Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
382/2011
GZ:
SJG
Sitzungstermin: 21.07.2011
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Huber-Erdtmann fr
Betreff: Aufnahme von Flüchtlingen aus Drittländern (Resettlement) in Stuttgart

Beratungsunterlage ist die dieser Niederschrift angeheftete Vorlage des Referats
Soziales, Jugend und Gesundheit vom 10.06.2011, GRDrs 382/2011.


StR Stopper (90/GRÜNE) dankt der Verwaltung und insbesondere BMin Fezer, dass sie sich dem Antrag Nr. 113/2011 seiner Fraktion angeschlossen und eine entsprechende Beschlussvorlage ausgearbeitet haben, über die der Gemeinderat nun entscheiden könne.

Dieser Antrag habe nicht das Ziel, die drängenden aktuellen Fragen der Flüchtlingsproblematik zu lösen, sondern es gehe hier um die "Save me"-Kampagne. Es werde an die Bundesregierung appelliert, an einem Verteilungsprogramm teilzunehmen, um schützbedürftige Flüchtlinge, die in nicht sicheren Drittstaaten Aufnahme gefunden haben, nach den UNHCR-Bedingungen in Deutschland aufzunehmen. Die Verwaltung habe in der Begründung der Vorlage erläutert, was das konkret bedeutet.

Sich als Landeshauptstadt Stuttgart dieser Kampagne und dem Aufruf - wie viele andere Städte auch - anzuschließen, stehe in einer guten Tradition, die Stuttgart als weltoffene Stadt und gerade bei der Aufnahme von Flüchtlingen habe. Deshalb könne man mit gutem Gewissen die Bereitschaft zur Aufnahme signalisieren.

Er würde sich freuen, wenn der Gemeinderat den Appell einstimmig unterstützen würde. Auch wenn die Kampagne letztlich nur "ein Tropfen auf den heißen Stein" sein könne, so sei es vielleicht doch ein wichtiges Signal, das von Stuttgart ausgehe.

StR Hill (CDU) unterstreicht, dass die Stadt Stuttgart auch in der Vergangenheit nicht die Augen vor dem Elend der Menschen, die auf der Flucht sind und eine neue Bleibe suchen, verschlossen hat und - sei es im Asylverfahren oder im Zuge anderer Verfahren, z. B. bei den Irakflüchtlingen - ihren Verpflichtungen in vorbildlicher Art und Weise nachgekommen ist. Erwähnenswert sei auch, dass man immer noch "eine Schippe
obendrauf gelegt" habe, indem man beispielsweise - wenn möglich - sehr kleine Unterbringungseinheiten gewählt und den Menschen eine besondere Betreuung habe zukommen lassen.

Die CDU-Fraktion habe sich aber immer gegen eine "Lex Stuttgart" ausgesprochen, also dagegen, dass man nicht in eine übergeordnete Struktur der Flüchtlingsaufnahme eingebettet ist. Diesem Ansatz werde die Vorlage gerecht, denn sie fordere eine bundeseinheitliche Regelung. Seine Fraktion schließe sich daher dem Beschlussantrag an und gehe davon aus, dass die Bundesregierung analog der Regelung für Irak-Flüchtlinge auch hier eine europäische Regelung anstrebt.

Auch ihre Fraktion, so StRin Dr. Hackl (SPD), befürworte die Vorlage. Sie habe bereits im Sozial- und Gesundheitsausschuss erklärt, dass sie geregelte Verfahren unterstütze. Das UNHCR befasse sich schon seit längerem mit dem Resettlement-Programm, und die Stadt Stuttgart habe ihre entsprechenden Pflichten bisher immer erfüllt.

Es sei dennoch sinnvoll, noch einmal ein Zeichen zu setzen und klar herauszustellen, dass die Stadt Stuttgart ihrer Verpflichtung nachkommen werde, wenn das Verfahren institutionalisiert ist. Klar sei aber auch, dass man die Flüchtlingsdramen an den Grenzen Europas mit dieser Willensbekundung nicht lösen könne. Das sei nur auf europäischer Ebene möglich. Man könne nur an alle Beteiligten appellieren, hier Regelungen zu finden.

StR Prof. Dr. Dr. Lübbe (FDP) unterstützt namens seiner Fraktion die Vorlage, da sie hier eine soziale Verpflichtung sehe, allerdings in diesem beschränkten Rahmen. Man könne nicht auf Dauer ganze Kontinente aufnehmen; aber das stehe ja auch nicht zur Debatte. Wenn man den Flüchtlingsstrom generell reduzieren wolle, so sei das eine außen- und entwicklungspolitische Aufgabe. Dieser müsse man sich stellen.

StRin Küstler (SÖS und LINKE) dankt der Gemeinderatsfraktion der Grünen für den Antrag, denn es sei richtig, dass die Stadt Stuttgart sich dem Appell anschließt und sich beteiligt.

Das sei aber bei Weitem nicht ausreichend. Es gebe seit vielen Jahren eine Forderung des Arbeitskreises Asyl, in Stuttgart gerade in der sich wieder zuspitzenden Situation zusätzlich etwas zu tun, denn man sei dazu in der Lage und hätte auch Platz für die Flüchtlinge. Die Fraktionen hätten seinerzeit diesen Vorschlag befürwortet, aber die Stadt habe in dieser Richtung nichts weiter unternommen.

Appelle zu beschließen habe einen Wert, weil man damit eine Meinung bekunde. Noch größeren Wert hätte es aber, wenn die Stadt sich auch zu einem konkreten Schritt entschließen würde, z. B. dazu, Kinder aus Lampedusa aufzunehmen. Sie stelle es dem Gemeinderat anheim, darüber noch einmal zu sprechen.

StR Dr. Schlierer (REP) bezieht sich auf die Anlage 2 zur Beschlussvorlage, in der die Grundlinien des Konzeptvorschlages des UNHCR dargestellt werden. Dabei werde u. a. darauf hingewiesen, dass die Bundesrepublik Deutschland sich bei diesem Resettlement-Programm mehr beteiligen soll, mit dem Argument, dass aufgrund einer seit Jahren rückläufigen Anzahl von Asylantragstellern in Deutschland entsprechende Kapazitäten vorhanden seien.

Diese Aussage habe ihn überrascht, denn es sei ja mittlerweile bekannt und vom Bundesminister des Inneren wiederholt geäußert worden, dass die Zahl der Asylbewerber in Deutschland im Jahr 2010 um nahezu 50 % gestiegen ist. Wie man der Pressemitteilung des BMI vom 12.07.2011 habe entnehmen können, habe die Zahl der Asylbewerber in Deutschland auch im ersten Halbjahr dieses Jahres um annähernd 33 % zugenommen. Weiter zitiere er den stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, Dr. Günter Krings, der kürzlich in der Osnabrücker Zeitung zur Entwicklung des Asylrechts auf europäischer Ebene Stellung genommen habe: "Wenn die EU-Pläne umgesetzt werden, könnte in Deutschland eine Situation wie in den 90er Jahren mit bis zu 400.000 Asylbewerbern in einem Jahr entstehen." Man sei somit nicht in einer Situation, in der man von einer weiter abnehmenden Zahl von Asylbewerbern ausgehen könne, sondern eher vom Gegenteil.

Vor diesem Hintergrund halte er das hier beschworene Signal für falsch. Die Stadt Stuttgart werde ihre Aufgaben aus der deutlich steigenden Anzahl von Asylbewerbern zu erledigen haben. Er halte deshalb in der gegenwärtigen Situation eine Unterstützung dieser Kampagne seitens der Stadt Stuttgart für falsch und werde der Vorlage nicht zustimmen.


Abschließend stellt OB Dr. Schuster fest:

Der Gemeinderat beschließt bei 1 Nein-Stimme mehrheitlich wie beantragt.

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