· Die Notübernachtung bei akuter, unfreiwilliger Obdachlosigkeit: Hier existieren 60 Plätze in der Zentralen Notübernachtung in der Hauptstätter Straße 150. Bei Bedarf können zwei weitere Gebäude mit zusätzlichen 68 Plätzen belegt werden. Darüber hinaus gibt es in den weiter unten aufgeführten, betreuten Wohnangeboten der Wohnungsnotfallhilfe auch eingestreute Notübernachtungsplätze (derzeit 50).
· Die ordnungsrechtliche Unterbringung in Sozialunterkünften: Hierbei handelt es sich um Hotelzimmer mit sehr einfachem Wohnstandard, die vom Sozialamt bei privaten Hotelbetreibern einzeln belegt werden. Hinzu kommen Sozialunterkünfte, die von den Trägern der Wohnungsnotfallhilfe betrieben werden. Hier werden häufig Menschen in besonders prekären Lebenslagen untergebracht. Zum Stichtag 01.10.2020 sind 732 Personen in Sozialunterkünften untergebracht.
· Die Fürsorgeunterkünfte für besonders schutzbedürftige Haushalte, die in Stuttgart aus einer Wohnung geräumt wurden (v. a. Familien, Ältere, Menschen mit Behinderung): Derzeit leben 1.213 Menschen in der Landeshauptstadt Stuttgart in Fürsorgeunterkünften.
· Betreute Wohnangebote, die an Einzelfallhilfen durch Soziale Arbeit nach § 67 SGB XII gekoppelt sind und derzeit 1.863 Plätze umfassen: Diese Plätze teilen sich auf in 356 Plätze vollstationäres Wohnen, 268 Plätze teilstationäres Wohnen, 972 Plätze im ambulant betreuten Wohnen und 112 Plätze im begleiteten Wohnen. Die Aufnahmehäuser, die ein erstes Fallclearing bieten, verfügen über 155 Plätze.
· Betreutes Übergangswohnen, das an Einzelfallhilfen durch Soziale Arbeit nach § 16a SGB II gekoppelt ist: Hier gibt es aktuell 175 Plätze.
· Im Rahmen des Interimswohnens mietet die Landeshauptstadt Stuttgart Wohnungen an und bietet Wohnungslosen im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Nutzungsverhältnisses für einen begrenzten Zeitraum Wohnraum, bis die betroffenen Personen eine eigene Mietwohnung finden.
· Mit Garantieverträgen akquiriert das Sozialamt der Landeshauptstadt Stuttgart privaten Mietwohnraum. Wenn Wohnungen im Privatbesitz für eine Vermittlung durch das Sozialamt zur Verfügung gestellt werden, kann im Gegenzug ein Antrag auf Zuschüsse zu Renovierungskosten gestellt werden. Außerdem übernimmt das Sozialamt für einen festgelegten Zeitraum mögliche Mietausfälle und stellt eine Ansprechperson im Sozialamt zur Verfügung.
Darüber hinaus wird durch verschiedene Beratungsangebote der Fachstelle Wohnraumsicherung im Sozialamt versucht, möglichst viele Wohnraumverluste zu vermeiden und somit Wohnungslosigkeit bereits präventiv entgegen zu wirken.
Die Angebote und Unterbringungen der genannten Bereiche sind alle auf eine zeitlich begrenzte Dauer angelegt. Sie alle zielen (mit Ausnahme der Prävention) in der Regel darauf ab, dass am Ende ein Umzug in eine eigene, private Mietwohnung erfolgt. Angesichts des extrem angespannten Stuttgarter Wohnungsmarkts haben Wohnungslose aktuell aber nur sehr begrenzte Chancen auf eine eigene Wohnung. Dies führt dazu, dass sie deutlich länger als nötig im Hilfesystem bzw. in einer Unterbringung verbleiben. Dies wiederum lässt die Fallzahlen ansteigen und bringt die Unterbringungen an ihre Kapazitätsgrenze. So hat sich beispielsweise alleine die Zahl der in Sozialunterkünften untergebrachten Personen im Zeitraum von 2014 bis 2019 mehr als verdoppelt (von 386 auf 824 Personen).
Über die besonders prekäre Situation in Sozialunterkünften, von der vor allem Familien betroffen sind, wurde bereits in der GRDrs 253/2019 „Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Situation von Menschen in ordnungsrechtlicher Unterbringung in Sozialunterkünften“ berichtet. In Ergänzung dazu sind Sozialamt und Jugendamt gemeinsam in einen Arbeitsprozess eingetreten, um die Situation von Familien sowohl in den Sozialunterkünften als auch den Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete zu verbessern. 2. Aktuelle Entwicklungen Alle in Abschnitt 1 genannten Angebote verfolgen einen jeweils spezifischen Unterbringungs- oder Hilfezweck. Dennoch überschneiden sich die Nutzungsgruppen dieser verschiedenen Angebotsformen zum Teil erheblich. So werden in Sozialunterkünften und Notübernachtungen auch Menschen untergebracht, die eigentlich die Unterstützung eines betreuten Wohnangebots benötigen. Dies geschieht aus zwei Gründen. Zeitpunkt und Kapazität Zum einen ist zum Zeitpunkt der akuten, unfreiwilligen Obdachlosigkeit nicht immer sofort ein passender Platz in einem betreuten Wohnangebot frei, so dass die Personen die Wartezeit anderweitig überbrücken müssen. Durch die im vorangegangenen Abschnitt beschriebene Knappheit an Wohnraum führt dies aktuell zu problematischen Entwicklungen. Da der Verbleib in betreuten Angeboten bzw. dem dazugehörigen Wohnraum mangels Alternativen (Anschlusswohnraum) immer länger wird, steigt nicht nur die Zahl der Personen auf den Wartelisten, auch die Zeiträume für die eine Überbrückung gefunden werden muss, werden immer länger. Fehlende Mitwirkungsbereitschaft Die für die Vermittlung in die betreuten Wohnangebote zuständigen Fachberatungsstellen der Wohnungsnotfallhilfe berichten zudem regelmäßig von Personen, die zwar offenkundig einen Hilfebedarf nach § 67 SGB XII haben, sich aber auf den dazugehörigen Hilfeprozess mit Hilfeplan nicht einlassen wollen oder grundsätzlich eine Betreuung im Rahmen Sozialer Arbeit für sich ablehnen. Um die akute Obdachlosigkeit zu beenden, müssen diese Menschen dann in Mehrbettzimmern in Notübernachtungen oder in Sozialunterkünften untergebracht werden. Da diese Personen aber mit teilweise schwerwiegenden sozialen Problemen zu kämpfen haben (wie z. B. Sucht, Schulden, psychische Erkrankung, Straffälligkeit) ist diese Unterbringung für sie oft ungeeignet und verschlechtert nicht nur ihre persönliche Situation noch weiter. Sie führt auch zu regelmäßigen Konflikten in den jeweiligen Unterbringungen. Bei zwei aktuellen Stichtagserhebungen im Jahr 2019 in allen acht Fachberatungsstellen bestand diese Personengruppe aus jeweils 24 bzw. 52 der am jeweiligen Tag der Erhebung anhängigen Fälle. Dies entspricht einem Anteil von 10 % bzw. 20 % der Fallzahlen in den Fachberatungsstellen. Neben den Fachberatungsstellen, die von den Trägern der Freien Wohlfahrtspflege verantwortet werden, sind an der Vermittlung von Wohnungslosen in die verschiedenen Unterbringungsformen der Wohnungsnotfallhilfe auch mehrere Stellen im Sozialamt beteiligt. So erfolgt die Belegung in die Sozialunterkünfte sowie in einige der betreuten Wohnangebote (v. a. jene nach § 16 a SGB II) durch die Zentrale Fachstelle der Wohnungsnotfallhilfe (ZFS) in der Abteilung Sozialarbeit (50-4) im Sozialamt. Die Belegung der Fürsorgeunterkünfte und des Interimswohnens bzw. der Wohnungen mit Garantieverträgen erfolgt durch die beiden jeweils verantwortlichen Sachgebiete in der Abteilung Verwaltung (50-1) und die Leistungsgewährung sowie die Prüfung der Bedürftigkeit bei Unterbringung in der Notübernachtung beim Bürgerservice Soziale Leistungen für Wohnungslose (50-250). Hinzu kommen die Beratungszentren des Jugendamts, die für wohnungslose Familien fallzuständig sind und diese zur Unterbringung an das Sozialamt weitervermitteln. Die oben beschriebenen Folgen des fehlenden Wohnraums machen sich auch in diesen Vermittlungsstellen bemerkbar. Durch die in vielen Fällen insgesamt längere Verweildauer von Wohnungslosen im Hilfesystem und die steigende Zahl an Personen, für die eine zeitlich überbrückende Unterbringung gefunden werden muss, haben auch die Vermittlungsstellen in den Erstberatungen, in denen vor allem die akute Obdachlosigkeit beseitigt werden muss, weniger Handlungsspielräume. Die akute Beseitigung der Notlage wird aufwendiger und die reine Versorgung mit einer Unterbringung rückt in der Vermittlungsarbeit zunehmend in den Vordergrund – inhaltliche Gründe für eine Vermittlung werden zweitrangig. Das gesamte Hilfesystem verliert dadurch an Steuerbarkeit. Zusammenfassend steht die Stuttgarter Wohnungsnotfallhilfe vor folgenden vier Herausforderungen:
· Einem zunehmend angespannten Wohnungsmarkt, auf dem es für Wohnungslose aufgrund fehlender finanzieller und persönlicher Ressourcen extrem schwierig ist, neuen Mietwohnraum zu finden.
· Einer dadurch drohenden kapazitären Überlastung des gesamten Hilfesystems, die sich vor allem in verlängerten Wartezeiten bei betreuten Wohnangeboten und einer deutlich häufigeren und längeren Überbrückung in nicht dafür vorgesehenen Unterbringungsformen ausdrückt.
· Einem Bedarf an neuen Lösungen für eine kleine Gruppe von Wohnungslosen mit komplexen Multiproblemlagen, die durch die vorhandenen Angebote (nach § 67 SGB XII und § 16 a SGB II) nicht erreicht werden. Mit dieser Gruppe bestehen vermehrt Konflikte in den Notübernachtungen und den Sozialunterkünften.
· Ein abnehmender Spielraum in der qualifizierten Vermittlung von Wohnungslosen in die unterschiedlichen Angebote und Unterbringungen. 3. Lösungsansätze Das Sozialamt hat mehrere Schritte unternommen, um diesen Herausforderungen zu begegnen:
· Mit dem Projekt MediA und den dazugehörigen Beschlüssen aus den Beratungen zum Doppelhaushalt 2020/2021 (GRDrs 332/2019 „MediA – Medizinische Assistenz“) wird die Situation von Menschen mit psychischen Erkrankungen in der Wohnungsnotfallhilfe verbessert, die durch bestehende Angebote nicht erreicht werden.
· Mit der GRDrs 118/2019 „Weiterentwicklung der Garantieverträge des Sozialamts“ und dem darin enthaltenen und vom Gemeinderat am 9. Mai 2019 beschlossenen Förderprogramm wird die Akquise von Wohnraum durch das Sozialamt verbessert, um mehr Wohnungslose direkt mit privatem Wohnraum versorgen zu können. In Anlage 2 wird über den aktuellen Stand berichtet.
· Mit der GRDrs 253/2019 „Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Situation von Menschen in ordnungsrechtlicher Unterbringung in Sozialunterkünften“ ist ein Planungsprozess angestoßen worden, der die Lebensbedingungen in Sozialunterkünften dauerhaft verbessern soll. Die Empfehlungen der hierfür gegründeten Arbeitsgruppen finden sich in Anlage 3.
· Durch die in den Beratungen zum Doppelhaushalt 2020/2021 beschlossenen insgesamt 7,74 zusätzlichen Stellen im Sachgebiet Städtische Wohnungsnotfallhilfe im Sozialamt werden Prävention und Fallmanagement in der Ordnungsrechtlichen Unterbringung verbessert. Mit diesen Maßnahmen sind wichtige Schritte in die Wege geleitet worden, um auf die beschriebenen Herausforderungen zu reagieren. Im Bereich der Wohnraumversorgung für Wohnungslose, den Angeboten für Personen, die bislang nicht erreicht werden, sowie in der Steuerung des Hilfesystems besteht aber noch weiterer Handlungsbedarf. Die Sozialverwaltung schlägt daher folgende, weitere Maßnahmen vor: a) Entwicklungsprozess „Wohnung-S-Los! 2025“
Hierzu sollen die internen Strukturen der Verwaltung in einem Entwicklungsprozess des Sozialamts verschlankt und zusammengeführt werden. Die aktuell in verschiedenen Abteilungen und Sachgebieten aufgeteilte Wohnungsnotfallhilfe soll gebündelt werden. Durch die dabei entstehenden Synergieeffekte sollen Ressourcen mobilisiert werden, die in eine weitere Verbesserung der Vermittlungsprozesse sowie der Fall- und der Belegungssteuerung investiert werden können.
Die optimierten internen Prozesse sollen neu mit den Beratungsstellen, Diensten und betreuten Wohnangeboten der Träger der freien Wohlfahrtspflege verzahnt werden. In einem extern moderierten Prozess sind gemeinsam mit den freien Trägern der Wohlfahrtspflege neben der Gesamtevaluation des Hilfesystems vor allem die Wechselwirkungen zwischen den Hilfen nach § 67 SGB XII (erbracht durch die Träger) und der ordnungsrechtlichen Unterbringung in Notübernachtungen und Sozialunterkünften (verantwortet durch das Sozialamt) zu überprüfen. Auch sind die Aufgabenstellungen der Fachberatungsstellen gemeinsam weiterzuentwickeln. Die Ergebnisse des unter b) beschriebenen Modellprojekts „Housing First Stuttgart“ müssen an zentraler Stelle in diesen extern moderierten Prozess einfließen.