Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Wirtschaft/Finanzen und Beteiligungen
Gz:
GRDrs 529/2010
Stuttgart,
06/30/2010



Haushaltssicherungskonzept 2009:
Weingut der Stadt Stuttgart
Entscheidung über die weitere Vorgehensweise




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Reform- und Strukturausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen
Gemeinderat
Einbringung
Vorberatung
Beschlussfassung
nicht öffentlich
öffentlich
öffentlich
07.07.2010
16.07.2010
28.07.2010



Beschlußantrag:

1. Vom Ergebnis der Untersuchung über die beiden Alternativen „Bildung eines Eigenbetriebs auf Basis der Optimierungsvorschläge des Gutachtens“ sowie „Durchführung eines Markterkundungsverfahrens über mögliche Rahmenbedingungen für eine Verpachtung“ wird Kenntnis genommen.

2. Die Eigenbetriebslösung bzw. Fortführung als optimierter Regiebetrieb wird aufgrund eines dauerhaft defizitären operativen Betriebsergebnisses nicht weiter verfolgt.

3. Der langfristigen Verpachtung des Weinguts unter dem Erhalt der Marke „Weingut der Stadt Stuttgart“ ab 1. November 2011 wird grundsätzlich zugestimmt.

Die Verwaltung wird beauftragt, die für eine Verpachtung des Weinguts gebotene öffentliche Ausschreibung im Wege eines zweistufigen Verfahrens (Teilnahmewettbewerb mit Verhandlungsverfahren) einzuleiten. Der Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen bildet hierzu einen Unterausschuss, der über die Ausschreibungsunterlagen beschließt und als Bewertungskommission im Rahmen des Verfahrens tätig wird.



Begründung:


1. Ausgangslage

Mit Beschluss vom 18. April 2008 (siehe GRDrs 214/2008) wurde die Verwaltung beauftragt, die beiden Alternativen „Bildung eines Eigenbetriebs auf Basis der Optimierungsvorschläge des Gutachtens“ sowie „Durchführung eines Markterkundungsverfahrens über mögliche Rahmenbedingungen für eine Verpachtung“ zu untersuchen und dem Gemeinderat die Ergebnisse vorzulegen. Insbesondere die Erarbeitung des Konzepts für die Bildung eines Eigenbetriebs hat sich als sehr zeitaufwändig erwiesen.

Anfang 2009 wurde die Abteilung Organisation und Personalentwicklung des Haupt- und Personalamts beauftragt, die Arbeitsgruppe zu unterstützen und ein entsprechendes Konzept im Rahmen eines Organisationsprojekts auszuarbeiten.

Parallel dazu wurde das Markterkundungsverfahren durchgeführt, bei dem alle potentiellen Interessenten aus Stuttgart bzw. der unmittelbar angrenzenden Umgebung angefragt wurden.


2. Konzept für die Bildung eines Eigenbetriebs bzw. Fortführung des Weinguts als optimierter Regiebetrieb:

Gegenstand der Untersuchung war – auf der Basis des Gutachtens von Herrn Prof. Dr. Hoffmann vom März 2008 – ein tragfähiges Konzept zur Weiterführung des städtischen Weinguts in Form eines Eigenbetriebs zu erstellen, welches sich auf Dauer bezogen auf das operative Betriebsergebnis ohne Verlustausgleich aus dem städtischen Haushalt trägt.

Der Projektbericht des Haupt- und Personalamts ist in Anlage 1 beigefügt und kann wie folgt zusammengefasst werden:

a. Organisationsform Eigenbetrieb
Als selbständiger Eigenbetrieb wäre das Weingut aufgrund seiner Größe, Struktur sowie Mitarbeiterzahl nicht zu betreiben. Ähnlich wie der Eigenbetrieb Stadtentwässerung Stuttgart im Tiefbauamt müsste auch ein Eigenbetrieb Weingut – wie die heutige Abteilung 23-4 – im Amt für Liegenschaften und Wohnen integriert werden.

Im Rahmen der näheren Untersuchung hat sich ergeben, dass sich allein durch die Bildung eines Eigenbetriebs an der bestehenden betriebswirtschaftliche Situation nicht ändern würde. Insbesondere in Bezug auf die Interne Leistungsverrechnung (Steuerungs- und Serviceleistungen) ergeben sich durch die Gründung eines Eigenbetriebs keine wirtschaftlichen Vorteile gegenüber dem stadtinternen Verrechnungskonzept (-> Regelung für die Eigenbetriebe der Landeshauptstadt Stuttgart und Geschäftsanweisung der Landeshauptstadt Stuttgart zur internen Verrechnung von Leistungen, GRDrs 984/2006).

Darüber hinaus lässt sich kein steuerlicher Vorteil durch die Bildung eines Eigenbetriebs generieren, da das Weingut wie bisher als „land- und forstwirtschaftlicher Betrieb“ weitergeführt werden müsste, um die Sonderregelungen nach § 24 Umsatzsteuergesetz (Pauschalierung) in Anspruch nehmen zu können.

Aus buchhalterischer Sicht müsste in einem Eigenbetrieb Weingut ein eigenes Rechnungswesen aufgebaut werden. Dies hätte jedoch sowohl auf SAP-Basis unter Anbindung an das vorhandene städtische Rechnungswesen als auch bei Einführung eines gesonderten fachspezifischen Programms einen erheblichen Anpassungs- und Betreuungsaufwand zur Folge.

Aus den dargelegten Gründen wird von der Gründung eines Eigenbetriebs abgeraten. Die weiteren Ausführungen beziehen sich auf das Modell eines optimierten Regiebetriebs. Auch eine solche Organisationsform könnte wie ein Eigenbetrieb mittels betriebswirtschaftlicher Instrumente eigenverantwortlich geführt werden. b. Premiumorientierung
Mit der vom Gutachter empfohlenen konsequenten Premiumorientierung wurde bereits in den vergangenen Jahren begonnen. Im Wesentlichen erfolgt eine Angebotsumstellung über ein Ausdünnen vorhandener Rebstöcke (weniger Trauben, dafür bessere Qualität) sowie durch eine Sortenerneuerung (alte Rebstöcke werden komplett entfernt und durch höherwertige Rebsorten ersetzt).

Das aktuelle Sortiment 2009 umfasst 12 Rebsorten auf einer Fläche von 17,2 ha. Premiumweine (Zwei- bzw. Dreisterne-Weine) lassen sich auf rd. 50 % der Fläche (8,6 ha) mit derzeit 9 Rebsorten herstellen.

Im Rahmen der Premiumorientierung soll der Trollingeranteil von derzeit 32 % auf knapp 20 % reduziert werden. Hierfür wurde in 2009 bereits der Hasenberg mit 0,5 ha Mauerterrassen auf Syrah umgestellt. Weitere 2 ha Trollinger sollen in den nächsten 3 – 5 Jahren auf hochpreisige Sorten (Merlot, Saint Laurent, Sauvignon Blanc, Grauburgunder, Weißburgunder) umgestellt werden.

Weiter sind je 0,5 ha Merlot, Weißburgunder, Sauvignon Blanc und Grauburgunder sowie die Erhöhung von Saint Laurent um 0,5 ha als Rarität in Stuttgart mit langfristig hoher Preissicherung geplant.

Bei der Premiumausrichtung entfallen rd. 5 ha auf eine Sortenerweiterung. Die restlichen 3,6 ha sollen über ein Ausdünnen der vorhandenen Rebstöcke erreicht werden. Das idealisierte Zielsortiment wäre im Jahr 2013 erreicht.

Das Gutachten geht davon aus, dass mit der Premiumorientierung auf längere Sicht – bedingt durch eine höhere Qualität und dadurch größere Kundenakzeptanz – höhere Preise erzielt werden können, so dass sich trotz geringerer Erntemengen die Einnahmesituation verbessern lässt. Vor diesem Hintergrund rechnet das Weingut damit, bis zum Jahr 2014 den Durchschnittserlös von heute 6,29 €/L auf 8 €/L erhöhen zu können. Dabei wird unterstellt, dass bis zur endgültigen Sortimentsumstellung durch die Premiumausrichtung ein jährlicher Mehrerlös von rd. 5 % zu erzielen ist.

Aufgrund der bisherigen Kundenstruktur des Weinguts ist es jedoch fraglich bzw. zumindest mit einem erheblichen Risiko verbunden, ob sich die prognostizierten jährlichen Mehrerlöse von rd. 280.000 € nach Erreichen des idealisierten Zielsortiments ab 2013 erzielen lassen, da es sich bei der bestehende Kundenstruktur
überwiegend um Privatkunden handelt, die sich bislang kaum im Hochpreissegment bewegen. Im Übrigen ist das Premiumsortiment ebenfalls sehr wettbewerbsintensiv, da die übrigen Weinerzeuger in Stuttgart und im Umland ebenfalls in diesem Sortiment expandieren.


c. Standort
Als ein wesentliches strukturelles Defizit wurden im Gutachten die verteilten Weinlagen sowie die räumliche Ausrichtung auf drei Standorte hervorgehoben. Die Standortfrage bzw. die Anzahl der Betriebsstellen ist dabei von elementarer Bedeutung für die Optimierung des Weinguts und hat Auswirkungen auf die Themen Personalbedarf, Investitionsbedarf, Kosten sowie Wirtschaftlichkeitsbetrachtung.

Im Rahmen einer Sollkonzeption wurden schwerpunktmäßig zwei Varianten ausgearbeitet, die im folgenden näher beschrieben sind (Variante 1 – optimierter Status quo mit effizienterer Flächenausnutzung bei den vorhandenen Standorten und Ertüchtigung der Verkaufsstelle in der Sulzerrainstraße sowie Variante 2 – Zentralisierung des Betriebs am Standort Kelter mit Neubau eines Verkaufspavillons auf Basis einer Machbarkeitsstudie des Hochbauamts).


- Variante 1 (optimierter Status quo):

Bei dieser Variante bleibt die heutige Struktur im Wesentlichen erhalten, wobei insbesondere beim Lager- und Verkaufsstandort in der Sulzerrainstraße verschiedene Optimierungen vorgesehen sind.

Augrund der im ehemaligen Luftschutzstollen vorherrschenden Luftfeuchtigkeit können die abgefüllten Flaschen nur nicht-etikettiert gelagert werden, was für den Betriebsablauf nachteilig ist und zusätzliche Arbeitsschritte erforderlich macht. Daher ist die Installation einer Bunkertrocknungsanlage vorgesehen, um die Lagerbedingungen zu verbessern. Die Investitionskosten belaufen sich auf rd. 124.000 € zzgl. einmalige Stromkosten in Höhe von 45.500 € für die Ersttrocknung. Die laufenden Betriebskosten betragen rd. 17.000 €/Jahr.

Der Verkaufsbereich (Theke mit Veranstaltungsbereich) hat funktionale und gestalterische Defizite, die der angestrebten Premiumorientierung widersprechen. Insbesondere wirken die Räume dunkel, kalt und unfreundlich und sind zudem durch den Etikettier- und Versandbereich durchtrennt. Auch der Umstand, für die sanitären Anlagen das angrenzende Gebäude aufsuchen zu müssen, ist nicht mehr zeitgemäß. Basierend auf einer vor einiger Zeit ermittelten Kostenaufstellung für einen Umbau der Sulzerrainstraße ist mit einem Aufwand von ca. 371.000 € zu rechnen. Zur Vereinfachung der betrieblichen Abläufe soll das Büro des Weingutleiters (derzeit in der Dorotheenstraße 2) in der Sulzerrainstraße untergebracht werden

Für die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen ist mit Gesamtkosten von rd. 540.500 € (ohne Baunebenkosten) zu rechnen.

Aufgrund der verbesserten Betriebsabläufe können insgesamt 0,5 Stellenanteile gestrichen werden. Das Einsparvolumen beläuft sich dabei auf ca. 25.000 €/Jahr. Weitere Synergieeffekte sind bedingt durch die weiterhin bestehende Trennung zwischen Produktion und Lager/Verkauf nicht zu erwarten.
- Variante 2
(Zentralisierung am Standort Kelter mit Neubau eines Verkaufspavillons)

Die bisher getrennten Standorte werden bei der Kelter in der Rommelshauser Straße zentralisiert. Um das Raumprogramm vollständig realisieren zu können, hat das Hochbauamt eine Machbarkeitstudie für den Neubau eines Verkaufspavillons auf dem Areal der Kelter erstellt.

Die Investitionskosten für den Verkaufspavillon belaufen sich auf rd. 992.000 € zuzüglich 350.000 € für eine unterirdische Anbindung an das Keltergebäude, welche zugleich als Lagerfläche genutzt werden kann. Dabei bleiben die Einrichtungen im Keltergebäude unverändert bestehen; lediglich das Büro des Weingutleiters müsste im Keltergebäude zusätzlich eingerichtet werden.

Allerdings wäre zur Errichtung des Verkaufspavillons der bestehende Bebauungsplan von 2006 zu ändern, da sich die Fläche außerhalb der Baugrenze befindet und bauliche Maßnahmen in diesem Bereich auch nicht im Wege einer Befreiung genehmigungsfähig sind.

Die Zentralisierung an einem Standort bringt in arbeitsorganisatorischer Hinsicht vielfältige Vorteile. Durch Einsparung von Arbeitsvorgängen (Abfüllung und Etikettierung in einem Arbeitsgang, Wegfall von Transport- und Wegezeiten etc.) und flexibleren Personaleinsatz können bis zu 1,5 Stellen eingespart werden. Das Einsparvolumen beläuft sich dabei auf ca. 75.000 €/Jahr. Das Gebäude Sulzerrainstraße 24 könnte einer anderen Nutzung zugeführt werden. Zusammenfassung:
Aus betrieblicher Sicht ist die Variante 2 zu bevorzugen. Allerdings ist eine Investition in der Größenordung von 1,35 Mio. € angesichts der Haushaltslage und der vordringlichen Bedarfe in anderen städtischen Bereichen auch auf mittlere Sicht weder darstellbar noch vertretbar.

- Arrondierung der Rebflächen:
Derzeit gibt es keine Möglichkeiten, die Betriebsflächen des Weinguts mit anderen Rebflächen zu arrondieren. Zum einen sind geeignete Flächen auf dem Markt nicht verfügbar und zum anderen gibt es bei städtischen Pachtflächen vertragliche Bindungen, die kurzfristig nicht gelöst werden können.

Frühestens in 5 Jahren eröffnet sich die Möglichkeit, Flächen in Untertürkeim aufzugeben und den Neckarbereich durch geeignete Tauschflächen in Münster zu arrondieren.

- Anmietung im Römerkastell:
Die Anmietung von Räumlichkeiten im Römerkastell wurde zwischenzeitlich verworfen. Zum einen stehen die Räumlichkeiten nicht mehr zur Verfügung und zum anderen ist eine dauerhafte Mietbelastung von mindestens 75.000 €/Jahr auf lange Sicht unwirtschaftlicher als Lösungen im eigenen Bestand.

- Kooperation mit der WG Cannstatt:
Bereits heute ist die WG Cannstatt mit der Abfüllung von Literflaschen beauftragt, da beim Weingut die hierfür erforderlichen Gerätschaften (z.B. Schraubverschließer) nicht vorhanden sind und eine gesonderte Anschaffung angesichts der relativ geringen Abfüllmengen unwirtschaftlich wäre.

Mögliche weitere Bereiche zur Ausweitung dieser Kooperation sind die Übernahme der Maischeverarbeitung sowie -gärung, Einlagerung/Ausbau und Abfüllung Dreiviertelliterflaschen incl. Etikettierung. Die WG Cannstatt hat hierfür ein entsprechendes Angebot vorgelegt. Allerdings liegen die städtischen Kosten je Arbeitsgang deutlich unter dem Angebot der WG Cannstatt (insbesondere weil Kelter und Betriebseinrichtungen größtenteils abgeschrieben sind), so dass eine Kooperation nicht weiter vertieft wurde.

d. Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
Anhand der Ergebnisse der beiden Standortvarianten wurde eine betriebswirtschaftliche Darstellung erarbeitet und mit dem Weingut in der bisherigen Organisationsform verglichen. Dabei wird aus Gründen der Vergleichbarkeit jeweils unterstellt, dass vorzunehmende Maßnahmen (z.B. Personalreduzierung, Neubau eines Verkaufspavillons) pro Variante bereits in den Planjahren 2010 und 2011 vollständig umgesetzt sind. Für die Varianten 1 und 2 wurden sowohl die aus den vorgesehenen Investitionen errechneten Abschreibungen als auch entsprechende Veränderungen bei den Betriebskosten berücksichtigt.

Zusammenfassung
Beim Vergleich der Berechnungen zeigt sich, dass das Weingut unabhängig von der gewählten Struktur dauerhaft ein defizitäres operatives Betriebsergebnis (ohne stadtinterne Verrechnungen und Umlagen) von jährlich rd. 250.000 € erwirtschaftet und auf einen Verlustausgleich aus dem Stadthaushalt angewiesen ist.

Unter Berücksichtigung des gewährten Steillagenzuschusses beläuft sich das eigentliche Defizit sogar auf einen Betrag in der Größenordnung von jährlich rd. 450.000 €.

Im Gegensatz zur Auffassung des Gutachters hat die Untersuchung ergeben, dass es keine Möglichkeiten gibt, das Defizit des Weinguts nachhaltig auf eine „schwarze Null“ zu reduzieren. Im Wesentlichen liegt dies an der Personalkostenstruktur, welche bedingt durch die tarifrechtlichen Rahmenbedingungen im öffentlichen Dienst nicht änderbar ist und die Verbesserungen, die durch die Stelleneinsparungen bei beiden Varianten möglich sind, sich nur unwesentlich auf das Defizit auswirken. Der Gutachter kommt in seiner Musterberechnung nur deswegen auf ein ausgeglichenes Ergebnis, weil er die Personalkosten angelehnt an ein privates Weingut kalkuliert hat und die Besonderheiten der öffentlichen Tarifstruktur teilweise unberücksichtigt ließ. Unter Berücksichtigung der stadtinternen Verrechnungen und Umlagen ist dauerhaft von einem negativen Jahresergebnis – je nach Variante – in der Größenordnung von 400.000 €, unter Einbeziehung des Steillagenzuschusses von jährlich rd. 600.000 € auszugehen. Zwar ist ein Teil des negativen Ergebnisses der Umstellung auf das doppische Rechnungswesen geschuldet, wodurch gegenüber bisher höhere bzw. zusätzliche Verrechnungs- und Umlegungsbestandteile auf das Weingut verbucht wurden. Dies ist jedoch vom Grundsatz her gerechtfertigt, da ein Element des doppischen Rechnungswesens eine erhöhte Transparenz ist, wodurch stadtinterne Leistungen nunmehr verursachergerecht zugeordnet werden, die zuvor nicht oder nur unvollständig erschienen sind. Beispielsweise wurden bisher Kosten der Amtsleitung und der Verwaltungsabteilung nicht auf die Dienststellen des Amtes umgelegt sowie Portokosten und die Inanspruchnahme interner Leistungen der Stadtverwaltung nur unvollständig verrechnet. Diese Kostenbestandteile sind bei allen bisherigen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bzw. Ergebnisbetrachtungen nicht enthalten, spielen aber bei der Beurteilung der langfristig zu erwartenden wirtschaftlichen Entwicklung eine Rolle, da die Kosten bei der Landeshauptstadt anfallen und verursachergerecht verteilt werden müssen.


e. Fazit
Die Untersuchungen haben gezeigt, dass unabhängig von der künftigen Struktur das Weingut auf Dauer nicht ohne einen erheblichen Verlustausgleich aus dem Stadthaushalt zu betreiben ist. Der Ergebnishaushalt wäre Jahr für Jahr mit einem Defizit von – je nach Betrachtung – zwischen 250.000 und 600.000 € belastet.

Das Defizit (unter Beachtung aller Aufwendungen im Stadthaushalt) von 600.000 € entspricht nahezu exakt dem Umsatz aus dem Weinverkauf im Jahr 2009 (602.716 €). Anders formuliert: Jeder Weinkäufer hat zu seinem Kaufpreis nahezu exakt die gleiche Subvention aus dem Stadthaushalt erhalten!

Vor dem Hintergrund des gegenwärtig bereits äußerst schwierigen Haushaltsausgleichs und der zukünftig, nach Ablauf der Übergangsregelungen ab 2016 zusätzlich noch zu erwirtschaftenden Abschreibungen im Ergebnishaushalt, ist ein dauerhaftes Defizit in derartiger Höhe weder vertret- noch verantwortbar, zumal es sich beim Betrieb eines Weinguts um eine rein freiwillige Aufgabe handelt.

Daher schlägt die Verwaltung vor, die Überlegungen für eine künftige Struktur des Weinguts als optimierter Regiebetrieb nicht weiter zu verfolgen und das Weingut als Teil der Haushaltskonsolidierung (vgl. Ziffer 2.10. in GRDrs 281/2010) ab 2011 zu verpachten.
3. Ergebnisse des Markterkundungsverfahrens

a. Ziel
Im Markterkundungsverfahren wurden Rahmenbedingungen potentieller Pächter für das Weingut der Stadt Stuttgart abgefragt, um die Eckdaten für eine Verpachtung unter der Prämisse der Erhaltung des Weinguts als Ganzes abschätzen zu können.


b. Form
Für die Abfrage wurde ein Fragebogen mit folgenden Eckpunkten entwickelt:

1. Erhalt des Weinguts als Gesamtobjekt
2. Pachthöhe
3. Steillagenzuschuss
4. Übernahme des Umlaufvermögens
5. Erhalt der Marke „Weingut Stadt Stuttgart“
6. Mindestdauer der Pacht
7. Eventuelle Übernahme von Mitarbeitern
8. Referenzen der potentiellen Pächter
9. Strategie der potentiellen Pächter für das Weingut der Stadt Stuttgart

Als Grundlage ging den potentiellen Pächtern eine umfangreiche Anlage mit Daten, detaillierten Informationen und dem Gutachten von Herrn Prof. Dr. Hofmann zu. Nach Vereinbarung wurden auch individuelle Besichtigungen des Weinguts und der Rebflächen durchgeführt.


c. Durchführung
Im Frühsommer 2008 wurden 36 potentielle Pachtinteressenten aus Stuttgart bzw. der unmittelbar angrenzenden Umgebung im Rahmen des Verfahrens angeschrieben. Unter anderem wurden alle in Stuttgart ansässigen Weinbaubetriebe einschließlich der Weinbaugenossenschaften sowie einige Interessenten, die keinen eigenen Betrieb besitzen, jedoch in der Weinwirtschaft arbeiten und im Vorfeld Interesse an einer Pacht angemeldet hatten, angeschrieben.


d. Wesentliche Ergebnisse
Es besteht ein großes Interesse innerhalb der Stuttgarter Weinwirtschaft an einer langfristigen Anpachtung des Weinguts der Stadt Stuttgart. Neben vier konkreten Angeboten gibt es zahlreiche Interessenbekundungen, die im Wege von Verhandlungen die konkreten Rahmenbedingungen klären möchten, was jedoch seitens der Verwaltung ohne eine Grundsatzentscheidung des Gemeinderates bislang nicht gemacht wurde.

Zum Kreis der Pachtinteressenten gehören weite Teile der renommierten Weinbaugenossenschaften und der privaten Weingüter. Dies ist vor dem Hintergrund der begrenzten Rebflächen in der Landeshauptstadt (rd. 400 ha) und der damit limitierten Expansionsmöglichkeiten auch nachvollziehbar.

Das Markterkundungsverfahren hat zu der Erkenntnis geführt, dass wesentliche Zielsetzungen von Verwaltung und Gemeinderat bei einer Verpachtung des Weinguts erreicht werden können: · Erhalt des Weinguts mit seinen rd. 17 ha Rebflächen als Ganzes, insbesondere auch mit der Bewirtschaftung der Innenstadtreblagen (rd. 5 ha).
· Erhalt der Marke „Weingut der Stadt Stuttgart“ bei einer Verpachtung (analog zum Modell der Stadt Lahr).
· Langfristige Pachtdauer von mindestens 15 Jahren mit Verlängerungsoption, um eine nachhaltige Bewirtschaftung und eine entsprechende Investitionsbereitschaft des Pächters zu sichern.
· Ausrichtung des Weinguts als Premiumerzeuger bei operativer Freiheit des Pächters.
· Erzielung eines Pachtzinses mindestens in der Höhe, die zur Refinanzierung der von der Stadt geleisteten Investitionen notwendig ist. Eine Beteiligung der Stadt an einem möglichen Betriebsverlust ist nicht vorgesehen.
· Die Pachtinteressenten verfügen (überwiegend) über die entsprechende Solvenz bzw. Finanzkraft, ohne dass in diesem Verfahrensstadium eine Detailprüfung stattgefunden hat.

Inwieweit ein Steillagenzuschuss (derzeitige Höhe: 195.000 €/Jahr) – insbesondere für die Innenstadtreblagen – weiterhin notwendig ist, kann abschließend erst im Wege des Verhandlungsverfahrens unter Einbeziehung der beihilferechtlichen Regelungen der Europäischen Kommission geklärt werden.

Das Markterkundungsverfahren hat jedoch auch die Erkenntnis gebracht, dass eine komplette Übernahme des Personals (10 Stellen, dazu – je nach Einstellungsjahr – max. 3 Auszubildende) bei einer Verpachtung nicht möglich sein wird. Einzelne Pachtinteressenten halten eine Übernahme im Einzelfall für denkbar. Die Fortführung der Ausbildungsverhältnisse kann sichergestellt werden.

Im Fall einer Verpachtung des Weinguts wird die Verwaltung selbstverständlich den Grundsatz beachten, dass betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen und die bislang im Weingut Beschäftigten einen anderen Arbeitsplatz bei der Landeshauptstadt angeboten bekommen. Nach einer ersten verwaltungsinternen Prüfung scheint dies weitgehend unproblematisch möglich zu sein. e. Fazit:
Das Markterkundungsverfahren hat ergeben, dass eine Verpachtung des Weinguts zu für beide Seiten angemessenen Rahmenbedingungen erfolgreich möglich ist. Die ideellen und wirtschaftlichen Interessen der Landeshauptstadt können dabei nahezu vollumfänglich umgesetzt werden.

Bei einer Verpachtung des Weinguts kann der Ergebnishaushalt der Landeshauptstadt um jährlich mindestens 250.000 € entlastet werden. Weitere finanzielle Verbesserungen sind durch Pachtzinseinnahmen und eine Reduzierung bzw. einem Wegfall des Steillagenzuschusses möglich.

Ebenso kann im Wege einer Verpachtung sichergestellt werden, dass das Weingut als Ganzes und die stadtbildprägende Bedeutung insbesondere der Innenstadtreblagen dauerhaft erhalten bleiben. Damit kann auch in Zukunft das touristische Alleinstellungsmerkmal der Landeshauptstadt als Weinbaustadt bewahrt werden.


4. Weitere Vorgehensweise

Für die Verpachtung des Weinguts ist eine Ausschreibung geboten, um die notwendige Transparenz und die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu erzielen. Hierzu bietet sich ein zweistufiges Verfahren an. In einem Teilnahmewettbewerb soll zunächst die Interessentenlage förmlich geklärt werden, wobei ein erstes Rahmenkonzept vorzulegen ist. Aus diesem Kreis soll in einer zweiten Stufe mit drei bis fünf Bewerbern konkret verhandelt werden.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen soll in das Verfahren intensiv eingebunden werden. Deshalb wird vorgeschlagen, einen Unterausschuss zu bilden, der sowohl über die Ausschreibungsunterlagen abschließend entscheidet wie auch als Bewertungskommission in den Verfahrensstufen tätig wird.


Finanzielle Auswirkungen

Durch die Verpachtung des Weinguts können jährlich mindestens 250.000 € eingespart werden. Weitere Verbesserungen sind möglich.

Die Verpachtung des Weinguts ist Teil des Haushaltssicherungskonzepts 2009 (vgl. Ziffer 2.10. in GRDrs 281/2010).


Beteiligte Stellen

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Vorliegende Anträge/Anfragen

-




Michael Föll
Erster Bürgermeister

Anlagen



Projektbericht des Haupt- und Personalamts vom 9. März 2010


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Anlage 1 2010-03-15 Abschlussbericht Projekt Weingut.pdf