Fahrstreifen je Fahrtrichtung spätestens ab 2021 nicht mehr existieren. Insofern kann die Wolframstraße für unbestimmte Zeit keinen Mehrverkehr aufnehmen. Diese Einschränkungen betreffen beide Maßnahmen der vorliegenden Ergänzung.


Finanzielle Auswirkungen

Die tatsächlich erforderlichen Ressourcenbedarfe können erst nach Inkrafttreten der Ergänzung der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans konkretisiert werden.

Im Falle einer Umsetzung der Maßnahme M13 sowie der Maßnahme M13a trotz Ablehnung durch die Landeshauptstadt Stuttgart würden Planungs-, Investitions- und ggf. Betriebskosten anfallen.





Beteiligte Stellen

Die Referate StU, T, SOS und WFB haben mitgezeichnet.




Fritz Kuhn

Anlagen

1. Ergänzung der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans - Teilplan Stuttgart
2. Ergänzung zum Gesamtwirkungsgutachten der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans - Wirkungsberechnungen einer erweitereten Busspur auf der B14


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