Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Allgemeine Verwaltung/Kultur und Recht
Gz: AKR
GRDrs 651/2020
Stuttgart,
11/27/2020



Städtische Corona-Hilfen für Clubs, Livemusik-Spielstätten und
VeranstalterInnen




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Ausschuss für Kultur und Medien
Beschlussfassung
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
02.12.2020
08.12.2020



Beschlußantrag:

1. Die Landeshauptstadt Stuttgart stellt im Jahr 2021 Corona-Hilfen auf Berechnungsbasis der Fixkosten für Stuttgarter Clubs und Livemusik-Spielstätten mit einer Kapazität bis 1.000 BesucherInnen zur Verfügung. Die Hilfen umfassen 300.000 EUR für die Monate April bis Juni 2020 und werden gemäß dem in Anlage 1 aufgeführten Kriterienkatalog vom Kulturamt abgewickelt.

2. Den großen Livemusik-Spielstätten (LKA-Longhorn, Im Wizemann und Wagenhallen) werden im Jahr 2021 bei einem vordringlichen Liquiditätsbedarf vergünstigte Darlehen in Summe von bis zu 750.000 EUR zur betrieblichen Existenzsicherung gewährt. Die Verwaltung wird ermächtigt, die Darlehen vertraglich und finanziell abzuwickeln. Die Vergabe erfolgt gemäß Anlage 2.

3.1 Die Hilfen nach Ziffer 1 in Höhe von 300.000 EUR werden gedeckt im Teilergebnishaushalt 2021 THH 410 – Kulturamt, Amtsbereich 4102811 – Kulturförderung, Kontengruppe 43100 – Zuweisungen und Zuschüsse für laufende Zwecke.

3.2 Den überplanmäßigen Auszahlungen bis in Höhe von maximal 750.000 EUR im Teilfinanzhaushalt 2021 THH 410 – Kulturamt, Projekt 7.410700 – Kulturförderung, Kontengruppe 788 – Darlehensgewährungen wird zugestimmt.

Die Finanzierung erfolgt aus Mitteln der davon-Position „Kulturelle Infrastruktur“ innerhalb der Rücklage aus den Überschüssen des ordentlichen Ergebnisses.



Begründung:


Mit der Beschlussvorlage setzt die Kulturverwaltung die Aufträge des interfraktionellen Antrags „Städtische Corona-Hilfen für Clubs, Livemusik-Spielstätten und SKS Erwin Russ“ Nr. 281/2020 um. Außerdem werden die unten genannten Anträge unterschiedlicher Fraktionen berücksichtigt, soweit sie nicht mit vorangegangenen Vorlagen erledigt waren.

Vor der Sommerpause gab die Verwaltung ein externes Gutachten in Auftrag, um zu prüfen, ob die geplante Förderung von Clubs, Livemusik-Spielstätten und VeranstalterInnen mit dem Kommunal-, dem Wettbewerbs-, dem Zuwendungs- und dem EU-Beihilfenrecht vereinbar ist. Die gutachterliche Stellungnahme liegt seit Mitte Oktober vor. Darin kommt der Gutachter der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg zu dem Schluss, dass eine solche Förderung den freiwilligen gemeindlichen Aufgaben zuzuordnen und damit grundsätzlich zulässig ist: „Es handelt sich um kommunale Aufgaben, die auch in Abgrenzung zur ebenfalls nicht grundsätzlich ausgeschlossenen gemeindlichen Wirtschaftsförderung jedenfalls einen Annex zur kommunalen Kulturförderung darstellen, der (noch) als Ausfluss der kommunalen Kulturhoheit zu werten ist. Die Zuordnung zu den freiwilligen gemeindlichen Aufgaben ist vor diesem Hintergrund als gegeben anzusehen.“

Der Gutachter nennt in seiner Stellungnahme verschiedene, zu beachtende Vorkehrungen, die größtenteils bereits im ursprünglichen Vorgehensvorschlag angelegt waren und zum Teil mit dieser Vorlage nachjustiert werden. Bereits umgesetzt war die strikte Nachrangigkeit der kommunalen Förderung nach den Mitteln von Bund und Land sowie die klare Zuordnung der Clubs und Spielstätten zu einem schwerpunktmäßig kulturellen Betrieb – in Abgrenzung beispielsweise zur Gastronomie – durch den Kriterienkatalog. Veranlasst durch das Gutachten wurde die Vergabe der Förderung anders geregelt: Sie erfolgt direkt durch die Verwaltung und nicht durch das Pop-Büro Region Stuttgart als außenstehende Einrichtung.


Eine lebendige, vielfältige und anspruchsvolle Livemusikszene braucht adäquate Räume. Die Clubs und Spielstätten sind als Konzertlocations und Kulturorte wesentliche Voraussetzung für Veranstaltungen und damit ein wichtiger Teil der kulturellen Infrastruktur. Oft dienen sie als Identifikationspunkt für Offkultur oder jugendkulturelle Strömungen und wirken an der Vermittlung aktueller musikalischer Trends aktiv mit. Sie sind Inspiration für ProgrammgestalterInnen und Produktionsräume für KünstlerInnen. Sie fördern Zusammenhalt und Zugehörigkeiten, auch unabhängig von Alters- und Generationsgrenzen. Nicht zuletzt befördern sie die Musikwirtschaft. Idealerweise sind sie damit weit mehr als ein reiner Veranstaltungsort.

Spielstätten haben aufgrund des Veranstaltungsverbots Einnahmenausfälle von fast 100 % und seit Monaten keinen konkreten Planungshorizont, wann ein regulärer Clubbetrieb wieder möglich sein wird. Ein Ende der Einschränkungen ist immer noch nicht absehbar. Dadurch droht eine Dezimierung des für die Live-Musik zur Verfügung stehenden Kulturraums in Stuttgart, der in der Stadt ohnehin eine knappe Ressource ist.
Vor allem die hohen Miet- und Nebenkosten belasten die Clubs und Spielstätten und werden existenzbedrohend, wenn Maßnahmen von Bund und Land nicht, bzw. nur anteilig greifen. Bei der Soforthilfe, die für die Monate April bis Juni beantragt werden konnte, galten Obergrenzen, die sich nach der Anzahl der Beschäftigten, bzw. deren Vollzeitäquivalenten richtete (bei bis zu 5 VZÄ, 9.000 EUR für drei Monate, bis zu 10 VZÄ 15.000 EUR und bei bis zu 50 VZÄ 30.000 EUR).

Im Juli 2020 hat die Überbrückungshilfe I die Soforthilfe abgelöst. Seit diesem Zeitpunkt können die Fixkosten der Betriebe bei den Unterstützungsanträgen umfangreich geltend gemacht werden und werden abhängig vom Umsatzeinbruch bis zu 80 %, bis zu 50 % oder bis zu 40 % erstattet. Bei der Überbrückungshilfe II werden abhängig vom Umsatzeinbruch sogar bis zu 90 %, bis zu 60 % oder bis zu 40 % erstattet. Ein Zuschussbedarf ergibt sich daher nur für die Monate der Soforthilfe.

Die vom Kulturamt Anfang November erhobene Bedarfsabfrage von den Clubs und Live-Musik Spielstäten zeigt, dass die Soforthilfe die laufenden Kosten der Clubs nicht annähernd decken konnte. Selbst wenn nur die Miete und Fixkosten für den künstlerischen Betrieb (lt. Kriterienkatalog) angerechnet werden, bleibt ein ungedeckter monatlicher Bedarf von durchschnittlich 5.000 EUR pro Club pro Monat bestehen. Insbesondere die hohen Mieten für die meist in der Stuttgarter Innenstadt ansässigen Clubs und Spielstätten machen daher eine kommunale Ergänzung der Bundes- und Landes-Hilfen notwendig. Die städtischen Corona-Hilfen auf Basis der Fixkosten dienen nicht der vollständigen Deckung des Fehlbetrags der Clubs und Spielstätten, leisten aber einen Beitrag zur Existenzsicherung der Betriebe.

Auf Basis der Datenlage schlägt die Verwaltung folgendes Vorgehen vor: Die Ausschüttung der Corona-Hilfen errechnet sich auf Grundlage der Zahlen für die Monate April bis Juni. Dafür wird ein Betrag von 300.000 EUR bereitgestellt.

Die Clubs und Spielstätten erhalten nach Beschlussfassung zu den Corona-Hilfen auf Basis der Fixkosten die Möglichkeit, sich um die einmaligen Zuschüsse zu bewerben, beziehungsweise ihre bereits eingereichten Bedarfsanmeldungen durch Nachweise zu belegen.

Antragsberechtigt für die Nothilfen sind Clubs und Livemusik-Spielstätten mit Betriebssitz in Stuttgart und einer maximalen Publikumskapazität von 1.000 Personen. Die Kulturorte müssen einen Schwerpunkt auf Livemusik- oder Live-DJ-Veranstaltungen legen und die weiteren in Anlage 1 definierten Voraussetzungen erfüllen. Kultureinrichtungen, die von der Landeshauptstadt Stuttgart institutionell gefördert werden, sind von den Corona-Nothilfen auf Basis der Fixkosten für Clubs und Livemusik-Spielstätten ausgeschlossen. Aufgrund der inhaltlich-künstlerischen Kriterien können sich Antragsberechtigte für diese Nothilfen grundsätzlich mit den Clubs, die auch als VeranstalterInnen fungieren und daher beim Live Music Fonds Stuttgart antragsberechtigt sind, überschneiden.


2. Vergünstigte Darlehen für Clubs und Livemusik-Spielstätten mit einer
Kapazität von 1.000 bis 2.500 BesucherInnen

Unter den größeren Clubs und Livemusik-Spielstätten in Stuttgart mit einer Publikumskapazität zwischen 1.000 und 2.500 Personen ragen drei Häuser heraus (ausgenommen wurde die Liederhalle, die von der in.Stuttgart Veranstaltungsgesellschaft mbH & Co. KG betrieben wird): LKA Longhorn, Im Wizemann und Wagenhallen. Eine wichtige Stellung im Kulturleben der Stadt haben sie allein schon aufgrund ihrer Größe, denn in diesem Sektor gibt es quasi keine Alternativräume. Die Räume sind entsprechend stark nachgefragt.

Alle drei Kulturorte verfügen über eine flexible Veranstaltungstechnik für hochwertige Produktionen. Hier wird ein vielfältiges und qualitätsvolles Kulturprogramm gezeigt, das überregionale BesucherInnen anzieht und u. a. kulturell herausragende Konzerte mit internationalen KünstlerInnen umfasst. Sowohl das LKA Longhorn als auch die Wagenhallen veranstalten auch selbst, während das Im Wizemann nicht als Veranstalter auftritt.

Die Strukturen und Situationen der drei Spielstätten sind sehr unterschiedlich. LKA Longhorn und Im Wizemann haben private Vermieter, insofern stellen die Miet-, Neben- und Personalkosten sowie laufende Verpflichtungen die größten Positionen bei den Fixkosten dar. Bei den Wagenhallen ist die Stadt Vermieterin. Hier bereiten neben den Personalkosten vor allem Nebenkosten und laufende Verpflichtungen wie Darlehensraten Probleme. Monatlich fallen für diese Spielstätten Fixkosten von insgesamt rund 250.000 EUR an. Besonders schwierig ist für alle drei Häuser die Planungsunsicherheit. Konzerte und Events haben einen Vorlauf von etwa sechs Monaten bis zu einem Jahr.

Die Landeshauptstadt Stuttgart stellt für diese drei Livemusik-Spielstätten im Jahr 2021 zinsfreie Darlehen bei einem vordringlichen Liquiditätsbedarf zur Verfügung. Dafür hält die Stadt Mittel in Höhe von 750.000 EUR vor. Die Vergabe erfolgt gemäß Anlage 2. Gelder von Bund und Land müssen vorrangig in Anspruch genommen werden.


Die Stuttgarter KonzertveranstalterInnen bieten dem Publikum aus Stuttgart und der Region ein urbanes, vielfältiges Angebot an Konzerten in ganz unterschiedlichen Musikgenres. Es gilt dabei zwischen rein kommerziell ausgerichteten VeranstalterInnen und solchen zu unterscheiden, deren Programm sowohl Nischenveranstaltungen als auch Großevents umfasst. Unter den veranstaltenden Einrichtungen ragen zwei aufgrund der Breite und inhaltlichen Konzeption ihres Programms, ihrer hohen Abonnentenzahlen und der jahrzehntelangen Tradition heraus: SKS Russ und die Kulturgemeinschaft e.V.

SKS Erwin Russ stellt durch ein breites und gleichzeitig anspruchsvolles Programm im klassischen Bereich mit Abonnementreihen und Highlight-Konzerten internationaler KünstlerInnen in Ergänzung zu den Anbietern der öffentlichen Hand die kulturelle Grundversorgung Stuttgarts sicher. Das Traditionsunternehmen prägt Stuttgarts Kulturleben seit Jahrzehnten kontinuierlich und hat eine Ausnahmestellung in der Stadt. Seit September 2020 hat der Bereich der klassischen Konzerte die Rechtsform einer gGmbH, deren Zweck die Förderung von Kunst und Kultur, insbesondere durch die Durchführung von Konzerten der klassischen Musik, ist.

Die Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. ist die zentrale Besucherorganisation im städtischen Kulturleben. Ihr Hauptziel ist die Kulturvermittlung. Möglichst viele, möglichst unterschiedliche Menschen der Stadtgesellschaft sollen Kulturveranstaltungen wahrnehmen und sich beteiligen können. Dafür hat die Kulturgemeinschaft ein breites und ausdifferenziertes Angebot an Abos und freien Veranstaltungen entwickelt, für das sie mit zahlreichen Kulturinstitutionen, Vereinen und Spielstätten kooperiert.

Beide Organisationen nutzen die Hilfestellungen des Bundes und erhalten die Überbrückungshilfen, bzw. haben diese sowie die Novemberhilfe beantragt. Abhängig von den weiteren Veranstaltungsverboten, Zuschauerbegrenzungen und den tatsächlichen Bundeshilfen, lässt sich ein zusätzlicher städtischer Förderbedarf zum jetzigen Zeitpunkt nicht errechnen. Die Situation wird Anfang Juni 2021 erneut bewertet und dem Gemeinderat entsprechend Bericht erstattet.



Finanzielle Auswirkungen

Die städtischen Corona-Nothilfen für Clubs und Livemusik-Spielstätten in Höhe von insgesamt 300.000 EUR werden bereitgestellt im Teilergebnishaushalt 2021 THH 410 – Kulturamt, Amtsbereich 4102811 – Kulturförderung, Kontengruppe 43100 – Zuweisungen und Zuschüsse für laufende Zwecke.

Hierfür steht Budget inkl. Ermächtigungsübertragungen insbesondere entsprechend Beschluss des Verwaltungsausschusses vom 29.07.2020 zur Umwidmung der ursprünglich für das Projekt „The Gate by Stuttgart“ vorgesehenen Mittel zur Verfügung (NNr. 329). Die Mittel im THH 200 – Stadtkämmerei sind entsprechend umzusetzen.

Die Finanzierung der Darlehen in Höhe von maximal 750.000 EUR erfolgt aus Mitteln der davon-Position „Kulturelle Infrastruktur“ innerhalb der Rücklage aus den Überschüssen des ordentlichen Ergebnisses.



Beteiligte Stellen

Referat WFB und OB/82 haben der Vorlage zugestimmt.

Vorliegende Anträge/Anfragen

Antrag Nr. 281/2020 der CDU-Gemeinderatsfraktion, der Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion, der Fraktionsgemeinschaft Die FrAKTION, der SPD-Gemeinderatsfraktion, der FPD-Gemeinderatsfraktion, der Freie Wähler-Gemeinderatsfraktion und der PULS-Fraktionsgemeinschaft vom 08.07.2020

Erledigte Anträge/Anfragen

Antrag Nr. 115/2020 von Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Fraktion, CDU-Fraktion, Fraktionsgemeinschaft Die FrAKTION, SPD-Fraktion, FDP-Fraktion, Freie Wähler-Fraktion, PULS-Fraktionsgemeinschaft "Kulturelle Infrastruktur absichern" vom 21.04.2020

Antrag Nr. 102/2020 der SPD-Gemeinderatsfraktion "Unterstützungsmaßnahmen: Mietkostenzuschuss vor allem im Kulturbereich" vom 09.04.2020

Anfrage Nr. 106/2020 der PULS-Fraktionsgemeinschaft "Finanzielle Hilfe für Stuttgarter Club-Kultur und das Nachtleben" vom 09.04.2020

Antrag Nr. 319/2020 von Fraktionsgemeinschaft Die FrAKTION "Unterstützung der Kulturgemeinschaft Stuttgart durch die LHS - Nachtragshaushalt 2020" vom 20.07.2020




Dr. Fabian Mayer
Erster Bürgermeister


Anlagen

Anlage 1: "Kriterien für den Corona-Fixkostenfonds für Clubs und Spielstätten"

Anlage 2: "Kriterien für die Darlehensvergabe für Stuttgarter Livemusik-Spielstätten"


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