Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
95
9
VerhandlungDrucksache:
143/2021
GZ:
T
Sitzungstermin: 22.04.2021
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Faßnacht
Betreff: B 10 Rosensteintunnel mit B 10/B 14 Verbindung am Leuze
- Stand der Baumaßnahme
- Finanzierung
- Neufestsetzung Gesamtkosten

Vorgang: Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik vom 20.04.2021, öffentl., Nr. 116

Ergebnis: Vorberatung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Technischen Referats vom 14.04.2021, GRDrs 143/2021, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Bericht zum Stand der Baumaßnahme
2. Finanzierung


2.1 Die Fortschreibung der mit GRDrs 4/2021 festgesetzten Gesamtkosten von 416.300.000 EUR (inkl. Eigenleistungen von 19.947.000 EUR) um 39.750.000 EUR (inkl. Eigenleistungen von 2.250.000 EUR) auf 456.050.000 EUR (inkl. Eigenleistungen von 22.197.000 EUR) wird beschlossen.

2.2 Die Gesamtkosten von 456.050.000 EUR werden im Teilfinanzhaushalt 660
- Tiefbauamt - beim Projekt 7.665003 - Rosensteintunnel - wie folgt gedeckt:



JahrAuszahlungenEigenleistungenGesamtkosten
EUR
EUR
EUR
2020 und früher
312.205.000
14.877.000
327.082.000
2021
52.178.000
2.370.000
54.548.000
2022
29.170.000
1.970.000
31.140.000
2023
20.000.000
1.420.000
21.420.000
2024
15.000.000
1.200.000
16.200.000
2025
5.300.000
360.000
5.660.000
Gesamt
433.853.000
22.197.000
456.050.000


2.3 Der Mehraufwand in Höhe von 39.750.00 EUR (davon Auszahlungen von 37.500.000 EUR und Eigenleistungen von 2.250.000 EUR) wird als Vorbelastung bei der Fortschreibung des Investitionsprogramms zum Doppelhaushalt 2022/2023 berücksichtigt.


StR Adler (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) bringt seine Fassungslosigkeit über die erneuten Kostensteigerungen von 39 Mio. € zum Ausdruck. Er befürchtet, dass man am Ende bei 500 Mio. Euro plus x landen werde für 1,3 km Straßentunnel. Er kritisiert weiter, dass kein selbstkritisches Wort verloren wurde angesichts der Preissteigerungssprünge und keine Reflexion stattfinde über die "politisch zunächst mal auf 193 Mio. runterfrisierten Kostenangaben vor der Beschlussfassung über dieses Projekt", was einer Täuschung des Gemeinderats und der Öffentlichkeit gleichkomme. Der Rosensteintunnel sei kein Beitrag zur nötigen Verkehrswende, sondern fördere die Verkehrsmengen und verlagere nur die Belastungen durch zu viel Autoverkehr. Das mindeste, was man von einer verantwortungsvollen Verwaltung erwarte, wäre eine selbstkritische Analyse von Tunnelprojekten - ob Straße oder Schiene - mit den Prüfkriterien, die in der Fachwelt längst an solche Projekte angelegt werden, insbesondere die Auswirkung auf CO2-Emissionen und Klima. Die Fraktionsgemeinschaft lehne die Vorlage ab.

StR Kotz (CDU) unterstreicht ausdrücklich, dass bei diesem Projekt ein Großteil der Gesamtinvestition in die Ertüchtigung vorhandener Infrastruktur in der Stadt gesteckt wurde. Es habe tatsächlich eine Kostenexplosion gegeben, doch waren dabei weniger der Rosensteintunnel an sich, sondern vor allem die Kosten für das Thema Leuze-Röhren, Umbaumaßnahmen im Bestand etc. ursächlich, plus die Thematik Rechtsstreit mit dem Bauunternehmer, plus die Thematik, dass zunächst keine Kostensteigerungen eingerechnet waren. Diese Themen würden heute besser gehandhabt. Seine Fraktion halte es für völlig falsch, die Baukosten gesamt für zwei völlig unterschiedliche Projekte auf die Dauer und die Länge des Tunnels herunterzurechnen. Man hätte sich diese Vorlage nicht gewünscht, jedoch habe man ein Bauprojekt, das es zu Ende zu bringen gelte. Schaue man auf das S-Bahn-Projekt auf den Fildern, so erlebe man auch dort Baukostensteigerungen. Zu hoffen bleibe, dass solche Baukostensteigerungen nicht auch im kulturellen Bereich zu erleben sein werden. Der Vorlage stimme man zu.

StRin Munk (90/GRÜNE) bekräftigt die von Anfang an bestehende Ablehnung ihrer Fraktion zu diesem Projekt. Man habe schon damals vorausgesagt, dass die Kosten nicht wie prognostiziert bleiben werden - aber nie in der Annahme, dass es so horrend steigende Kosten werden. Nun müssten alle erkennen, dass solche Großprojekte in dieser Form nicht kalkulierbar seien und selbst kurz vor der Fertigstellung noch mit Unvorhergesehenem gerechnet werden müsse. Man würde sich folglich freuen, wenn es bei dieser Kostensteigerung bleiben würde. Weil ihre Fraktion das Projekt, das man jetzt nicht mehr aufhalten könne, von Anfang an abgelehnt habe, werde man sich der Stimme enthalten.

StRin Köngeter (PULS) merkt an, ihres Wissens gebe es das Projekt nur deshalb, "weil es politisch gewollt und deshalb schöngerechnet war". Daher hätten die Kostensteigerungen wenig damit zu tun, dass man Großprojekte nicht im Griff hätte. Ihres Erachtens hängt das Misstrauen bei Stuttgarter Großprojekten mit den noch immer explodierenden Kosten am Hauptbahnhof oder mit Projekten, die mit dem Hauptbahnhof in Zusammenhang stehen, zusammen. Dies münde in fehlendes Vertrauen gegenüber vorgelegten Zahlen, aber auch in Misstrauen gegenüber der Politik im Hinblick auf deren Kompetenz und Beurteilungsvermögen hinsichtlich Großprojekten und in Folge dessen in einer Ablehnung gegen Großprojekte im Allgemeinen. Das Argument, man könne die Baustelle ja nicht offenlassen, greift aus ihrer Sicht so nicht. Einerseits treffe es zu, dass die Baustelle fertig werden muss, andererseits frage man sich, wo die finanzielle Schmerzgrenze erreicht ist. Die FrAKTION habe beim letzten Beschlussantrag, wo es um Kostensteigerungen dieses Projekts ging, sich der Stimme enthalten, da man am Projektbeschluss nicht beteiligt war. Um zu verhindern, dass die versprochenen Begleitmaßnahmen zum Rosensteintunnel nicht umgesetzt werden können, werde man der Fertigstellung der Baustelle und damit der heutigen Vorlage zustimmen. Man wolle sie jedoch unbedingt als Mahnung verstanden wissen.

Mit Blick auf die Kosten für die Oper habe Ex-OB Kuhn die sehr hohen Kosten vorgelegt und betont, dass es ehrliche Kosten seien. Deswegen wolle sie OB Dr. Nopper mit auf den Weg geben, "dass Sie diesen Ball von Herrn Ex-OB Kuhn aufnehmen und dafür sorgen, dass wir in Zukunft guten Gewissens Großprojekte umsetzen können. Und wenn Sie diese letzte Bemerkung auch noch erlauben, dass das dann aus unserer Sicht hoffentlich keine Straßentunnel mehr sind!"

StR Conzelmann (SPD) findet, es seien selbstverständlich keine guten Nachrichten, dass die Kosten des Bauprojekts ein weiteres Mal gestiegen sind. Die Verwaltung habe jedoch auch diesmal nachvollziehbar dargestellt, wo die Kostensteigerungen herkommen. Nicht zu vergessen bittet er auch, dass diese letzte Ausbaustufe des Prag-Projektes "ein Segen für Bad Cannstatt sein wird." Der Verkehr werde auf der Hauptachse gebündelt und Wohngebiete damit nachhaltig entlastet. Auch sei das Teilstück "Stadt am Fluss" vor der Wilhelma wie auch die Überlegungen zur Aufwertung des Neckarknies nur durch dieses Projekt möglich. Luft- und Lärmwerte in der Schönestraße, an der Pragstraße und in der Neckarvorstadt werden enorm sinken und auch die Wilhelma selbst werde sehr stark davon profitieren. Die von der SPD-Gemeinderatsfraktion durchgeboxten Begleitmaßnahmen führen in Bad Cannstatt, aber auch in Zuffenhausen und in Stuttgart-Ost zu Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger. Jetzt liege es am Gemeinderat, die weiteren Chancen, die sich durch diese Baumaßnahme auftun, zu nutzen. Dass an der Ausschöpfung dieser Chancen und Möglichkeiten jetzt auch Fraktionen mitarbeiten, die in der Vergangenheit gegen den Tunnel agiert haben, zeige, dass die Entscheidung für den Rosensteintunnel rückblickend gesehen richtig war.

BM Thürnau geht ein auf den Wortbeitrag von StR Adler. Er bittet zur Kenntnis zu nehmen, dass das Technische Referat diesen Tunnel zu bauen hat und nicht das Referat sei, das die Planung für Verkehr und Ökologie des Projekts zu betreiben hat. Die Frage der ökologischen Sinnhaftigkeit sei zum Zeitpunkt, als dieser Tunnel beschlossen worden ist, vom zuständigen Referat bearbeitet worden. Er werde sich daher inhaltlich zu diesem Thema nicht äußern. Was den Vorwurf einer Täuschung der Gemeinderäte in Bezug auf die Kosten angeht, so stamme die Summe von 193 Mio. €, die, basierend auf einer Kostenberechnung aus 2010 im Jahr 2012 für den Tunnel festgelegt worden ist, aus einer Zeit, als in der gesamten Stadtverwaltung nicht mit Unvorhergesehenem und mit entsprechenden Ansätzen für Baupreissteigerungen bei einem Projekt, was über zehn Jahre läuft, gerechnet worden sei. Hinzu komme, dass in den letzten zehn Jahren die Baupreissteigerungen insbesondere im Tiefbaugewerk pro Jahr deutlich über 5 % gelegen haben. Zwei große Preistreiber waren die Stahlpreise mit teilweise einem Plus von 50 %, und der Betonbau. Im Entsorgungsbereich für bituminöse Beläge waren teilweise Preissteigerungen von über 30 % zu verzeichnen. Hinzu gekommen seien das Thema Wolff & Müller und der Rechtsstreit.

Zu bedenken bittet er auch, was es denn heißen würde, 'jetzt kann man keine Großbauprojekte mehr machen', Stichwort Oper. "Das Problem ist, dass man ein Großprojekt heutzutage anders aufsetzt, wir sind gerade am Anfang. Der Bund hat das vorgemacht, der Bund gibt für Großprojekte jetzt mittlerweile die Vorgabe, dass alle Großprojekte über BIM gesteuert werden. Das haben wir schon mal diskutiert im STA, ich will jetzt aus Zeitgründen nicht näher darauf eingehen, was das heißt. Aber auch da können Sie nicht voraussehen, wie sich Baupreise entwickeln. Auch da können Sie nicht voraussehen, was Sie im Untergrund finden. Das ist immer eine Frage der Abwägung: Bohre ich jeden Quadratmeter meiner zu bebauenden Fläche oder sage ich, ich mache das an einem etwas größeren Raster und stelle dann fest, wenn ich in einer tektonisch schwierigen Lage bin, wie z. B. unten am Neckar, mit Mineralwasserschichten und ähnlichem und Rüstungs-Altlasten und ähnlichem, dass ich hinterher doch erhebliche Kostensteigerung im Bereich der Entsorgung der Altlasten-Thematik habe.

Es bleibt bei großen Projekten einfach zu sagen, das Risiko ist ein höheres. Und von daher ist es ja auch sinnvoll, bei der Oper zu sagen, diese Startzahl, die da mal im Raum und in den Medien gestanden hat von 500 Mio. Euro, die kann durchaus eine deutlich höhere werden. Da sind ja auch schon Beträge von 700 Mio. Euro im Gespräch gewesen. Das ist eigentlich das, was wir als Verwaltung und gerade aus meinem Bereich als bauende Verwaltung immer wieder hier in der Verwaltung gesagt haben: Dass man anders an das Thema herangehen muss, dass man im Vorfeld dieser Maßnahmen diese Möglichkeiten mit einkalkulieren muss und das auch im Haushalt abzubilden hat."




OB Dr. Nopper stellt abschließend fest:

Der Gemeinderat beschließt bei 7 Nein-Stimmen und 12 Enthaltungen mehrheitlich wie beantragt.

zum Seitenanfang