Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Allgemeine Verwaltung/Kultur und Recht
Gz: AKR
GRDrs 1214/2023
Stuttgart,
11/06/2023



Haushalt 2024/2025

Unterlage für die 1. Lesung des Verwaltungsausschuss zur nichtöffentlichen Behandlung am 13.11.2023



Bericht: Johann-Friedrich-von-Cotta-Literatur- und Übersetzerpreis

Beantwortung / Stellungnahme

1. Wie fügt sich der Johann-Friedrich-von-Cotta-Literatur- und Übersetzungspreis in die bedeutenden deutschen Literaturpreise ein?

Der Johann-Friedrich-von-Cotta-Literatur- und Übersetzungspreis der Landeshauptstadt Stuttgart ist mit 20.000 EUR dotiert. Er entwickelte sich aus dem „Literaturpreis der Stadt Stuttgart“, der 1978 bis 2002 im Zweijahresturnus an drei Preistragende – zwei Schriftstellerinnen oder Schriftsteller sowie eine Übersetzerin oder Übersetzer des Landes Baden-Württemberg verliehen wurde. Seit 1996 wird der Preis zu gleichen Teilen an eine Schriftstellerin oder Schriftsteller und eine Übersetzerin oder Übersetzer vergeben. 2003 beschloss der Verwaltungsausschuss des Stuttgarter Gemeinderats die Neukonzeption und Umbenennung. Er hob die regionale Begrenzung auf Baden-Württemberg auf und legte fest, dass der Preis „für herausragende deutschsprachige erzählende Literatur und/oder publizistische Essayistik“ sowie „für überragende Übersetzungen ins Deutsche“ vergeben wird. Es gibt keine regionalen Grenzen und es wird kein literarisches Genre ausgeschlossen. Der Preis wurde bereits für Einzelwerke, Gesamtwerke, für ein besonderes aktuelles Werk oder als Lebensleistung verliehen.

Laut der Literaturwissenschaftlerin Sarah Maaß und dem Literaturwissenschaftler Dennis Borghardt, die im Projekt der Deutschen Forschungsgesellschaft "Literaturpreise im deutschsprachigen Raum seit 1990: Funktionen und Wirkungen" an der Universität Essen-Duisburg forschten, zählt man in Deutschland 1.130 Literaturpreise im Untersuchungszeitraum von 1990 bis 2018. Zieht man die eingestellten oder ruhenden Preise ab, sind es noch 950 Preise. Diese hohe Anzahl an Preisen beinhaltet zugleich eine starke Diversität der Preise beispielsweise hinsichtlich Dotierungen, Wertmaßstäbe und Auszeichnungsrahmen. Eine umfangreiche Liste deutschsprachiger Literaturpreise ist auf Wikipedia zu finden, hierin wird der Cotta-Preis genannt. Er wird jedoch in der Regel nicht zu den bedeutenden Literaturpreisen im deutschsprachigen Raum gezählt und gilt in der Autorenschaft häufig als unbekannt. Erklärt werden kann dies damit, dass der Cotta-Preis in seiner heutigen Konzeption ein recht junger Preis ist, weil er erst seit 2002 darauf zielt bundesweit sowie international deutschsprachig schreibende Autorinnen und Autoren sowie Übersetzerinnen und Übersetzer zu ehren. Zudem ist die Vergabe des Preises im dreijährigen Turnus ein vergleichsweise langer Zeitraum, das kann zur Unbekanntheit des Preises beitragen. Darüber hinaus konkurriert der Cotta-Preis im Bereich Literatur mit sehr vielen anderen Literaturpreisen. Unter Übersetzerinnen und Übersetzern wird der Cotta-Preis sehr geschätzt, da die Anzahl von Übersetzerpreisen geringer ist als die Anzahl der Litertaturpreise, aber auch unter diesen ist der Cotta-Preis mäßig bekannt. Auch in der Liste der Übersetzerpreise auf Wikipedia ist der Cotta-Preis genannt.



2. Welchen Rhythmus haben die bedeutenden Preise? Welche Dotierung weisen sie aus?

Welche sind die bedeutenden Literaturpreise im deutschsprachigen Raum? Die Relevanz eines Literaturpreises hängt nicht nur von monetären Aspekten ab, sondern auch vom symbolischen bzw. kulturellen Kapital, was sich schwerer messen lässt als ein Ranking von Dotierungen. Als renommierte und traditionsreiche Preise sind zu nennen:

Der Georg-Büchner-Preis, Dotierung: 50.000 EUR. Turnus: jährlich
Der Büchner-Preis wird seit 1951 von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt vergeben. Die Bundesrepublik Deutschland, das Land Hessen und die Stadt Darmstadt tragen jeweils ein Drittel des Preisgeldes. Ausgezeichnet werden Schriftstellerinnen und Schriftsteller, „die in deutscher Sprache schreiben, durch ihre Arbeiten und Werke in besonderem Maße hervortreten und die an der Gestaltung des gegenwärtigen deutschen Kulturlebens wesentlichen Anteil haben.“

Der Thomas-Mann-Preis, Dotierung: 25.000 EUR, Turnus: jährlich
Der Preis wird von der Hansestadt Lübeck und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste seit 2010 jährlich abwechselnd in Lübeck und München verliehen.

Der Leipziger Buchpreis zur europäischen Verständigung, Dotierung: 20.000 EUR, Turnus: jährlich
Der Leipziger Buchpreis wird seit 1994 vergeben und zählt zu den wichtigsten Literaturpreisen in Deutschland. Er wird von der Stadt Leipzig und dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst gestiftet. Mit diesem Preis werden Persönlichkeiten gewürdigt, die sich in Buchform um das gegenseitige Verständnis in Europa, vor allem mit den Ländern Mittel- und Osteuropas, verdient gemacht haben. Eine international renommierte Jury bestimmt die Preisträgerin oder den Preisträger.

Der Deutsche Buchpreis, Dotierung: 25.000 EUR, Turnus: jährlich
Mit dem Deutschen Buchpreis zeichnet der Börsenverein des Deutschen Buchhandels jährlich zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse den deutschsprachigen „Roman des Jahres" aus. Ziel des Preises ist es, über Ländergrenzen hinaus Aufmerksamkeit zu schaffen für deutschsprachige Autorinnen und Autoren, das Lesen und das Leitmedium Buch. Ihm kommt eine erhöhte Aufmerksamkeit zu, einerseits wegen seines staatstragenden Titels, andererseits wegen des Verleihungsrahmens bei der Frankfurter Buchmesse, was größtmögliche Öffentlichkeit garantiert.

Der Bremer Literaturpreis, Dotierung: Hauptpreis: 25.000 EUR;
Förderpreis: 6000 EUR, Turnus: jährlich
Der Bremer Literaturpreis umfasst einen Haupt- und einen Förderpreis. Prämiert wird das einzelne deutschsprachige Werk eines Autors oder einer Autorin, das im laufenden Jahr erschienen ist. Über die Zuerkennung der Preise, entscheidet eine Jury. Der Preis hat bereits Autorinnen und Autoren ausgezeichnet hat, die spätere Nobelpreisträger wurden, wie Jelinek und Handke.

Der Ingeborg-Bachmann-Preis, Dotierung: 25.000 EUR, Turnus: jährlich
Der Preis wird von der Stadt Klagefurt gestiftet. Er steht im Fokus aufgrund seines performativen Aspekts, das Vortragen bislang unveröffentlichter Texte, und der öffentlichen Jurydiskussion, die eine zentrale Rolle spielt. Der Wettbewerb entstand nach dem Vorbild der Gruppe 47. Drei Tage lang lesen die Bewerberinnen und Bewerber 25 Minuten aus einem unveröffentlichten Text vor und stellen sich der Jury. Teilnehmen darf, wer von einem Jurymitglied vorgeschlagen wurde.

Der Friedenspreis des deutschen Buchhandels, Dotierung: 25.000 EUR,
Turnus: jährlich
Der Preis richtet sich dezidiert international aus und hat ein immenses Renommee. Er wird seit 1950 vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels verliehen. Im Friedenspreis wird die Verpflichtung des Buchhandels, mit seiner Arbeit der Völkerverständigung zu dienen, sichtbar. Die Verleihung findet traditionsgemäß während der Frankfurter Buchmesse statt. Überreicht wird der Friedenspreis im Rahmen einer Feierstunde in der Frankfurter Paulskirche, dem Tagungsort der Frankfurter Nationalversammlung (1848), die für die demokratische Entwicklung Deutschlands von historischer Bedeutung war.

Heinrich-Heine-Preis, Dotierung: 50.000 EUR, Turnus: zwei Jahre
Die Landeshauptstadt Düsseldorf vergibt den Heine-Preis für Persönlichkeiten, „die durch ihr geistiges Schaffen im Sinne der Grundrechte des Menschen, für die sich Heinrich Heine eingesetzt hat, den sozialen oder politischen Fortschritt fördern, der Völkerverständigung dienen oder die Erkenntnis von der Zusammengehörigkeit aller Menschen verbreiten". Der Preis wurde im Jahr 1972, anlässlich des 175. Geburtstags des Dichters, zum ersten Mal verliehen.

Wilhelm Raabe-Literaturpreis, Dotierung: 30.000 EUR, Turnus: jährlich
Mit der Verleihung dieses Preises zeichnen die Stadt Braunschweig und Deutschlandradio/Deutschlandfunk jährlich ein in deutscher Sprache verfasstes erzählerisches Werk aus. Mit der Auszeichnung soll exemplarisch das bis zum Zeitpunkt der Preisverleihung publizierte literarische Schaffen gewürdigt werden. Ein neues Buch des Preisträgers oder der Preisträgerin muss im laufenden Kalenderjahr der jeweils aktuellen Vergabe erschienen sein.

Preis der Leipziger Buchmesse, Dotierung: 15.000 € pro, Turnus: jährlich
Die Stadt Leipzig und der Freistaat Sachsen vergeben den Preis jährlich seit 2005 am ersten Buchmessetag in der Glashalle. Ausgezeichnet werden herausragende deutschsprachige Neuerscheinungen und Übersetzungen in den Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung.

Kleist-Preis, Dotierung: 20.000 EUR, Turnus: jährlich
Der Kleist-Preis wurde erstmals 1912 anlässlich des 101. Todestages von Heinrich von Kleist vergeben. Im Verständnis der Kleist-Stiftung ist der Preis eine „Ehrengabe“, die nach Satzung der Kleist-Stiftung an „aufstrebende und wenig bemittelte Dichter deutscher Sprache“ gehen soll. Die Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft vergibt den Kleist-Preis im November jeden Jahres in zeitlicher Nähe zu Kleists Todestag (21. November).

Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln, Dotierung: 20.000 EUR, Turnus: 2 Jahre
Im Gedenken an den Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll wird seit 1980 der nach ihm benannte Ehrenpreis vergeben. Er ehrt jeweils ein literarisches Lebenswerk. Bis 1992 wurde der Preis jährlich vergeben, danach nur noch alle zwei Jahre.



3. Wie wird die aktuelle Positionierung/Bedeutung des Stuttgarter Preises im bundesdeutschen Vergleich eingeschätzt?

Dotierung
Die Dotierung des Johann-Friedrich-von-Cotta-Literatur-und Übersetzungspreis beträgt aktuell 20.000 EUR und wird jeweils zu gleichen Anteilen an die Literatur und Übersetzung vergeben. Somit beträgt das Preisgeld aktuell 10.000 EUR pro Person. Damit liegt der Cotta-Preis im unteren Ranking im Vergleich mit den oben genannten städtischen Preisen. Folgende - ebenfalls bekanntere - Literaturpreise sind ebenfalls mit 10.000 EUR oder einem geringeren Preisgeld dotiert:
· Aspekte Literaturpreis, wird vom ZDF vergeben für das beste deutschsprachige Prosa-Debüt.
· Deutscher Jugendliteraturpreis, gestiftet vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
· Open Mike, internationaler Wettbewerb junger deutschsprachiger Prosa und Lyrik und wird vom Haus der Poesie Berlin und der Crespo Foundation ausgeschrieben.
· Max-und-Moritz-Preis für die beste deutschsprachige Comic-Künstlerin oder den besten deutschsprachigen Comic-Künstler

Diese Preise ehren spezifisch einzelne Genre, Nachwuchs-Autoren oder junge Literatur.

Kooperationen
Die bedeutenderen Literaturpreise von Städten zeichnen sich aus durch Kooperationen mit dem Land oder mit einer Stiftung. Dadurch wird zum einen eine höhere Dotierung erzielt und zum anderen eine breitere Öffentlichkeit erreicht. Die Zusammenlegung des Preises mit dem Literaturfestival als eine Maßnahme zur Harmonisierung und für eine erhöhte Sichtbarkeit des Preises könnte durch eine weitere Kooperation zusätzlich gestärkt werden.

Turnus
Im Vergleich zu den oben gennannten Preisen wird der Cotta-Preis im Drei-Jahres-Turnus vergeben. Wie bereits erwähnt, ist dieser Zeitraum vergleichsweise lang und ein Faktor, der den Preis auch innerhalb der Stuttgarter Stadtbevölkerung in Vergessenheit geraten lässt.

Richtlinien, Jury, Auswahlprozess
Infolge einer Überarbeitung der Richtlinien sollen der Auswahlprozesses und die Jury neu beschlossen werden. Im Vergleich zu anderen bedeutenden Literaturpreisen ist das Auswahlkriterium des Cotta-Preises äußerst weit gefasst und allgemein gehalten. Für eine Präzisierung des Profils könnten weitere inhaltliche Kriterien hilfreich sein. Während die bedeutenderen Literaturpreise mehrheitlich einen gesellschaftlich relevanten Themenschwerpunkt wie Frieden, Völkerverständigung, geistige Unabhängigkeit etc. fördern, reduziert der Cotta-Preis die Literatur ausschließlich auf ihre ästhetischen und literarischen Formen. Eine Neuaufstellung der Jury ist notwendig, um diese den aktuellen Diskursen zu Partizipation, Neutralität und Unabhängigkeit anzupassen, und um damit für den Preis eine weiterhin zeitgemäße solide sowie qualitätsvolle Basis zu schaffen.

Vorliegende Anträge/Anfragen

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3057/2023 SPD




Dr. Fabian Mayer
Erster Bürgermeister




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