Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OB 1238-01
GRDrs 554/2019
Stuttgart,
07/09/2019


Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Prostituierten* in Stuttgart



Mitteilungsvorlage zum Haushaltsplan 2020/2021


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Jugendhilfeausschuss
Verwaltungsausschuss
Beirat für Gleichstellungsfragen
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
öffentlich
öffentlich
22.07.2019
22.07.2019
24.07.2019
24.07.2019

Bericht:

Mit dieser Vorlage sollen Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Prostituierten* in Stuttgart im Zusammenhang mit einer notwendigen Förderung gebündelt dargestellt werden.

In Stuttgart gibt es nach den Erkenntnissen der Polizei 1.032 weibliche* Prostituierte (Stand 2018). Etwa 88 % sind aus dem Ausland, vorwiegend aus dem osteuropäischen Raum. In 2018 wurden rund 19 männliche* Prostituierte erfasst. Nach Erkenntnissen der Polizei sind es häufig Transsexuelle, die ihre Leistungen gegen Entgelt anbieten. Von einer hohen Dunkelziffer ist sowohl bei Männern* als auch Frauen* auszugehen. Während es sich bei den Männern* vielfach um Straßenprostituierte – auch Stricher* genannt – handelt, arbeitet der Großteil der Frauen* in Bordellen oder Modellwohnungen. Ungefähr 480 Frauen* sind täglich als Prostituierte tätig, davon in den Prostitutionsobjekten im Leonhards- und Bohnenviertel ca. 160, ca. 10 Personen sind auf dem dortigen Straßenstrich festzustellen (Stand 2018). Der überwiegende Anteil der Prostituierten* ist der Armutsprostitution zuzurechnen. Dabei sind die Übergänge zwischen Armuts- und Zwangsprostitution fließend.

Auf Anregung des Beirats für Gleichstellungsfragen wurde im Oktober 2016 unter der Federführung von OB-ICG ein interdisziplinärer Runder Tisch „Verbesserung der Situation von Prostituierten* in Stuttgart“ eingerichtet. Die Teilnehmenden rekrutieren sich aus Bereichen der Stadtverwaltung (OB-ICG, Abteilung Integrationspolitik, Gesundheitsamt, Sozialamt, Jugendamt, Jobcenter, Referat Sicherheit, Ordnung und Sport, Welcome Center, Referat SOS/KKP) und der in Stuttgart tätigen unterschiedlichen Beratungsstellen, Einrichtungen, Vereine, Verbände und weitere Institutionen (Agentur für Arbeit Stuttgart, AIDS-Hilfe Stuttgart, Anlaufstellen La Strada und Café Strich-Punkt, Caritasverband für Stuttgart, Die Apis - evangelischer Gemeinschaftsverband Württemberg e. V., Esther Ministries Stuttgart e. V., FrauenFanal - Beratungsstelle des städtischen Frauenhauses, Fraueninformationszentrum - FIZ, Citizen.Kane.Kollektive, KAINOS e.V. INGA e. V. - Initiative gegen die Ausbeutung von Frauen in der Prostitution, Lagaya - Verein zur Hilfe suchtmittelabhängiger Frauen, Landesfrauenrat Baden-Württemberg, Made by humanity, Malteser Stuttgart, MedMobil - Ärzte der Welt, Pro Familia, Polizeipräsidium Stuttgart, Sisters - für den Ausstieg aus der Prostitution e.V., Terre des Femmes Menschenrechte für die Frau e.V. Verein zur Förderung von Jugendlichen mit besonderen Schwierigkeiten e.V. Wekstatt PARITÄT gGmbH, Frauenunternehmen ZORA) die Beratung und Unterstützung für Prostituierte* in Stuttgart anbieten, sich für die Stärkung der persönlichen und gesundheitlichen Lage der Prostituierten* einsetzen und/oder einen Beitrag zur Prävention und Vermeidung von Prostitution leisten.

Dieser interdisziplinäre Fachaustausch findet viermal jährlich statt. In einer ersten Klausursitzung 2016 wurden „blinde Flecken“ in der Beratungslandschaft festgehalten und daraus die Arbeitsschwerpunkte für 2017 und 2018 abgeleitet: Fortsetzung der Stuttgarter Freierkampagne, Erweiterung und Intensivierung der Ausstiegsprogramme, Prostituierte* und ihre familiäre Situation (Kinder, Partner). 2019 konnte nun ein Bündel an sinnvollen Maßnahmen beschlossen und den Fraktionen des Gemeinderats vorgestellt werden. Die Sitzungen des Runden Tisches werden von OB-ICG inhaltlich vorbereitet, geleitet und die Ergebnisse aufbereitet. Grundsätzliche Ziele des Runden Tisches: Die Mitglieder des Runden Tisches wirken freiwillig zusammen. Die hier gewonnenen Erkenntnisse werden in die jeweiligen Einrichtungen rückgekoppelt und tragen so zu einer intensiven Vernetzung aller Verantwortlichen bei.

Es besteht Einigkeit unter den Teilnehmenden, dass eine intensive Freierkampagne, mit dem Ziel, die Nachfrage nach Prostituierten* zu reduzieren, eines der Schwerpunktziele gemeinsamen Arbeitens ist. Hierzu wurden unterschiedliche Module entwickelt, die lokal bzw. regional bereits pilothaft erprobt werden konnten. In Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen 2020/21 ist es ein Anliegen des Runden Tisches „Verbesserung der Situation von Prostituierten* in Stuttgart“, dass erarbeitete Lösungsansätze und Maßnahmen umgesetzt und weiterentwickelt werden können.

Neben weiblichen* Prostituierten dürfen männliche* Prostituierte und deren prekäre Situation nicht aus den Augen verloren werden, die bislang nicht erreicht worden sind. Aufgrund der komplexen Situation und verschieden gelagerter Probleme der Zielgruppe, stellt der Zugang eine große Herausforderung dar. Hier sollte unterstützend, vernetzt gearbeitet werden. Eine Maßnahme, könnte beispielsweise, wie beantragt, der spezifische Ausbau aufsuchender Arbeit (Streetwork) sein.

Das Leistungsangebot der Verwaltungseinheiten, Einrichtungen, Fachberatungsstellen und Vereine zur Verbesserung der Situation der Prostituierten* ist vielseitig und zum Teil sehr unterschiedlich, je nach Konzept. Ein Großteil der Einrichtungen bietet neben der direkten Unterstützung der Betroffenen auch Öffentlich­keits-, Vernetzungs-, Lobby- und Gremienarbeit an. Innovative, kreative Ideen beispielweise für Workshops und Theaterprojekte in Zusammenhang mit dem Thema „Ware Mensch“ fehlen vielfach die Ressourcen.

Nachfolgend hat OB-ICG in Abstimmung mit den Teilnehmenden des Runden Tisches vier Projektvorschläge in einer Übersicht aufgeführt und die dazugehörigen ausführlichen Darstellungen der Maßnahmen als Anlagen beigefügt. Für die Entwicklung und Umsetzung der Maßnahmen werden in den Haushaltsberatungen 2020/21 entsprechende Finanzbedarfe beantragt:

Erforderliche Ressourcen

Nr.MaßnahmeZielsetzungMittel
2020
Mittel
2021
1.Dachkampagne #ROTLICHTAUSPlakatierung, Kinospots und die Präsenz in sozialen Medien
50.000 €
2.FreierkampagneWorkshopversion des Theaterstücks „girls, boys love cash“ im Rahmen des Schulunterrichts Prävention
30.000 €
30.000 €
3.Beratung und Streetworkmännliche und trans* (lsbtiq*) ProstitutionErgebnis Runder Tisch Prostitution. Männliche Prostituierte werden in der Diskussion vernachlässigt.
25.500 €
25.500 €
4.Kampagne #ichbinkeinfreierProfessionalisierung der Öffentlichkeitskampagne
10.000 €
10.000 €
Summe
115.500 €
65.500 €

1. Dachkampagne #ROTLICHTAUS

Die Dachkampagne #ROTLICHTAUS, entstand aus einer Kooperation des Landesfrauenrats Baden-Württemberg und SISTERS e.V. Die Kampagne wurde 2017 ins Leben gerufen und entwickelte Informationsmaterialien auf Spendenbasis. Ziel ist es, potentielle Freier auf die Prostitutionsproblematik aufmerksam zu machen. Die Datensätze werden Kommunen kostenlos zur Verfügung gestellt, für die Produktion sind die Kommunen selbst zuständig. Die Kommunen haben die Möglichkeit das Stadtlogo auf die Materialien zu drucken. Städte können mit diesen Materialien den öffentlichen Raum gestalten. Die Kampagne profitiert von einem großen Wiedererkennungswert, beispielsweise wurden sie als Hintergrund in der Landeschau verwendet. Es sollen Plakatierung, Kinospots und die Präsenz in sozialen Medien ausgebaut werden. Dafür ist eine Förderung in Höhe von 50.000 EUR für das Jahr 2020 notwendig

2. Freierkampagne Prävention

Die Kampagne wurde von Citizen.Kane.Kollektiv in Kooperation mit dem Kinder- und Jugendtheater Jes konzipiert. Durch eine Doppelpassförderung des Kulturstifts des Bundes für zwei Jahre, hatte das Kollektiv die Möglichkeit aus Jugendperspektive zu der Thematik Prostitution zu recherchieren. Für diese Recherchearbeit war eine Gruppe von Jugendlichen im Leonhardsviertel unterwegs, besuchte die AIDS-Hilfe und fuhr anschließend nach Rumänien, um dort weiter zu forschen. Aus dieser Arbeit entstanden zwei verschiedene Stücke. „Unterm Strich“ wurde das erste Stück genannt. Im zweiten wurde die Recherchearbeit aufgearbeitet und es entstand das Stück „GirlsBoysLoveCash“. Dieses Stück ist in zwei verschiedene Phasen aufgebaut. Hierbei handelt es sich in der ersten Phase um ein partizipatives Angebot, welches sich mit dem Thema „Mensch als Ware“ beschäftigt. In der zweiten Phase werden Geschichten aus der Recherchearbeit erzählt. Für 2020/2021 ist geplant, das Theaterstück „GirlsBoysLoveCash“ unplugged als Workshop Version in Schulen durchzuführen. Dafür ist eine Förderung in Höhe von je 30.000 EUR für 2020/2021 notwendig

3. Streetwork mit männlichen Prostituierten

Männliche* Prostituierte werden in der öffentlichen Diskussion oft vernachlässigt. Deshalb sollen für diesen Personenkreis Streetwork-Maßnahmen gefördert werden. Dafür sind Mittel in Höhe von je 25.500 EUR für 2020/2021 erforderlich. Die Maßnahmen werden von verschiedenen Trägern konzipiert und durchgeführt.

4. Kampagne #ichbinkeinfreier

Ziel dieser Kampagne ist es, die Nachfrage nach Prostitution bewusst durch persönliche Reflexion zum Thema „Sexualität auf Augenhöhe“ zu reduzieren. Mit der Kampagne soll der gesellschaftlichen Akzeptanz von Prostitution begegnet werden. Die Statements von Männern werden momentan in sozialen Medien wie Instagram und Facebook veröffentlicht. Ziel ist es nun, die Statements auf Stadtpostkarten und in Stuttgarter Kinos zu zeigen. Dafür werden Mittel in Höhe von insgesamt je 10.000 EUR für 2020/2021 benötigt.

Finanzielle Auswirkungen


Ergebnishaushalt (zusätzliche Aufwendungen und Erträge):
Maßnahme/Kontengr.
2020
TEUR
2021
TEUR
2022
TEUR
2023
TEUR
2024
TEUR
2025 ff.
TEUR
Dachkampagne #ROTLICHTAUS
50
Freierkampagne
30
30
Beratung und Streetwork mit männliche und trans* (lsbtiq*) Prostitution
25.5
25.5
Kampagne #ichbinkeinfreier
10
10
Finanzbedarf
115,5
65.5
(ohne Folgekosten aus Einzelmaßnahmen, Investitionen oder zusätzlichen Stellen – diese bitte gesondert darstellen)

Mitzeichnung der beteiligten Stellen

Referat WFB hat am 02.07. zurückgemeldet, dass sie mit der Vorlage einverstanden sind, die Referate AKR und JB haben am 03.07. Kenntnis genommen, die Änderung von AKR wurde eingearbeitet.

Referat SI hat die Vorlage mit folgendem Hinweis am 03.07. mitgezeichnet: "Aus sozialplanerischer Sicht des Gesundheitsamtes sind die beantragten Projekte grundsätzlich zu befürworten. Allerdings fallen die von OB-ICG beantragten Projekte in den Aufgabenbereich der Sozialplanung "Prostitution", die am Gesundheitsamt angesiedelt ist. Die Projektplanung und die Projektförderung sind daher aus Sicht von Referat SI dort anzusiedeln.






Fritz Kuhn


Anlagen:

Maßnahmen zur Verbesserung der Prostituierten* in Stuttgart


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Maßnahmen_zur Verbesserung der Prostituierten in Stuttgart.pdf