Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
36/2023
GZ:
JB
Sitzungstermin: 16.03.2023
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:
Protokollführung: Frau Faßnacht th
Betreff: Besondere Schülerbeförderung - Umsetzung des landesweiten Jugendtickets (LWJT)

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 15.03.2023, öffentlich, Nr. 108
Ergebnis: einmütige Zustimmung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Jugend und Bildung vom 08.03.2023, GRDrs 36/2023, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Die Satzung zur Änderung der Satzung über die Gewährung eines Zuschusses zu den notwendigen Schülerbeförderungskosten vom 1. August 2014 (Amtsblatt Nr. 23/24 vom 5. Juni 2014; Stadtrecht 2/3) wird gemäß Anlage 1 erlassen.

2. Die Finanzierung des städtischen Anteils der kommunalen Aufgabenträger des Landesweiten Jugendtickets (LWJT) und des Zuschusses für das "AusbildungsTicket 27" erfolgt im Teilhaushalt 400 - Schulverwaltungsamt, Amtsbereich 4007010 - Weitere Fachaufgaben des Schulverwaltungsamtes, Kontengruppe 440 Sonstige ordentliche Aufwendungen, aus den bisher für das künftig wegfallende Scool- und Azubi-Abo bereitgestellten Mitteln wie unter dem Abschnitt Finanzielle Auswirkungen dargestellt, innerhalb des Budgets.




StR Pantisano (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) begrüßt sehr diese Vorlage, mit der das Bahnfahren landesweit für Jugendliche, Schüler*innen und junge Menschen für maximal einen Euro pro Tag ermöglicht wird. Richtigerweise habe man mit städtischen Mitteln das Jugendticket erweitert, damit Azubis, die älter sind als 27 Jahre, und Meisterschüler*innen auch in den Genuss kommen, dieses Jugendticket zu nutzen. Verschiedene Studierendenvertretungen und Jugendorganisationen hätten nun per Brief darauf aufmerksam gemacht und gefordert, dass diese Regelung in gleicher Weise für Studierende über 27 Jahre eingeführt wird, denn mit Einführung des landesweiten Jugendtickets falle das Studi-Ticket weg, sodass das Ganze für ältere Studierende über 27 Jahre teurer werde. Zwar sei das Land hier aufgefordert, eine Lösung zu finden, aber die Verhandlungen der letzten Monate mit der Landesregierung waren bisher diesbezüglich ergebnislos. Daher sei es wichtig, sich als Landeshauptstadt Stuttgart an die Landesregierung zu wenden und eine Lösung einzufordern, denn es gehe in Baden-Württemberg um mehr als 100.000 Studierende über 27 Jahre. Schließlich seien immer mehr Studierende gezwungen, nebenher zu arbeiten, sodass sich die Studienzeit in die Länge ziehe. Sollte es von Seiten des Landes keine Lösung geben, soll die Stadt ab September 2023 die Kosten dafür tragen. Er gehe davon aus, dass viele Vertreter der Fraktionen an dem Gespräch Ende März mit den Studierendenvertretungen teilnehmen werden, sodass man zum Nachtragshaushalt in zwei Wochen eine Lösung für diese Gruppe finden könne.

Nach der Wahrnehmung von StR Peterhoff (90/GRÜNE) "wird jeder Moment genutzt, um Maximalforderungen auszupacken". Er weist darauf hin, dass Bund und Länder 1,5 Mrd. EUR in die Hand genommen haben für das deutschlandweite 49 Euro-Ticket. Das Land nehme rund 300 Mio. EUR in die Hand für das landesweite Jugendticket, sodass Bahnfahren für die alle günstiger werde und auch die meisten Studierenden, nämlich die bis 27 Jahre, treffe. Was den Brief vom 16.02.2023 und die darin enthaltene Forderung betrifft, die Stadt möge für die älteren Studierenden über 27 Jahre einen Ausgleich schaffen, so halte er dies für schwierig. Man könne als Stadt nicht die Landesregelung korrigieren, "denn was macht dann der Fellbacher Studierende, der nach Stuttgart fährt? Der hat es dann nämlich nicht und da schaffen wir dann Ungerechtigkeit." Folglich müsse man eine allgemeine Lösung finden. Er spricht sich dafür aus, auf das Land zuzugehen, um im Rahmen einer Evaluation zu schauen, ob es Härten gibt, die korrigiert werden sollten oder müssten. Seine Fraktion werde an dem Gespräch am 27.03.2023 gerne teilnehmen. Seines Wissens sei man beim Studi-Ticket gerade im Gespräch, sodass gesichert sei, dass bis September 2023 eine Lösung vorliegt. Bis dahin sieht er die Aufgabe, herauszufinden, wie viele Studierende über 27 Jahre es in Stuttgart sind, vielleicht differenziert in diejenigen, die nebenberuflich studieren und einen normalen Verdienst haben.

StRin Schanbacher (SPD) erinnert sich, schon vor mehr als zehn Jahre als Studierendenvertretung für eine landesweite Lösung gekämpft zu haben, "wie wir günstigen Nahverkehr für alle ermöglichen können". Man habe mit dem Landes-Jugendticket nun einen Riesenschritt geschafft, auch wenn man durch die Einführung des deutschlandweiten 49-Euro-Tickets gleich überholt wurde. Als Landeshauptstadt Stuttgart habe man jedoch schon vor Einführung des Landesjugendtickets den Azubis, Meisterschüler*innen ein 365 Euro-Ticket finanziert, weil man der Meinung war, dass junge Menschen sich den öffentlichen Nahverkehr leisten können müssen - Stichwort "Verkehrswende". Das Land habe nun diese Kosten abgenommen. Jedoch schließe der Landesverkehrsminister mit seiner Regelung, das Landesjugendticket nur bis zum Alter von 27 Jahren zu gewähren, bestimmte Gruppen aus. Meisterschüler*innen und ältere Azubis über 27 Jahre bekommen deswegen die Finanzierung des 365-Euro-Tickets durch die Stadt. Darüber hinaus dürfen auch die Schülerinnen und Schüler der SBBZ landesweit fahren. Somit fehle noch eine Lösung für immerhin 20 % der Studierenden. Betroffen seien häufig solche Studierenden, die den zweiten Bildungsweg eingeschlagen haben oder diejenigen, die nebenher arbeiten müssen, um sich das Studium zu finanzieren. Da man wisse, dass die Diskussion beim Land bis Ende des Sommers geführt wird, appelliere man an OB Dr. Nopper, diese Diskussion mitzuführen: "Wenden Sie sich ans Land, unterstützten Sie die Forderung, die auch vonseiten des Gemeinderats kommt, dass auch Studierende über 27 Jahre von diesem vergünstigten Nahverkehr profitieren können!" Erst wenn es nicht gelingt, sehe sie es als Aufgabe, als Landeshauptstadt Stuttgart diese Gerechtigkeitslücke zu schließen.

StR Ozasek (PULS) berichtet, auf dem VVS-Tarifsymposium 2021 sei sehr intensiv über diese Frage diskutiert worden. Auch habe man dabei dem Ministerium gegenüber signalisiert, dass dieses Ticket modifizierbar gemacht werden muss, sodass die Kommunen oder die Verkehrsverbünde die Möglichkeit zur Anpassung haben, beispielsweise weitere Personengruppen hinzuzuziehen oder die Altersgrenze anzupassen. Dies sei jedoch abgelehnt worden, da das Verkehrsministerium ein einheitliches Tarifprodukt schaffen wollte mit einer fixierten Grenze von 27 Jahren. Somit sei klar gewesen, dass Unschärfen und Ungerechtigkeiten entstehen, mit denen man umgehen muss. Daher habe man auf Antrag von PULS und CDU dort modifziert, wo es möglich war, nämlich bei den Ausbildungsverkehren. Bei den Studierenden jedoch sei dies seines Erachtens nicht möglich, weil es aufgrund der regionalen Schullandschaft eine VVS-Lösung brauche oder eine landesweite Lösung. Daher könne man heute nur nochmals appellieren an das Land, die Regelung zu öffnen auch im Hinblick auf das 49-Euro-Deutschlandticket und entsprechend eine Lösung zu erarbeiten. Für einige Studierende über 27, die nicht im BaföG-Bezug sind, aber wohngeldberechtigt sind, bestehe die Möglichkeit, über die BonusCard zukünftig einen Zugangsmechanismus zu einem 24,50 Euro-Ticket mit VVS-weiter Gültigkeit und perspektivisch deutschlandweiter Gültigkeit zu bekommen.

StR Sauer (CDU) unterstreicht, es gebe noch immer die Chance für eine bundesweite Lösung. In den Tarifbestimmungen für das Deutschlandticket vom 27.01.2023 heiße es im Kapitel zum Semesterticket: "Im Zielzustand sollte möglichst schnell eine bundesweite Regelung über einen Solidarbeitrag für Studierende stehen. Dies ist aber bis zur Einführung des Deutschlandtickets nicht möglich, da Verhandlungen mit den Asten, Urabstimmungen und Studis etc. in diesem Zeithorizont erfahrungsgemäß nicht zum Abschluss zu bringen sind. Die Verhandlungen sollen aber in jedem Fall zeitnah aufgenommen werden." Folglich solle man die Hoffnung nicht aufgeben, dass es zu einer bundesweiten Regelung kommt, so der Stadtrat. Er weist außerdem darauf hin, dass das Studi-Ticket noch bis zum Ende des Sommersemesters gilt, sodass eine Regelung ab Mitte Oktober notwendig werde. Diesen Appell sollte der Gemeinderat vor allem an Bund und Land richten. Was das Gespräch zwischen Studierendenvertretungen und Vertreterinnen und Vertretern aller Fraktionen im Rat angeht, so komme man dort vielleicht schon zu ersten Ergebnissen im Hinblick auf deren Wünsche.

Für StR Goller (AfD) ist "die Diskussion um immer noch größere Gießkannen, immer noch weiter streuen, die Identifizierung immer noch speziellerer Nutznießer-Gruppen, von denen man sich Wählerpotenzial erhofft, geradezu bizarr". Im Hinblick auf das an-

geführte Gerechtigkeitsargument frage er sich, wo die Gerechtigkeit gegenüber der Gruppe derjenigen ist, die noch im Teenageralter ihre Ausbildung beenden und ganz normal arbeiten gehen.

Herr Körner (S/OB) nimmt Bezug auf die sehr großen Verbesserungen, die von Bund und Land in den vergangenen Monaten auf den Weg gebracht worden sind. Es handle sich um Verbesserungen für alle, besonders aber für junge Leute. Er dankt StR Sauer für den Hinweis, dass es darüber hinaus momentan eine bestehende Vereinbarung gibt zwischen dem Studierendenwerk und dem VVS, die bis zum 30.09.2023 gilt. Auch diese Vereinbarung sei kein schlechtes Angebot für Studierende über 27 Jahre. Es sei ein Solidarbeitrag, den jede*r Studierende erbringen muss in Höhe von 35 EUR pro Monat des Semesters. An dem Gespräch mit den Studierendenvertretern werde sein Referat gerne vertreten sein. Nicht korrekt sei die Aussage, wonach auf den verschiedenen staatlichen Ebenen keine Gespräche dazu mehr stattfinden würden. Es fänden solche Gespräche sowohl auf VVS-Ebene in diesen Tagen statt, zudem werden Gespräche auf Landesebene geführt als auch danach auf Bundesebene, bei denen von Seiten des VVS der Geschäftsführer Horst Stammler vertreten sein wird. Bevor diese Gespräche nicht zu einem Abschluss gekommen sind, wäre es aus Sicht der Verwaltung nicht richtig, dass die Landeshauptstadt Stuttgart Entscheidungen trifft für einen Eventualfall, den man noch gar nicht kennt. Daher plädiere er dafür, die Gespräche abzuwarten. Für alle Studierenden wäre es am besten, wenn dort Lösungen gefunden werden könnten.

StR Pantisano appelliert an OB Dr. Nopper, sich beim Landesverkehrsminister für eine Lösung einzusetzen, "denn es geht um den Wissenschaftsstandort Stuttgart". Er möge außerdem mit den Rektor*innen darüber sprechen, wie es um den Studierenden-Standort Stuttgart steht, wie die Bewerberzahlen sind und wie die Zahl der Studierenden. An die Ratsfraktion von B90/GRÜNE richtet er die Bitte, ihre Kontakte zu Verkehrsminister Hermann zu nutzen und sich für eine Lösung im Sinne einer Gleichbehandlung aller Studierenden einzusetzen.


OB Dr. Nopper stellt abschließend fest:

Der Gemeinderat beschließt einstimmig wie beantragt.

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