Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Wirtschaft/Finanzen und Beteiligungen
Gz: WFB
GRDrs 688/2020
Neufassung
Stuttgart,
01/19/2021



Fortschreibung der Public Corporate Governance für die Landeshauptstadt Stuttgart



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
29.01.2021
03.02.2021
04.02.2021



Beschlußantrag:

1. Der in der Anlage 2 beigefügten Neufassung der „Public Corporate Governance für die Landeshauptstadt Stuttgart“ wird zugestimmt.

2. Die Verwaltung wird ermächtigt, den Teil B der „Public Corporate Governance für die Landeshauptstadt Stuttgart“ regelmäßig auf seine Zweckmäßigkeit zu überprüfen und ggf. fortzuschreiben und zu ändern.



Begründung:


In der Präambel der Public Corporate Governance für die LHS ist geregelt, dass die PCG regelmäßig überprüft wird und bei Bedarf angepasst werden soll. Nachdem die aktuelle Fassung neun Jahre unverändert gegolten hat, halten wir eine Anpassung aufgrund von gesellschaftsrechtlichen Entwicklungen, Entwicklungen in anderen Public Corporate Governance Kodices und Erfahrungen der Praxis für sinnvoll.

Grundlage der PCG

Im Juni 2006 hat der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart der Einführung einer Public Corporate Governance für die LHS (PCG) zugestimmt, dessen wesentlichstes Element ein auf die Gegebenheiten der Stadt Stuttgart zugeschnittener Public Corporate Governance Kodex (PCGK) darstellt (GRDrs 279/2006).

Darin wurden Standards zur Steigerung der Effizienz, Transparenz und Kontrolle bei den städtischen Beteiligungsgesellschaften entwickelt, die in die Form eines Kodex gefasst wurden, zu deren Einhaltung sich die Unternehmen selbst verpflichten. Als wichtigste Ziele einer PCG für die LHS wurden darin formuliert:

· einen Standard für das Zusammenspiel aller Beteiligten (Gemeinderat, Stadtverwaltung und Beteiligungsgesellschaften) festzulegen und zu definieren;
· eine effiziente Zusammenarbeit zwischen dem Aufsichtsrat und der Geschäftsführung zu fördern und zu unterstützen;
· den Informationsfluss zwischen Beteiligungsunternehmen und -verwaltung zu verbessern, um die Aufgabenerfüllung im Sinne eines Beteiligungscontrollings zu erleichtern;
· das öffentliche Interesse und die Ausrichtung der Unternehmen am Gemeinwohl durch eine Steigerung der Transparenz und Kontrolle abzusichern;
· durch mehr Öffentlichkeit und Nachprüfbarkeit das Vertrauen in Entscheidungen aus Verwaltung und Politik zu erhöhen.

Im Teil A der PCG sind wesentliche Standards verantwortungsvoller Führung von öffentlichen Unternehmen im eigentlichen Public Corporate Governance Kodex zusammengefasst. Die Regelungen des Teils B sollen das effiziente Zusammenwirken von Unternehmen und Beteiligungsverwaltung als Vertreter der Gesellschafterin LHS sichern.

Die Bindung an die PCG für die LHS ist jeweils ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag bzw. Satzung aller Mehrheitsbeteiligungen sowie den meisten Unternehmensbeteiligungen mit gemischter Gesellschafterstruktur bzw. Gesellschaften mit nennenswerter Minderheitsbeteiligung der LHS verankert.

Gemäß der Regelung der PCG liefern Geschäftsführung (bzw. Vorstand) und Aufsichtsrat der Beteiligungsverwaltung jährlich einen Bericht über die Corporate Governance des Unternehmens, worin insbesondere eventuelle Abweichungen von den Empfehlungen des Kodexes erläutert werden. Diese Erklärung wird zuvor in den Aufsichtsräten der Unternehmen beraten und beschlossen sowie anschließend in den Einzelunternehmensberichten des Beteiligungsberichts der LHS veröffentlicht.

Erfahrungen mit der PCG

Generell ist bei den Geschäftsführungen und Vorständen eine weitgehende Akzeptanz bzgl. der PCG zu verzeichnen. Die Berichte der Unternehmen zeigen, dass nur ganz vereinzelt von den Empfehlungen des Kodex abgewichen wird. Ausdrücklich soll darauf hingewiesen werden, dass eine Abweichung von einer Empfehlung bei entsprechender Begründung nicht per se schon auf einen „Mangel“ in der Unternehmensführung oder -überwachung hinweist. Die im Kodex festgelegten Standards sind im Gegenteil darauf angelegt, flexibel und verantwortungsvoll angewendet zu werden, um damit als einheitliche Grundlage für die in allen Belangen so unterschiedlichen Beteiligungsunternehmen der Stadt dienen zu können. Solche Entscheidungen, Empfehlungen des Kodexes nicht zu entsprechen, können aus verschiedenen Gründen durchaus sinnvoll und notwendig sein, müssen aber transparent gemacht und begründet werden.

Aufgrund der konkreten Erfahrungen erweist sich die PCG insgesamt als gute Hilfestellung für Geschäftsführung und Aufsichtsrat, insbesondere bei Wechsel der Organmitglieder. Die wesentlichen Pflichten und Anforderungen sind übersichtlich, unmissverständlich und vor allem nachlesbar fixiert. Eine solche Zusammenstellung erspart viel Abstimmungsaufwand und erleichtert Übergangsphasen.

Gerade die problemlose Anwendbarkeit der PCG bei den unterschiedlichen und zum Teil untypischen Gesellschaftskonstruktionen der LHS (wie AG, GmbH & Co. KG, Kommunalanstalt, GmbH ohne Aufsichtsrat, GmbH ohne eigene Mitarbeiter, GmbH, deren operatives Geschäft durch städtische Ämter erfolgt) beweisen die enorme Flexibilität der PCG und deren positiven Nutzen.

Wesentlichste Merkmale der Umsetzung sind aber eine ausdrückliche Festlegung der Aufgaben und klare Verantwortlichkeiten bei der Unternehmensführung und -steuerung, was beim Stuttgarter Kodex in der Fachliteratur ausdrücklich hervorgehoben wird. Insbesondere konnte hier bewusstgemacht werden, dass die Vorgabe der strategischen Unternehmensziele im Wesentlichen Aufgabe der Gesellschafterin LHS ist. Der Aufsichtsrat hat darauf zu achten, dass die von der Geschäftsführung verfolgten operativen Ziele der vom Gemeinderat und Verwaltungsspitze festgelegten strategischen Ausrichtung nicht entgegenstehen. Solche qualifizierten Aufsichtsstrukturen sind auch ein besonderes Qualitätsmerkmal einer am Gemeinwohl orientierten Unternehmenssteuerung. Die operative Umsetzung und Realisierung des Unternehmenszwecks und der strategischen Ziele bleibt in der Zuständigkeit der Geschäftsführung.

Nicht zuletzt schafft die PCG auch (verhandlungs-)strategische Vorteile bei Beteiligungen an Gesellschaften mit gemischter Gesellschafterstruktur. Durch Gemeinderatsbeschluss ist die Gesellschafterin Landeshauptstadt Stuttgart an die einzelnen Bestimmungen der PCG gebunden und hat sich an ihnen zu orientieren; dadurch können zeitaufwändige Diskussionen über die Aufnahme und Formulierung vieler einzelner Regelungen in die Gesellschaftsverträge vermieden werden.

Fortschreibung der PCG

Diese guten Erfahrungen wie auch die sich verändernden Anforderungen an eine kommunale Beteiligungsverwaltung bestärken die Verwaltung, die Public Corporate Governance als Maßstab guter Unternehmensführung und Kontrolle in öffentlichen Unternehmen der LHS regelmäßig im Hinblick auf neue Entwicklungen zu überprüfen und fortzuschreiben.

Im Teil A betreffen die wichtigsten Neuerungen den Hinweis auf eine mögliche Schadensersatzforderung bei Verletzung der Verschwiegenheitspflicht (A 2.9.1), die Rückgabepflicht von AR-Unterlagen (A 2.9.3), die Zulässigkeit von Spenden und Sponsoringleistungen (A 3.1.5), Compliance-Regelungen (A 3.2.5 und 3.2.13), gleichstellungsförderliche Unternehmenskultur (A 3.2.14), Nachhaltigkeit (A 3.2.15) oder Begrenzungsregelungen bei variabler Vergütung bzw. Abfindungsvereinbarungen (A 3.3.1 und A 3.3.5). Darüber hinaus sind die Änderungen zum großen Teil auf gesetzlichen Änderungen, Klarstellungen und Konkretisierungen zurückzuführen, die sich insbesondere aus Erfahrungen in der Praxis sowie vergleichbaren Regelungen in anderen kommunalen Kodices ergeben.

Im Teil B spiegeln die vorgeschlagenen Änderungen im Wesentlichen eine bereits gängige und unseres Erachtens sinnvolle Praxis wider. Dies betrifft flexiblere Regelungen bei den Wirtschaftsplänen (B 1.2) und Quartalsberichten (B 2.1), die Unabhängigkeitserklärungen der Wirtschaftsprüfer (B 3.2.1 und 3.2.2), sowie bereits im Beteiligungsbericht umgesetzte Angaben wie den Gesamtbetrag von gewährten Spenden und Sponsoringleistungen (B 4.3.5) oder den Frauenanteil in Führungspositionen (B 4.5.2).

Ergänzungsanträge durch die Fraktionen

In der Synopse (Anlage 1) sind die aufgrund der Anträge der Fraktionen vorgenommenen Änderungen zur besseren Übersicht kursiv dargestellt.


Gleichstellung und Gendergerechtigkeit
Der Begriff „angemessen“ in der Regelung A 3.2.14 war unverändert aus dem bisherigen Kodex übernommen worden. Vorgeschlagen wird nun, hierbei die Formulierung aus dem Musterkodex „ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern“ zu verwenden.

Die gesamte PCG wurde hinsichtlich der Verwendung einer gendergerechten Sprache überarbeitet, auch wenn dies mitunter die Lesbarkeit beeinträchtigt.



Nachhaltigkeit
Durch die Einführung der Regelung A 3.2.15 in den Entwurf Fortschreibung der PCG wird verbindlich festgesetzt, dass nachhaltiges und verantwortungsvolles Wirtschaften im Sinne der Corporate Social Responsibility (also eines alle Nachhaltigkeitsaspekte umfassenden Unternehmenskonzepts) unverzichtbarer Steuerungsstandard für die städtischen Beteiligungen ist. Zu einem solchen nachhaltigen und verantwortungsvollen Wirtschaften und damit der Entwicklung einer geeigneten Nachhaltigkeitsstrategie sind alle städtischen Beteiligungsunternehmen angehalten. Verschiedene Unternehmen haben sich diesbezüglich schon auf eine Nachhaltigkeitsstrategie oder ein Zertifizierungsverfahren festgelegt. Eine verbindliche Festlegung aller Beteiligungen auf einen bestimmten Berichtsstandard oder Zertifizierungsverfahren wie WIN-Charta B-W, Deutscher Nachhaltigkeitskodex, Gemeinwohlökonomie oder Nachhaltigkeitsstrategie auf Basis der Sustainable Development Goals (SDG), etc. erscheint aufgrund der großen Unterschiede in der Struktur, der Aufgabenstellung oder der Ausgangssituation der Beteiligungsunternehmen wenig sinnvoll.

Einzelne Nachhaltigkeitsthemen wie Chancengleichheit und Diversität sind bereits gesondert geregelt. Zudem wird jährlich im Beteiligungsbericht über die in diesem Zusammenhang unternommenen Anstrengungen und Schritte der Geschäftsführung öffentlich Rechenschaft abgelegt. Die von der Verwaltung im Entwurf der PCG für die LHS vorgesehene Verankerung einer nachhaltigen Ausrichtung der Beteiligungsunternehmen mit dem Schwerpunkt auf der Berichtspflicht entspricht damit auch der Systematik des Deutschen Public Corporate Governance Musterkodex.

Zugleich ist aber festzuhalten, dass die PCG für die LHS ein Steuerungsinstrument darstellt und daher kein Zielsystem für die Beteiligungsunternehmen sein kann. Die PCG führt aus, wie und durch wen gesteuert werden soll, nicht wohin.

Konkrete, operationale Nachhaltigkeitsziele, die zum Beispiel aus einer gesamtstädtischen Strategie erwachsen, sind daher aus unserer Sicht in einer Strategieplanung bzw. Wirtschaftsplanung für das jeweilige Unternehmen zu verankern. Dies entspricht auch der vorgesehenen Behandlung von strategischen Zielen der Themenfelder Ökonomie, Ökologie und Soziales bei den wichtigsten Beteiligungsunternehmen im Gemeinderat.

Die in der Neufassung zusätzlich aufgenommenen Verankerungen der Nachhaltigkeitsausrichtung in der städtischen PCG orientieren sich daher konsequent an der Funktion der PCG und der Umsetzbarkeit. Es soll nun schon in der Präambel der PCG dargestellt werden, dass die Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung immer stärker ins Bewusstsein im Hinblick auf eine gute Steuerung von städtischen Unternehmen treten sollen. In Teil A, 1.1.7 macht die LHS als Gesellschafterin deutlich, welche zentrale Rolle ein nachhaltiges Handeln bei allen Beteiligungsgesellschaften spielen muss. Auch bzgl. der Anstrengungen und Maßnahmen zur Nachhaltigkeit wird explizit ergänzt, dass diese sich am gesamten Umfang der Agenda 2030 mit ihren SDG orientieren sollen (Teil A, 3.2.15).

Verschwiegenheit
Der Umfang der Verschwiegenheitspflicht ist im neuen Entwurf eigentlich eindeutig und genau im Wortlaut des Gesetzes (§ 52 Abs. 1 GemBHG i.V. mit §§ 394 und 395 AktG) geregelt. Der Verschwiegenheit unterliegen grundsätzlich „alle vertraulichen Angelegenheiten, die den AR-Mitgliedern durch ihre Tätigkeit im Aufsichtsrat bekannt geworden sind“. Eine Beratung in der Fraktion oder sonstigen Gremien ist nicht zulässig, wenn es sich um solche vertraulichen und AR-internen Informationen handelt.
Dies kann auch dem Schutz des einzelnen AR-Mitglieds dienen, da es die Vertraulichkeit gewährleisten muss und ggfs. haftbar gemacht werden kann, wenn durch eine solche Beratung in der Fraktion vertrauliche Informationen öffentlich werden sollten.

Fristen für AR-Unterlagen und Teil B - Beteiligungsrichtlinie
Im Teil A der PCG unter der Nummer 3.8 sind grundsätzliche Standards für die gute Zusammenarbeit von Geschäftsführung und Aufsichtsrat zusammengestellt. Dabei wird auch unter 3.8.5 festgelegt, dass den Mitgliedern des Aufsichtsrats die notwendigen Unterlagen rechtzeitig vor der Sitzung zugeleitet werden. Die konkrete Ausgestaltung mit den konkreten Fristen wird jeweils in den Satzungen bzw. Geschäftsordnungen der einzelnen Beteiligungsunternehmen geregelt. Die Geschäftsordnungen können von den jeweiligen Aufsichtsräten bei Bedarf verändert oder angepasst werden.

Im Teil B, der eine Richtlinie für das Beteiligungsmanagement bzw. Beteiligungscontrolling und damit für die Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführung und Beteiligungsverwaltung darstellt, sind z.B. die Fristen für die Übersendung von Unterlagen deshalb konkret benannt, da die Beteiligungsrichtlinie und damit der Teil B der PCG hier die Funktion einer „Geschäftsordnung“ für die Beteiligungsverwaltung zu übernehmen hat.





Thomas Fuhrmann
Bürgermeister


Anlagen:

1 Übersicht über die Änderungen
2 Neufassung der PCG für die LHS



Finanzielle Auswirkungen




Erledigte Anträge/Anfragen

Antrag und Anfrage 440/2020 der FrAktion LINKE SOS PIRATEN Tierschutzpartei
Antrag 442/2020 der SPD-Fraktion
Antrag 443/2020 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktionsgemeinschaft PULS





Anlagen

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