Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Allgemeine Verwaltung/Kultur und Recht
Gz: AKR
GRDrs 1068/2017
Stuttgart,
10/27/2017



Haushalt 2018/2019

Unterlage für die 1. Lesung des Verwaltungsausschuss zur nichtöffentlichen Behandlung am 06.11.2017



Erinnerungskultur bewahren: Erforschung der NS-Geschichte

Beantwortung / Stellungnahme

Die Stadtverwaltung hat frühzeitig die Erforschung der lokalen NS-Geschichte gefördert. Sie hat wiederholt betont, dass sie in der Erforschung und Vermittlung der NS-Geschichte eine zentrale Aufgabe sieht; sie hat deshalb bürgerschaftliche Initiativen begrüßt und unterstützt. Zurecht wird auf dieses Engagement sowie die städtische Unterstützung im Antrag 230/2017 der Gemeinderatsfraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SÖS-LINKE-PluS hingewiesen.

In den letzten Jahren hat sich die Forschung intensiver mit der Rolle der Verwaltung in der NS-Zeit befasst. In mehreren Projekten wurden Reichs- und Landesministerien und auch Kommunalverwaltungen untersucht. Der Mythos der Nachkriegszeit, dass ein intakter Verwaltungskörper bedrängt von NS-Instanzen seine Pflicht erfüllt hätte, ist von der Forschung widerlegt. Als einer der ersten überhaupt hatte Dr. Roland Müller dies für Stuttgart in seiner Dissertation „Stuttgart zur Zeit des Nationalsozialismus“ (1988) geleistet, in der die Rolle der Stadtverwaltung einen expliziten Schwerpunkt bildet. Sie wird auch in der 1995 erschienenen Biographie des NS-Oberbürgermeisters Dr. Karl Strölin von Dr. Walter Nachtmann thematisiert. Insoweit ist erfreulich, dass in jüngster Zeit vermehrt Städte, auch in der Region, erstmals Studien in Auftrag gegeben haben.

Dennoch bestehen auch für die NS-Geschichte Stuttgarts und der Stadtverwaltung Defizite - abgesehen davon, dass Geschichte niemals „aufgearbeitet“ ist; jede Generation muss ihre je eigenen Fragen stellen. Die Forschung konnte lange Zeit nicht auf relevante Quellenbestände zugreifen; die auch wegen Aktenvernichtung und -verlust besonders wichtigen personenbezogene Unterlagen der NS- und v.a. der Nachkriegszeit (Entnazifizierung, Justiz, sog. Wiedergutmachung etc.) gelangten zu einem erheblichen Teil erst seit den 1990-er Jahren in die Archive bzw. standen durch gesetzliche Sperr- und Schutzfristen nicht uneingeschränkt zur Verfügung.

Dieses Thema und die damit verbundenen Fragestellungen bedürfen sorgsamer, intensiver Planung und externer Expertise. Ein solches Projekt muss sich der Kritik stellen können, um über eine Willenserklärung hinaus der damit verbundenen Verantwortung gerecht zu werden.

In einem wissenschaftlichen Vorprojekt könnte zunächst die systematische Forschungsarbeit zur NS-Geschichte der Stadt Stuttgart, ihrer Ämter, Krankenhäuser und Einrichtungen konturiert werden. Dabei kommt der Erforschung der Geschichte der Krankenhäuser eine gewisse Priorität zu; eine Bestandsaufnahme der dort verwahrten, eher spärlichen Quellen hat das Stadtarchiv für eine Initiativgruppe und den Personalrat des Klinikums bereits erstellt.

In diesem Vorprojekt ist zu klären, ob ein rein organisatorischer Zugriff (jedes Amt, jeder Betrieb usf.) sinnvoll sein kann bzw. ob nicht eine systematische Betrachtung ertragreicher wäre (s.u. „Zwangsarbeit“). Auch müssen (noch) vorhandene Quellen eruiert, muss das Wünschenswerte mit dem Machbaren in Relation gesetzt werden.

In diesem Kontext sollen auch die Beteiligung ehrenamtlich Forschender bei Erarbeitung von Zielen und im Prozess ausgelotet sowie etwaige Erfahrungen in anderen Städten erhoben und ausgewertet werden.

Das Vorprojekt zur Klärung der o.g. Fragen und der weiteren Schritte bis zum HH 2020/21 könnte in den Jahren 2018/19 vom Stadtarchiv durchgeführt und aus Budgetmitteln finanziert werden. Im Vorprojekt sollen Arbeitsaufträge für Quellenrecherchen vergeben und Workshops mit externen Wissenschaftlern und interessierten Bürgerinnen und Bürgern durchgeführt werden.

Für die weitere Forschungsarbeit könnte dann bis zum HH 2020/21 ein Projekt- und Finanzierungsplan erarbeitet und vorgelegt werden.



Vorliegende Anträge/Anfragen

Antrag Nr. 556/2017 Nr. 1 der SPD-Gemeinderatsfraktion




Dr. Fabian Mayer
Bürgermeister




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