Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Sicherheit/Ordnung und Sport
Gz:
SOS 7910-00
GRDrs
4/2023
Stuttgart,
03/09/2023
Außenbewirtschaftungsflächen auf Gehwegen, Plätzen, in Fußgängerzonen und auf straßenbegleitenden Parkplätzen
Beschlußvorlage
Vorlage an
zur
Sitzungsart
Sitzungstermin
Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik
Gemeinderat
Einbringung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
14.03.2023
16.03.2023
Beschlußantrag:
1. Der Gemeinderat stimmt dem Konzept zur Genehmigung erweiterter Außenbewirtschaftungsflächen auf Gehwegen, Plätzen und in Fußgängerzonen zu.
2. Der Gemeinderat stimmt dem Betrieb von Außenbewirtschaftungsflächen auf straßenbegleitenden Parkplätzen während der Monate März bis Oktober jeden Jahres zu.
3. Die Verwaltung wird beauftragt, für einen Versuchszeitraum von zunächst zwei Jahren ab März 2023 wie vorgeschlagen zu verfahren
.
Begründung:
1.
Ausgangslage
Um den gastronomischen Betrieben während der Corona-Auflagen größere Handlungsspielräume einzuräumen, wurde im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik am 19. Mai 2020 ein Konzept für die Genehmigung von Außenbewirtschaftungsflächen (Straßenwirtschaften) auf straßenbegleitenden Parkplätzen vorgestellt.
Im Unterausschuss Mobilität wurde am 23. November 2021 umfänglich über die Erfahrungen und Empfehlungen zum weiteren Vorgehen berichtet. Der Unterausschuss Mobilität hat die entwickelten Ideen im Grundsatz begrüßt und die Verwaltung gebeten, Eckpunkte für eine Beschlussfassung vorzulegen.
Nach Ende der pandemiebezogenen Beschränkungen ist nun darüber zu entscheiden, inwieweit die großzügige Genehmigungspraxis hinsichtlich Erweiterungen von Außenbewirtschaftungsflächen auf Gehwegen, Plätzen, in Fußgängerzonen und auf straßenbegleitenden Parkplätze beibehalten werden soll.
Mit Antrag Nr. 377/2022 vom 01.12.2022 beantragt die Gemeinderatsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Außengastronomie dort, wo es räumlich und rechtlich möglich ist, zuzulassen und zu erweitern. Auch die Umwandlung von Parkplätzen soll temporär weiterhin ermöglicht und die Regelung verstetigt werden.
Die CDU-Gemeinderatsfraktion beantragt mit Antrag Nr. 390/2022 die Möglichkeit der Erweiterung der Außengastronomie auf allen Arten von Flächen wie Plätzen, Fußgängerzonen, Gehwegen, Grünflächen oder auch Parkplätzen. Bestehende Genehmigungen sollen temporär weiterhin ermöglicht und die Regelungen verstetigt, neue Anträge, wo immer möglich, genehmigt werden.
Mit der GRDrs 4/2023 kommt die Verwaltung dem Diskussionsergebnis des Unterausschusses Mobilität und den Anträgen der Fraktionen nach und legt die Modalitäten der weiteren Genehmigungspraxis bezüglich Straßenwirtschaften auf Gehwegen, Plätzen und straßenbegleitenden Parkplätzen dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vor.
2.
Genehmigungsmodalitäten für Straßenwirtschaften
a.
Straßenwirtschaften auf Gehwegen und Plätzen
Restgehwegbreite
Bei der Genehmigung von Straßenwirtschaften auf Gehwegen bestimmen die Frequenz und Sicherheitsbedarfe des Fußverkehrs die nutzbare (Rest-)Gehwegbreite und somit das Maß der verfügbaren Außengastronomiefläche. Bei der Genehmigung von Straßenwirtschaften wird heute bereits eine Restgehwegbreite von mindestens 2,0 m eingefordert. In Ausnahmefällen, d.h. insbesondere bei sehr geringen Fußgängerfrequenzen kann hiervon abgewichen werden. Bei hohen Fußgängerfrequenzen bzw. herausgehobenen Qualitätsanforderungen für den Fußverkehr (z. B. Hauptfuß- und Flanierrouten oder verbindlichen Schulwegen gemäß Erlass „Sicherer Schulweg“) wird eine breitere Restgehwegbreite gefordert.
Die Genehmigungspraxis orientiert sich somit an
·
den technischen Richtlinien (Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen RASt 06, FGSV), die eine Gehwegbreite von 2,50 m für das Begegnen zweier Personen unter Einhaltung aller Bewegungs- und Sicherheitsräume einfordern.
·
dem Verkehrsentwicklungskonzept 2030 der Landeshauptstadt Stuttgart, das ebenfalls 2,5 m als Regelmaß und als Mindestbreite 2,0 m ausführt.
·
dem Fußverkehrskonzept der Landeshauptstadt Stuttgart (Planersocietät 2017), das für Hauptfußverkehrs- und Flanierrouten eine Mindestbreite von 2,5 m aufruft.
Eine Auswertung der in den vergangenen Jahren genehmigten Straßenwirtschaften auf den geplanten Hauptfußverkehrs- und Flanierrouten zeigt, dass sich die bisherige Genehmigungspraxis bewährt hat: Bei 44% der Straßenwirtschaften beträgt die Restgehwegbreite über 2,5 m, bei 33% zwischen 2,5 und 2,0 m und bei 23% der Straßenwirtschaften beträgt die Restgehwegbreite zwischen 2,0 und 1,5 m. Mit der seit 2017 voranschreitenden Umsetzung der Hauptfußwege- und Flanierrouten (GRDrs 690/2017) werden folgerichtig künftig verstärkt breitere Restgehwegbreiten gefordert. Diese Breiten werden bei Neuanträgen zur Außengastronomie relevant.
Auf gemeinsamen Geh- und Radwegen sind Straßenwirtschaften nicht genehmigungsfähig.
Flächenausdehnung
Die Gestaltungsrichtlinien zur Möblierung im öffentlichen Straßenraum im Innenstadtbereich der Landeshauptstadt (GRDs 305/2006), die am 19. April 2007 beschlossen wurden, finden Anwendung auf die Gestaltung von Straßenwirtschaftsflächen in der Innenstadt. Die Richtlinien geben vor, dass die Fläche der Außenbewirtschaftung zum jeweiligen Betrieb in engem räumlichen Bezug stehen soll. Erlaubnisse wurden daher bis zur Corona-Pandemie nur für den Bereich vor der Fassade des Gebäudes erteilt.
Während der Corona-Pandemie wurde es den Gastronomen, entgegen den Regelungen der Gestaltungsrichtlinien, ermöglicht, die Außenbewirtschaftungsflächen über die Gebäudegrenzen hinaus auszudehnen. Von dieser Erweiterung machten ca. 160 Gastronomiebetriebe Gebrauch.
Auch nach Aufhebung der Corona-Beschränkungen wird die Erweiterung der Außenbewirtschaftungsflächen auf Gehwegen und in Fußgängerzonen von vielen Gaststättenbetreibern angestrebt, um Ausfälle in der Corona-Pandemie und die derzeit hohen Wirtschaftskosten auszugleichen.
Aus straßenrechtlicher Sicht bestehen keine Bedenken gegen die Erweiterung, solange die Sicherheit und Leichtigkeit des Fußverkehrs nicht übermäßig beeinträchtigt werden. Bei der Entscheidung über die Erteilung der Erlaubnis sind die Bedürfnisse angrenzender Gaststätten oder Ladengeschäfte zu berücksichtigen und gegebenenfalls auszugleichen. Flucht- und Rettungsgassen sind ohnehin immer freizuhalten.
b.
Temporäre Straßenwirtschaften auf Parkplätzen
Von der Möglichkeit der Ausweitung der Außenbewirtschaftungsflächen auf straßenbegleitende Parkplätze während der Corona-Pandemie haben ca. 80 Gaststätten Gebrauch gemacht und insgesamt ungefähr 150 Parkplätze belegt. Die Mehrzahl dieser Gaststätten liegt in den Innenstadtbezirken, vor allem Stuttgart-Süd, - West und -Ost.
Die Genehmigung von Straßenwirtschaften auf straßenbegleitenden Parkplätzen wurde jeweils bislang unter den folgenden Voraussetzungen erteilt:
·
Die Parkplätze müssen vor der Gaststätte liegen.
·
Sie dürfen nicht auf Flächen mit anderer Nutzung, z. B. auf Parkplätzen, die mittels Zusatzbeschilderung für Schwerbehinderte, Taxis, Carsharing-Fahrzeuge, E-Scooter, Motor- oder Fahrräder oder für das Laden von Elektrofahrzeugen reserviert sind, liegen.
·
Die Parkplätze dürfen sich nicht neben baulichen Radwegen, fünf Meter vor und hinter Fußgängerüberwegen, Fußgängerampeln und Bahnübergängen sowie fünf Meter vor und hinter Straßeneinmündungen und –kreuzungen befinden. Der Abstand zu Straßeneinmündungen erhöht sich bei vorhandenen Radwegen auf 8 m. Die Nutzung von Parkplätzen an Straßenzügen mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit > 30 km/h und/oder mit Linienbusverkehr bedarf einer separaten Überprüfung der Verkehrssicherheit durch die Straßenverkehrsbehörde.
·
Kurzzeitparkplätze dürfen nicht belegt werden.
·
Die Flächen müssen zu allen Seiten mit Ausnahme des Gehwegs gesichert werden. Abschrankungen müssen verkehrssicher und zur Fahrbahn hin deutlich sichtbar gekennzeichnet werden (z. B. Reflektoren, reflektierende Sicherheitselemente oder Folien).
·
Bordsteinkanten sind deutlich sichtbar zu kennzeichnen.
·
Dem/der Gaststättenbetreiber/in obliegt die Verkehrssicherungspflicht, die tägliche Reinigung auf der und um die Fläche sowie der Winterdienst.
Aufgrund der differierenden örtlichen Gegebenheiten bedürfen die Anträge einer Einzelfallprüfung. Über die Erteilung der Erlaubnis wird nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden. Die Ausübung des Ermessens umfasst die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am Gemeingebrauch, der verkehrlichen Nutzung als Parkplatz, und dem vorwiegend wirtschaftlichen Interesse des Gastwirts.
Durch die Belegung des Parkplatzes wird der Gemeingebrauch eingeschränkt. Dies mag dann unbeachtlich sein, wenn der Parkdruck im Quartier nicht zu hoch ist. Hoher Parkdruck, insbesondere in Bewohnerparkbereichen, könnte jedoch der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis entgegenstehen.
Gerade in den Innenstadtbezirken ist der Parkdruck sehr hoch. Aus den Bezirken Stuttgart-Ost und Stuttgart-Süd wurde daher der Wunsch laut, die Straßenwirtschaften auf Parkplätzen zumindest zeitlich zu begrenzen. Ein entsprechender Antrag des Bezirksbeirats Stuttgart-Süd liegt vor (Antrag Freie Wähler Süd, Nr. 15/2022).
Trotz der oft milden Witterung ist festzustellen, dass die Straßenwirtschaften im Winter weniger bespielt werden, weshalb die Akzeptanz für den Wegfall der Parkplätze in den Wintermonaten deutlich sinkt.
Um den Bedürfnissen der Anwohnenden entgegenzukommen und den dargestellten Nutzungskonflikt auszugleichen, schlägt die Verwaltung daher vor, die Erlaubnisse für Straßenwirtschaften auf straßenbegleitenden Parkplätzen auf den Zeitraum von 01. März bis 31. Oktober zu befristen. Damit wären die Parkplätze 01. November jedes Jahres abzuräumen und stünden Anwohnenden über die Wintermonate zum Parken zur Verfügung.
3.
Weiteres Vorgehen
Die Verwaltung schlägt vor, den Betrieb von Straßenwirtschaften auf Gehwegen, Plätzen und straßenbegleitenden Parkplätzen entsprechend den oben aufgeführten Vorgaben zu genehmigen. Nach einem Erprobungszeitraum von zwei Jahren erfolgt eine Evaluation, über deren Ergebnisse der Gemeinderat informiert wird.
Für den Betrieb von Straßenwirtschaften ist neben der straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis eine gaststättenrechtliche Genehmigung zu beantragen. Letztere kann erteilt werden, soweit der Betrieb mit den entsprechenden rechtlichen Vorgaben, insbesondere des Bau- und Immissionsschutzrechts, vereinbar ist und öffentliche Interessen nicht entgegenstehen. Die Antragsbearbeitung erfolgt bei der Gaststättenbehörde im Amt für öffentliche Ordnung. Die Bezirksbeiräte werden jeweils vor Erteilung der Außenbewirtschaftungserlaubnisse angehört und deren Votum im Rahmen der behördlichen Abwägung angemessen berücksichtigt.
Finanzielle Auswirkungen
Mit der Nutzung von Parkplätzen für Straßenwirtschaften geht ein Verzicht von Parkgebühren einher
.
Gemäß der Anlage zur GRDrs 4/2023 ist in den Haushaltsjahren 2023 und 2024 im THH 660 – Tiefbauamt, Amtsbereich 6605460 Parkierungseinrichtungen, Kontengruppe 330 Öffentlich-rechtliche Entgelte mit Mindererträgen in Höhe von rund 30.000 EUR zu rechnen.
In der Gebührenzone Stuttgart-City ist von einem Ausfall an Parkgebühren in Höhe von 850 € pro Parkplatz pro Jahr auszugehen. Der Gebührenausfall in den übrigen Teilgebieten des Parkraummanagements beträgt 210 € pro Parkplatz und Jahr.
Dem gegenüber stehen Mehrerträge von Sondernutzungsgebühren und Verwaltungsgebühren in der Außengastronomie im THH 660 – Tiefbauamt, Kontengruppe 330 Öffentlich-rechtliche Entgelte in Höhe von rund 61.000 EUR p. a.
Je m² beanspruchter Straßenfläche betragen die Sondernutzungsgebühren zwischen 2,20 € und 7 € monatlich, abhängig von der Straßenklasse (Ziff. 4 a) und b) des Gebührenverzeichnisses zur Sondernutzungssatzung vom 22.10.2020).
Beim aktuellen Stand übersteigen die durch die gastronomische Nutzung von öffentlichen Parkplätzen zusätzlich erhobenen Sondernutzungsgebühren die entfallenden Parkgebühren um ca. 31.000 Euro (siehe Anlage).
Nach § 1 der Verwaltungsgebührensatzung erhebt die Stadt für öffentliche Leistungen, die sie auf Veranlassung oder im Interesse Einzelner vornimmt, Verwaltungsgebühren. Für die Bearbeitung des Antrags auf Sondernutzung für eine Außenbewirtschaftungsfläche wird eine Gebühr von 76 € festgesetzt (Ziff. 1.13 des Gebührenverzeichnisses). Da nahezu alle Gaststätten, die derzeit öffentliche Parkplätze für die Außengastronomie nutzen, auch andere öffentlichen Flächen gastronomisch bespielen und deswegen unabhängig von der Nutzung der Parkplätze einer entsprechenden Genehmigung bedürfen, sind nur marginale zusätzliche Einnahmen aus Verwaltungsgebühren zu erwarten.
Beteiligte Stellen
Ref. AKR, Ref. S/OB, Ref. SWU, Ref. T, Ref. WFB
Erledigte Anträge/Anfragen
Antrag Freie Wähler Süd Nr. 15/2022
Antrag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion Nr. 377/2022
Antrag CDU-Gemeinderatsfraktion Nr. 390/2022
Dr. Clemens Maier
Bürgermeister
Anlagen
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