Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
111
VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 09.05.2019
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:
Protokollführung: Herr Häbe
Betreff: Geschäftsordnungsantrag von StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS)

Zum heutigen öffentlichen Tagesordnungspunkt 12 "Gründung der Gesellschaft Gigabyte Region Stuttgart GmbH (GRS)" und zum heutigen nicht öffentlichen Tagesordnungspunkt 17 "Gigabyte Region Stuttgart GmbH (GRS) Kooperationsvereinbarung" spricht sich StR Rockenbauch, Bezug nehmend auf einen Antrag der SPD-Gemeinde-ratsfraktion, dafür aus, diese beiden Tagesordnungspunkte heute zu vertagen. Sollte sich für diesen Vertagungsantrag keine Mehrheit ergeben, bittet er darum, den TOP 12 angesichts dessen Bedeutung und angesichts der vielen interessierten, im Sitzungssaal anwesenden Bürgerinnen und Bürger, diesen Tagesordnungspunkt als TOP 1 vorzusehen.

Angesichts der Bedeutung der Gründung der erwähnten Gesellschaft spricht sich OB Kuhn gegen eine Vertagung aus. Des Weiteren weist er darauf hin, dass sich auf der Tagesordnung vor dem heutigen TOP 12 ebenfalls wichtige Tagesordnungspunkte befinden.

Sinngemäß äußern sich die StRe Kotz (CDU) und Winter (90/GRÜNE).

Auf einen von seiner Fraktion gestellten Vertagungsantrag hebt StR Perc (SPD) ab. Die beiden in Rede stehenden Tagesordnungspunkte zielten auf eine grundlegende Infrastruktur, also auf einen Teil der Daseinsvorsorge, ab. Diese Infrastruktur wolle die SPD-Gemeinderatsfraktion in der öffentlichen Hand wissen. Es werde Zeit benötigt, um auszuloten, welche Optionen möglich seien, um diesem Ziel möglichst nahe zu kommen (z. B. Kauf des Netzes nach einer bestimmten Zeit). Die Terminierung der Beratungsfolge stelle gelinde gesagt eine große Herausforderung dar. Der Vertrag liege erst seit wenigen Tagen vor. Die Einladungen zu der Gründung der Gigabyte-Gesellschaft und zu der Unterzeichnung frd Kooperationsvertrages seien bereits erfolgt. Damit würden die Gremien bewusst unter einen Handlungsdruck gesetzt. Die SPD-Gemeinderatsfraktion appelliere an den Rat, beide in Rede stehenden Tagesordnungspunkte auf die Sitzung des Gemeinderats am 06.06.2019 zu vertagen. Dieses Datum würde noch eine sehr zeitnahe Behandlung erlauben.

StR Rockenbauch spricht davon, dass es unmöglich ist, heute dieses komplexe Thema auszudiskutieren. Eine intensive Diskussion sei allerdings erforderlich. Der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltfragen der Bundesregierung bringe zum Ausdruck, ohne aktive politische Gestaltung werde der digitale Wandel den Ressourcen-, den Energieverbrauch sowie die Schädigung von Umwelt und Klima weiter beschleunigen. Für eine aktive Gestaltung sei eine intensive Beratung durch das Hauptorgan notwendig. Es könne nicht akzeptiert werden, dass, obwohl dem Gemeinderat noch nicht alle Unterlagen vorlägen und Fragen noch nicht beantwortet seien, bereits Pressetermine für die Unterzeichnung der Kooperationsrahmenvereinbarung versandt seien. Dies stelle eine Überrumpelungstaktik dar. Der Gemeinderat und seine Ausschüsse hätten nie die Gelegenheit erhalten, ernsthaft über die Themen zu sprechen. Im November habe seine Fraktionsgemeinschaft beantragt, dass der Breitbandausbau per Glasfaser in kommunaler Hand stattfinden solle. Nachdem er im Ältestenrat nachgefragt habe, sei er davon ausgegangen, dass nun auch die Verwaltung eine Debatte darüber als erforderlich ansehe, das Glasfasernetz in die öffentliche Hand zu bekommen. Bis heute sei noch nie über diesen Antrag öffentlich beraten worden, und viele Fachfragen seien noch nicht vollumfänglich beantwortet. Dies sollte heute geschehen.

StR Klingler (BZS23) entgegnet, das Thema sei über Monate im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen (WA) besprochen worden. Fakt sei, dass die Wirtschaft schnellstmöglich ein hochmodernes Glasfasernetz benötige. Dies wolle nun die Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS blockieren.

Zwar spricht StR Dr. Schertlen (SchUB) von einem Thema mit hoher Priorität, aber die vorgesehene Beratungsfolge wird auch von ihm kritisiert. Eine Vertagung um 14 Tage erachtet er als möglich. Er spricht sich ebenfalls dafür aus, diese Infrastruktur in die öffentliche Hand zu bekommen.

Von StR Dr. Reiners (CDU) wird darauf hingewiesen, dass der Grundsatzbeschluss zu dem zur Beratung stehenden Themenfeld bereits im letzten Jahr gefasst wurde. Für ihn sind die von der Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS gestellten Fragen umfänglich und kompetent von der Verwaltung beantwortet worden.

Gegenüber StR Körner (SPD) informiert OB Kuhn, die Gründung der Gesellschaft sei für morgen vorgesehen. Zu diesem Termin seien die Zweckverbände, die die Landkreise mit ihren Gemeinden gegründet hätten, und die Telekom eingeladen. Die Vertragsunterzeichnung solle wohl am 24.05.2019 stattfinden. An diesem Termin würden sowohl der Ministerpräsident als auch der Innenminister teilnehmen. Der Prozess sei darauf ausgerichtet, bei diesem wichtigen Thema schnellstmöglich Fahrt aufzunehmen.

Ende 2018 habe der Rat einen Letter of Intent geschlossen. Die Initiative dafür sei vom Regionalparlament ausgegangen, und nach einer intensiven Debatte hätten mit Ausnahme der LINKEN-Vertreter alle Fraktionen zugestimmt. Die rechtlichen Fragen seien seitens des Bundes längst entschieden. Demnach handle es sich um einen privaten Wettbewerb. Der Vorschlag der Region ziele darauf ab, dass mit der Gründung der Gesellschaft in Kooperation mit der Telekom - alle Marktteilnehmer seien angefragt worden - sich schneller eine Umsetzung realisieren lasse.

Angesichts verschiedener Gespräche im WA könne heute nicht davon gesprochen werden, dass es sich um ein neues Thema handle. Außer Frage stehe, dass zur Beseitigung von Defiziten schneller gehandelt werden müsse. Nahezu täglich gebe es Meldungen, dass Deutschland auf diesem Gebiet im Vergleich zu vielen anderen Ländern zu langsam agiere. Daher könne er nicht empfehlen, eine Vertagung vorzunehmen. Damit würde der gesamte regionale Prozess aufgehalten.

Von StR Rockenbauch wird daraufhin betont, er halte eine Vertagung für rechtlich möglich. Die Stadt könne jederzeit einer Gesellschaft bzw. einer Kooperationsvereinbarung beitreten. Schon gegen den Beratungsverlauf im Zusammenhang mit dem Letter of Intent - dieser habe sechs Tage gedauert - habe er Widerspruch eingelegt. Damals habe ihm der Erste Bürgermeister (EBM Föll) zugesichert, bis zur Unterzeichnung der Verträge werde es genügend Zeit geben, um die geforderte Debatte ausführlich führen zu können. Seine Fraktionsgemeinschaft habe darauf gewartet, dass diese für Ende 2018 angekündigte Debatte stattfinde: Diese Debatte habe allerdings nicht stattgefunden. Im Oktober/November 2018 sei von seiner Fraktionsgemeinschaft dann der Antrag gestellt worden, den Breitbandausbau in kommunaler Hand vorzunehmen. Im Dezember 2018 habe er nachgefragt, wann die angekündigte Debatte vorgesehen werde. Die daraufhin erfolgte Ankündigung für das 1. Quartal 2019 habe sich ebenfalls als unrichtig erwiesen. Wie schon im Juni 2018 sollen nun erneut wichtige Entscheidungen durch den Gemeinderat durchgewunken werden. Der von seiner Fraktionsgemeinschaft gestellte Antrag sei noch nicht öffentlich besprochen worden, und unter dem heute sich ergebenden Zeitdruck könne eine Beantwortung auch heute nicht sachgerecht erfolgen. Den Zeitzwang konstruiere die Verwaltung. Dass bisher noch kein Breitband verlegt worden sei, liege nicht an seiner Fraktionsgemeinschaft, vielmehr sei von dieser Seite seit über zehn Jahren im Gemeinderat Breitband-/Glasfaserausbau alleine schon angesichts der Strahlenminderung gefordert worden. Die notwendige sachgerechte Debatte benötige Zeit.

Anschließend unterstreicht der Oberbürgermeister, StR Rockenbauch gehe von einer falschen Voraussetzung aus. Die Frage der Breitbandverkabelung sei in Deutschland rechtlich eindeutig geregelt. Konkurrierende Firmen müssten im Wettbewerb klären, wer wo Kabel verlege. Gemeinden könnten in der Regel bei unversorgten Gebieten (bis 50 Megabyte) ohne den Markt abzufragen selbst aktiv werden. Dies sei jedoch nicht das Problem, da zu fast 90 % die 50 Megabyte in Stuttgart verlegt seien. Vielmehr gehe es um das schnelle Internet mit deutlich höherer Leistungskraft. In der zu gründenden Gesellschaft seien auch Kommunen vertreten. Z. B. gehöre Ludwigsburg mit seinen Stadtwerken dazu, Mit diesen werde in der Gesellschaft kooperiert. Nicht nur die Telekom dürfe exklusiv Kabel verlegen, sondern in der Gesellschaft werde vereinbart, wer in welchem Bereich tätig werde. Ein wichtiger Punkt für die Gründung der Gesellschaft sei, dass die "Rosinenpickerei", die es in diesem Bereich gebe, gestoppt werde. Darunter sei zu verstehen, dass sich große Gesellschaften auf lukrative Gebiete konzentrierten und restliche Gebiete unberücksichtigt blieben. Die Gesellschaft könne durch die Kooperation, die angestrebt und vertraglich vereinbart werde, das Entstehen eines Flickenteppichs verhindern. Daher sei der Punkt, den Breitbandausbau in kommunaler Hand durchzuführen, nicht relevant. Diese seit Jahren vorliegende Entscheidung könne man bedauern, aber die Breitbandverkabelung sei in der Rechtsordnung ein Teil des Wettbewerbs. Ziel der Gesellschaft sei es, dass die Region zügig schnelles Internet erhalte. Eine Verschiebung wäre auch ein Affront gegenüber den anderen Teilnehmern. Nach Abschluss der langwierigen Verhandlungen, es sei um viele komplexe Unterpunkte gegangen, sei es nun an der Zeit, die Gesellschaft zu gründen. Er bitte darum, diese Punkte heute zu behandeln. Dem pflichtet StR Klingler bei.


Abschließend stellt OB Kuhn fest:

Der Gemeinderat lehnt den Vertagungsantrag bei 17 Ja-Stimmen mehrheitlich ab.

Der Gemeinderat lehnt die Behandlung des heutigen TOPs 12 als ersten TOP bei 8 Ja-Stimmen und 3 Stimmenthaltungen mehrheitlich ab.
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